College Football Vorschau 2021 für Gelegenheitszuschauer

Die ersten Eier fliegen schon seit ein paar Tagen, aber an diesem Wochenende geht die College-Football-Saison richtig los. Eine Einführung.

Früher hab ich mich stets auf das erste Wochenende mit College Football gefreut. Mittlerweile spüre ich fast nichts mehr. Die immergleichen Mannschaften, die alle anderen abschießen, ein unlauterer Wettbewerb in der Nominierung der Playoff-Teams, quasi-irrelevante Conferences – alles Faktoren, mit denen der College Football sich in den letzten Jahren für mich unattraktiv gestaltet hat.

Die Corona-Saison 2020 setzte dem ganzen noch die Krone auf: Atmosphärisch mausetote Spiele in riesigen leeren Ovalen, hirntote Verwalter in den Athletic-Departments und Fünf-Spiele-Schedules wie in der Pac-12 waren Totengräber für die sportlich langweiligste Saison, an die ich mich erinnern kann.

So wenig mich die leeren Stadien in der NFL gestört haben, so schlimm fand ich sie im College Football. Zur neuen Saison kehrt wieder etwas Normalität zurück. Viele Mannschaften wollen maximale Zuschauerkapazität zulassen, und wenn ich das richtig überblicke, verlangen nicht alle einen Impfnachweis oder negative Tests. Das gigantische Beaver Stadium von Penn State könnte zum Beispiel sechsstellige Besucherzahlen beherbergen ohne dass die Zuschauer geimpft sein müssen.

Auch im Roster-Management gibt es keine einheitliche Covid-Policy über die einzelnen Conferences hinweg. Ausgerechnet die Südstaaten-Conference SEC im Heartland von Donald Trump und den Konservativen fährt die momentan restriktivste Corona-Politik mit hohen Impfraten und wöchentlichem Screening quer über den Kader. In der Big Ten dagegen wird die Policy jeder einzelnen Uni für sich überlassen.

Genaueres kann man diesem ESPN-Artikel von Heather Dinich entnehmen.

Wo kann ich College Football schauen?

Wer mit dem Klamauk kein Problem hat: ProSieben Maxx / ran.de übertragen in der Regel die Samstagabendspiele um 18h. Morgen geht es dort z.B. mit Michigan – Western Michigan los.

DAZN hat sogar etwas mehr College Football im Angebot und wird oft mehr als ein Spiel pro Wochenende in Originalkommentierung bringen.

Die beste Quelle ist aber nach wie vor der ESPN Player, der fast alle US-Übertragungen von ABC und ESPN mit seinen diversen Ablegern im Online-Player im Angebot hat. EUR 11,99 für den Monatspass, EUR 79,99 für das Jahresabo.

Ich habe leider keine genaue Information wie es dieses Jahr mit den Notre-Dame-Spielen oder dem Geoblocking im ACC Network aussieht – für die, die nicht auf Grauzone oder Youtube ausweichen wollen.

Wo gibt es den guten College Football Content?

Im deutschsprachigen Raum kann ich vor allem Jan Weckwerths Blog „Triple Option“ und seinen Twitter-Handle @giannivanzetti empfehlen. Mit Jan und Christian Schimmel habe ich auch eine regelmäßige Frage/Antwort-Runde über die ganze Saison hinweg bei Lead-Blogger geplant.

Die beiden Kollegen sind übrigens auch Podcaster bei den „College Football Sofa-QBs“ mit Nicolas Martin und hoffentlich bald auch wieder Sal Mitha, bei denen ich nicht ganz erstaunt war, dass es sie nun auch schon seit satten fünf Jahren gibt. Vor einigen Tagen haben sie sich sogar einen eigenen Twitter-Handle spendiert.

Wer bei Down Set Talk einzahlt, kann regelmäßige Podcasts mit Adrian Franke und Jan Weckwerth im „College Update“ hören.

Darüber hinaus gibt es mittlerweile ein kleines Podcast-Netzwerk. „Horns and Horses“ mit dem Lesern dieses Blogs bereits bekannten Peter Schindler behandelt zum Beispiel die Big 12. Etwas allgemeiner ist „Saturday Kickoff“ oder der oft in Freak-Länge ausartende „College Football Germany Podcast“.

Was ich selber sonst noch zum College Football 2021 mache, weiß ich noch nicht. Ich muss erst schauen ob und was mich diese Saison mitreißt.

