Im Schatten von Patrick Mahomes

Jeder NFL-Fan kennt Patrick Mahomes oder Travis Kelce. Ihre sportliche Bedeutung für die Chiefs ist unbestritten. Doch lass uns heute mal auf die Typen hinter dem Top-Duo blicken.

Die Chiefs sind ein „Superstar-Team“. Sie haben fette Langzeitverträge für mehrere Leistungsträger am Roster. Auch wenn APY (average per year) allein nicht die allerbeste Messung für einen Vertragswert und Vertragsstruktur in der NFL ist, so gibt allein die Tatsache, dass acht Spieler mit über 10 Mio/Jahr in den Büchern stehen, einen Einblick in die Struktur dieses Kaders.

  • QB Patrick Mahomes 45 Mio. APY
  • EDGE Frank Clark 20.8 Mio APY
  • DT Chris Jones 20 Mio. APY
  • WR Tyreek Hill 18 Mio. APY
  • S Tyrann Mathieu 14.8 Mio APY
  • TE Travis Kelce 14.3 Mio. APY
  • OT Eric Fisher 12 Mio. APY
  • OT Mitchell Schwartz 11.3 Mio. APY

Bei so vielen teuren Stars ist es auch mit einem Mahomes vornedran wichtig, Kadertiefe effizient zu managen. Im Falle der Chiefs hat man in den letzten Jahren durchaus gut in späteren Runden gedraftet.

DT Derrick Nnandi (3rd Rounder 2018), S Juan Thornhill (Late 2nd Rounder 2019), CB Rashad Fenton (6th Rounder 2019), OG Nick Allegretti (7th Rounder 2019), CB L’Jarius Sneed (4th Rounder 2020) oder DT Tershawn Warton (UDFA 2020) sind alles Beispiele für gute Mid/Late Round Picks, die mit niedriger Payroll gute Leistungen als Ergänzungsspieler bis echte Starter gebracht haben.

Gerade im Defensive Backfield haben die Chiefs dank Leuten wie Thornhill, Fenton oder Sneed hinter Mathieu überlebt, obwohl alle – inklusive der Verfasser dieser Zeilen – immer wieder nach aggressiveren Verstärkungen geschrien haben.

In der Offensive Line müssen die Chiefs am Sonntag vier ihrer fünf geplanten Starter vorgeben – u.a. beide Starting-Offensive-Tackles. Was eine normale Mannschaft an den Rand des Kollaps bringen würde, ist in Kansas City kein Weltuntergangsszenario. Einmal kaschiert natürlich Mahomes ein paar Probleme. Doch andererseits hat ein Late-Rounder wie Allegretti formidabel gespielt – und andererseits hat man einen ewigen journeyman wie Mike Remmers in der Offseason aufgeschnappt, einen Mann mit Starting-Erfahrung in einer Superbowl (wenn auch keiner angenehmen…).

Die Chiefs mussten schon in der Preseason Corona-Opt-Outs von OG Laurent Duvernay-Tardif und Rookie-OT Lucas Niang hinnehmen. Doch man rettet sich mit gerade ausreichend guter Kadertiefe ins Endspiel.

Der Kanadier Duvernay-Tardif war mit seiner Geschichte als Arzt, der in Zeiten der Pandemie seinem Eid des Hippokrates nachkommen wollte, eine der herausragenden Figuren im letzten Sommer. Er war der erste NFL-Profi, der sich für den Opt-Out entschied – aus hehren Gründen. Er ist damit zwar theoretisch nicht im Chiefs-Kader dieser Saison, aber doch einer der „Typen“ in diesem Team.

Es gibt noch weitere. Einige davon sind einem breiteren Publikum schon bekannt. Andere nicht so sehr. Ich stelle hier einfach mal einige von ihnen vor.

Tyreek Hill

Hill ist die kontroverseste Figur in der ganzen Super Bowl. Sportlich ist sein Wert unbestritten – in Frage steht höchstens ob er der beste Receiver der NFL ist, oder „nur“ die gefährlichste Matchup-Waffe. Hill spielen zu sehen, ist „peak“ Football-Irrwisch – er ist schlicht einzigartig.

Doch Hill zuzuschauen lässt zwei Herzen in derselben Brust schlagen, denn Hill schleppt eine dunkle Vergangenheit mit sich. Deren Schatten sich noch immer über seine Karriere streckt.

