Die ersten Trades im Vorfeld des NFL Drafts 2021 sind schon passiert. Lass uns einen Moment darauf schauen wie viel Draftkapital die einzelnen Mannschaften momentan halten.
Kurz als Einführung für den, der nicht weiß worüber ich schreibe: Es gibt verschiedene Methoden, den Draftpositionen Wert beizumessen. Im Detail habe ich letztes Jahr darüber geschrieben.
Das Jimmy-Johnson-Modell (JJ in der Aufstellung unten) ist das älteste. Es ist ziemlich willkürlich und mittlerweile durch empirisch bessere Modelle überholt, aber in zahlreichen Draft-Trades weiterhin das verwendete.
Das AV-Modell von Chase Stuart schätzt die Draft-Slots anhand ihres „Approximate Career Value“ ab.
Das OTC-Modell schätzt den Wert der Positionen anhand des Werts des zweiten Vertrags ab. Es ist eine sehr clevere Methode, über die ich hier explizit genauer geschrieben habe.
Und dann gibt es PFF WAR (Wins above Replacement), das jedem Draft-Spot einen Wert anhand ihres „Mehrwerts“ beimisst.
NFL Draftreihenfolge 2021
Die Draft-Reihenfolge 2021 in der ersten Runde ist die folgende:
#1 Jacksonville
#2 NY Jets
#3 San Francisco
#4 Atlanta
#5 Cincinnati
#6 Miami
#7 Detroit
#8 Carolina
#9 Denver
#10 Dallas
#11 NY Giants
#12 Philadelphia
#13 LA Chargers
#14 Minnesota
#15 New England
#16 Arizona
#17 Las Vegas
#18 Miami (zweiter 1st Rounder)
#19 Washington
#20 Chicago
#21 Indianapolis
#22 Tennessee
#23 NY Jets (zweiter 1st Rounder)
#24 Pittsburgh
#25 Jacksonville (zweiter 1st Rounder)
#26 Cleveland
#27 Baltimore
#28 New Orleans
#29 Green Bay
#30 Buffalo
#31 Kansas City
#32 Tampa Bay
Houston (Laremy-Tunsil-Trade), die LA Rams (Jalen-Ramsey-Trade) und Seattle (Jamal-Adams-Trade) haben keinen 1st Rounder. Die Texans haben gar auch keinen 2nd Rounder. Die Rams haben übrigens im Matt-Stafford-Trade gar keinen 1st Rounder aus diesem Draft aufgegeben, sondern ihre jeweiligen 1st Rounder in den nächsten beiden Drafts.
Hier der Draft-Value 2021 jeder Mannschaft sortiert nach dem PFF WAR, den ich allerdings nur schätze (exakte Zahl habe ich nicht, aber total daneben liegen sollte es nicht):

Joa. Die Big 3 sind klar. Jacksonville und die Jets haben nicht bloß den #1 und #2 Pick, sondern auch noch einen jeweils weiteren 1st Rounder. Die Miami Dolphins hielten den #3 Pick, haben aber nach den Trades mit den 49ers und Eagles mittlerweile „nur“ noch den #6 Pick – aber dafür Draftkapital in den nächsten Jahren angesammelt.
Nach den Top 3 gibt es einen relativ klaren Cut.
Recht gut stehen die Patriots da, die, obwohl sie nur an #15 picken, das 11t-meiste Draftkapital haben – und das, obwohl die Pats von der NFL wegen eines Video-Taping-Vergehens ihren originalen 3rd Rounder abgeben mussten. Doch die Pats haben Compensatory-Picks in der dritten, vierten und fünften Runde erhalten und ihren Draftposition in den späten Runden im Marcus-Cannon-Trade mit Houston um jeweils zirka 12 Spots verbessert.
Auch die Chiefs haben mehr Kapital als ihre #31 Position in der ersten Runde hergeben würde: 21t-meiste Draftkapital. Ihre beiden Compensatory Picks (4te und 6te Runde) sind der Grund dafür.
Die drei Teams ohne 1st Rounder haben erwartungsgemäß das geringste Draftkapital, wobei die Rams immerhin einen zusätzlichen 3rd Rounder als Compensatory-Pick bekommen haben. Der Grund liegt darin, dass einer ihrer farbigen Assistenten (Brad Holmes) einen GM-Posten bekam.
Houston hat spektakulärerweise mehr Draftkapital als Seattle, obwohl die Texans erst in der dritten Runde in den Draft einsteigen. Die Seahawks haben einen 2nd, 4th und 7th Round Pick in diesem Draft. Mal schauen ob GM John Schneider wie einst vor zwei Jahren versuchen wird, durch Trade-Downs wieder etwas Munition zurückzubekommen.