Das Landesmeisterschaftsrennen

Zum Sportlichen. Die Zuspitzung auf den National Title als einzigem Saisonziel hat in den letzten Jahren zu einer Machtkonzentration an der Spitze geführt, die selbst für den seit Jahrzehnten von den Eliten dominierten College Football langsam zu einem Problem wird, weil es einfach fast keine Abwechslung mehr gibt.

So gut und wichtig das Playoff als Weiterentwicklung des abgefuckten BCS-Systems war, so hat es die Entwicklung doch weiter befördert. Weil eine Rückkehr in Zeiten, in denen die Amerikaner ihren College-Meister per Abstimmung (!) gewählt haben, undenkbar ist, scheint die momentan einzige Lösung zur Entzerrung der Machtkonzentration eine Erweiterung des Playoffs zu sein.

Aber das wird dazu führen, dass die Conferences als die großen traditionellen Institutionen weiter an Bedeutung verlieren – und gleichzeitig nicht garantieren, dass es für ein breiteres Feld an möglichen Titelkandidaten kommt. Ob die unaufhaltsame Entwicklung hin zu „Super-Conferences“ und der Aufspaltung der FBS in zwei weitere Stufen (Superleague und Mid Majors) dieser Entwicklung Einhalt gebieten können, ist die große Frage für die nächsten 10-15 Jahre.

Wie extrem die Fokussierung auf einige wenige Spitzenteams in den letzten Jahren geworden ist, verdeutlicht das bisherige Playoff-Feld. Seit die Playoffs vor sieben Jahren ins Leben gerufen wurden, gingen 20 der 28 Playoff-Plätze an nur vier Mannschaften: Alabama und Clemson waren je sechsmal dabei, Ohio State und Oklahoma je viermal.

Schauen wir auf die Endspiele, ist es noch extremer: Bislang gab es nur sechs verschiedene Finalisten. Oregon, LSU und Georgia standen einmal im Endspiel, Ohio State zweimal. Die restlichen neun Endspielteilnahmen gehen auf Alabama (5) und Clemson (4).

Da macht es doch Freude auf die Playoff-Wahrscheinlichkeiten für 2021/22 zu blicken (von PFF):

  • Alabama 59%
  • Clemson 59%
  • Ohio State 59%
  • Oklahoma 48%
  • Georgia 30%

Erst dahinter folgen mit geringen Chancen potenzielle Neulinge wie Texas A&M (17%), Florida (16%), UNC (14%), USC (12%) oder Iowa (11%).

Was die ganze Geschichte noch deprimierender macht: Außer Oklahoma geht einzelne der fünf Topfavoriten geht mit einem neuen Quarterback in die Saison – und trotzdem ist die Chance nur etwas größer als 1:3, dass es überhaupt ein Team außerhalb dieses Top-Quintetts ins Semifinale schafft. In 75% der Fälle gewinnt eines der Fünf den National Title.

ACC

Die ACC ist die Heimat der Clemson Tigers, die die Konkurrenz in dieser Conference seit sechs Jahren an die Wand spielen. Clemson ist das Reich von Dabo Swinney, einem Mann, der einst wie die Jungfrau zum Kind zu seinem Job als Cheftrainer kam, aber aus seiner Chance das Maximale gemacht hat.

Swinney ist ein guter Recruiter, aber noch mehr sind er und seine Coaches fantastische Entwickler. Clemson spielt eine Spread-Offense mit eindeutiger Handschrift: Immer 11-Personnel, Tight End oft direkt als sechster Blocker an der Line, aber viel Fokus auf misdirections. Zur anstehenden Saison schickte man QB Trevor Lawrence und RB Travis Etienne in die NFL, aber trotzdem macht sich niemand Sorgen um die Offense.

Denn der neue QB steht schon in den Startlöchern: D.J. Uiagalelei. Der Mann mit dem unaussprechlichen Namen besitzt eine Rakete von Wurfarm und hätte letztes Jahr zu seinem Debüt um ein Haar Notre Dame in deren Stadion geschlagen. Der Receiver-Corps ist eher jung, aber dafür kehrt der fantastische WR Justyn Ross nach über einem Jahr und einer bedrohlich klingenden Nacken-OP in den Kader zurück.

Am Samstag spielt Clemson gleich mal gegen Georgia. Es wird bis zum Semifinale das schwerste Spiel für die Tigers in diesem Herbst bleiben. Wenn sie schlimmstenfalls knapp verlieren, steht die Tür zum Playoff nämlich weit offen.


