Heute eine Vertiefung zur wichtigsten Footballerkenntnis der letzten eineinhalb Jahren, wenn wir über Defense sprechen: Coverage ist wichtiger als Pass-Rush.
Jason Fitzgerald hat im jüngsten OTC-Podcast über die Salary-Cap Strategien von Teams auf Wide Receiver und Cornerback gesprochen. Eine höchst interessante Erkenntnis dabei:
- 11 Teams haben jeweils 4 Wide Receiver unter Vertrag, in die Top-3 Wide Receiver Ressource investiert wurde (also unter den 96 teuersten Receivern)
- Nur ein einziges Team hat 4 Cornerbacks mit Top-3 Cornerback-Ressourcenbindung unter Vertrag (New England, rein zufällig die #1 Defense im Lande). Nur zwei weitere – Baltimore und Detroit – haben Top-2 Cornerback Investment in 3 Cornerbacks.
Dabei ist wichtig zu sagen: Rookie-Verträge berechnet Fitzgerald nicht unter ihrem tatsächlichen, künstlich niedrig gehaltenen Wert, sondern mit dem erwarteten zweiten Vertrag relativ an dessen Draftposition.
Das Ergebnis legt nahe: Teams sind durchaus bereit, in einen tiefen WR-Corps zu investieren, aber knauserig dabei, einen tiefen Cornerback-Depth Chart zusammenzustellen. Viel lieber zahlen sie Top-Money für Super-Passrusher oder geben den 6 Mio/Jahr-Vertrag an einen situativen Pass-Rusher aus. Das ist aus mehreren Gründen erstaunlich.
Fragilität von Defense
Das bringt mich kurz zu einem Analytics-Artikel von Eric Eager aus dem März, in dem Eager die „Anti-Fragilität“ von Defenses untersucht hat: In welchen Facetten ist Defense ein Weak-Link Problem? Also ein Problem, das eher durch das schwächste Glied der Kette definiert wird als durch das beste?
Eager kommt dort u.a. zum Schluss:
- Für Pass-Coverage gilt auf alle Fälle das Credo von Weak-Link.
- Doch auch für Pass-Rush wird die Strahlkraft von Stars überschätzt. Tatsächlich wäre es vernünftiger, das Geld für die Super-Individualisten zu sparen und an anderen Stellen einzusetzen.
Wir haben bereits gelernt: Die Qualität von Pass-Rushern ist stabiler und somit einfacher zu prognostizieren als jene von Deckungsspielern. Hast du heute einen starken Pass-Rusher, kannst du dir recht sicher sein, dass dieser auch morgen erstklassig sein wird. Bei Defensive Backs ist diese Stabilität nicht so gegeben.
Investment in die Tiefe
Doch das, argumentieren Eager und Fitzgerald unisono, ist eher mehr als weniger Grund, in eine tiefe Secondary zu investieren. Zum einen beeinflussen Deckungsspieler jeden einzelnen Passspielzug, während Pass-Rusher maximal 25% der Pass-Snaps (eher 10-15%) ihren Stempel aufdrücken. Zum anderen braucht man gerade durch die Instabilität auf der Position möglichst viele Assets zur Risikominimierung.
Klar ist: Die Offense diktiert das Geschehen am Feld. Offense als Gesamtkonstrukut ist kein Weak-Link Problem, da so vieles vom Quarterback allein abhängt, der viele Schwachpunkte kaschieren kann. Sie kann prinzipiell entscheiden, welche Receiver sie anspielt, bzw. welche gegnerischen Cornerbacks die zu attackierenden Schwachpunkte sind.
Anders: Ein großartiger Receiver ist immer von großartigem Wert, aber ein großartiger Cornerback ist nur dann eine super-wertvoll, wenn er gegen einen großartigen Receiver spielt.
Willst du eine Offense einbremsen, musst du die Top-3 Receiver stoppen und den Gegner zwingen auf die ineffizienteren Targets wie Tight Ends und Runningback-Routen auszuweichen. Das ist der echte Gewinn für eine Defense! Oder du forcierst den vierten Wide Receiver aufs Feld und bringst die Offense damit aus der „Comfort-Zone“.
