Wie groß sind denn nun die Unterschiede zwischen Left Tackle und Right Tackle?

Vor einigen Wochen habe ich auf Lead-Blogger die folgende Frage gestellt: Left Tackle oder Right Tackle: Macht es überhaupt noch einen Unterschied in der NFL 2021? Die Antworten der Kollegen Jan Weckwerth und Christian Schimmel haben nicht nur bei mir auf dem Blog für Diskussionen gesorgt, sondern auch in einigen von mir partezipierten Social-Media-Kanälen.

Das Gute? Wir kennen jetzt die analytische Antwort auf die Frage, denn Timo Riske hat die Effekte untersucht.

Zum Artikel bei PFF geht es hier entlang.

Zur Studie

Kurzfassung: Die Unterschiede zwischen linker Flanke und rechter Flanke müssen unter stark verstärkter Lupe gesucht werden.

Nachfolgend ein paar Auszüge aus der Studie, die nur die „true pass sets“ berücksichtigt hat – also Passing-Downs ohne RPO, Play-Action oder Screenpässe.

Pressure von links ist nicht schlimmer als über rechts – Right Tackles sehen interessanterweise im Schnitt die minimal besseren Passrusher – und vielleicht daraus folglich wird es für die Offense sogar eher gefährlich, wenn der Druck von der rechten Flanke hereinbricht:

  • Ca. 1% höhere Pressure-Quote über den Right Tackle
  • Minimal höhere Passrush-Win-Rate über den Right Tackle
  • Minimal mehr Passrush-Win-Rates über rechts resultieren in Sacks, minimal mehr als über links
  • Auch mehr Sacks aus Pressures über rechts
  • Fumble-Rate ist fast identisch, aber 0.1% höhere Fumble-Rate über rechts
  • Turnover-würdige Würfe und Interception-Quote ist praktisch identisch
  • EPA/Play der Offense und Yards/Play sind praktisch identisch, egal ob der Druck über links oder rechts kommt – gerade in der Zeit zwischen 2 und 3 Sekunden nach dem Snap, wo die allermeisten Pässe geworfen werden.

Und: Pressure über links und rechts kommt im Schnitt gleich schnell.

Right Tackles bekommen mehr Hilfe – Im Schnitt hat der Right Tackle in etwa doppelt so vielen Snaps einen angeflanschten „in-line“ Tight End neben sich und damit „gefühlte“ zusätzliche Hilfe. Wir sprechen hier von einer Range von ca. 5% zu 10% der „true passing downs“. Mit Hilfe von Tight Ends lassen die Offense Tackles zu beiden Seiten der O-Line natürlich weniger Pressure zu, aber die Differenz ist wohl nicht groß genug um es als Erklärung für die obigen Gesamtergebnisse heranzuziehen.

Qualitätsunterschiede bei Left Tackles sind größer – Das Leistungsgefälle von den besten zu den schwächsten Starting-Left-Tackles ist ein größeres als bei den Right Tackles. Die besten Left Tackles gewinnen mehr Pass-Blocks als die schwächsten – und vor allem: Die schwächsten Left Tackles lassen mehr Pressure zu als die schwächsten Right Tackles.

Was bedeutet das?

Da kann man schließen: Der Unterschied zwischen den beiden Positionen ist so marginal, dass wir Abstand nehmen müssen von der Vorstellung, dass Left Tackles die wirklich wichtigeren Spieler sind.

Rechte Tackles sind zwar seltener „on island“ und leistungstechnisch näher beisammen als Left Tackles, aber der Effekt ist nicht so ausgeprägt wie oft gedacht, und Right Tackles sehen aber die besseren gegnerischen Passrusher. Und vor allem: Pressure über die rechte Seite torpediert die Offense nicht weniger als über die linke Seite – sondern eher mehr, Blindside hin, Blindside her.

Left Tackles werden besser bezahlt als Right Tackles.

Der Durchschnitt der zehn bestbezahlten Left Tackles beträgt 18.4 Mio/Jahr. Die zehn teuersten Right Tackles verdienen im Schnitt 10.9 Mio/Jahr.

Das ist fast so wenig wie der Durchschnitt der 32 teuersten Left Tackles (10.6 Mio/Jahr). Bei den 32 teuersten Right Tackles reden wir von im Schnitt 6.4 Mio/Jahr.

Der teuerste Right Tackle der NFL, Lane Johnson, wäre nur der sechstteuerste Offensive Tackle. Der zweitteuerste Right Tackle (Jack Conklin) läuft als 15t-teuerster OT raus.