Dolphins & Jaguars sind Kings of Draft Kapital
Nehmen wir die beiden letzten Drafts zusammen, so haben Miami Dolphins und Jacksonville Jaguars das mit Abstand meiste Draftkapital nach PFF WAR gehalten:
- Miami ca. 7.7 WAR
- Jacksonville ca. 7.5 WAR
- NY Jets ca. 6.1 WAR
- Minnesota ca. 5.3 WAR
- Detroit ca. 5.2 WAR
Gleich 13 Mannschaften hatten übrigens in beiden Drafts zusammen nicht so viel Munition wie Miami und Jacksonville in diesem Draft 2021 allein.
Und jetzt?
Gefühlt steht noch einiges an Trades an. Gerade der #4 Pick der Atlanta Falcons könnte aufgrund des QB-Drucks ziemlich begehrt sein.
Dazu hat der Draft 2021 die Eigenheit, dass es nach einer halbgaren College-Football-Saison mit zahlreichen Opt-Outs und einer Offseason ohne Combine größere „Informations-Unsicherheit“ als üblich herrscht.
Das Talent ist natürlich trotzdem da, bloß könnten viele Teams zur Schlussfolgerung verleitet sein, es schlechter als in anderen Jahren einordnen und „finden“ zu können.
Ich habe schon gelesen, dass man Draftkapital ins nächste Jahr schieben sollte. Das halte ich für die falsche Schlussfolgerung. Vielmehr wäre es ein schlauer Move, in diesem Jahr besonders stark die mittleren Runden (2-4) zu attackieren – vielleicht haben auch die ganz späten Runden mehr Wert als gewohnt. Also könnte es Trade-Downs von schlauen Organisationen geben, die den zu gierigen/selbstsicheren Teams die Mid-Rounder aus der Tasche ziehen.
Tja, und dann gilt natürlich wie immer: Du musst bei allem Kapital die richtigen Spieler ziehen. Das ist ein weniger straighter Prozess als viele denken. Zahlreiche Studien haben gezeigt, welcher Schuss ins Blaue der Draft ist: Pick für Pick sind die Teams fast gleich gut. Man kann seine Chancen verbessern durch zwei Dinge:
- Möglichst viel Kapital ansammeln (siehe oben die Aufstellung)
- Wertvolle Positionen früher draften
Wertvolle Positionen sind Quarterbacks, Wide Receiver, Offensive Tackle, Defensive Backfield und mit Abstrichen Edge Rusher. Interior O-Line, Linebacker, Defensive Tackle und natürlich Runningback sind eher Positionen für später. Special Teams sind Positionen für gar nicht.
Wir sind in einem Zeitalter angekommen, in dem nicht mehr drei Jimmy-johnson-artige Charts herangezogen werden, sondern drei mit analytischen Gedanken wie selbstverständlich hier als erstes genannt werden. Yeaah (nebenbei ein Feedback dazu, dass man als Leser weiterhin Veränderungen und Feedback von und über dich erfährt 🙂 )
Gibt es eigentlich Vergleiche aus früheren Drafts wie sich die WAR Werte der Teams zu den WAR Werten ihres Draftkaptals entwickelt haben? Meine Frage wäre ob es Teams gibt die mehr über oder unter Ihrem Draftkapital draften.
Zum Thema Draft Kapital hast du letztes Jahr einen tollen Artikel geschrieben wie gut der first overall pick sein muss. https://sidelinereporter.wordpress.com/2020/03/31/wie-gut-muss-der-1-overall-draftpick-sein/
Ich fand das schon extrem spannend, dass ein Jameis Winston eigentlich die WAR Erwartungen erfüllt hat, aber trotzdem nur schwer einen Anschlussvertrag nach den Buccs bekam. Auch wenn ich hinter diesen Modellen kaum etwas verstehe, wirken die Schlussfolgerungen bezgl. deiner beiden Strategien absolut nachvollziehbar, um den Wert des Draftes für sein Team zu optmieren. Möglichst viele günstige Rookieverträge in seinem Kader zu haben macht ja auch Sinn um die wenigen Spieler die ich über den ersten Vertrag hinaus halten will zu binden.
Timo Riske hat bei PFF eine Langzeitstudie gemacht, die sich anschaut welche Teams wie gut relativ zu ihrem Draftkapital gedraftet haben:
https://www.pff.com/news/nfl-historical-draft-success-for-all-32-nfl-teams
Fazit: Nach Berücksichtigung vom Draftkapital waren die Saints das beste Draft-Team in WAR over expected:
Die Studie geht natürlich wesentlich tiefer als dieser Graph, aber über 11 Jahre zwischen 2006 und 2016 ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Saints etwa mehr als nur einfach „lucky“ waren.