Hill ist ein Frauenschläger. Am College verprügelte er seine schwangere Freundin Crystal Espinal regelrecht krankenhausreif – Espinals Anblick schockierte selbst abgebrühte Typen wie Oklahoma-State-Headcoach Mike Gundy so sehr, dass er sein Supertalent Hill umgehend aus dem Team warf.

Hill wechselte zu einem kleinen Division-II College nach Alabama, wo er unter Auflagen aufgenommen wurde – Anger Management, Bewährung usw. Die Fragen blieben.

Hill fiel auch aufgrund dieser Fragezeichen in die fünfte Runde des NFL Drafts 2016, wo ihn die Chiefs zogen. Ausgerechnet die Chiefs, deren Verantwortliche nur wenige Jahre zuvor direkt vor ihren Augen einem Frauenmord-Selbstmord zuschauen mussten, als ihr Spieler Jovan Belcher seine Freundin Kassandra Perkins auf dem Parkplatz vor dem Trainingsgelände erschoss.

Hill entwickelte sich sportlich schnell vom Return-Spezialisten zu einer Slot-Waffe für Trickspielzüge zu einem kompletten #1-Receiver, wurde dreimal ins All-Pro Team gewählt.

Doch die großen Zweifel kamen im Frühjahr 2019 zurück, als Hills kleiner Sohnemann – der als Fötus die Schläge von obiger Auseinandersetzung überlebte – mit gebrochenem Arm ins Krankenhaus geliefert wurde. Hills Fall wurde nie richtig aufgeklärt.

Die NFL ließ ihn ungestraft davonkommen – für viele ein Skandal. Überraschend war weniger, dass die NFL den fallengelassenen Ermittlungen der Behörden folgte, sondern dass sie Hill auch für dessen mittlerweile berüchtigtes 11-Minuten-Tape mit seiner Frau („Your son is terrified of you“ – „you should be terrified of me too, bitch“) ungestraft davon kam.

Das Thema ist mega-schwierig. Man kann die NFL dafür kritisieren, auch nach Ray Rice noch immer zu oft wegzuschauen. Aber Mina Kimes hat schon vor Jahren einen entscheidenden Punkt gebracht: Eine zu rigide Policy der NFL bei häuslicher Gewalt ist nicht bloß wirkungslos – sie ist sogar kontraproduktiv, und gefährlich für die Opfer.

Die Aussicht auf Einkommensverluste in Millionenhöhe ist motivationshemmend für ein Coming-Out der unterdrückten Frauen. Richtig anfühlen und richtig sein sind bei häuslicher Gewalt zwei paar Schuhe. Schon auf juristischem Weg haben Nulltoleranz und harte Strafen nicht zum Erfolg geführt – zu erwarten, dass ausgerechnet eine Sportliga das ändert, ist naiv. Das Resultat von harten Strafen ist allzu oft, dass die Opfer dann stillhalten.

Doch gar keine Strafe ist auch kein Weg. Gerade im Fall Hill, mit der Vorgeschichte. Mit Tyreek Hill umzugehen ist also schwierig. Eine richtige Lösung habe ich nicht anzubieten. So unglaublich dieser Irrwisch am Feld ist, so unangenehm ist es gleichzeitig ihn noch immer spielen zu sehen.

Mecole Hardman

Weil Hill just in den Tagen vor dem NFL Draft 2019 mit besagter Aufzeichnung in die Schlagzeilen geriet, waren die Chiefs nahezu gezwungen, sich nach einer schnellen Alternative umzuschauen. Sie fanden in der zweiten Runde Mecole Hardman, einen Leichtathleten von der University of Georgia.

Hardman galt von Tag 1 an als „Hill für Arme“ – auch nachdem Hill überraschend doch nicht gesperrt wurde. Wie Hill ist Hardman ein Supersprinter, der ständig Big-Play-Gefahr ausstrahlt.

Doch anders als bei Hill spielt sich „gut & schlecht“ bei Hardman allein auf dem Platz ab. Return Game, End Arounds und Jet Sweeps sind Hardmans Spezialität – und sie führen fast jede Woche zu game breaking plays. Aber Hardman hat gleichzeitig zahllose Drops in seiner Vita (allein acht in der letzten Regular Season) – und fumbelte vor einer Woche an der eigenen 3 Yards Line einen Punt dem Gegner in die Hände.

