Wer kann die Super Bowl 2022 gewinnen?

Werfen wir heute mal einen kurzen Blick auf die Superbowl-Wettquoten dreieinhalb Monate vor NFL-Saisonstart. Die Quoten habe ich von Vegasinsider genommen.

Die Topfavoriten

Chiefs 9/2
Buccaneers 7/1
Die beiden Topfavoriten sind die letztjährigen Teilnehmer. Bei Chiefs und Buccs ist einfach zu sehen warum sie so klar favorisiert sind: Solange Kansas City Patrick Mahomes hat (und das ist noch lange), werden die Chiefs in Titel-Nähe mitspielen. Die Buccs haben einen sehr tiefen Kader, der letztes Jahr quasi „im Vorbeigehen“ den Titel mitgenommen hat. Tampa brauchte drei Monate um sich zu finden und profitierte in der Saison-Schlussphase dann von einem ziemlich verletzungsfreien Kader.

Kansas Citys Offseason war langfristig gesehen etwas suspekt, aber man hat immerhin die Offensive Line aufgebolstert. Tampa bringt alle 22 Starter vom letztjährigen Run zurück. Der Favoritenstatus ist also bei beiden nachvollziehbar.

Aber wir wissen auch, dass sich wiederholende Superbowl-Paarungen so gut wie nie passieren. Die Chiefs sind einigermaßen dünn in Receiver-Corps (was passiert, wenn Hill und Kelce mal nicht auf 100% agieren oder Kelce mit 30+ langsam abbaut?) und Defense. Bei den Buccs ist zu berücksichtigen, dass Tom Brady 44 wird (was, wenn er sich z.B. ein bisschen verletzt?), dass der Kader letztes Jahr in den Playoffs außergewöhnlich gesund war und dass OffCoord Leftwich noch immer nicht über jeden Zweifel erhaben ist.

Die Kronprinzen

Ravens 12/1
Bills 12/1
Rams 12/1

Ein spannendes Verfolger-Trio. Ich bin ehrlich überrascht, dass Baltimore vor Cleveland gerankt wird. Persönlich würde ich dieser Sichtweise zustimmen, doch der Public schien sich in den letzten Wochen immer mehr in die Browns zu verlieben. Baltimore ist besser, tiefer besetzt als Buffalo, hat aber das Fragezeichen, wie die Passing-Offense aussehen wird. Bei den Bills wird Josh Allen eine ähnlich gute Saison wie 2020 brauchen um den Chiefs gefährlich zu werden.

Verblüfft bin ich ob des hohen Ratings der Rams. Ich halte L.A. für einigermaßen überschätzt. Der Erfolg 2020 war getriggert von instabilen Faktoren wie Defense. Das wäre ohnehin schwer zu halten gewesen, aber jetzt ist auch noch DefCoord Brandon Staley weg. Sean McVay ist kein Shanahan und Matthew Stafford… tut mir leid, mein Gefühl ist, dass Stafford vom Public zu viele Entschuldigungen für seine Zeit in Detroit bekommt. Stafford ist ein cooler Typ und ein guter QB. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass diese Offense jetzt plötzlich aus allen Rohren feuert und Top-5 Effizienz auflegt, halte ich für eher gering. Aber das wird es brauchen, wenn die Rams um den Titel mitspielen wollen.

49ers 14/1
Browns 16/1
Packers 18/1

Wie hoch der Public Kyle Shanahan ratet, sieht man daran, dass die Niners trotz dreier negativer Saisonbilanzen in vier Jahren, trotz Abgangs beider Coordinators und trotz der Möglichkeit, dass ein Rookie-QB die Offense anführt, mit 14/1 die sechstniedrigste Titel-Quote hat. San Francisco heißt einen Rattenschwanz an Verletzten willkommen zurück. Den Rest soll Shannys System erledigen. Für mich sind die Niners auch ein Top-Kandidat in der NFC, mehr noch als z.B. die Rams.

Die Packers sind „contingent“ on Aaron Rodgers: Können sie ihn zum Spielen bewegen, ist Green Bay im erweiterten NFC-Kreis und wahrscheinlich zweitbestes Team nach Tampa Bay. Wenn nicht, ist das Team näher am Top-10 Pick als am Superbowl.

