Warum George Kittle nicht wie ein Elite-Receiver bezahlt wurde

(Und warum das richtig so ist)

Taufrisch: George Kittle von den San Francisco 49ers bekommt eine 5-Jahresverlängerung seines Vertrags für 75 Mio. Dollar, according to Adam Schefter. Er sprengt damit den Tight-End-Markt. Aber er erreicht nicht die Regionen der absoluten Receiver-Elite.

5 Jahre, 75 Mio. entsprechen 15 Mio. APY (average per year). Das entspricht aktuell dem 11t-teuersten Wide-Receiver-Vertrag von Jarvis Landry. 40 Mio. guaranteed sprengen den Tight-End-Markt.

Gestern Abend schon gab es Diskussionen ob Kittle mit diesem Vertrag nicht sogar ein Schnäppchen sei – schließlich galt er bei PFF als bester Spieler overall der ganzen letzten Footballsaison.

Ich halte ihn nicht für unterbezahlt. Ich halte Kittles Status für momentan sogar leicht überschätzt.

Ich habe schon einmal im Vorfeld der Superbowl über die Tight-End-Position und Kittle geschrieben:

Tight Ends sind eher Symptom dafür, dass Reid & Shanahan ihre Spieler entsprechend ihrer Stärken in Szene setzen, als dass sie selbst die wichtigsten Gründe für den SB Einzug wären.

Kelce ist ja primär von der Statur her ein Tight End – aber eingesetzt wird er eher wie ein richtiger „Big-Slot Receiver“. Kittle ist eine Wunderwaffe, aber auch bei ihm nutzt Shanahan vor allem seine Stärke als Blocker um ihn immer als in-Line TE aufzustellen und dann bei Passspielzügen kurz anzuspielen. Kittle hat recht niedrigen aDOT und sehr viele Alibi-Targets hinter der LOS. (Kittle ist kein „Seam Route / high aDOT“ Gronk!)

Es ist schön, dass wir heute nicht mehr bloß über Tape-Scouting (was ich persönlich eher speziell betreibe, aber Kittle hatte ich getrackt) sprechen müssen, sondern das gescoutete Gefühl auch mit Zahlen untermauern können. PFFs Timo Riske (@PFF_Moo) hat irgendwann in der Offseason diese wunderbare Grafik an Targets rausgeschossen, die einen Kittle mit einem Gronkowski in dessen Blüte verglich:

Links Gronk, rechts Kittle. Zonen mit hohem Target-Volumen sind rot, jene mit wenig Target-Volumen sind blau. Gronkowski war ein Monster auf den Seam-Routen und wurde permanent tief angespielt. Kittle ist eher der Mann für die kurzen Anspiele. Er bekommt viele der „einfachen“, von Shanahan freigeschemten Routen über die Mitte; auch kriegt Kittle sehr viele Targets hinter der Anspiellinie. Es sind Verlegenheits-Targets.

Es soll nicht zwingend Credit von Kittle als Spieler nehmen; nach allem was wir wissen, ist er der gegenwärtig beste und kompletteste Tight End in der NFL. Er ist ein hervorragender Run-Blocker und ein sehr gefährlicher Pass-Catcher mit guten Qualitäten nach dem Catch. Er ist ein wichtiger Bestandteil der 49ers-Offense – aber ich halte ihn nicht für den entscheidenden. Ich denke, einiges von Kittles Erfolg ist eher Shanahans Erfolg. Die wahren Trümpfe in Shanahans Offense sind die Wide-Outs, die für Breite im Spiel sorgen – wie Deebo Samuel und Emmanuel Sanders in der letzten Saison.

Gronkowski war anders. Gronkowski war ein Kittle auf Drogen. Die tiefen Targets sind die wirklich wichtigen, die auch die absolute Elite auf Wide Receiver von der „Kategorie 1B“ unterscheiden.

Kittle bekommt mit 15 Mio/Jahr über 40% mehr als der bislang bestbezahlte Tight End und auf Franchise-Tag spielende Hunter Henry (10.6 Mio/Jahr). Der teuerste Tight-End-Vertrag ist momentan Austin Hooper von den Browns mit 10.5 Mio/Jahr.

Eine Steigerung des Top-Gehalts um mehr als 40% ist eine völlig neue Dimension! Kittle bekommt extreme Wertschätzung gemessen an seinen Positionskollegen – und sie fühlt sich nicht unverdient an. Doch es gibt zwei Gründe, wieso er letztlich nicht in die Sphären der Top-Receiver (um die 18-22 Mio/Jahr) vordringen konnte:

  1. Eben weil er kein Gronk in der Blütezeit ist.
  2. Weil die Gefahr einer Franchise-Tag als Damoklesschwert in den Verhandlungen verwendet wird. Spurst du nicht, kriegst du 1-2x Franchise-Tag, und dann fehlen die a) schneller Cash-Flow durch den Signing-Bonus, b) Sicherheit und c) schnell mal 5-10 Mio. um auf die 15 Mio/Jahr zu kommen.

Zusammengefasst: Kittle ist ein Superspieler in einer Supersituation. Zusammen ergibt das einen sehr wertvollen Contributor. Ich denke aber im Gegensatz zu Blüte-Gronk nicht, dass Kittle völlig unersetzlich ist. Und weil der Preis für Tight Ends im Vergleich zu den Receivern am Transfermarkt deutlich hinterherhinkt, hatte Kittle auch nicht die Verhandlungsmacht um die 49ers ernsthaft in Elite-Receiver Moneten zu bewegen – und das ist ökonomisch richtig so.