Hardman auf dem Feld zu haben ist trotzdem besser als ihn nicht zu haben: Kurz nach dem Punt-Muff zum 0-9 scorte Mecole den ersten Chiefs-TD, bliebt straubtrocken als Returner drauf und machte einen 50-Yards-Scramble. Es fühlt sich unausweichlich an, dass Hardman auch am Sonntag mindestens einen Wow-Moment fabrizieren wird.

Sammy Watkins

Hardman ist Sekundengenie mit Katastrophenpotenzial. Sammy Watkins ist Sekundengenie ohne. Seit ich Football schaue, war Watkins die nächste große Receiver-Versprechung. Ihn in Clemson-Trikot unpräzise Bälle von Tadj Boyd fangen zu sehen war meine Epiphanie: Ein Catch ist nicht gleich Catch. Du kannst perfekt geworfene Bälle fangen, und du kannst streuende Bälle fangen. Watkins machte am College letzteres – und ließ es aussehen wie Routine.

Watkins war der erste Receiver, der im legendären Draft 2014 gezogen wurde – vor Mike Evans, vor Odell Beckham jr, vor Brandin Cooks, Davante Adams, Allen Robinson, Jarvis Landry und wie sie alle hießen. Sein Prospect leierte den Bills gleich zwei 1st Rounder aus den Rippen um wenige Plätze nach oben auf #4 zu kommen.

Doch Watkins war mehr Versprechung als Erlösung. In Buffalo, bei den Rams und bei den Chiefs schaffte er nie ganz den Durchbruch – Verletzungen und Formschwankungen geschuldet. Aber auch einem eigenen Charakter. Die Vokabel „durchgeknallt“ ist vielleicht nicht die richtige. Vielleicht auch schon. Ein irrer Typ mit unbeirrbarem sechsten Sinn ist Watkins auf jeden Fall.

Doch nicht irre genug für Andy Reid um aus dem Kader zu fliegen. Reid weiß auch, warum: Watkins mag keine #1 mehr werden, doch als Ergänzungsspieler ist er immer für einen Breakout in großen Momenten gut. Zum Beispiel in den Playoffs letztes Jahr – und in der Superbowl, als er den gegnerischen Fokus auf Kelce/Hill ausnutzte um entscheidende Big-Plays zu machen. Das alles ist, so er am Sonntag fit genug ist zu spielen, auch in der heurigen Superbowl denkbar.

Eric Fisher

2012 war der Tiefpunkt der Kansas City Chiefs. Wochen nach oben verlinkten Belcher-Mord fixierte K.C. den #1 Draftpick – eine Ressource, die niemand feierte, denn im Draft 2013 handelte es sich um eine der schwächsten Draftklassen aller Zeiten.

Und so wurde der Left Tackle von der kleinen Central Michigan University, Eric Fisher, zum #1 Pick overall, und zu Andy Reids erstem Draftpick als Chefcoach der Chiefs. Fisher war „Day 1“ Starter bei den Chiefs, doch um zu einem Top-Tackle zu reifen brauchte er Jahre. Erst 2018 wurde er erstmals in die Pro Bowl gewählt.

Trotzdem war Fisher auch bizarre Weise ein vielleicht wesentlicher Grund dafür, dass die Chiefs sich 2017 zum fetten Mahomes-Draft-Day-Trade durchrangen: Fisher hatte drei Monate zuvor im Divisional Playoff das entscheidende Holding begangen, dass den misslungenen Ausgleich der Chiefs in gegen die Pittsburgh Steelers besiegelte – die x-te Playoffenttäuschung für den damals noch „Ewigen Zweiten“ Andy Reid.

Am Sonntag wird Fisher ausfallen. Er verletzte sich im Semifinale in der zweiten Halbzeit bei klarer Führung an der Achillessehne. Es ist ein bitterer Ausfall für die Mannschaft – aber auch ein bitterer für Fisher persönlich. Immerhin: In der verletzungsgeplagten letzten Saison war Fisher genau zum Saisonhöhepunkt fit – und spielte in der Superbowl durch.

Mike Remmers

Fishers Ersatzmann in der Superbowl. Remmers ist ein typischer Wandervogel. In die Liga kam er ein Jahr vor Fisher – 2012, als ungedrafteter Rookie. Er wurde zweimal im Trainingslager gecuttet (Denver, Tampa Bay) ehe er im zweiten Jahr erstmals für die San Diego Chargers am Feld stand – für genau vier Snaps.

