All-32: Houston Texans 2021 Vorschau

Die Houston Texans sind der lebendige Beweis, dass „Kompetenz“ eine überschätzte Qualität ist, wenn es um die Besetzung von Management-Stellen in der NFL (und vielleicht nicht nur dort?) geht.

Ob sie aber auch den Beweis dafür, dass Kompetenz die wichtigste Qualität beim Ergattern eines Platzes im Roster ist, muss sich noch zeigen.

Die Texans sind die NFL-Franchise, die außerhalb des Spielfelds weit interessanter ist als auf ihm.

„Lass die mal machen, das sind Profis, die wissen was sie tun, warum sonst wären sie eingestellt worden?“ Über die letzten zehn Jahre auf diesem Blog war ich oft mit solchen Aussagen konfrontiert, als ich Entscheidungen von Liga-Offiziellen, Team-Offiziellen oder Coaches kritisiert habe. Ich habe von solchen Aussagen nie viel gehalten.

Es gibt in der NFL Situationen, bei denen kann über Kompetenz und Inkompetenz der Agierenden diskutieren. Bei den Texans nicht.

Aktuell bekommt der tiefreligiöse Einflüsterer Jack „Grima“ Easterby am meisten auf den Sack. Easterby hat das Kunststück zustande gebracht, die Scharlatanie von Bill O’Brien vergessen zu machen. Er hat es geschafft, die Anstellung eines neuen GMs aus Pittsburgh zu verhindern und den überforderten Owner Cal McNair (CV: „Son of Dad“) in einer spirituellen Sitzung zur Einstellung von Buddy Nick Caserio bewegt.

Caserio bekam einen monströsen Sechsjahresvertrag über 36 Mio. Dollar – und das, obwohl die eigens von den Texans für die GM-Suche beauftragte Agentur Caserio noch nichtmal als möglichen Kandidaten geführt hatte.

Oder der neue Head Coach: David Culley. Kein Mensch kannte ihn, als Caserio ihn als Karnickel aus dem Hut zauberte. Culley war nie NFL-Coordinator. Er ist mit 65 Lenzen nicht mehr der jüngste. Er war der einzige, der den Job wollte.

Schlangenzunge hat es geschafft, dass fast alle Schlüsselfiguren in der Franchise ihm ihren Job verdanken. Selbst der Owner ist Easterby hörig. Eingerollt auf seinem Schoß fühlt er sich am wohlsten.


Das alles wäre sogar noch belustigend. Aber es gibt noch einen zweiten Scheißhaufen in Houston, für den die Franchise vielleicht noch nichtmal etwas kann. Ich rede natürlich von Deshaun Watson.

„Meinem“ Deshaun Watson.

Ich habe über die Jahre nie verhehlt was für ein Watson-Fanboy ich war. Ich habe Watson geliebt, seit er Anno 2014 bei Clemson übernommen hat. Ich habe Watson verehrt, als er dem übermächtigen Alabama im epischsten Endspiel der letzten Jahre die Stirn bot. Ich wollte Watson an #1 draften. Ich fühlte mich bestätigt als er in der NFL einschlug. Ich bemitleidete Watson als er in dem Sumpf in Houston versauerte.

Aber jetzt ist alles anders. Watson ist in dem Missbrauchsskandal um über 20 Masseurinnen noch nicht verurteilt und überhaupt ist trotz FBI-Einschaltung und möglicherweise bald benannter Geschworener nicht klar wohin die Reise mit seinem Fall geht, aber eher werd‘ ich zum Fan von Oliven als dass Watson unschuldig ist.

Dass Watson noch immer nicht auf der Exempt List des NFL-Commissioners steht und schon wieder ganz sachte auf dem Trademarkt gehandelt wird und möglicherweise schon in absehbarer Zeit in die NFL zurückkehr, ist ein Armutszeugnis. Man muss nicht „Athlete A“ auf Netflix geschaut haben um sich erinnert zu fühlen an die vielen Momente, in denen mächtigere, reichere Figuren heil aus ihrer selbst verursachten Scheiße gekommen sind.