Denn die ACC ist hinter dem Powerhouse Clemson die schwächste aller Power-Conferences. Das andere große ACC-Programm Florida State schwächelt seit dem Abgang von Jameis Winston nach der Saison 2014 extrem und ist in Mike Norvell bei seinem dritten Headcoach in den letzten fünf Jahren angekommen. Norvell fuhr 2020 nur eine 3-6 Bilanz ein. Für 2021 erwartet man auch dank des bald 24-jährigen Transfer-QBs McKenzie Milton Besserung. Gegen Clemson wird man aber null Chance haben.

Die beiden ernsthaftesten Konkurrenten dürften UNC und Miami sein. UNC (oder: North Carolina) ist das Reich vom Ex-Texas-Coach Mack Brown, der auf seine alten Tagen noch einmal die Fäden bei seinem alten Arbeitgeber (Brown war dort schon in den 1990ern Coach) übernommen und für einen massiven Boost im Recruiting gesorgt hat. UNC hat nach drei Jahren Brown mittlerweile erstklassiges Spielermaterial – u.a. einen der meistdiskutierten QBs für den NFL Draft 2022, Sam Howell.

Obwohl mit Dyami Brown der Top-Receiver und in Javonte Williams und Michael Carter die beiden besten Runningbacks in die NFL gingen, geht man davon aus, dass die Offense dank Howells Deep-Ball-Affinität produktiv bleiben wird. Der tiefe Pass ist nämlich gleichzeitig Trademark wie auch einziger Hoffnungsträger dieser Offense von OffCoord Phil Longo, die prinzipiell aus drei Routen besteht: Hitch, Comeback, Go.

Die Miami Hurricanes bauen auch auf einen starken QB, aber einen mit eher geringen NFL-Ambitionen: D’Eriq King. Der ewige King hat nach Verletzungen, Transfers und Opt-Outs mittlerweile sein sechstes und wohl letztes Jahr College-„Eligibility“, und er ist ein Playmaker vor dem Herrn. Trotz des Abgangs mehrerer Stars bleibt ihm ein guter Skill-Corps erhalten.

Als mögliche Überraschungskandidaten werden oft Virginia Tech und Boston College genannt. Bei den Hokies hat Headcoach Justin Fuente schon die Zielscheibe auf der Brust. Bei Boston College könnte der Headcoach Jeff Hafley aus anderen Gründen bald weg sein, denn er macht einen spannenden Job. Boston College ist auch wegen seines QBs interessant: Phil Jurkovec, der als möglicher Sleeper für eine Breakout-Saison gilt.

Jurkovec hat als Freshman ganz geil ausgesehen. Ungewöhnlich für Boston College: Er musste oft ganze Passfeuerwerke abziehen und die Offense im Alleingang tragen. Er hatte eine hohe Rate an Big Plays und warf fast 11 Yards downfield – pro Pass.

Big 12

Lassen wir die Off-Field-Geschichten der sich in Auflösung befindlichen Redneck-Conference Big 12 mal außen vor: Sportlich und spieltaktisch ist sie durchaus nicht unspannend. Die frühere Air-Raid-Conference steht zwar nach wie vor für extreme Punktefestivale, aber bietet mittlerweile eine erstaunliche Breite an Spielsystemen.

Topfavorit ist Oklahoma. Eine ausführliche Preview hat Kollege Peter Schindler beim Lead Blogger geschrieben. In aller Kürze: Oklahoma steht für Offense – und zwar geballt. Einmal wäre da das Schematische von Headcoach Lincoln Riley mit seiner 2-Back-Spread um GT Counter und andere Power-Elemente angereicherte Air-Raid-Offense.

Aber dann ist da auch das Personal: Einmal der sehr – sagen wir: selbstbewusste – QB Spencer Rattler, der als möglicher #1 Pick im nächsten Draft gehandelt wird. Aber auch eine nie endende Pipeline an großartigen Receivern. Der Neueste im Line-Up: Marvin Mims.

Neu ist für 2021, dass auch die Defense erstmals seit Längerem mal wieder höheren Ansprüchen genügen soll. Der letztes Jahr neu geholte DefCoord Alex Grinch spielt viel weniger Prevent-Defense und softe Cover-4, sondern bringt durchaus auch mal aktiv Passrush und attackiert die Front. Stars wie EDGE Nik Bonitto (höchste Passrush-Win-Rate im ganzen College Football mit fast 28%) helfen. Das muss auch so sein, denn hinten steht man auf Cornerback etwas blank.