PS: Moo hat auf Twitter eine Umfrage mit fast 2000 Abstimmenden geschaltet zum Thema „Kittle oder 3t-10t bester WR der Liga“: Das Ergebnis ist erstaunlich, und es spiegelt mitnichten meine eigene Meinung wieder:

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10 Kommentare zu “Warum George Kittle nicht wie ein Elite-Receiver bezahlt wurde

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  2. Gestern war TE Tag: Kelce hat ja auch einen großen Vertrag bekommen mit knapp über 14 Mio pro Saison.

    Bin bei dem ganzen Argument gespalten. Ich sehe, daß Top WR im Schnitt mehr bringen, aber Top TE scheinen rarer zu sein und der Abstand vom besten zum 10. besten scheint einfach auch deutlich größer zu sein.
    Und der beste ist für viel weniger Geld als Julio (22M APY) und Co. zu haben. Auch gibt es bei den WR viele überbezahlte, ein Kittle für 15 Mio APY scheint mir deutlich wertvoller zu sein als ein Landry für 15 Mio APY.

    Gerade wenn man auch den Einfluss als Blocker auf das Run Game mitrechnet.

  3. @FloJo
    Klar, Kittle ist deutlich stärker als der 10. beste TE, aber macht er dadurch die Offense als Ganzes wirklich um so viel stärker?
    Bei WRs wirkt sich ein Qualitätsunterschied wohl einfach direkter auf den Erfolg der Offense aus.
    Daher kann ich den (relativ deutlichen) Unterschied in der Bezahlung durchaus verstehen.

  4. Danke erstmal für den ausführlichen Artikel.

    Ich gehe mit der Einschätzung nicht d’accord. Die Top TE wie Kittle und Kelce sind gleich wertvoll wie die besten WR!

    Kelce ist einer der besten Slot-WR in der NFL, No 15 in Targets und No 3 in EPA und das ohne Berücksichtigung aller anderen TE Aufgaben wie Blocking, In Line usw. Kittle ist ein Tier, ja er wird nicht so deep angeworfen wie Gronk aber Gronk ist der beste aller Zeiten. Er ist max Value für Shannis Offence!
    Ich kann nachvollziehen dass Analytics Guys zuerst auf EPA blicken und daraus schließen dass Godwin, Evans und Co. > Kittle und Kelce, doch CG und ME und all die anderen Top WR haben niemals denselben Einfluss wie die Top TE für den Gameplan (Run Game usw.)

    My 2 cents: Es mag nicht viele gute TE geben, aber genau das ist das Pech von Kittle und Kelce weil damit die FT so niedrig ist und ihren Levereage drückt. Auf dem freien Markt würden sie einen Contract wie ein Top 5 WR bekommen, da bin ich mir ziemlich sicher.

  5. Wir sollten nicht vergessen, dass Kelce nur qua Deklarierung ein Tight End ist.

    Kelce spielte 2019 von 972 Snaps nur 45% in-line, 26% im Slot und 27% als echter Wideout.

    Ausreißer? Nope.
    Kelce 2018 in 993 Snaps: 44% in-line, 26% im Slot, 27% als echter Wideout.

    Vergleich das mal mit Kittle: 75% in-line, 14% Slot, nur 9% Wideout.

    Die Positionen, die diese Spieler erfüllen, sind nur auf dem Papier dieselbe.

  6. @korsakoff
    Wie bewertest du unter diesen Voraussetzungen den Vertrag von Kelce?
    Auch im Vergleich mit Kittle?

  7. Ich denke, der Kelce-Vertrag ist nur zum Schein ein 14 Mio/Jahr Vertrag. Ca. 25-28 Mio sollen guaranteed sein – das werden wohl die ersten 2-3 Jahre sein.

    Wichtig: 2020 und 2021 hatte Kelce schon Vertrag. 2020 bekommt er nix aufgeschlagen, 2021 nur ca. 4 Mio. Erst die vier Jahre danach sind „neu“. Das macht es eine Extension um 4 Jahre für ca. 56 Mio.

    Die fetten Cap-Jahre kommen hinten dran. Kelce ist IMHO ca. 30 Jahre alt. Er ist dann 2025 um die 35 Jahre alt; ich denke nicht, dass dann noch hohe Guarantees drauf sind. Kelce wird also ein einfacher Fall zum Entlassen oder Umstrukturieren sein, wenn er wie erwartet athletisch nachlässt.

    Ich denke, Kittle hat den wesentlich besseren Vertrag; aber Kittle ist auch um einiges jünger und gilt in NFL-Kreisen als „scheme-diverser“.

  8. Die Frage ist halt wie ersetzbar Kittle tatsächlich ist; auch wenn das viel scheme ist, benötigt shanahan einen TE der Herausragend Blocken kann und gut im pass Game ist. Objektiv mag das nicht die effektivste Ressourcenverwendung sein, aber wie viele TEs erfüllen denn das Anforderungsprofil?

    Die Gapdifferenz ist tatsächlich ein Thema, dass mich mehr interessieren würde. RBS sind ja bekanntlich ziemlich auf einem Level, wie sieht das auf anderen Positionen aus und vor allem, ab wann lohnt sich ein Ausreißer; macht es Sinn einen Aaron Donald hoch zu bezahlen, oder ist es doch ineffektiv? Macht es Sinn beimReceiver in die Top 10 zu investieren oder ist es eher sinnvoll günstige Top 25 zu bezahlen?

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