All-32: Tampa Bay Buccaneers 2021 Vorschau

Die Tampa Bay Buccaneers haben gleich im ersten Jahr nach der Verpflichtung von Quarterback und Chef-Recruiter Tom Brady die Super Bowl gewonnen – und das, obwohl die Mannschaft sich erst zum Ende der Saison raus richtig zu finden schien. Was soll bei der Titelverteidigung also schief gehen?

Nun: In der Tat haben die Buccs stellen die Buccs einen der komplettesten Kader. Sie haben Brady auf QB, der mit 43 noch auf sensationell hohem Niveau performte – und das offenbar mit angerissenem Innenband (MCL). Sie sind stark (und tief) im Receiving-Corps und im Defensive Backfield besetzt, und sie haben eine gute Offensive und Defensive Line.

Die nicht immer unumstrittenen Coaches haben zum Ende der letzten Saison hin die notwendigen Adjustments gemacht um die Offense in Schwung und die Defense auf Topniveau zu bringen, und sie haben die notwendige „Situational Aggressiveness“ in den Playoffs gezeigt.

Und nach dem Endspielsieg im eigenen Stadion über die favorisierten Chiefs hat das Front Office gegen alle Erwartung quasi den kompletten Kader für ein weiteres Jahr zusammengehalten ohne dafür die Zukunft zu opfern.

Aber wir sehen auch: Tampa hatte 2020 einen der gesündesten Kader in der NFL. Zu den Playoffs war außer TE O.J. Howard praktisch jeder Starter topfit. Im Wildcard Playoff profitierte man von einem Gegner mit negativer Saisonbilanz. Im Viertelfinale gewann man dank eines kaputten Wurfarms von Drew Brees gegen eine leblose Saints-Offense. Im Semifinale reizte man alle Stellhebel aus um die Packers sauknapp in deren Stadion zu schlagen. Und im Endspiel traten die Chiefs mit vier Backups und third stringern in der O-Line an.

Das ist alles nicht schlimm. Die Leistungsdichte in der NFL ist groß genug, dass auch der beste Kader Glück braucht. Die Buccs 2021 sind so gut aufgestellt für einen „repeat“ wie nur wenige Teams in der Geschichte. Aber das haben wir vor einem Jahr schon von den Chiefs gesagt – und auch denen ist es nicht gelungen.

  • Bilanz 2020: 11-5 (Superbowl Champion)
  • Pythagorean: 11.2 Siege (#3)
  • Close Games: 2-3
  • Offense EPA/Play: +0.15 (#5)
  • Defense EPA/Play: -0.04 (#5)
  • Turnovers: +8
  • Fumble Luck: 58% (#5)
  • Adjusted Games Lost: #1 (OFF #1, DEF #2)

Das Geschrieben sehen wir in den Stats: Top-5 Offense und Top-5 Defense, aber auch Top-5 in den „Glücks-Stats“. Und wie wir gleich sehen werden: Auch Top-5 in fast allen Positional-Rankings.

Offense

Es war in der Saisonrückblende in der Dauerschleife: Byron Leftwichs Offense hat sich erst im Lauf der Saison gefunden. Wer will, kann nach der Bye-Week Ende November den Cut finden, an dem Tampa ein bisschen mehr von der Arians/Leftwich zur Arians/Leftwich/Brady-Offense wurde:

PeriodeWeek 1-12Week 13-17Playoffs
Play-Action18.5% (#31)25.5% (#21)28.5% (#5)
Motion46.4% (#13)56.6% (#6)61% (#1)
1st PassRate56% (#8)63% (#5)50% (#7)
EPA/Play0.09 (#9)0.35 (#1)0.15 (#4)

Interessanterweise spielte Tampa das ganze Jahr über eine der schnellsten Offenses (#4 nach Tempo zwischen den Snaps), und dann gab es da noch diesen sensationellen Split bei Brady, der irgendwie die Symbiose zwischen dem QB-Superstar, seinen Receiver-Superstars und der O-Line symbolisiert:

  • Brady war Top-5 in Time to Throw, d.h. er wurde den Ball extrem schnell los (2.4 sek)
  • Und gleichzeitig warf er im Schnitt die fünftweitesten Pässe (aDOT 9.6 yds)

Brady war damit schlicht einzigartig in der NFL. Dass die O-Line durch die starke Rookiesaison von RT Tristan Wirfs und die sehr gute Entwicklung von LT Donovan Smith zu einem überdurchschnittlichen Left Tackle endgültig gefixt wirkte, hat nur geholfen.

Die einzige nennenswerte Schwäche der O-Line kam dann, als Joe Haeg auf Right Guard kurzzeitig für einen verletzten Alex Cappa einspringen musste. Das wird 2020 nicht mehr passieren, denn wenn Cappa heuer ausfällt, stehen in 3rd Rounder Robert Hainsey oder Josh Wells ein paar verlässlichere Alternativen bereit.