Das große Texas hat sportlich Schlagzeilen geschrieben mit der Einstellung von Steve Sarkisian als neuem Headcoach. Sark hat eine bewegte Laufbahn hinter sich, u.a. mit ernsthaften Alkoholproblemen bei USC. Zuletzt stellte er seinen einst guten Ruf als Stratege hinter Alabamas rekordträchtiger Offense wieder her – aber Chefcoach bei Texas ist nochmal ein anderes Biest als OC im Schatten von Nick Sabans Elite-Recruits.

Sarkisian stand zuletzt für eine radikale RPO-Offense. Für Texas ist das erstmal Kulturwandel genug, um schon Wunderdinge in 2021 zu erwarten.

Am ehesten sollten die kleinen Iowa State Cyclones von Matt Campbell mithalten können. Der ist einer der besten jungen Coaches im Lande, mit einer innovativen Defense (3-3-5 mit drei Passrushern in der D-Line) und exzellenter Spielerentwicklung.

Campbells Team gewann letztes Jahr schon als Präludium die Fiesta Bowl. Angeführt vom Pump-Fake-Spezialisten QB Brock Purdy könnte es heuer *maybe* zum großen Wurf reichen. Purdy wurde letztes Jahr als möglicher angehender NFL-Pick gehandelt, aber obwohl er gewohnt ist, mit Pressure umzugehen, ist der Hype nach einem mäßigen 2020 mit viel zu vielen Interceptions erstmal etwas abgeflaut.

Das Big-12-Mittelfeld dahinter wird sich wie in den letzten Jahren die Siege gegenseitig wegnehmen. Baylor hat den Umbruch von Headcoach Matt Rhule auf Dave Aranda noch nicht fertig, Texas Tech verliert seinen OffCoord Mike Yurcich, bei TCU muss Gary Patterson aufpassen, dass die Magie seiner epischen 4-2-5 Defense nicht erstickt, Oklahoma State ist auch nur so la-la und K-State ist erstmal vor allem dank des Schemes vom umtriebigen Coaches Chris Klieman interessanter als wegen sportlicher Exzellenz.

Big Ten

Auch die Big Ten hat einen glasklaren Favoriten: Ohio State. Die Buckeyes verlieren zwar QB Justin Fields und sind insgesamt nicht mehr so tief besetzt wie noch in den letzten Jahren (u.a. verliert man fast 50% der Offense-Snaps). Aber der sehr akkurate Fields-Nachfolger C.J. Strout ist auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen und bedient ein atemberaubend gutes Receiver-Duo: Garrett Wilson und Chris Olave.

Wilson ist der etwas kräftiger gebaute von den beiden und wird wohl höher im Draft gehen, aber ich bin bekennender Olave-Fetischist. Beim schmächtig gebauten Olave gibt es nicht genug oooooooooooooooooo in seinem smoooooooooooooooooooooooooooooooooooth. Olave ist sogar noch eleganter als einer seiner Vorgänger Terry McLaurin.

Die O-Line ist fantastisch mit Prospects wie Thayer Mundford oder Nicholas Petit-Frere und auch die Defense sollte nach einem Hänger wieder auf Topniveau performen. DefCoord Kerry Coombs liebt Man-Coverage. Die Front ist um den grandiosen „Disruptor“ DT Haskell Garrett herum exzellent besetzt. Dafür gibt es – ungewohnt für die „DB U“ Ohio State in der Secondary ein paar Fragezeichen.

Ohio State neigte in der Ära Urban Meyers immer wieder zu einem überraschenden Stinker, doch unter Ryan Day wirkt das Team erstaunlicherweise einen Tick stabiler. Weil die Konkurrenz um den National Title fast samt und sonders mit neuen QBs antritt, könnte eventuell auch das letztes Jahr im Endspiel kritische Fragezeichen in der Pass-Deckung kaschiert werden.


Ohio State sollte damit die Eastern Division dominieren. Beim Erzfeind Michigan droht das x-te Übergangsjahr für Headcoach Jim Harbaugh, der nicht nur in der Offseason eine Halbierung seines Gehalts hinnehmen musste, sondern sich auch schon bei seinem Bruder John in Baltimore einen neuen Defensive Coordinator ausgeliehen hat um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dieser DC, Mike McDonald, wird das bisherige Abwehrsystem auf den Kopf stellen.

Auch beim dritten großen Namen im Westen, Penn State, wächst die Unzufriedenheit mit dem Headcoach. Dort wird schon langsam über James Franklin hinter vorgehaltener Hand gemunkelt.