Pingback: Für den Gelegenheitszuschauer: NFL Draft Primer 2021 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!
Das größte Problem ist und bleibt, das der Draft eine große Lotterie bleibt. Man kann vorneweg nicht wissen, wie gut und lange ein bestimmter Spieler wirklich performt. Viele Rookieveerträge haben den Vorteil, dass man sich andererseits auch teuere Spieler leisten kann. Wenn die Rookies unterdurchschnittlich spielen, können es dann auch die Seniors nicht reißen.
Für die Dolphins eine wirkliche gute Chance.
Man hat schon einen talentierten und jungen Kader. Dazu diverse weitere Picks die nächsten Jahre. Man kann also weiter auffüllen mit talentierten und jungen Spielern.
Die Rahmenbedingungen für gute Jahre sind gelegt. Entscheiden ist jetzt das der QB mindestens Top 15 ist oder wird. Sonst wird man in ein paar Jahren auf ein paar Playoff Teilnahmen zurück schauen Un der verpassten Chance nachweinen…
Danke für den Link zum Artikel. Natürlich ist es ein stochern im Dunkel aber es ist halt die Frage ob Teams darin etwas besser oder schlechter sind als ihre Konkurrenz. Ich versteh auch menschlich alle die hoffen dass das eigene Team den nächsten Pat Mahomes oder Tom Brady draftet aber ein Großteil der Spieler aus dem Draft wird kaum spielen wird und keine langfristige Karriere haben. Kein Wunder wenn man knap 15% neue Spieler (bezogen auf die 53 Mann Kader) jedes Jahr per Draft in die Liga pumpt. Mir gefällt der Draft auch aus dieser Lotterie Sicht weil es eben nicht wie im Fußbal primär eine Frage des Geldes ist ob ein Team zu guten Spielern kommt langfristig.
Bezgl des PFF Artikels fand ich noch die Betrachtung spannend in welchem Perzentil sich die gedrafteten Spieler der letzten 4 Jahre innerhalb ihrer Position bewegen. Nahezu jede Mannschaft hat dabei sowhl in frühen als auch späten Runden Ausfälle und Spieler in den Top 10% (mit Ausnahme von Arizona und Philadelphia). Auch das zeigt dass die Erhöhung seiner Chancen durch sammeln an Draftpicks schon ein recht gutes Mittel ist seine Chancen zu verbessern.
Ich bin mir da noch nicht sicher, wie volatil das ist – wie sieht die Tabelle denn ohne den 2017er draft aus?
Welche Tabelle meinst du?
Die oben eingebaute berücksichtigt nur die Drafts 2006-2016 (weil Timo vier Jahre wollte, und die Analyse nach der Saison 2019 geschrieben wurde), also ist die Mega-Saints-Klasse von 2017 noch gar nicht dabei.
Sie vergleicht außerdem nicht Total WAR, sondern nur WAR over expected, also bereits gemessen an der Draftposition.
🙈
Vielleicht liege ich (wieder) falsch, aber folgender Gedanke:
Bei WAR over Expected dürften tendenziell die Hits in den Späten Rundwn überproportional ins Gewicht fallen – die Richard Sherman’s dieser Welt. Die sind aber nicht nur sehr volatil (hier ist die Trefferquote wirklich eher Lotterie), es sind außerdem auch eigentlich Fehleinschätzungen (wenn ich Tom Brady in Rumde 6 ziehe, habe ich zwar Glück, aber ihn dennoch falsch evaluiert) – wäre es, um die Qualität des scoutings zu bewerten demnach nicht zielführender die Trefferquote in den oberen Runden zu beobachten und die gambles in den Late rounds zu vernachlässigen?
Zu WAR – wird hier der Karriereduechachnitt oder der Rookiesurchschnitt oder ? Herangezogen?
Nur erste vier Jahre, weil Rookievertrag der 1st Rounder.
Klar können Late-Round-Steals mithelfen, aber wenn man vorne Busts draftet, dann hebt sich das ja wieder auf 🙂
Punkt ist natürlich, dass der Erfolg der Saints in dieser Studie v.a. auf 3 Spielern beruht:
– Marques Colston (7th Rounder)
– Michael Thomas (2nd Rounder)
– Jimmy Graham (3rd Rounder)
Dazu gab’s mit Carl Nicks noch einen Late-Round Guard.
Die Studie, in der Moo das von dir Geforderte macht und nach Runde adjusted (und auch für Positional Value, damit z.B. die QB-Ausreißer nicht so hervorstechen), sieht so aus:
https://www.pff.com/news/nfl-historical-draft-success-for-all-32-nfl-teams
(nur seit Draft 2017)
Danke für den service