Ansonsten ist man eh super besetzt. LG Ali Marpet ist einer der zehn besten Guard, und bei Center Ryan Jensen votieren einige Experten wie Brandon Thorn für All-Pro-Ehren, auch wenn seine PFF-Stats nur mittelmäßige sind.


Über die Receiver gibt es nicht viel zu sagen, außer die für NFL-Verhältnisse unglaubliche Tiefe noch einmal zu betonen. Ein Antonio Brown ist nur WR3 in diesem Kader, in dem sich selbst Superstars wie Mike Evans oder Chris Godwin (50% außen, 50% Slot) klaglos der Rotation fügen. Ein Godwin ist sich auch für dreckige Arbeiten wie Run-Blocking zu schade.

Hinter diesem Trio warten Jungspunde wie der schnelle deep threat Scotty Miller (fängt 50% seiner Yards tiefer als 20 Yards), Tyler Johnson (hatte einige Schlüssel-Catches in den Playoffs) oder Rookie Jaelon Darden (hoch aufgeschossener und doch schneller Slot-Receiver) auf eine größere Rolle, wenn Brown in Rente geht und Godwin als Free Agent abwandert.

Und auf Tight End hat man Gronkowski, O.J. Howard und Cameron Brate: Mehr als die Hälfte der NFL wäre happy, hätte sie nur einen solchen Tight End im Kader.


Bei so viel Tiefe bleiben eigentlich nur die zwei gleichen Fragen wie schon letztes Jahr:

  1. Coaching. Leftwich tendiert immer wieder dazu, in einen überflüssigen ground&pound Modus zu verfallen. Bleibt er wie in der Superbowl auf dem Gaspedal, ist alles wunderprächtig. Aber ich tue mir nach wie vor schwer mit Leftwich, der zu viel auf „eigene Tour“ macht anstatt seinen Play-Caller Stil aggressiver auf das pass-happy Personal abzustimmen.
  2. Brady ist 44. Man kann nur ein weiteres Mal betonen, wie außergewöhnlich Bradys Performance in dem Alter ist. Körperlich sieht er fitter aus als vor drei Jahren. Doch irgendwann muss der Hammer kommen.

Allein: Wir haben Bradys Decline jetzt seit locker drei Jahren herbeigeschrieben, und er ist nie gekommen. Wenn ein 43-jähriger Brady jetzt auch noch ein kaputtes Innenband als Mittvierziger wegsteckt als sei ein Zipperlein, dann wo soll das noch enden?

Defense

Die Tampa-Defense war viele Jahre lang eins der Kellerkinder der NFL, aber in den letzten zwei Jahren hat DefCoord Todd Bowles mit dem sehr jungen Personal Erstaunliches gemacht. Diese Unit war zuletzt zweimal in den Top-10 nach EPA/Play gerankt (#6 in 2019, #5 in 2020), aber erst 2020 bekam sie dafür von einem breiteren Publikum den entsprechenden Credit. 2019 noch hatte die Defense wegen permanenter mieser Feldpositionen nach Jameis-Interceptions noch die viertmeisten Punkte zugelassen.

Crass auch: Die Stärken liegen überall.


Vorne bleibt das Edge-Rush Pärchen Shaq Barrett/Jason Pierre-Paul zusammen und kriegt im offenbar richtig starken Rookie Joe Tryon sogar noch ein bisschen Feuer von der Bank. Innen bietet Ndamukong Suh noch immer 850 und mehr Snaps Support für den atemberaubenden DT Vita Vea, der einst als reiner Klocker gegen den Run gehandelt wurde, sich zuletzt aber trotz seiner 350 Pfund zu einem echten Ass im Passrush entwickelt. Vea war #14 in Passrush-Produktivität 2019 und #9 in limitierter Zeit 2020.

Hinten bietet die jüngste Secondary der NFL mit ihren zahllosen Draftpicks über die letzten Jahre genug spielerisches Material, um Formkrisen und Ausfälle zu kompensieren. Wenn man nur mal darauf blickt, welche Starter aus den letzten Drafts heute über das Feld laufen:

  • 2018 Draft: CB Carlton Davis, S Jordan Whitehead
  • 2019 Draft: CB Jamel Dean, Slot-CB Sean Murphy-Bunting
  • 2020 Draft: S Antoine Winfield

Allein Mike Edwards hat den Durchbruch nicht geschafft. Aber GM Jason Licht wurde dafür belohnt das gemacht zu haben, was Analytics als eines der wichtigeren Draft-Strategien ausgibt: Permanentes Nachlegen mit höheren Draftpicks in die Secondary.


In der „Mitte“ zwischen den beiden Units laufen zwei der interessantesten Linebacker über das Feld: Devin White und Lavonte David. Ersterer bekommt die meiste Presse, weil er ex Top-5 Pick ist, athletischer Freak, und Kreator einiger spektakulärer Big Plays in High-Leverage Situationen.