Die Nittany Lions begannen 2020 einfach mal mit 0-5 Bilanz und konnten sich nur mit einem QB-Wechsel von Sean Clifford auf Will Levis zu Schadensbegrenzung und 4-5 retten… aber dann transferierte Levis nach Kentucky. Franklin holte OffCoord Mike Yurcich von Texas Tech hoch und will eine temporeichere Offense mit mehr Downfield-Passing installieren.

Die Receiver hat man: Parker Washington, Jahan Dotson und TE Benton Strange sind alles quicke, schnelle Leute. Wenn Clifford nicht wieder 2 Interceptions pro Spiel wirft, sollte was möglich sein. Die Defense ist eh trotz des Abgangs der Star-Passrusher Odafeh Oweh und Shaka Toney erstklassig.

Penn State wird seinem Ruf als einstige „Linebacker U“ mal wieder gerecht und so hat DefCoord Brent Pry hat einen fantastischen Linebacker-Corps beisammen. Ellis Brooks, Curtis Jacobs und insbesondere Brandon Smith – alles Namen, die man sich eventuell merken kann. Kombiniert mit 60% Rückkehrer im Defensive Backfield können die Lions vielleicht hie und da mit dem „Abwürge-Modus“ den einen oder anderen Favoriten ärgern.


Vielleicht kann auch Indiana was reißen. Die Hoosiers vom extrem beliebten Headcoach Tom Allen sind vielleicht das unterhaltsamste Team in der ganzen Big Ten. Sie spielen gute Defense und vorne aggressive Offense rund um den Spaß-QB Michael Penix. Letztes Jahr brachte Defense Justin Fields zur Verzweiflung und hätte mit seiner Offense fast einen gigantischen Upset hingelegt.

Die anderen „Easteners“ sind Sparringspartner. Michigan State ist mit Mel Tucker noch mitten im Umbruch. Bei Rutgers muss Greg Schiano noch gut 1-2 Jahre seine bislang brauchbare Arbeit fortführen, ehe er konkurrenzfähig ist. Und Maryland bleibt Maryland.


Im Westen ist das Rennen offener. Iowa und Wisconsin sind beide in den Top-20 gerankt. Beide Teams eint old school, grind-it-out-Philosophie. In Wisconsin schnurrt eher die Power-Rushing-Maschine, während Iowa mehr Outside-Zone-Running mit entsprechender Blocker-Schule kultiviert hat.

Iowa glänzte 2020 vor allem durch seine knüppelharte Defense rund um mehrere NFL-taugliche Linebacker – aber die Offense blieb zäh wie ein Kaugummi, weil QB Spencer Petras‘ Pässe streuen wie Schröte.

Wisconsin hat eine nicht ganz so gute Defense, aber dafür den verlässlicheren QB: Graham Mertz. Der ist gut genug um die dominanten Bodentruppen mit adäquatem Passing-Game zu supporten. Wenn sich die Combo aus dem Power-Runner Jalen Berger und dem geschwindigen Chez Mellusi als Treffer erweist, könnte Paul Chryst mit seiner Truppe *eventuell* auch Ohio State gefährlich werden… an einem sehr guten Tag.

Das zuletzt starke Northwestern vom famosen Headcoach Pat Fitzgerald hat wahrscheinlich zu großen Aderlass hinter sich um oben mitzumischen, bei Minnesota ist kaum vorstellbar, dass PJ Fleck das verwaiste Passing-Game ausgerechnet nach dem Abgang von Superstar-WR Rashod Bateman wieder in Schwung bringt, und bei Illinois übernimmt der personifizierte Ground & Pounder Bret Bielema einen Kader, der noch zu sehr von seinen Vorstellungen abweicht.


Aber Illinois ist letzte Woche immerhin mit einem Sieg gestartet – gegen das einstige Powerhouse Nebraska, wo nach vier Losing-Seasons und einem Fehlstart in 2021 schon alle Alarmglocken schrillen. Headcoach Scott Frost, ehemaliger Student der Uni und nach seiner starken Aufbauarbeit bei UCF vor drei Jahren mit überschäumendem Optimismus in Lincoln angetreten, steht schwer unter Beschuss.

Miese sportliche Leistungen, verheerende Kommunikationspolitik, in Scharen abwandernde Commits: Frost hat wenige Entschuldigungen, steht aber schon jetzt vor einem Scherbenhaufen.

