Heißes Thema: Mac Jones und der System-Fit in New England.
Über Jones habe ich schon vor dem Draft geschrieben. Auf den meisten Boards war er der QB5 in einem starken Quarterback-Draft. Und im effektiven Draft wurde Jones dann auch als 5ter QB gedraftet – von den Patriots, die dank ihrer langjährigen Erfahrung mit dem Pocket-QB Tom Brady als eines der bestmöglichen „Fits“ gehandelt worden waren.
Als Einordnung: Die Pats haben Jones an #15 gezogen. Das heißt: Sie fanden ihn reizvoll, aber echte Liebe geht anders. Er scheint ganz einfach zu guter Value gemessen an der ungelösten Long-Term-QB-Frage gewesen zu sein um ihn nicht zu nehmen. Das und die Einberufung muss trotz aller Mid/Late-1st-Round-QB-Flops der letzten 15-20 Jahre nicht unbedingt eine schlechte Idee sein.
Warum Jones in die Offense reinpassen kann
Ich habe schon im April erwähnt, dass einer meiner Lieblings-Scouts, Matt Waldman, Jones sehr hoch einstuft und ihn als nahezu perfekten QB-Typ für die Patriots-Offense von Bill Belichick und Josh McDaniels sieht.
He’s a high-functioning, task-oriented passer whose preparation helps him stay ahead of defenses and find excellent solutions within structure. Tom Brady is at the apex of this style of 59 quarterbacking. Brady is so excellent with preparation and meticulous detail that most fans wouldn’t consider him a task-oriented player because those seams don’t show often.
[…] Jones’ technical skills as a thrower, strong pocket presence, and potential for quick growth as a decision-maker are all compelling reasons why he has become one of the most sought-after prospects in this quarterback class.
[…] Although football media gets clicks for touting the trendy sexiness of mobile passers who might be “the next” Deshaun Watson, Russell Wilson, or Dak Prescott, whether the era is Sammy Baugh or Tom Brady, NFL quarterbacks still have to win from the pocket during pivotal moments of most games and especially against quality competition. This is where Jones shines brightest.
(aus dem RSP 2021)
Waldman schreibt in seinem Post-Draft-Report dann auch:
If New England wants to reprise what it did schematically with Tom Brady, Jones is a great candidate. His play-action prowess, pocket feel, and mind for the game all fit what the Patriots are familiar working with for nearly 20 years. This is especially true when considering how Bill Belichick and Brady worked together. As a coach who helped develop a task-oriented future Hall of Famer, Belichick already has the template for how to work with this type of personality.
Zu beachten ist auch: Jones war bei Alabama vor allem ein QB, der über die Spielfeldmitte gewann. Die Patriots haben sich in der laufenden Offseason genau dort verstärkt um wieder die Mitte des Feldes kontrollieren zu können – mit Tight Ends und deep threat Wide Receivern für Crossing-Routes.
Aber ist der Scheme-Fit wirklich so gut?
Aber Benjamin Solak, der sich mit seinen strategischen Analysen in den letzten zwei Jahren zu einem meiner Lieblings-Analysten entwickelt hat, hakt beim Draft Network gleich mal ein und zersägt die Mär vom „perfekten Fit“ zwischen Jones und dem, was die Patriots-Offense unter Brady spielte.
Solak schreibt: Die Pats-Offense ist im Kern immer eine Kurzpass-Offense gewesen, die deswegen funktionierte, weil Brady den Ball so schnell los wurde und als Werfer schlicht fantastisch präzise war – und weil er dabei extrem gut negative Plays vermied. Solak schreibt:
That offense has been successful for so long, even through Brady’s aging, for many reasons. Many have ruminated on Brady’s football acumen, on his toughness, and on his pocket management. All of that matters. But at the end of the day, Brady’s just flat-out precise. He’s ludicrously accurate. It sounds dumb to say, but it’s important to mention at this stage: Brady is freakishly good at throwing the football where he wants.
So now, let’s turn to Jones. Beyond any sort of functions of the offense, any claims of similar football genius, or any sort of potential scheme changes, it’s worth saying with emphasis: Jones is not as accurate.
Jones sei zwar mit 95% Quote an „fangbaren“ Bällen einer der am besten gechartete QB der letzten Jahre, aber „fangbar“ ist keine binäre Kennzahl. Präzision müsse auch die Bewegung des Receivers berücksichtigen, die Positionierung der Verteidiger, Risiko von Interceptions und Pass-Breakups oder Risiko von Hits für die Receiver.
Jones sei darin doch deutlich ausbaufähig – vor allem, wenn es ohne RPO/Play-Action in der Pocket unruhig wird (was in Alabama selten der Fall war) und Jones vom ersten Read weggehen muss.