Mitten in der folgenden Saison 2014 wurde er von den Panthers von der Straße gesigned und kämpfte sich nach zahlreichen Verletzungsausfällen Ende Saison ins Starting-Lineup – einen Platz, den er zweieinhalb Jahre nicht mehr abgeben sollte. Remmers war ein Offense Liner Marke „serviceable“ – mit einer Ausnahme: Ausgerechnet im größten Spiel seiner Karriere, der Super Bowl 50 gegen Denver, wurde er von Gegenspieler Von Miller derart an die Wand gespielt, dass seine beste Offense jener Saison nur 10 Punkte zustande brachte, und Miller zum MVP gewählt wurde.

Remmers zog weiter nach Minnesota und zu den Giants – und überall spielte er über 820 Snaps pro Saison. Überall versuchten die Coaches ein Upgrade zu finden. Bei jeder nächsten Saison stand Remmers wieder in der Stammformation.

So auch bei den Chiefs seit Woche 6, als der etatmäßige Right Tackle Mitchell Schwartz mit Rückenproblemen runtermusste. Remmers vertrat ihn solide. Vorbei sind die Zeiten mit einem Holding/False Start pro Spiel. In der Superbowl am Sonntag rückt Remmers nun in den Brennpunkt: Er wechselt nach Fishers Ausfall von der rechten auf die linke Flanke und wird zu Patrick Mahomes‘ Blindside-Protector.

Ob er die Scharte seiner letzten Superbowl auswetzen kann, wird am Sonntag mit entscheiden über Sieg und Niederlage.

Mitchell Schwartz

Wir haben schon gehört: Schwartz, einer der besten Right Tackles unserer Zeit, wird wie Fisher am Sonntag nicht spielen. Er wird vielleicht auch nicht tweeten. Und das wäre ein doppelter Schaden, denn Schwartzes Twitteraccount ist der wesentliche Grund für seinen Platz in diesem Artikel. Ich musste einfach mal die Chance ergreifen darauf hinzuweisen, welche faszinierend guten Insights Schwartz seit Jahren twittert – Sie haben mir enorm geholfen, das Geschehen am Feld besser zu verstehen.

Schwartzes großer Bruder ist übrigens Geoff Schwartz. Der hat bei FOX einen ausführlichen Artikel über die Personalrochaden in der Chiefs-O-Line geschrieben, und wie K.C. ein Fiasko umgehen kann.

Chiefs Runningbacks

Es ist noch zu früh um den Runningback als NFL-Position unter Artenschutz zu stellen. Doch bei einem Team ist er bereits zum reinen Role-Player verkommen: In Kansas City. Nach dem schnellen Rauswurf von Kareem Hunt wegen häuslicher Gewalt (ein rekurrierendes Thema in K.C., und die Geschichte ist noch nicht zu Ende) hatten die Chiefs einen Back mehr von Format.

Clyde Edwards-Helaire, der Pass-Catching-Star aus der atemberaubenden LSU-Tigers-Offense von 2019, hat in seiner Rookiesaison noch nicht so recht Fuß gefasst. Im Halbfinale hatte er 6 Carries für 7 Yards.

Vertreten wird er vom ungedrafteten Darrel Williams, nur einem weiteren dieser „D. Williams“ Runningbacks in Kansas City. Vor einem Jahr scorte Damien Williams, ein weiterer UDFA, zwei Chiefs-Touchdowns in der Superbowl.

Der bekannteste Name im Backfield ist LeVeon Bell, ein ehemaliger All-Pro. Bell ist mit seinem Holdout bei den Steelers zu einer Art Märtyrer für die Runningbacks ligaweit geworden – doch er hat in letzter Konsequenz damit nichts erreicht. Bei den Jets unterschrieb er vor zwei Jahren einen fetten Vertrag – eineinhalb Jahre später war er gefeuert. Bei den Chiefs hatte er seit Woche 7 genau 70 Touches. Im Halbfinale war er healthy scratch – und das mit nur 28 Jahren.