Pac-12

Die Pac-12 hat einen schlechten Ruf, weil sie in sieben Jahren nur zwei Teams (Oregon 2014 und Washington 2016) in die Playoffs gebracht hat und finanziell den anderen Power-5 mittlerweile weit hinterherhinkt. Aber qualitativ ist sie bestimmt besser aufgestellt als die ACC hinter Clemson.

Es gibt in beiden Divisionen klare Favoriten. Im Norden ist es Oregon, wo der einstige Saban-Schüler Mario Cristobal vor einigen Jahren aus der Not übernommen hat und seither für Oregons Verhältnisse geradezu fantastisch rekrutiert. Zwar ist nix mehr von dem patentierten Chip-Kelly-Hochgeschwindigkeitsfootball übriggeblieben, aber dafür haben die Ducks landesweit vermarktete Stars wie EDGE Kayvon Thibodeaux in ihren Reihen.

Im Süden sollten die USC Trojans das Rennen machen – auch wenn das langfristig vielleicht gar nicht so gut ist. Denn der Blaublüter USC hat ein Problem: Headcoach Clay Helton wird nicht so richtig ernst genommen und steht entsprechend seit Jahren unter Beschuss. Weil nie garantiert ist, wie lange er noch dem Programm vorsteht, kommt auch das Recruiting nie so richtig in Gang.

USC wirkt wie eine Art schlafender Riese, den es zu wecken gilt. QB Kedon Slovis ist der Schlüsselspieler – er wird in einigen Preseason-Draftrankings als 1st Rounder gehandelt. Aber dafür muss sein Wurfarm 2021 mehr Esprit versprühen als zuletzt.


Die Konkurrenz dahinter hat zahlreiche Fragezeichen. Im Norden hätten die Washington Huskies eine potenziell famose Defense unter dem richtig geilen Defensiv-Mind Jimmy Lake, aber keine Offense als Entlastung. Stanford marschiert seit Jahren straight ins Mittelfeld, weil man den Trend zu mehr Speed verschlafen hat und wie Annodazumal noch heute auf Physis und „Size“ setzt. Und bei Wazzou überstrahlen nur die retardierten Weltanschauungen von Headcoach Nick Rolovich die Tatsache, dass man mit dem Wechsel von Mike Leachs Air Raid auf deren Cousin Run & Shoot noch nicht durch ist.

Im Süden wäre cool, wenn Chip Kellys UCLA Bruins mit dem reizvollen QB Dorian Thompson-Robinson endlich etwas konstanter als einige Drives in die Spur finden, denn sonst sehe ich da wenig Qualität.

Utah und Colorado sind bestenfalls Mittelmaß und bei Arizona sorgen am ehesten die Coaches für Unterhaltung: Herm Edwards als Chef-Sprücheklopfer vornedran, und im Hintergrund der neue von Michigan rübergewechselte DefCoord Don Brown. Der galt mit seinem markanten Spielstil (vorne aggressives Blitzen, hinten aggressives Draufgehen auf den Mann) über Jahre als Art nationales Denkmal, ehe er vor eineinhalb Jahren von Ohio State dermaßen in seine Einzelteile zerlegt wurde, dass ihm noch heute die Birne schellt.

Notre Dame

Der beste Independent im Lande leckt nach dem erwarteten Debakel infolge der skandalösen Playoff-Einladung letztes Jahr noch seine Wunden. Notre Dame tritt nach seinem Kurzauftritt als ACC-Footballmitglied heuer wieder als echter Independent auf, aber sportlich wird es erstmal einen Rückschritt geben.

Zu viel Qualität hat man verloren. Da wäre einmal die komplette Starting-O-Line, aber auch der QB. Als neuen QB hat man Jack Coan von Wisconsin geholt, doch dieses Jahr wird unter dem Touchdown-Jesus wohl in erster Linie gelaufen.

In der Defense verliert man den DC Clark Lea (ging zu Vanderbilt), aber der Nachfolger verspricht zumindest Spektakel: Marcus Freeman simplifiziert jedes Playbook und lässt als Goodie dafür wild blitzen und hauteng decken). Das kann in Paarung mit Passrushern wie Myron Tagovailoa-Asamoah oder Kurt Hinish lustig werden. Hinten hält mit FS Kyle Hamilton eine physischer Ausnahmeerscheinung den Laden dicht.

SEC

Sie ist die Königsklasse im College Football: Die Southeastern Conference.