Doch das alles gelingt dir nur mit einem tiefen Depth-Chart auf Cornerback (bzw. generell Defensive Back).
Einen tiefen Depth-Chart auf Cornerback anzustreben, ist somit nix anderes als gutes Risikomanagement: Absicherung gegen die Unvorhersehbarkeit von individueller Coverage-Performance, Absicherung gegen tiefen WR-Depth Chart beim Gegner, Absicherung gegen individuelle vom Gegner identifizierte Matchups.
Entsprechend sollten Teams auf Cornerback ähnlich wie auf Wide Receiver nicht „three deep“ denken, sondern mindestens „four deep“. Auf Receiver machen das schon viele. Auf Cornerback, wo es aufgrund der Instabilität der Leistungen noch wichtiger wäre, ist die Liga dort noch hintendran.
Haben wir es mit einem Problem verknappter Talent-Ressourcen zu tun? Möglicherweise – aber das wäre umso mehr Grund für höher dotierte Cornerback-Verträge. Doch die gibt es nicht. Es scheint also in der Tat ein Problem der falschen Prioritätensetzung zu sein.
Interessant ist ja, dass New England und Baltimore gefühlt schon seit Jahren ihre Defense über eine bockstarke Secondary aufbauen und damit fast immer unter den Top 5-10 Defenses sind.
Wann waren die Seahawks Defense und Denver Defense so stark? Als sie ihre „Legion of Boom“ respektive „No Fly Zone“ hatten.
Die Frage ist: Wieso erkennen das andere Teams nicht?
Irgendwann müsste doch da ein Licht aufgehen …
Spannend…
Vllt auch ein bischen Henne & Ei 😉 . NE als BEispiel: sie haben die letzten 10 JAhre nie Draft-KApital in QBs stecken müssen, der Elite-QB hat sich auch noch mit einem rel billigen Vertrag zufrieden gegeben und sie hatten dank exzellentem Coaching immer eine gute DL. Dann bleiben für div andere Positionen mehr Ressourcen übrig.
Wobei natürlich stimmt, das NE für den LAien wie mich anscheinend mehr in Cornerbacks steckt als in PAssrush oder WR. Aber ich tippe, ein Drittel der Liga kann gar nicht so viel GEld/DRaftkapital in Cornerbacks stecken, weil sie verzweifelt DEN QB suchen.
Interessanterweise haben die Patriots noch einen anderen Gedankengang. Ja, das CB-Corps ist tief. Das Safety-Corps ist aber noch viel tiefer, iM haben sie 9 nominielle Safety im Roster. Und viele von denen würde man eher als Box Safety kategorisieren.
Woran wird denn fest gemacht, dass der Wert von pass rush stars geringer ist als von einer ausgeglichenen line?
Ich würde behaupten, dass die offense nicht ganz so frei entscheiden kann, wen sie anspielt (sofern sie über scheme kommt) gerade eine Defense wie Buffalo lebt ja davon den ersten read Weg zu nehmen und somit eben zu bestimmen, welchen Wurf der qb nehmen kann.
@alexanderbrink: Der Wert ist nicht „geringer“, aber nicht in dem Ausmaß wertvoll, dass er solche monströsen Verträge wie bei den Top-Passrushern rechtfertigt.
Hier ein paar Auszüge aus der Studie, falls du kein PFF-Abo hast:
Zum Thema „kann nicht frei entscheiden“: Daher steht oben (also in meinem Text) auch „kann prinzipiell entscheiden“. Die Defense kann einer Offense natürlich den einen oder anderen Schubs geben bzw. die Entscheidung der Offense lenken, das steht denke ich außer Frage.
Aber letztlich haben wir so erdrückende Nachweise, dass die Offense trotzdem das Geschehen bestimmt und im Matchup den Vorteil hat. Eine Offense kann einen schwachen Receiver durchschleppen, aber eine Defense tut sich schon mit einem schwachen Cornerback sauschwer. Häufig genug attackieren die Offenses auch den CB1 beim Gegner, weil sie es eben können.