Ich habe Watson geliebt. Aber zweite Chance hin oder her: Ich möchte ihn so schnell nicht wieder auf einem NFL-Feld spielen sehen.

  • Bilanz 2020: 4-12
  • Pythagorean: 6.1 Siege (#25)
  • Close Games: 2-7
  • Offense EPA/Play: +0.09 (#7)
  • Defense EPA/Play: +0.17 (#30)
  • Turnovers: -9
  • Fumble Luck: 52% (#14)
  • Adjusted Games Lost: #7 (OFF #3, DEF #17)

Alles klar? Dann lass uns noch kurz über das Sportliche reden.

Die Texans waren mit Watson auf QB ein 4-12 Team. Sie waren ein 4-12 Team, obwohl sie unter den Teams mit den wenigsten Verletzungen waren. Sie waren 4-12 in einer miesen Division. Und sie waren 4-12 obwohl die Offense als Top-10 Unit produzierte.

Watson ist technisch gesehen noch da, auch wenn er nicht mittrainiert. Aber viele andere sind weg – und zahlreiche Neue da.

Franchise-Legende J.J. Watt durfte das Team im Februar auf eigenen Wunsch hin verlassen. Auch WR Will Fuller und LB Bernard McKinney sind weg. In der Free Agency fokussierten die Texans sind darauf, DB Desmond King und Zillionen Ergänzungsspieler zu kaufen. Allein vor dem Draft hatte man fast 40 Spieler verpflichtet. Kein einziger kostete mehr als 4.5 Mio Dollar guaranteed money.

Culley behielt den OffCoord Tim Kelly, hielt sich aber über die Offense-Ausrichtung der Mannschaft bedeckt. Ansonsten ist vieles neu.

Offense

Wenn nicht noch ein Wunder passiert, hat Watson das letzte Down für die Texans gespielt.

So sind die beiden QB-Optionen der ewige Tyrod Taylor und Rookie Davis Mills. Die Messen über Taylor sind längst gelesen: Mobiler QB, der auch als Stütze im Run-Game fungiert und als Werfer Turnover-minimierend spielt. Taylor spielte in Buffalo einst so gut, dass die Bills Angst um ihren Tanking-Job bekamen. Seine Auftritte in Cleveland und bei den Chargers waren dagegen nur von sehr kurzer Dauer.

Für den Mills-Pick bekamen die Texans von Draftniks ziemlich auf die Fresse. Ich fand den Pick gar nicht so verkehrt. Mills galt als einer der brauchbaren Mid-Round-Developmental QBs. Einen QB kannst du immer brauchen, und vielleicht hat Easterby ja den Draht nach ganz oben und in der Lotterie den Richtigen nach Houston gebetet.

Der Receiving-Corps hat zwei nette Optionen im geschwindigen WR1 Brandin Cooks, der eine Freak-Karriere hinter sich hat, und im horrend teuer erkauften Rookie-3rd Rounder Nico Collins. Collins ist ein hoch aufgeschossener Receiver, in dem einige langfristig X-Receiver-Potenzial sehen.

Dahinter gibt es nur Wandervögel wie Chris Conley, Depth-Receiver à la Keke Coutee oder woanders gescheiterte Jungspunde wie Anthony Miller. Nicht alle werden den Roster-Cut schaffen.

O-Line ist an den Flanken passabel. Der Katalysator des Dolphins-Tankjobs LT Laremy Tunsil ist nicht nur einer der teuersten Offense Tackles, sondern auch einer der besten. Der andere OT ist Tytus Howard. Er kann sich jetzt als Starter beweisen. Innen ist man freilich etwas wackelig besetzt.

Defense

Der wichtigste Neuzugang in der Defense ist „Graubart“ Lovie Smith als DefCoord. Lovie war vor 15 Jahren einer der genialen Defense-Minds in der NFL, ehe sein weiterentwickeltes Tampa-2 Scheme vor 8-10 Jahren aus der NFL gespült wurde. Danach war er am College bei den anonymen Illinois Fighting Irish aus der Periphärie von Chicago. Was er dort schematisch genau gemacht hat, ist nicht bekannt.

