Eine hohle Siegesserie: Miami Dolphins 2021

Die Miami Dolphins haben nach der harten Monday-Night-Kost den siebten Sieg in Folge geholt und sind jetzt das erste Team ever, das in ein und derselben Saison sieben Spiele hintereinander verloren und sieben Spiele hintereinander gewonnen hat. Und sie haben ihr Playoffschicksal jetzt in eigenen Händen.

Richtig gut fühlt sich das trotzdem nicht an.

Zuerst zum Positiven: Miami ist nach dem 1-7 Start nicht auseinandergefallen, sondern nach sieben Siegen in Folge zu einem 8-7 Team geworden. Als #7 im AFC-Playoffrennen kontrollieren sie ihr eigenes Schicksal.

Mit Siegen in Tennessee und gegen die Patriots (die sie in Woche 1 schon knapp geschlagen haben) sind die fixer Playoffstarter. Sollten die Bills beide ihrer Spiele verlieren, können sie sogar noch die Division gewinnen.

Aber jetzt die schlechte Nachricht: Wirklich hoch sind weder die Divisions- noch die Playoff-Chancen. Miami ist einfach als Mannschaft nicht gut genug, als dass wir per se von Siegen gegen bessere Konkurrenz ausgehen können. ESPNs FPI sieht eine 21%ige Playoffchance, 538 immerhin 32%. Für ein Team, das alles in eigener Hand hat, ist das nicht viel.

Wie können wir die Miami Dolphins einschätzen?

Ich weiß, abgelutscht, aber: Die Quarterbacks, die die Miami Dolphins während ihrer Siegesserie gesehen haben, lauten:

  • Tyrod Taylor (Houston)
  • Lamar Jackson (Baltimore)
  • Joe Flacco (NY Jets)
  • Cam Newton und PJ Walker (Carolina)
  • Mike Glennon (NY Giants)
  • Zach Wilson (NY Jets)
  • Ian Book (New Orleans)

Die Dolphins stellen “folgerichtig” die beste Defense nach EPA/Play während dieser Sieben-Spiele-Serie, aber gleichzeitig auch eine nur durchschnittliche Offense nach EPA/Play. Wir wissen, dass Offense stabiler ist als Defense. Wir wissen, dass Defensiv-Effizienz stärker von gegnerischer Offense getriggert wird als von eigener Qualität, und dass ein #1 Ranking gegen eine Serie an Graupen-QBs nicht überzubewerten ist:

Einfacher Schedule allein ist noch kein Deal-Breaker um als Topteam anerkannt zu werden, aber einen einfachen Schedule nicht zu dominieren ist es. Und die Dolphins haben außer dem 33-10 gegen die unterirdischen Panthers keinen einzigen richtig überzeugenden Sieg hingeknallt.

Wir wissen über die Dolphins damit also: Sie sind mit Ach und Krach dank eines einfachen Schedules zurück in die Wildcard-Verlosung gerutscht und halten ihr Schicksal in eigenen Händen. Aber valide fühlen sie sich nicht an. Sie sind bestimmt kein Gurkentrupp wie die Jaguars, Lions oder Texans, sondern solides NFL-Mittelmaß, das per Definition bei 14/32 Playoffmannschaften keine Lichtjahre von der Postseason entfernt ist.

Aber für ein Team, das einen solchen radikalen Umbruch durchgezogen und so viele hohe Draftpicks zum Investieren hatte, fühlt sich der Zwischenstand 2021 ziemlich hohl an.

Die Quarterback-Situation

Vor einem Jahr schrieb ich über die QB-Situation der Dolphins, dass man ernsthaft über einen weiteren QB-Pick im Draft nachdenken sollte. Ein Jahr später können wir konstatieren: Tua hat seither einen kleinen Entwicklungssprung gemacht. Ob er groß genug ist, daran dürfen sich ruhig die Geister scheiden.

Ich habe über Tua die letzten Wochen mehrfach geschrieben. Die größten Optimisten werden darauf verweisen, dass Tua immerhin ins Mittelfeld nach EPA/Play geklettert ist, dass er die #4 nach CPOE ist und eine der besten Pressure-to-Sack-Raten der NFL hat – und das alles, obwohl er hinter der instabilsten Offensive Line der NFL spielt und obwohl sein Receiver-Corps die ganze Saison über nie in voller Besetzung aufgelaufen ist.