Cleveland ist tricky. Ich bin seit Jahren „high“ bei den Browns. Ich hatte sie mehrfach als Top-8 Titelkandidat, aber bis jetzt haben sie das Versprechen noch nie ganz einlösen können. 2020 war aber ein erster ganz dicker Schritt in die richtige Richtung. Das Team war mit 11-5 leicht überschätzt, aber in der Offseason ist die große Schwachstelle Defense massiv adressiert worden. OBJ kehrt zurück. Wenn Baker Mayfield auf seiner zweiten Saisonhälfte 2020 aufbauen kann, dann wunderprächtig: Cleveland ist das vierte AFC-Team mit legitimen Titelaspirationen. Wenn nicht, dann droht ein schnelles, graues Playoff-Aus.


Und damit sind wir auch schon fast beim Ende der Teams angekommen, bei denen ein Superbowl-Run wirklich vorstellbar ist. Die nachfolgenden Teams sind mit zwei NFC-Ausnahmen und dem hypothetischen Abnehmer von Aaron Rodgers durchgängig Teams, bei denen für einen Ring schon sehr viel zusammenkommen muss. Und wo ich einige Fantastie brauche um mir das Prospect schönzureden.


Unterschätzt, überschätzt?

Broncos 20/1
Colts 20/1

Bei den Broncos ist klar, warum sie so hoch gerankt sind: Aaron Rodgers. Kommt er, ist Denver die AFC #2 hinter Kansas City – vielleicht sogar die AFC #1. Kommt er nicht, kannst du die Broncos in die Tonne kloppen, weil dann war die ganze Offseason „clean the damn house“ würdig. Colts? Nope. Würd ich nie drauf wetten, solange Carson Wentz‘ Blindside von einer Kombination aus Sam Tevi und Achillessehnen-geplagtem Eric Fisher bewacht wird.

Der Geheimfavorit

Cowboys 25/1

Dallas ist für mich der eine „sneaky“ NFC-Contender (einen anderen habe ich noch später). Ich weiß, die letzte Saison war Horror, aber es gab mit der Dak-Verletzung und das außergewöhnlich schwachen Defense gute Erklärungen für den Absturz. Dak ist jetzt wieder da. Die Defense wird besser sein. Sagen wir so: Für mich ist Dallas in einer wohl erneut NFC East momentan abhängig vom Aaron-Rodgers-Status in Green Bay die NFC #2 oder #3. Ich wäre alles andere als überrascht, wenn die Cowboys in der Superbowl spielen.

Don’t see it

Cardinals 30/1
Chargers 30/1
Dolphins 30/1
Patriots 30/1
Seahawks 30/1

Hier haben wir eine Handvoll Teams, bei denen ich mir schon sehr schwertue, mit einen Superbowl-Durchmarsch auszumalen. Bei Arizona müsste ein „Year 3“ Durchbruch von Kyler Murray und Kliff Kingsbury kommen – gerade bei Letzterem ist meine Hoffnung längst nahe null. Die Ausreden, warum es bis jetzt nicht geklickt hat, sind einfach zu viele; die Offense einfach zu statisch. Die Offense ist einfach zu wenig vertikal, und man kann es längst nicht mehr auf die O-Line schieben.

Die Chargers sind einer der Analytics-Lieblinge, aber ich sehe zwei Knackpunkte: Einmal fußte vieles an Justin Herberts Rookiesaison auf instabilen Faktoren wie extrem gutem Play under Pressure. Und dann fühle ich, dass die Brandon-Staley-Defense mit dem Personal (nur ein echter Edge-Rusher in Joey Bosa, Defensive Backfield durchaus nicht so komplett wie bei den Rams, Derwin James extrem verletzungsanfällig) vielleicht kein so hohes „Ceiling“ hat wie alle denken.

Bei den Dolphins hängt alles an Tua, und der war als Rookie schwach genug um erstmal Zurückhaltung walten zu lassen.

Patriots? Werden besser sein und sind vielleicht unter der Hand ein reizvoller AFC-East-Contender (Divisionsgewinn nicht ausgeschlossen), aber ich sehe da jetzt nicht unbedingt Breakout-Potenzial, solange Cam Newton nicht noch einmal zurück zu alter Form findet. Und das ist nach drei schwachen Jahren schwer vorstellbar.

Seahawks? Russell Wilson, Bobby Wagner und Pete Carroll werden dafür sorgen, dass trotz absurdem Defense-Personal ein bestimmtes Level nicht unterschritten wird (sagen wir 9-8), aber dass die Hawks mit 1st-Time-Playcaller und dieser Defense drei-vier Playoffspiele überstehen, ist doch einigermaßen schwer zu glauben.

