Der klare Favorit auf den NFL Coach des Jahres 2021

Benjamin Solak hat beim Draft-Network kurz die besten Wetten auf den NFL Coach des Jahres 2021/22 analysiert. Bei seinem Favoriten würde ich mitgehen.

Solak benennt Kyle Shanahan, den Headcoach der 49ers.

Die 49ers haben unter Shanahan zwar drei „Losing Seasons“ in vier Jahren hingelegt und spielen in der NFC West und damit in einer der stärkeren Divisionen der NFL, aber sie sind bei genauem Hinschauen einer der sichersten Kandidaten für „positive Regression zur Mitte“:

  • Sie waren 6-10 bei einem Pythagorean von 7.6 Siegen
  • Sie bekamen nur 159 Passing-Snaps von Stamm-QB Jimmy Garoppolo
  • Sie waren abgeschlagene #32 nach Adjusted Games Lost mit 166 verpassten Starts inklusive der Corona-Opt-Outs (die Patriots als #31 hatten inklusiver aller Covid-Opt-Outs nur 134 verpasste Starts), unter anderem der meist-verletzten Defense und der drittmeist-verletzten Offense. Stars wie Nick Bosa oder Richard Sherman fielen quasi die ganze Saison aus, George Kittle oder Deebo Samuel Teile davon.
  • Sie waren 1-3 in One Score Games und spielten gegen die um die Playoffs spielenden Cardinals und Seahawks am Saisonende munter mit

Trey Lance

Die 49ers haben mit dem QB-Trade von #12 auf #3 im NFL Draft einen der Moves der Offseason gemacht. Noch können wir nicht sicher sagen, ob die Niners QB Trey Lance als Day-1-Starter installieren werden oder ob sie erstmal sachte mit Garoppolo in die Saison gehen werden (Jimmy-G ist ein grundsolider QB, aber ihn zu cutten oder zu traden wäre finanziell locker machbar, ja langfristig sogar förderlich).

Aber prinzipiell passt Lance wie Arsch auf Eimer in diese Offense. Analysten wie Ted Nguyen oder Jan Weckwerth sehen in Lance einen quasi perfekten „Fit“ für die Shanny-Offense.

Lance ist vielleicht der mobilste Quarterback im heurigen Draft-Jahrgang, und er hat den gewaltigsten Wurfarm. Er gilt trotz geringer Einsatzzeit am College als ziemlich reifer Typ mit Erfahrung im Callen von Protection-Schemes (keine Selbstverständlichkeit!) und ausmerzbaren Schwachstellen.

Lance ist ein QB, der den Ball schnell loswerden kann. Sein ganzer Körper bewegt sich schnell durch die Reads – nicht nur die Augen. Er gibt Shanahan wie ein RG3 die Chance, einen 11-vs-11 Football zu spielen – eine tödliche Kombination auch für NFL-Defenses.

Lance hat einige Erfahrung mit Under-Center-Spiel und Fullback in der Aufstellung. Er hat Erfahrung mit designtem QB-Rushing-Game. Er hat Erfahrung im Lesen von Spielzügen, die ähnlich ticken wie jene Shanahans. Ich zitiere mal aus dem Post-Draft-RSP von Matt Waldman:

Lance has the most experience, skill, and production of the quarterbacks in this class from a drop-back system under center that uses a wide range of play fakes, boots, and designed rolls. He’s used to looking to the tight end and running back as his first reads and then going deep, which is a harder progression to execute for a quarterback and still make the appropriate down-field decision.

Kurios an dem „perfekten Fit“ ist höchstens der Umstand, dass Lances größtes Fragezeichen seine Accuracy betrifft – und genau das ist in dem Timing-basierten Wide-Zone-System durchaus ein wichtiger Faktor. Aber die Erzählung dort geht so:

  1. Lance war zwar gemessen an seinen Jahrgangskollegen eher unpräzise, aber er hat auch die wenigsten College-Snaps von allen gespielt (nur 319 Passversuche). Es gibt also noch die Chance, dass Lance „formbar“ als Werfer ist.
  2. Lance hat erst im vergangenen Herbst zum ersten Mal richtiges Privat-Coaching erhalten. Seither haben wir ihn quasi nie in einem Spiel in Aktion gesehen.
  3. Kein Coach „schemt“ seine Receiver besser in den freien Raum als Shanahan.