Frank Clark

Thema „häusliche Gewalt“: Einer geht noch. Frank Clark. Dessen dunkles Kapitel liegt weit zurück in Vergangenheit – und ähnlich wie bei Hill wurden nie alle Details geklärt. Clark, der alle Anschuldigungen immer vehement abstritt, wurde von Vorwürfen freigesprochen, eine Frau geschlagen zu haben – auch wenn die Polizei einst widersprach.

Nun ist das bei Verdacht und Anklagen gegen Schwarze in den USA immer eine Sache. Im Falle Clarks handelte es sich nach Diebstahl allerdings um den zweiten Vorfall – und er führte zum Rauswurf bei Michigan am College.

In die NFL schaffte er es trotzdem: Die Seahawks drafteten ihn 2015 in der zweiten Runde. Clark war schnell Starter, erarbeitete sich eine Reputation als Sack-lastiger Spieler. In der stabileren Statistik, QB-Pressures, war er nie ganz so gut. Trotzdem zahlten die Chiefs im Frühjahr 2019 in Essenz einen 1st und 2nd Rounder für seine Dienste und statteten ihn mit einem langfristigen 20 Mio/Jahr Vertrag aus.

Defensive End Clark gilt in Analytics-Kreisen nicht als der Elite-Passrusher, den seine beiden Pro-Bowl-Einberufungen der letzten Jahre implizieren. Bei ihm shiftet die Aufmerksamkeit meist schnell in Richtung seiner Locker-Room-Präsenz. Bei aller unangenehmen persönlichen Geschichte gilt Clark als Referenzpunkt gerade für jüngere Spieler, als Typ für die gute Stimmung, aber auch den Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit, im Raum.

Chris Jones

Der heimliche MVP der letzten Superbowl. Jones ist ein ehemaliger 2nd Rounder, der sich über die Jahre zu Pro Bowl und All-Pro Level hoch gespielt hat. Über den Typen Jones ist nur wenig bekannt – und sein Allerweltsname verhindert wahrscheinlich größere nationale Aufmerksamkeit.

Aber als Spieler ist Jones eine einzige Wucht. Nach Aaron Donald ist er wahrscheinlich der zweitbeste Passrusher auf 3-tech in der ganzen NFL. In den letzten Jahren hat er in Vollzeitrolle in etwa 700 bis 800 Defensive-Snaps 79, 64 und 69 QB-Pressures erzielt, und 16, 9 und 8 Sacks. Das sind monströse Zahlen – und auch wenn Jones sich rein auf seine Spezialität des Passrusher fokussiert und Run-Defense als eher optional betrachtet: Es ist gut genug, dass Kansas City ihm 20 Mio/Jahr für seine Dienste zahlt.

In einer Mannschaft mit Pat Mahomes und mit Typen wie Tyrann Mathieu und in einer Liga mit Aaron Donald wird Jones nie die Aufmerksamkeit bekommen, die ihm zustünde.

Anthony Hitchens

Wandervogel Hitchens hat keine besonders herausragende NFL-Karriere als Linebacker hingelegt, doch mir hat er einmal das Herz gebrochen: 2014/15 in den Playoffs, als sein Faceguarding das entscheidende 1st Down der Detroit Lions verhinderte. Weil Hitchens ungestraft davonkam, bekamen die Cowboys noch einmal den Ball, drehten das Spiel und verhinderten den ersten Playoffsieg der Lions seit 1992 – den einzigen, den ich selbst jemals erlebt hätte.

L’Jarius Sneed

Sneed ist ein heimlicher Superstar in Kansas City. Gedraftet wurde er erst im letzten April – in der 4ten Runde, fernab jedes Spotlights. Doch bei den Chiefs ist er seit Spiel 1 ein fixer Bestandteil im Starting-Lineup.

Diese Rookiesaison und die Teilnahme an der Superbowl muss Sneed vorkommen wie endlich entdeckt! Durch seine ganze Karriere zog sich wie ein roter Faden, dass immer andere im Fokus standen, als besser angesehen wurde. Die anderen bekamen die Stipendien bei großen Schulen, die anderen wurden früh gedraftet. Wegbegleiter warfen Sneed etwas fehlenden Willen vor – doch seine athletischen Voraussetzungen standen nie ernsthaft in Frage.

In der NFL gilt Sneed als für einen Rookie geradezu herausragend spielintelligenter Corner. Slot, Outside-Corner, Box-Defender: Der physisch imposante, auch schnelle Sneed spielt alles, und hat keine ernsthaften Schwächen. Im Semifinale ging er jede Route mit Star-Receiver Stefon Diggs mit – er lief sie Diggs teilweise den Weg dafür frei.