Doch so stark die SEC auch in der Breite aufgestellt ist: Ein Team dominiert seit Jahre: Die Alabama Crimson Tide. Bama hat seit der Ankunft von Nick Saban 2007 sieben Conference-Championships und sechs Landesmeistertitel gewonnen, und auch 2021 ist Bama in der allgemeinen Erwartung das beste Team des Jahres.

Gehen wir nach PFFs Grading-System, ist Bama auch 2021 als bestes Team in der FBS satte sieben Punkte (!) besser als die #2 Clemson, acht Punkte besser als die #3 Ohio State, zehn Punkte besser als die #4 Georgia und fast 12 Punkte besser als die #5 Oklahoma Sooners.

Und das in einer Saison, nach der zwei in den Top-10 gedraftete Wide Receiver, ein in den Top-15 gedrafteter Quarterback, ein Top-10 Corner und 1st Round Offensive Tackles, ein 1st Round Runningback und zwei weitere hohe 2nd Rounder in die NFL geschickt wurden. Außerdem verlassen der Offense Coordinator (siehe oben: Sarkisian nach Texas) und fünf der zehn wichtigsten Assistenzcoaches die Uni.

Aber einen „Rebuild“ gibt es in Alabama nicht. Dank Alabamas unaufhörlichem Nachschub an fantastischen Recruits wartet schon jetzt die nächste Generation an angehenden Superstars auf ihren Durchbruch. Alles neu – das hatten wir in der Saban-Ära schon öfters. Solange aber die Konstante auf Headcoach blieb, blieb auch der Erfolg eine Konstante.

Die O-Line wird zwar nach Abgang von 43% der Snaps neu formiert, aber um OT Evan Neal stehen hochkarätige Draft-Prospects in den Startlöchern. Auf Receiver fragt man sich, wer hinter John Metchie die Bälle fangen soll – bis morgen Ex-Star-Recruits wie Jacorey Brooks, Christian Leary, Jojo Earle, Agiye freaking Hall oder OSU-Transfer Jameson Williams die Bälle im Dutzendpaket fangen.

Runningback Brian Robinson wird viele Yards erlaufen.

Aber vor allem wartet alles auf den ersten Einsatz von QB Bryce Young. Young ist seit Jahren ein heißer Scheiß in der Recruiting-Szene, ein 6’0 kleiner, nur 195 Pfund schwerer, aber sehr mobiler QB mit einer Rakete von Arm. Letzte Jahr verlor er den Training-Camp-Battle gegen Mac Jones und spielte überraschenderweise nur 30 Dropbacks, aber jetzt soll seine große Stunde schlagen: Etwas kreieren in einer neu designten Offense.

Ach ja, der neue OffCoord ist Bill O’Brien, Sabans x-tes „reclamation project“ auf der OC-Position. Als ob das nicht reichen würde, coacht Doug Marrone jetzt die O-Line.

Die Defense soll noch besser sein. In der Front gibt es einen Passrusher, den sie „Terminator“ nennen (Will Anderson), auf Linebacker ein Freak-Duo mit Christian Harris und dem wunderbar benamten Henry To’o To’o, und die Secondary soll trotz des Abgangs von Patrick Surtain um Josh Jobe und Malachi Moore herum sogar besser geworden sein.


Aus der SEC West sehe ich niemanden, der diesem Team ernsthaft gefährlich werden kann.

Texas A&M gilt als eines der stärksten Teams im Lande, aber nach dem Abgang von QB Kellen Mond sucht Jimbo Fisher händeringend nach einem Nachfolger. Der athletische Haynes King (soll unter 4.5 Sprintzeit haben) und der Mann mit dem waffenscheinpflichtigen Wurfarm Zach Calzada sind die Kandidaten auf Monds Nachfolge. Aber beide sind total grün hinter den Ohren.

Fisher hat nach drei Jahren einen ansonsten ziemlich kompletten Kader beisammen, u.a. mit Offense-Stars wie RB C.J. Spiller oder TE Wydermeier. Aber mit großen Fragezeichen auf QB und WR kommt man Bama üblicherweise nicht bei.

LSU ist zwei Jahre nach dem National Title noch immer eine Wundertüte – ein exzellente Secondary um den zu beobachtenden Draft-Darling CB Derek Stingley allein reicht nicht, weil die Offense noch etwas gerupft wirkt. Der linkshändige QB Max Johnson (Sohne von ex-Superbowl-Champ Brad Johnson) ist wahrscheinlich noch nicht soweit.