Wir sehen: Die linke Flanke ist deutlich besser bezahlt, aber das Gefälle in der Gehaltsskala kann nicht rational mit dem Leistungsprinzip erklärt werden – und auch nicht dem geschätzten Positional Value. Denn ist relativ „egal“, an welcher Flanke die Pocket kollabiert – der Schaden ist überall der gleiche. Und der Schaden schlägt relativ gleichmäßig verteilt ein.

Der Unterschied zwischen Left Tackle und Right Tackle existiert also vor allem in unserer Vorstellung. Die Fakten sprechen eine andere Sprache – und damit haben wir auch wieder eine Marktlücke gefunden. Die Baltimore Ravens haben es mit ihrem Verkauf von Orlando Brown also richtig gemacht.

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12 Kommentare zu “Wie groß sind denn nun die Unterschiede zwischen Left Tackle und Right Tackle?

  1. Hallo Thomas, hierzu zwei kurze Fragen die ich mir schon länger stelle:
    Haben Teams wie zB die Dolphins dann einen Wettbewerbsvorteil, weil deren QB auf der Blindside von einem „günstigen“ aber guten RT beschützt wird und ein mid-value Player auf LT ausreicht, weil er ja je nach Play-Set die Hilfe vom TE bekommt?
    Kann ein guter LT auch ohne weiteres auf RT eingesetzt werden, wie zB bei Sewell der ja bei den Bengals jetzt als RT fungiert und auf dem College mehrere Positionen in der OL spielte oder ist die Position zu komplex?

  2. Interessant wäre es ja zu wissen, ob Pressure von links zu mehr Fumbles führt. Dann kann es zwar durchaus sein, dass man über rechts mehr Druck bekommt, aber „nur“ einen Sack kassiert und keinen Turnover.

  3. @andy: Das steht doch schon oben im Text, es macht kaum einen Unterschied.

    @Thomas und v.a. Moo: Sehr erhellend 👍

    Mich würde höchstens noch interessieren ob es Antworten zur QB Performance hinter richtig schlechten RT und LT gibt.

  4. Ich denke die ganze Sache ist ständig im Fluss. Am Anfang stand der immobilie Pocket-Passer, der vor allem nach rechts blickte und demzufolge auf der Blind Side geschützt werden musste. Da wurde zuerst auf der Defense aufgerüstet um den QB genau dort anzugreifen. In der Folge zog die Offense nach und hat die rechte Seite meist nicht so stark besetzt. Das führte eben dazu, dass jetzt die Defense auch und verstärkt diese Seite angreift.
    Im Moment haben wir also eher Waffengleichheit was die rechte und die linke Seite angeht.
    Nur hat sich das halt beim Geld noch nicht durchgesetzt.
    Ein weiterer Punkt, die QBs werden mobiler und haben das ganze Feld im Blick, auch um ggf. in diese Richtung zu scramblen.
    Ergebnismäßig sind beide Seiten gleichwertig. Die Frage ist ja eher, sind beide Seiten skillmäßig gleichwertig besetzt? D. h. würde es z. B. für eine Defense sinnvoller sein, ihre besten Leute nicht über die Blind Side angreifen zu lassen und eher die Blind Side zu vernachlässigen?

  5. @Liesel: Früher sind wohl die besten Tackles auf RT auch wegen dem Rushing Game gestellt worden, und weil die Top DE auf der Seite des RT aufgestellt wurden:

    Dann kam Lawrence Taylor, der über die Blind Side rushte, und langsam shifetete die Aufmerksamkeit auf die andere Seite. Dann kamen Bücher/Filme wie Blindside und der LT wurde endgültig romantisiert.

    Defenses attackieren grundsätzlich die Schwachstelle der OL. Wenn die besten OT auf LT gestellt werden, dann versucht man eben den besten Pass Rusher auf die andere Seite zu stellen, und umgekehrt. Am besten ist, wenn man Spieler hat die überall attackieren kann.

    Mich würde gerade interessieren, wie das in den Lower Levels und im Jugendbereich aussieht. Dort werden viele Teams kaum zwei gleichwertige OT haben. Werden die besten OT dort auf links gestellt? Hab dazu nichts gefunden…

    Die Pass Rusher sind auf beiden Seiten gleich gut, zumindest geht das aus einer Studie von Moo hervor.

  6. Sehr guter Artikel, der mit alten Vorstellungen aufräumt 🙂 Die Lions machen es demnach ja richtig gut, wenn sie Sewell nach rechts stellen, weil es nicht die unwichtigere Seite ist und den Spieler auf lange Sicht billiger hält.

    Würde mich echt interessieren, was passiert wenn die NFL Coaches dem LT gleich viel TE Hilfe zur Seite stellen.