Lances Sprung von der FCS in die NFL ist ein großer, aber er ist nicht ohne Beispiel (ein Joe Flacco z.B. war auch ganz solide als Rookie) – und die Rahmenbedingungen in der 49ers-Offense mit exzellenter Offensive Line, super Scheme und drei sehr guten Receivern (TE George Kittle, WRs Deebo Samuel und Brandon Aiyuk) bietet fruchtbaren Boden für einen erfolgreichen Einstand.

Wie auch immer der Plan lauten mag: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Niners die Saison mit dem Stamm-QB Lance beenden werden.

49ers = Favorit der NFC West?

Ich halte die Niners Stand jetzt auch für den Favoriten in der NFC West.

Ich misstraue der Annahme, dass Matthew Stafford ein ausreichend großes Upgrade gegenüber Jared Goff ist um die Defense-Regression, die möglichen Probleme in der O-Line und die generell ziemlich dünne Personaldecke der Rams zu kaschieren.

Ich misstraue Kliff Kingsbury nach seiner extrem enttäuschenden zweiten Saison. Da muss schematisch schon sehr (!) viel kommen um den entscheidenden Schritt von einem wackeligen 8-8 Team zu einem Superbowl-Contender zu machen.

Und die Seahawks bleiben hinter Russell Wilson etwas dünn besetzt.

Also: Es ist extrem wahrscheinlich, dass die 49ers eine deutlich bessere Bilanz einfahren werden als 2020. Es ist sehr gut denkbar, dass sie die Playoffs erreichen werden und wäre absolut keine Überraschung, wenn sie gar die Division gewinnen. Sollte all das teilweise oder ganz mit einem Rookie-QB gelingen, so ist Shanahan gewiss einer der Topfavoriten auf den NFL COTY.

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10 Kommentare zu “Der klare Favorit auf den NFL Coach des Jahres 2021

  1. Schematisch ist Kyle Shanahan einer der Besten in der NFL, aber gerade wenn man Adjusted Games Lost als Metrik heranzieht um die „schlechte Bilanz“ zu begründen, fällt auf, dass sich Shanahan seit 2010 (Off-Coordinator Washington) auffällig häufig am Bodensatz der Liga was AGL anbelangt.

    Das kann natürlich nur zufall sein, da die Metrik Offense und Defense mit einschließt, aber seit 2010 waren seine Teams nur zweinmal innerhalb der Top 10 und nur dreimal innerhalb der Top-20 gerankt.

    Wie gesagt, es kann nur Zufall sein, aber nach seinem Abgang in Cleveland hatte ich bereits ähnliche Gedanken formuliert, dass sich Shanahan extrem schwer tut, auf Ausfälle zu reagieren.

    Ich bleibe dabei, es kann sich schlicht um Zufall handeln, aber bei allem Erfolg von Kyle Shanahan könnte man schon auch kritisch hinterfragen warum seine Teams regelmäßig soviel Ausfälle haben.

  2. Puh, schwer auf Ausfälle reagieren ist eine heftige Aussage, wenn man sieht, wie die 49ers in den Jahren mit zweitklassigen Quarterbacks offensiv klassiert waren:

    2017 #16 nach EPA/Play
    2018 #21 nach EPA/Play
    2020 #22 nach EPA/Play

    2017 haben Brian Hoyer und CJ Beathard 72% der Passing-Snaps genommen.
    2018 haben Beathard und Nick Mullens 82% der Passing-Snaps genommen.
    2020 haben Beathard und Mullens 75% der Passing-Snaps genommen.

    In den allermeisten Fällen wäre die Offense bei solchem Quarterbacking kollabiert.

    In dem einen Jahr, in dem Jimmy Garoppolo durchgespielt hat (2019), waren die Niners die #4 nach EPA/Play. Und Garoppolo ist alles andere als ein Superstar-QB.

  3. Ich würde es bei den genannten Zahlen eher so sehen, dass Shanahans Teams (warum auch immer) halt tatsächlich oft häufig Ausfälle zu beklagen haben. Ich habe jetzt keine Statistiken die man für eine Analyse heranziehen kann. Aber: eine Saison mit Verletzungspech ist vermutlich einfach Pech. Ist die nächste wieder von Ausfällen überhäuft, dann eventuell immer noch Pech. Wenn man aber als Coach mit unterschiedlichen Teams über Jahre hinweg konstant unter den Teams mit den meisten Ausfällen klassiert ist, dann könnte es einfach auch etwas an Trainingsmethodik und -planung liegen. Da kann man halt schon richtig viel rausholen, gerade was Muskuläre Verletzungen und Läsionen des Bandapperates betrifft. Der AC Milan war Anfang der 2000er Vorreiter in dieser Verletzungen vorbeugenden Trainingsplanung mit dem Programm MilanLab. Oder, und jetzt kommt wirklich reine Spekulation, zumindest wenn es in Shanahans Fall hauptsächlich die Offens wäre: eventuell auch am System, dass gespielt wir? Wie genau Shanahans System designed ist, dazu kann ich nichts sagen. Aber prinzipiell vorstellbar ist halt schon, dass das eine System von den Spielern mehr „riskante“ Aktionen erfordert, als andere Systeme.