Und vor allem: Die Alabama-Coaches mussten Jones seine Offense zurechtschneidern, weil Jones Limitierungen in der wichtigsten Range der Patriots-Offense hat: Bei Targets zwischen 0 und 10 Yards downfield.
Wenn er nicht grad mit RPO/Play-Action die Yards auf dem Präsentierteller bekam, hat Jones bei Standard-Dropbacks in Alabama entweder einen kurzen Screenpass geworfen oder ist tief gegangen. Schnelle Routen im Dropback-Kurzpassspiel suchte man vergebens.
Das war kein Zufall, denn die Offense hatte unter Vorgänger Tua Tagovailoa bereits ziemlich „Patriots-nah“ ausgehen. Doch Tua ist der klar bessere Kurzpassspieler als Jones – und die Tua-Offense mit Jones weiterzuspielen, wäre für Alabama Effizienz-hemmend gewesen.
Solak schließt:
Change-ups have been pitched; smokes and mirrors have been raised, but even as personnel groupings changed and formations evolved and backfield committees rotated, the fundamental shallowness of the Patriots’ passing game has not. The same quick-option routes that popularized the mold of the shifty, undersized slot receiver in Wes Welker, Julian Edelman, and Danny Amendola? Those also necessitated a passer with a quick release, quick feet in the pocket, quick eyes, and a precise location into a tight window.
That player simply is not Mac Jones—at least, has not been in the pros. Critically, the Crimson Tide had an offense suited toward that style of player when they started Tagovailoa and then moved away from it once they installed Jones. He does not have the snappiest release; he does not have high-quality ball velocity; he does not boast of deadly precision. Sure, his feet in the pocket are nimble—he used to play tennis, of course—but that’s only one piece of the puzzle, and he’s seemingly lacking for the rest.
Natürlich ist Jones‘ NFL-Karriere damit nicht gekillt. Eine von Belichicks größten Stärken in den mittlerweile mehr als 20 Jahren in New England war seine Adaptivität. Belichick hat kein Problem, sein Kernsystem an die Talente seiner Spieler anzupassen. Im Fall von Mac Jones bedeutet das eine Abkehr vom Stil unter Tom Brady – und hin zu mehr tiefen Crossern, zu mehr Post-Routes (tiefe Route mit 45° Cut nach innen) und Go-Routes (geradeaus downfield) um Jones‘ überdurchschnittliche Downfield-Präzision auszuschlachten, vor allem aber um seine Schwächen im Kurzpassspiel zu übertünchen.
Solak schreibt: Jones in New England ist zumindest gemessen an der unter Brady gespielten Offense also kein Scheme-Fit. Entweder muss Jones gewaltige Sprünge in Punkto Präzision machen, oder die Offense muss in ihren Routen-Kombination und der Route-Depth deutlichen Modifikationen unterzogen werden um aus dieser Symbiose einen Erfolg zu machen.
Wie verheiratet man die beiden Welten?
Spannende Vertiefung unter diesem Gesichtspunkt ist Mark Schofields Analyse, wie die Patriots Jones schematisch den NFL-Einstieg erleichtern können:
- Vereinfachung der Reads durch Einsatz von RPO (OffCoord McDaniels hat allerdings nie viel RPO gespielt)
- Viel Play-Action vor allem gepaart mit Crossern (machen die Patriots bereits häufig)
- vertikale Routen aus dem Slot im Standard-Dropback-Game (z.B. Slot-Fade)
- Slants underneath
- Mesh Konzept
Natürlich kann man RPO in der NFL nicht gleich extrem wie am College spielen (allein schon die Regelauslegung lässt das nicht zu), und natürlich haben die Patriots nicht die gleich überlegenen Receiver wie Jones am College. Natürlich wird Jones in der NFL nicht wieder 58% seiner Dropbacks mit RPO, Play-Action oder Screenpässen bestreiten können.
Aber der Weg wie Jones bei den Patriots eingebaut werden kann – dieses oder nächstes Jahr – ist vorgezeichnet. Die Patriots-Offense wird dann allerdings anders aussehen als unter Tom Brady. So viel ist klar.
Schöner Artikel. Am Anfang musste ich mir allerdings mehrfach die Augen reiben bei Zitaten wie „Mac hat nicht Tom Bradys Präzision“… (huch, wer hätte das gedacht??) oder weiter: „Limitierungen bei 0-10yards downfield“ (wie können solche quasi-pitches so problematisch sein?).