Unter der Woche hatte Sneed mit den Nachwirkungen einer Gehirnerschütterung zu kämpfen. Am Sonntag soll er aber auf jeden Fall spielen. Welcher der Star-Receiver der Buccs auch immer in sein Blickfeld gerät – er wird es mit einem unangenehmen Gegner zu tun bekommen.

Tyrann Mathieu

Beenden wir die Aufstellung mit dem „Honey Badger“. Mathieu ist einer der instinktivsten Defensive Backs in der NFL. Wollen wir seine Rolle in der Chiefs-Defense kurz fassen, dann schreiben wir „tuttofare“ – er macht einfach alles. Blitzen, decken, run-Defense, Motivator, Dirigent. Im Halbfinale sorgte er allein durch seine verwegenen (und vielfältigen) Aufstellungen für Denksport bei Josh Allen, der mit zunehmendem Spielverlauf eine richtiggehende Manie entwickelt („wo wird er denn als nächstes stehen?“) und komplett aus dem Konzept geriet.

Mathieu war schon immer ein spezieller Spieler – und ein spezieller Typ. Am College wurde er 2011 berühmt als blutjunger Defensive Back in der epischen LSU-Defense, die es quasi ohne Offense ins National Championship Game schaffte. Der „Honey Badger“ war der Schlüsselspieler – u.a. mit elf forced fumbles.

Doch Mathieu hatte auch seine Probleme. Seine Abhängigkeit vom Gras kostete ihn den Kaderplatz für die darauf folgende Saison – sie muss wirklich problematisch gewesen sein, wenn die LSU-Coaches einen so wichtigen Spieler so schnell fallen ließen. Mathieu setzte 2012 aus, ging in Entzug, wurde Wochen später wieder mit Marihuana erwischt.

Seit er 2013 in der 3ten Runde in die NFL kam, scheint das Problem im Griff zu sein. Mathieu, der eine zunehmend gespaltene Beziehung mit seinem College-Spitznamen hatte, entwickelte sich in Arizona rasch zu einem Superstar-Defensive Back, jenem Alleskönner den Insider vom College her kannten. Mathieu war kein klassischer Cornerback – eher ein Chamäleon, mal Slot-Corner, mal Safety, mal halber Linebacker.

Seine sportlichen Leistungen brachten ihn in die Nähe des DPOY-Awards und machten ihn zum Multimillionär, doch seine ständigen Verletzungsprobleme (inklusive einer schweren Verletzung) kosteten ihn alsbald den Job und gefährdeten seine Karriere.

So musste er 2018 ein Jahr als Billiglöhner in Houston verbringen. Das eine Jahr rettete seine Laufbahn, reichte ihm zu einem teuren Vertrag in Kansas City, wo er zum zweiten Mal in Folge in der Superbowl steht.

Er, dem man einst nachsagte, nicht durchhaltevermögend genug zu sein, spielte 1277 und 1118 Defense-Snaps in Kansas City – 98% und 92% der jeweiligen Snaps.

Mathieu ist in Kansas City dem Vernehmen nach nicht bloß wichtigste Schachfigur für Defensive Coordinator Steve Spagnuolo im Gameplanning, sondern auch Antreiber und Maskottchen für die Mannschaft, die am Sonntag als erste seit den New England Patriots vor 16 Jahren die Titelverteidigung schaffen kann.

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13 Kommentare zu “Im Schatten von Patrick Mahomes

  1. Also quasi bist du ein Mann, schlägt dich Tyreek Hill auf dem Feld. Bist du Frau oder Kind, schlägt er dich abseits vom Feld.

    Danke für diese Einschätzung zur Hill Situation, eine Lösung ist schwierig aber eine Bestrafung wäre sicherlich angebracht gewesen.

  2. Danke, es war mir gar nicht so bewusst wie viele ernste Problemfälle die Chiefs über die Jahre eigentlich geholt haben, da war ja auch noch Kareem Hunt, und Belcher ist ja seinerzeit ziemlich untergegangen weil bald darauf der Fall von Aaron Hernandez kam und.