  7. @CWebb: Die Frage nach der spiegelverkehrten Blindside ist schweirig zu beantworten, weil es so wenige Lefty-QBs gibt. Die Studie zeigt aber auf, dass gerade die „Blindside“ als Konzept überschätzt zu sein scheint.

    Grundsätzlich ist das Skill-Set für LT und RT relativ ähnlich. Es gibt schon Spieler, die auf einer Flanke besser performen als auf der anderen, aber das kann auch schlicht an Gewohnheit/Eingespieltheit oder auch nur dem Nebenmann liegen.

    Man sollte also unabhängig von LT oder RT schauen, dass man zwei gute Tackles hat. Sollte die Austauschbarkeit zwischen linker und rechter Flanke gegeben sein, so könnte es in der Tat eine gute Idee sein, den besseren von beiden nach rechts zu stellen um billiger auf der Payroll zu sein. Frage wäre dann halt, ob die Spieler so ein Spiel mitmachen würden.

  8. @FloJo:
    Ich denke das ist sehr schwierig zu evaluieren was den Jugendbereich bzw. den low level Bereich angeht.
    Ein paar Gedanken dazu:
    Die “Weisheiten” werden gerne übernommen. Natürlich gibt es auch modernes bzw. Innovatives Coaching in Deutschland aber im Großen sind das oft Coaches die vor 20 Jahren in Deutschland Football gespielt haben, der 10-20 Jahre hinter den USA zurück war…
    Wenn im spitzen Bereich immer wieder von der blindside gesprochen wird, dann übernimmt das ein Großteil der Coaches im lowlevel Bereich ungefragt und stellt den besten Spieler auf die linke Seite (hier könnte man mal über einen Zirkelschluss nachdenken)
    Zum zweiten gibt es sowas wie „natürliche Positionen“ – Spieler fühlen sich auf der ein oder Seite teils deutlich wohler, weil der Bewegungsablauf besser passt.
    Ein dritter Gedanke: im low levelbereich ist das runninggame deutlich wichtiger- im runninggame ist wiederum der Right tackle aus Traditionsgründen wichtiger; gleichzeitig ist der lowlevelbereich aber auch immer wieder mal extremer und unkoformer…

  9. Wäre es vorstellbar, einen flexiblen Tackle zu haben, den man je nach Bedarf rechts oder links spielen lässt. Oder auch Mal um den Gegner zu verwirren? Damit würde man die Gleichwertigkeit der beiden Seiten auf die Spitze treiben und gleichzeitig einen neuen Faktor einführen.

  10. Ne das ist keine gute Idee weil man Bewegungsablauf quasi komplett neu lernt wenn man switcht und man dann auf jedem Snap viel weniger Reps hat.
    Für den DE ist das weniger schlimm, weil der kann sein Ziel ja idR sehen, der Tackle geht ja rückwärts.
    Außerdem muss die Offense immer zuerst die formation declared, d.h. die defense kann sich immer anpassen.

  11. Kann mich den Vorrednern nur anschließen: toller Artikel, der dieses Mysterium Blindside endlich mal beseitigt. Den Punkt von FloJo find ich auch klasse: solche Tendenzen ändern sich vermutlich alle paar Jahre (oder sogar wöchentlich weil die Defense eh die Schwachstellen des jeweiligen Gegners attackiert).
    Auch Alexander Brinkmann muss ich beipflichten, da in den Lower Levels sicherlich „Weisheiten“ von oben übernommen werden ohne groß darüber nachzudenken. Hier wäre der Ansatz die Leute da einzusetzen, wo sie am besten performen sicherlich wichtiger als die Blindside zu bevorzugen.

    Zur Austauschbarkeit von Left und Right Tackles: Grundsätzlich sollte das schon machbar sein, besonders die besten Athleten sollten das hinbekommen. Allerdings geht das auf Kosten der Spezialisierung auf einer Seite (weniger Reps auf einer Seite, wie von blub angesprochen). Dagegen spricht aber auch, dass Spieler meist eine bevorzugte Seite haben – siehe auch Asymmetrie des menschlichen Körpers bezogen auf Kraft und Muskulatur. Wer Krafttraining betreibt weiß genau, wovon ich spreche. Besonders im professionellen Bereich wird viel Zeit und Training investiert, diese Asymmetrien abzubauen und viele Top-Athleten werden da weniger Probleme haben. Einen Aaron Donald wird es wenig interessieren, ob er den O-Liner mit links/ rechts oder beidhändig wegschiebt. Nichtsdestotrotz haben die meisten Spieler bestimmt eine favorisierte Seite.

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