Weiter unten werden die Punkte dann aber nochmal genauer aufgedröselt und mein Blutdruck ist wieder gesunken. 🙂
Insgesamt halte auch ich den Belichik-faktor für wesentlich. Einige QBs, die weder Bradys Qualität noch Spielstil hatten, sahen in der Pats-offense gut aus. Schemen, das können sie in Foxboro. Ich freu mich drauf zu sehen, was die Pats-offense im September präsentiert. Absolut keine Minute Tape für die ersten gegnerischen Defenses. 🙂
Mal was anderes: du schreibst im Text von slants „underneath“ – und ich habe dieses underneath auch schon öfter quasi als Ortsangabe des spielgeschehens gelesen (etwa so: „hirnverbrannte INT von QB Goff der einen LB underneath übersieht“). So, und die ganz doofe Frage, die zu stellen ich mich getraue weil hier die ganze schreibende Community atemberaubend hilfreich ist: Was genau beschreibt underneath denn? Welche Zone im spielgeschehen ist damit gemeint? Ist das die Zone hinter der D-Line? Beschreibt man das besser als Zone 0-10 yards ab LoS? Oder bin ich total aufm Holzweg und es ist was andere? Wo ist underneath? 😀 danke schonmal!
Underneath Zone = typischerweise ca. 5-15 Yards downfield um die Line of Scrimmage herum.
Ziel ist es, die schnelleren Slot-Receiver gegen die langsameren Linebacker ins Matchup zu bekommen und den Geschwindigkeitsvorteil auszunutzen um v.a. bei den Receivern dann mit Schwung noch Yards nach dem Catch zu machen.
Oftmals handelt es sich dabei um Slants (Abbiegung nach innen nach ein paar Schritten) oder sogar Shallow-Crossern (ganz kurze Crosser über die Mitte).
Oft kombinieren die OffCoords die kurzen Shallow-Crosser mit einem etwas tieferen Dig (wo der WR ca. 10 Yards downfield nach innen abbiegt) um den in der Zone stehenden Verteidiger in eine unmögliche Situation zu bringen und sich entscheiden zu müssen welchen der beiden Receiver zu decken.
Ah perfekt, danke! Siehste, das ist einer der 500 Gründe warum ich hier seit Jahren täglich herkomme. Neben konstant hochwertigem content auch immer Interaktion über die Kommentare – herzliches Danke an dieser Stelle!
Zur Ergänzung:
Linebacker die underneath übersehen werden sind lb die Zone Coverage spielen, den qb lesen und sich vor den Receiver in die Wurfbahn bewegen.
Ein Beispiel:
Nehmen wir die von Thomas genannte Kombo aus Shallow und Dig, der einfach Zeit halber beide von rechts. Der rechte linebacker reagiert auf den shallow crosser. Für den qb sieht die dig jetzt erstmal offen aus. Idealerweise bewegt sich aber der linke linebacker von links kommend unter die dig – da kann es schnell zu interceptions kommen, weil der lb relativ einfach zu übersehen ist und gleichzeitig der qb versuchen muss den pass so gut zu platzieren, dass der Safety von oben nicht Hilfe geben kann und auch ein Slot corner, der vielleicht die dig hinterher läuft kein Play machen kann.
Problematisch für rookies ist vor allem, dass die lb viel mehr range haben als im College
Die Bookies tippen, dass Cam die ersten Spiele startet. Also im September wohl ein paar underneath LB picks weniger.
Die könnten allerdings von Chicago mehr als wett gemacht werden, wenn Rookie-QB Fields dank brutalem Schedule von Aaron Donald und Co pulverisiert wird. Da wird Dalton nicht lange starten, wenn das Front Office den schnellen Erfolg braucht.
Spannendes thema, für mich liest sich das so als wenn es keine so große Umstellung für die Pats Offense wäre. Ein paar Routen minimal tiefer laufen lassen muss doch für diese Athletes möglich sein!? Oder sind diese Kleinigkeiten so entscheidend?
Accuracy ist gerade auf den kürzeren Routen viel entscheidender als auf den tieferen, weil für die WR kurz weniger Zeit zum Adjusten bleibt. Tief haben die Receiver den Bruchteil länger Zeit um die richtige Positionierung zu finden, wenn der Ball nicht perfekt platziert ist.
Dazu kommt, daß bei tiefen Pässen schon der Löwenteil der Yards über die Luft zurück gelegt wird. Bei kurzen muss der WR mit YAC das „wettmachen“, und gerade deswegen ist ein möglichst gut platzierter Ball wichtig damit der Receiver jede Leverage nutzen kann.
Ich kann die obige Logik also schon nachvollziehen. Wenn Jones nicht der perfekte Quick Pass Ballverteiler ist, dann müssen die Pats die Offense aufmachen und tiefer gehen. Aber dafür braucht man dann auch eventuell andere Receiver Typen.
Ein ADOT Unterschied von 1 oder 2 Yards klingt nicht nach viel, aber aufsummiert auf ein paar hundert gelaufene Routen macht das schon einen sehr großen Unterschied im Game Planning und Play Calling aus.
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