Doch wer erstklassigen, sauberen Defensiv-Football in allen Facetten des Spiels schätzt, der weiß, dass White nur deshalb so viel freelancen und auch mal Böcke schießen kann, weil er an der Seite von David spielt, der alles aufräumt ohne jemals im Rampenlicht zu stellen. David hat kaum Pro Bowls und keine All Pros nachzuweisen, aber bei PFF ist er seit über 10 Jahren unter den besten Linebackers gerankt.


Dieser ganze Spielerpool wird von Bowles auch entsprechend eingesetzt, in richtig guten, auf die Stärken des Gegners abgestimmten Gameplans. Bowles ist ein aggressiver DC, aber er versteht es auch, eine Offense zu lesen und hat keine Scheu, einen einstudierten Gameplan mitten in der laufenden Partie über Bord zu werfen – so geschehen z.B. letztes Jahr in der Regular Season gegen die Chiefs, als man im ersten Viertel für über 200 Passing-Yards an die Wand genagelt wurde.

Bemerkenswert auch: Trotz der fantastischen Passrusher hatte Bowles letztes Jahr die vierthöchste Blitz-Rate und gar die dritthöchste Rate an Defensive-Backs-Blitzes. „Volle Hosen“ geht anders.

Ausblick

Um es zu wiederholen: Auf den ersten Blick spricht nicht viel dagegen, dass die Buccs erneut zur NFC-Elite gehören werden. Es ist sogar richtiggehend scary für den Rest der Conference, dass sie den Titel in einer Saison geholt haben, in der noch lange nicht alles rund gelaufen war!

Und doch ist eine Titelverteidigung nicht ohne Grund selten.

Vielleicht täuscht uns das irre Verletzungspech der Chiefs-O-line im Endspiel über die wahren Kräfteverhältnisse hinweg, und Tampa ist mit „normalem“ Verletzungsglück auch „nur“ eins von mehreren guten NFC-Teams.

Vielleicht könnten die Buccaneers Ausfälle von Offensive Tackles oder Cornerbacks dann auch nicht so locker wegstecken wie es gerade den Anschein hat. Vielleicht ist 2021 das Jahr, in dem ein Brady im 45ten Lebensjahr dann doch Milch gibt.

Und doch wäre bei einer potenziellen Top-5 Offense und Top-5 Defense in Kombination mit einem der einfacheren Schedules alles andere als der zweite Titel in Folge ein zu niedriges Saisonziel.

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7 Kommentare zu “All-32: Tampa Bay Buccaneers 2021 Vorschau

  1. Ich bin gespannt, wie die Bucs ihre WR dieses Jahr einsetzen.

    Rein vom Talent her ist AB auch mit seinen 33 Jahren immer noch unantastbar.

    Er soll auch in den Camps laut Bucs Beatreportern der (klar) beste WR gewesen sein, was bei diesem Kader schon einiges sagt.

    Würde mich nicht wundern, wenn AB dieses Jahr mehr oder weniger wieder eine #1 WR Rolle einnimmt, Evans mehr als Redzone-Monster auffällt und Godwin als Big Slot eingesetzt wird.

  2. Tempa hat es vor ein paar Jahren geschafft, mich mich den hype train zu holen, dann alles eingerissen und nun wünsche ich mir doch die Titelverteidigung von Brady, obwohl ich zu diesem Trainer-Stab und Team irgendwie gar keine Bindung verspüre. Aber der Mix aus zusammengekauft UND gedraftet und diese ganzen Persönlichkeiten so schnell zu einem echten Team zu machen, ist schon beeindruckend.

  3. Brady ist der FC Bayern des Footballs für mich,
    Ich gönne ihm einfach kein Titel mehr. Er ist arogant geworden spätestens nach seinem 4 Superbowl Triumph. Und es liegt nur an Brady Tampa als Team und Stadt gönne ich es.

  4. Bei mir ist es genau umgekehrt. Ich habe Brady früher nicht leiden können, aber seine Passion für den Sport ist mittlerweile einfach ansteckend, er ist wie Korsakoff schreibt nicht nur QB sondern auch Chef Recruiter und Chef Motivator. Tom Brady gibt Coaches, Spielern und Fans Hoffnung UND liefert Leistung.

    Ich hätte kein Problem mit einem achten Ring. 🙂

  5. @JoffreyG: Ja, das ist ein Wahnsinn.

    Egal ob man Brown, Evans oder Godwin als WR3 bezeichnet, jeder einzelne als dritte Option ist Hammer.

    Dürfte ich heute einen Receiver für die nächsten sagen wir fünf Jahre ziehen, würde ich wahrscheinlich Godwin nehmen. Er hatte letztes Jahr satte 9 Drops (10% Drop-Rate, 5 in einem einzigen Spiel), das wird sich nicht wiederholen.

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