  4. Das würde ich ähnlich wie Rantanplan einschätzen. Vielleicht liegt die Krux auch bei Training und Regeneration …
    Generell ist eine statistische Häufung von Verletzungen, die einen bestimmten Coach teamübergreifend verfolgt, bemerkenswert.

  5. Bei Guardiola Teams gabs in der Vergangenheit auch öfters die immer wiederkehrende Häufung von Muskelverletzungen.

  6. Moin,
    Mit Liverpool betraf/betrifft das auch einen high intensity coach. Ich weiß nicht, wie’s bei Kloppo in Dortmund aussah.
    Für Shanny wären off/def Splits seiner teams und Zeitpunkte der Verletzungshäufung spannend (gesplittet nach Jahren und nochmal extra nach Vorbereitung/Spielwoche.

    Aber alles was ich bisher dazu immer wieder gelesen habe, deutet eher darauf hin, dass es zum größten Teil einfach Pech ist. Für athletic departments gilt schätze ich ähnliches wie im Scoutinhg, die Spitze (=Top-Ligen) ist verdammt nah aneinander.

    Gerade die 9ers letzte Saisons hatten eher Turf Probleme und M/ACL Verletzungen als Muskelprobleme. Und das ist häufig noch mehr Pech und nicht Training. Schlägt sich zudem sehr krass in AGL nieder.

  7. Wobei Turf Probleme natürlich auch hausgemacht sind. Nur halt nicht vom Trainerstab und dem Training zu verantworten. Die 9ers spielen halt pro Jahr 8 mal auf „ihrem“ Turf und haben dann 8 mal das eventuelle Turfproblem, während ihre Gegner maximal 1 mal in der regular Season dieses Turfproblem haben. Und auch Bandverletzungen lassen sich mit entsprechendem Training und gut trainierter Muskulatur und Koordination in gewissem Umfang reduzieren.
    Bei Liverpool ists aber meines Wissens nach nur diese Saison so krass. Kann mich jetzt nicht erinnern, dass die in den vorangegangenen Saisons massive Verlutzungsprobleme hatten. Gleiches gilt für den BVB unter Klopp… Kann mich aber da auch täuschen.

  8. Bezüglich der nahezu identischen Athletic Departments würde ich, wenn schon der Bogen zum Fußball gespannt wird, einwerfen, dass z.B. als Ancelotti bei Bayern war, die Spieler sich ja sehr darüber beschwert haben, dass gerade in diesem Bereich viel zu wenig gemacht wurde (eben auch im Vergleich zu den Vorgängern).
    Der rauchende Fitness-Trainer noch oben drauf 🙂

    Ancelotti hat in anderen Organisationen sicher nicht soviel anders gearbeitet und der Erfolg gab ihm dort ja recht. Was hier funktioniert muss dort nicht zwingend funktionieren, usw.

    Dementsprechend würde ich schon sagen, dass es da Unterschiede geben könnte. Auch wenn man das als Außenstehender immer gar nicht glauben will.
    Ist ja eh schwer sich diesbezüglich ein Urteil zu bilden.

  9. Das was @Rantanplan geschrieben hat, beschreibt meine „These“ ziemlich gut.

    Ich weiß nicht ob da etwas dran ist, oder ob es einfach nur Zufall ist. Aber wenn dir jedes Jahr ein Haufen gute Spieler durch Verletzungen ausfallen kannst du coachen wie du willst, damit gewinnst du keinen Blumentopf und auch keinen COY Award.

    Sollte wirklich etwas dran sein, dass Shanahan schwächen in der Belastungssteuerung oder Fehler in der Trainingssteuerung hat, wäre das vllt. der erste Punkt wo man zur Verbesserung des Teams ansetzen sollte.

    Wie gesagt. Ich weiß wirklich nicht ob daran etwas dran ist, aber die Häufigkeit mit der seine Teams nach AGL unter den schlechtesten Teams platziert ist, ist schon auffällig.

  10. Pingback: All-32: San Francisco 49ers 2021 Vorschau | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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