Ole Miss hat gecoacht von Lane Kiffin um QB Matt Corrall herum eine Monster-Offense, die letztes Jahr sogar Alabama an die Leistungsgrenze trieb, aber eine katastrophale Defense. Bei Mississippi State muss nach Jahr 1 von Mike Leach die Frage erlaubt sein, ob die „pure Air Raid“ nicht doch langsam an den Nagel gehängt werden sollte.

Auburn tritt in Bryan Harsin mit einem neuen Headcoach an, der die zum Ende der Gus-Malzahn-Ära immer lahmer werdende Offense neu zu beleben. Harsin kommt aus der Boise-State/Chris-Petersen-Schule und war viele Jahre in den Wäldern von Idaho zuhause, aber vor einigen Jahren schon hat er ein bisschen „Südluft“ als Chefcoach von Arkansas State geschnuppert und etwas Erfahrung mit den Southeners gesammelt.

Bloß: Auburn ist mit seinen ungeduldigen Boostern ein anderes Pflaster als Boise oder Arkansas State, und Harsin muss gleich zum Anfang in Bo Nix mit einem beliebten, aber sportlich gefährlich underachievenden Quarterback zusammenarbeiten.

Bleibt das reizvolle Arkansas. Die Hogs haben nicht den Speed um mitzuhalten, aber in WR Treylon Burks eine Waffe für unangenehme Nadelstiche.


Der über Jahre vielgeschmähte Osten hat zwar keine Tiefe (Vanderbilt mit neuem Chefcoach in Clark Lea, Tennessee im zehnten Umbruch in den letzten zehn Jahren, Kentucky bleibt Kentucky, usw.), aber zwei Granaten, die eventuell oben mitspielen könnten.

Einmal Florida, das aber nach dem Abgang der kompletten Passing-Armada um QB Trask, TE Kyle Pitts und WR Kadarious Toney eine völlig neue laufbasierte Offense um den nicht immer beständigen QB Emory Jones aufbauen muss.

Und natürlich die Georgia Bulldogs. Die eröffnen morgen gleich in einem echten Kracher gegen Clemson. Georgia fühlt sich seit Jahren „knapp dran“ an, aber seit dem unfassbar bitteren verpassten National Title im „Tua-Game“ vor dreieinhalb Jahren ist man immer wieder knapp vor den Playoffs gescheitert. Trotz starker 52-14 Bilanz unter Kirby Smart droht die Fanbase aufgrund der damals geweckten astronomischen Erwartungen langsam ungeduldig zu werden.

Woran das nie gelegen hat: Defense. Smart hat auch diesmal wieder eine grandiose Unit beisammen, obwohl Passrusher Ojulari und zwei Starting-Cornerbacks in die NFL gegangen sind. CB Derion Kendrick (aus Clemson) und Slot-CB Tykee Smith (von WVU) sorgen für den entsprechenden erfahrenen Nachschub von außen, die Linebacker-Unit ist superb, vorne spielt Georgia eh fast fehlerfrei.

Was diesmal aber anders sein könnte: Es gibt endlich mal auch eine Offense, auf die man zählen kann. Smarts größtes Versagen in den letzten Jahren war, Quarterbacks wie Justin Fields oder Jacob Eason für nicht gut genug befunden und auf Durchschnitts-QBs wie Jake Fromm gesetzt zu haben.

Mit dem letztes Jahr von USC rübertransferierten J.T. Daniels könnte das heuer ausnahmsweise anders sein. Daniels hat physisch alle Tools, und schon letztes Jahr nach seiner Einwechslung die Offense merklich aufgeweckt. Sein Stil als starker Downfield/Sideline-Thrower passt exzellent zum immer weiterlaufenden Power-Rushing.

Auch der Support passt: Zwar ist der WR1 George Pickens nach ACL schon out for season, aber das TE-Duo Darnell Washington/Arik Gilbert ist super, die O-Line ist super (insbesondere die Guards), die Runningbacks sind super. Man kann nur hoffen, dass auch Play-Caller Todd Monken im Zweifelsfall seinen Fuß auf dem Gaspedal behält.

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2 Kommentare zu “College Football Vorschau 2021 für Gelegenheitszuschauer

  1. Pingback: Die wichtigsten Fragen zum College-Football-Auftakt 2021 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  2. Ich hoffe doch stark, von Dir auch in dieser Saison regelmäßigen Content hier zu lesen. Podcasts sind zwar schön und gut, aber nicht so meins und mir meistens auch zu lang. Daher bist und bleibst Du neben dem TOB der beste Anlaufpunkt für College Football. Ich drück (auch mir) die Daumen, dass Du dabei bleibst.

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