Saints 35/1

Weil die Salary-Cap eben kein Mythos ist, gehen die Saints nicht bloß zum ersten Mal seit 2005 ohne Drew Brees in die Saison, sondern auch mit einem ziemlich gerupften Kader. Völlig auseinandergefallen ist das Kader aber glücklicherweise nicht, und wenn Sean Payton der Coach ist, der aus Jameis Winston das Highend-Potenzial herauszukitzeln imstande ist ohne die berüchtigte Orgie an Katastrophen-Plays, dann kann New Orleans durchaus ein bisschen Radau auch im Jänner in den Playoffs machen. Aber Superbowl? Hm…

Bears 40/1
Titans 40/1

Die Titans würde ich faden. O-Line und Receiver-Corps wurden in den letzten zwei Offseasons systematisch zerstört, und dass jetzt Ryan Tannehill und Derrick Henry den Laden ohne den heimlichen Star der letzten zwei Jahre, OffCoord Arthur Smith, am Laufen halten, glaube ich einfach nicht. Weil die AFC South so schwach ist, sind vielleicht irgendwie 9-8 Playoffs drin. Aber das wäre für mich schon oberes Ende der Erwartung.

Auch bei den Bears braucht es Anne-Shirley-eskes Vorstellungsvermögen (vulgo: blühende Fantasie) um an einen Ring zu glauben. Prinzipiell geht es nur so: Die Defense verbessert trotz zunehmender Kader-Aushöhlung ihren Level und Justin Fields kommt rein und spielt als Rookie wie einst RG3… Also eher nope.

Playoffs und Divisionssieg halte ich in einer Aaron-Rodgers-losen Division durchaus für denkbar, wenn Fields einigermaßen einschlägt. Aber ähnlich wahrscheinlich ist ein harziger Einstand, Regression nach einer leicht überschätzten 2020er 8-8 Bilanz und folglich Austausch der sportlichen Leitung im nächsten Winter. Wir haben es einfach schon oft gesehen: Ein Rookie-QB kann schnell zum Fluch für eine bestehende sportliche Leitung werden. Die Scheu, Coach&GM neun Monate nach der Einberufung rauszuwerfen, ist ziemlich gering.

Stuck in the middle

Panthers 50/1
Steelers 50/1

Auf beide Teams würde ich bei diesen Quoten nicht wetten. Es sind zwei Teams, die schnurstraks in Richtung „stuck in the middle“ marschieren, weil sie altbackene Schlüsse im Team-Building gezogen haben. Bei den Steelers müsste ein 39-jähriger Ben Roethlisberger nach drei schwachen/verletzungsgeplagten Jahren plötzlich wieder zu alter Form zurückkehren. Bei den Panthers müsste Sam Darnold nach drei unterirdischen Jahren in New York plötzlich befreit im neuen Scheme von OffCoord Joe Brady aufspielen. Beides ist unwahrscheinlich, to say the least.

Raiders 66/1
Vikings 66/1
Washington 66/1

Die Kirk-Cousins-Vikings sind stuck in the middle par excellence. Da ginge ich lieber mit den Raiders, wenn wir uns ausmalen, dass Derek Carr auf seiner Top-10-artigen Saison aufbauen kann und die Defense mit neuem DefCoord einen Schritt nach vorn macht… Okay, das alles liest sich auch wie Fantasy. Also am ehesten Washington: Starke Defense, mehr Playmaker, und ein Gunslinger Ryan Fitzpatrick auf seinem allerletzten Halali.

Aber nein: Washington wirkt mir teuflisch überschätzt. Fitzmagic ist nie länger als ein paar Wochen zu trauen und Defense ist weit weniger stabil als wir glauben. Das Football Team wird nicht nochmal gegen so schwache Quarterbacks spielen wie 2020.

Der zweite Geheimtipp

Giants 80/1
Jets 80/1
Eagles 80/1
Falcons 80/1

Das ist ein bizarres 80/1 Quartett. Mit Giants, Jets und Eagles kann man zu diesem Zeitpunkt nicht gehen. Giants-OL und Daniel Jones sind zu sehr „Potenzial-Deckelung“, bei den Jets spielt ein Rookie-QB, die Eagles sind im massiven Umbruch mit einem middle-tier-2nd-Round-QB.