    Die Chiefs haben sogar von den Problemen profitiert, Hill war als Pick billiger und konnten ihm später einen billigeren Vertrag aufhalsen wegen der „Probleme“. diese Incentives sind das echte Problem, die NFL sollte einfach Cap Space cutten bei solchen Fällen das mindert auch das Strafen Problem für die Player.

  3. Ist Hill wirklich so viel billiger, 3 Jahre 54M sind 18 Millionen pro Jahr, wie viel Rabatt kann da drin sein?

  4. @FloJo: Die APY der anderen Star Receiver sind schon deutlich höher, klar einige Deals sind nach Tyreek gekommen, aber die 18M sind heute klar niedriger

    Hopkins 27M
    Julio 22M
    K. Allen 20M
    Cooper 20M
    Thomas 19,2M
    Green 18,2M
    OBJ 18M

    https://overthecap.com/position/wide-receiver/

    Riesiger negativer Bonus für Hill ist da nicht drin, ist aber als Top 2 WR in der NFL nur Top 7 bezahlt und hat bald Option zur Extension.

  5. Danke! Dass es nur ein 3 Year Contract war hilft Hill auch, sogar mit der niedrigeren Cap, da wird schnell eine Extension kommen.

    Ich glaub auch, dass die Chiefs weiter viele WR draften werden, denn Kelce wird 32 und Hardman und Watkins werden dann nicht verlängert

  6. „Hill ist die kontroverseste Figur der ganzen Super Bowl“

    Ich dachte, dass dieser Titel an Antonio Brown gehen würde. Aber ist mit Blick auf Hills Akte ein enger Wettstreit. 😉

  7. Ja, daran dachte ich auch schon 🙂

    Bei Hill wissen wir halt aus erster Hand von den Vorfällen. Bei AB sind die Vorwürfe ja nicht bestätigt, soweit ich weiß. Brown hat dafür genug Kopfweh jedem Coaching Staff über die Belästigungs/Vergewaltigungs Geschichten hinaus gemacht.

    Gibt es eigentlich eine andere Position auf der es soviele Diven gibt wie bei den Receivern? AB, T.O., Randy Moss, OBJ, da sind so viele Ich AG’s dabei gewesen in den letzten jahren…

  8. Halb durch, aber aus der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt Skandale gibt es eine sichere, aber schier unmögliche Art, mit solchen Fällen umzugehen:
    Wertschätzende Aufmerksamkeitskultur. Von der Leitung aus müssen Rückmeldesysteme, sichere Beratungsstellen und klare Opferschutzmechanismen gegeben sein. Zu letzterem gehört ganz stark auch, dass Verbrechen nicht verjähren. So können Opfer zu dem Zeitpunkt, wo sie sich wieder sicher und wohl fühlen, ihre Geschichten erzählen.
    Wer aber in einer Organisation arbeitet oder dieser Nahe steht, wo er/sie das Gefühl hat, selbst die Schuld zu bekommen oder das Beschuldigte unantastbar sind oder riesige Hürden hat, jemanden etwas zu erzählen, wird das nie/selten tun.
    Alleine die Tatsache, dass deine Anwälte immer schlechter sein werden, als die NFL-Amada ist schon bitter.
    Und wer in einem von Goddell geleiteten Laden sollte solchen Leuten huhören …

    So hart es ist, das System funktioniert schon in deutschen Schulen (ich bin Lehrer), Kindergärten und Kirchen nicht. Also es wäre schön, wenn ein Präzedenzfall die NFL zum Umdenken bewegen würde, aber es bräuchte MASSIVE Änderungen für echte Effekte.

  9. Pingback: Im Schatten von Tom Brady | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  10. Gute Punkte.

    Aber ist mit „wertschätzende Aufmerksamkeitskultur“ gemeint, dass Hill noch immer in der NFL spielt und im Spotlight steht?

    Hat ein Opfer das Gefühl „die Schuld“ zu bekommen automatisch indem der Täter z.B. von er NFL-Payroll eliminiert wird?

    Wie sollte ein Opferschutzmechanismus bei einem NFL-Täter aussehen?

  11. Pingback: Die Coaches von Superbowl 2021 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  12. Hier ein guter Artikel von Connor Orr bei Sports Illustrated über einen dänischen Journalisten, der keine Antworten auf seine unangenehmen Fragen nach Tyreek Hill bekam:

  13. Pingback: Willkommen zum Superbowl-Sonntag 2021 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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