Auf Spielerseite hat man EDGE Shaq Lawson via Trade aus Miami und DB Desmond King in Free Agency geholt. King ist ein „reclamation project“ – ein ehemals angehender Star, dessen Karriere durch Verletzungen immer wieder zurückgeworfen wurde. Wenn er mit einem sicheren Stammplatz noch einmal in die Spur findet, kann Houston für ihn einen Compensatory-Pick abstauben.

Ansonsten gibt der Kader nicht viel her. Die Front ist ausgedünnt und Lawson ist als #1 Passrusher keine optimale Besetzung. Wäre er die #2, würde man ihm Produktivität viel lieber zutrauen.

Im Defensive Backfield tummeln sich Routiniers wie Bradley Roby und Jungspunde wie Justin Reid oder Lonnie Johnson. „High End“ geht anders.

Ausblick

Wäre die NFL nach Frömmigkeit gerankt, wären die Texans Superbowl-Favorit. Aber soweit ich weiß, mischen sich höhere Wesen nur selten in die Belange des Menschheitsexperiments ein.

Ergo sind die Texans, die in keinem einzigen Spiel favorisiert sind, auch einer der Favoriten auf den schlechtesten Record und damit den #1 Pick in der NFL. Und wenn man sich all die Scheiße in Houston anschaut, dann fragt man sich unweigerlich auch wie viel Lust in ihren Verträgen eingelockte Spieler wie Tunsil überhaupt haben werden.

Aber vielleicht ist die Situation bei den Texans für viele Spieler aus der zweiten Reihe auch eine Chance sich für höhere Aufgaben zu beweisen – schließlich werden viele der zur Verfügung stehenden Snaps von Spielern bestritten, die in anderen Mannschaften auf der Bank säßen. Und wenn schon Bibelstunden nicht weiterbringen, dann hilft vielleicht Einsatzbereitschaft um das eine oder andere Spiel auch ohne Watson zu gewinnen. Wenn nicht, droht 0-17.


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9 Kommentare zu “All-32: Houston Texans 2021 Vorschau

  1. Ob man Culley nun kennt und ob er mal Coordinator war sagt nichts aus. Viele geniale OC/DC taugen als HC soviel wie als QB.
    Es ist zumindest keine Gase, Jackson oder Jeff Fisher Situation wo man weiß das wird nichts.

  2. Ja, das ist korrekt!

    War halt trotzdem eine merkwürdig anonyme Anstellung, die sich präsentierte als „einer musste uns ja zusagen“.

    Vielleicht ist Culley ja auch genau der richtige in einem Kader mit so vielen Cast-Offs, wo erstmal andere Qualitäten als Scheming gefragt sind.

    Und Notverpflichtungen sind nicht immer mies, siehe Frank Reich.

  3. Pingback: All-32: Jacksonville Jaguars 2021 Preview | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  4. „Lawson ist als #1 Passrusher keine optimale Besetzung.“ Das haben die Texans wohl gelesen. Zack, 10 Tage später ist er weg.
    Es überrascht mich immer wieder, welch kurze Halbwertszeit NFL-Kader haben…
    Schade: So richtige Team-Ikonen, die ihre gesamte Karriere bei einer Franchise bleiben, würden den Teams deutlich mehr Charakter geben.

  5. Ich vermute bei den Texans eher eine Art „Sammeln von Draftkapital“. Solche Spieler wie Lawson lassen sich eventuell vor der Deadline an Teams in der Not verscherbeln – sie fressen ja auch einen Großteil des Caps auf.

    Geht auch noch Watson für drei 1st plus x weg, dann hat man ab 2022 vielleicht doch einiges Kapital um den Kader neu aufzubauen.

  6. Pingback: Es geht los! Heute beginnt die NFL-Saison 2021/22 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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