Aber die Atlanta Falcons sind von allen Teams in dieser unteren Hälfte der Quoten dasjenige mit dem höchsten Ceiling. Sagen wir, Julio Jones bleibt. Ist ein Durchmarsch dieses Teams wirklich so unwahrscheinlich, dass er eine 80/1 Quote rechtfertigt? Matt Ryan noch vor dem Alter des Abbaus, Arthur Smiths neues System, ein möglicherweise fantastisches Receiver-Trio. Wenn die Defense mit dem neuen Trainerstab um den Guru Dean Pees endlich mal schon vor der Elimination aus dem Playoff-Picture greift, dann halte ich Atlanta für einen entzückenden Superbowl-Außenseiter. Remember: Das Team war 4-12, hatte aber den Pythagorean von annähernd 8-8. Und ist qualitativ 2021 eher besser als schwächer.

Für mich ist Atlanta gerade mit der Quote neben Dallas einer der beiden reizendsten NFC-Optionen. Ich würde sie höher einschätzen als die Saints.

Quasi chancenlos

Bengals 100/1

Playoffs halte ich trotz meines Misstrauens in die Bengals-Coaches für denkbar, wenn die Combo Burrow/Chase/Higgins/Boyd zündet. Aber dann wäre es schon ein Traum, wenn es auch nur einen Sieg gibt. Mehr ist bestimmt noch nicht drin.

Jaguars 125/1

Jacksonville ist trotz bizarrer Ansätze im Roster-Management ein sneaky-AFC-South-Contender und Urban Meyers allerbeste Teams waren die jungen, hungrigen, vor dem Peak spielenden. Aber Superbowl wird es noch nichtmal, wenn Trevor Lawrence auf MVP-Level spielen würde. Was 2021 nicht passieren wird.

Lions 200/1

NC Dan Campbell it Topfavorit auf den Pott des besten Sprücheklopfers. Aber mehr ist auf absehbare Zeit nicht drin.

Texans 250/1

0-17 ist wahrscheinlicher als Gewinn der einfachsten NFL-Division. Nuff said.

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8 Kommentare zu “Wer kann die Super Bowl 2022 gewinnen?

  1. Die Frage bezüglich Rodgers ist ja auch, spielt er 2021 wieder wie 2020 oder eher wie 2019. Und welche Auswirkung hat das auf die Mannschaft.

  2. Hätte da wenig Sorge, denn Rodgers ist bestimmt noch angepisst und gerade in Denver wäre ein richtig starker WR + TE Corps da um wieder MVP Stats aufzulegen.

  3. Haha. No Way, dass Rodgers für Denver spielt. Er wird einfach weiter für die Packers spielen.
    Ist doch mittlerweile auch rausgekommen, dass Schefter keinerlei Quellen für seinen Artikel hatte sondern sich einfach was aus dem letzten Jahr zusammengereimt hat. Und warum sollte er nicht ähnliche Zahlen wie 2020 auflegen? WR-Corps ist eher stärker als schwächer geworden mit dem Draft. Oline könnte ein Problem werden, Müsste man sich anschauen.

  4. @Kelzema: Gegen Deine These spricht, dass Denver einen hochgeschätzten Rookie-QB in der Draft liegengelassen hat. Das macht nur Sinn, wenn sie bereits eine andere Option haben. Drew Lock als Franchise-QB? Ich weiss nicht.
    Und der Zoff in Green Bay ist definitiv real, schön zu erkennen an der schlagabtausch-ähnlichen Chronologie der Ereignisse in GB.

  5. Rodgers wird zu Denver gehen, da gibt es gar keine andere Möglichkeit. Und der Deal ist sicherlich seit Wochen schon beschlossene Sache.

    Anders lässt sich das Auslassen von Fields nicht rational erklären.

  6. Nachdem er 2018 bei den Packers seinen (damals) Rekordvertrag unterschrieben hatte, spielte er zwei seiner schlechtesten Saison und allerorten gab es schon Abgesänge auf Rodgers. Nachdem ihm 2020 im Draft die Liebe vor die Füße fiel, lief er wieder zu Hochform auf.
    Rodgers wird nach Denver nur gehen, wenn er mehr Geld bekommt. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dadurch automatisch Denver ein SB-Contender wird. Rodgers sahnt ab und macht ein bisschen mittelmäßigen Football.

  7. Pingback: All-32: Atlanta Falcons 2021 Preview | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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