Die Pessimisten werden darauf verweisen, wie angestrengt jeder einzelne von Tuas Pässen aussieht, und wenn das nicht reicht, dann werden sie auf die Mickimaus/RPO-Offense der Dolphins verweisen, die höchste Scheme-Unterstützung in Form von Screens und Play-Action (nur 50% von Tuas Dropbacks haben kein RPO, Play-Action oder Screen angeflanscht), auf Tuas niedrige Big-Time-Throw-Rate (#29 von 32 Starting-QBs), und auf seine extrem hohe Rate an Turnover-würdigen Plays (#30 der NFL), die unter Druck in NFL-unwürdige Sphären hochschießt (fast jeder zehnte Pass unter Druck ist Turnover-würdig).

Die Dolphins haben nicht ohne sportlichen Grund versucht, zur Saisonmitte einen Trade für Deshaun Watson einzufädeln. Seither hat Tua nicht schlecht reagiert und sein Play stabilisiert – aber wirklich viel „High-End-Potenzial“ hat er nie angedeutet.

Er hat sich aber wahrscheinlich das Recht erkauft, ein weiteres Jahr zu starten. Und wahrscheinlich haben die Dolphins auch keine andere Aussicht, als Tua ein weiteres Jahr zu geben.

Miami hat fast 80 Mio. Cap-Space, hat einen 1st Rounder im kommenden Draft und zwei weitere in jenem 2023, muss dringend die Offensive Line mit arrivierten Spielern adressieren und im Receiver-Corps nachbessern.

Die Erfahrung zeigt zwar: Meistens sind solche Doktereien umsonst, weil der QB für die meisten Probleme selbst verantwortlich ist. Die Chance ist gar nicht so klein, dass alles Verweisen auf Tuas Umstände sich als vergebene Hoffnung erweisen wird. Aber die O-Line ist schon so lange so schlecht, dass sie zu einem bestimmten Grad wirklich unfair dem eigenen QB gegenüber ist.

Dann wären da die Receiver. Jaylen Waddle ist ein Juwel, und Kevin Cole hat eine nicht uninteressante mögliche Parallele zu Tyreek Hill (wie Waddle ein Receiver mit sensationeller Sprintzeit) impliziert…

…aber um Waddle noch besser in Szene zu setzen, wird die Offense auch im Receiver-Corps Nachbesserung brauchen. Ansonsten bleibt Waddle das, was er jetzt schon ist: Eine sehr gute Anspielstation für die kurzen Dinger. Aber keine echte #1, die man tiefere Routen laufen lassen kann.

Also: Die Hoffnung, dass die Offense mit Tua mit neuen O-Linern und Receivern wirklich den entscheidenden Quantensprung nahe hin zur NFL-Elite schafft, hängt am seidenen Faden. Dafür muss Tua selbst große Entwicklungssprünge machen. Das Kurzpassgedaddel mit einem RPO-Anstrich in jedem zweiten Snap kann nicht ewig so weitergehen. Tua muss zeigen, dass er aus klassischen Standard-Dropbacks mehr zu reißen imstande ist als bis jetzt.

Ansonsten wird 2021 das bleiben, wovon jetzt auszugehen ist: Ein Strohfeuer, das schnell erlöschen wird.

Und sonst?

Die Defense ist als aktuelle #8 nach EPA/Play wahrscheinlich wegen des angesprochenen Schedules überschätzt, aber sie hat sich heuer immerhin auch ohne die Turnover-Orgie der letzten Saison auf einem guten Niveau stabilisiert.

In Run-Defense ist sie sehr gut. Passrush hat dank Rookie Jaelan Phillips Hoffnung geschöpft, auch mal individuell ohne Scheme zu kreieren, und in der Deckung hat man gehalten, obwohl der letztjährige 1st Rounder Ighbinoghene wie ein Bust aussieht.

Brian Flores gebührt einiger Credit, das Team nach dem Horrorstart von 1-7 zusammengehalten zu haben. Wie schon letztes Jahr outperformt das Team seine Punkteerwartung leicht – aber das allein reicht mir nicht als Qualitätsbeweis.

Flores‘ Dolphins sind unterwegs, ihre Pythagoreische Erwartung zum dritten Mal hintereinander zu schlagen, aber spätestens seit Adam Gase wissen wir, dass wir daraus allein nicht auf gutes Coaching schließen können.

Den Offense-Coaches gebührt Respekt dafür, dass sie Tua die Offense zurechtgezimmert haben, mit der er in den bekannten Umständen einigermaßen funktioniert. Der entscheidendere Teil wird aber sein: Wohin geht die Reise ab jetzt?

My View

Playoff-Qualifikation, so unwahrscheinlich sie auch weiterhin sein mag, wäre nach dem miesen Saisonstart natürlich nice für dieses Team, aber allzu viel einbilden würde ich mir darauf nicht. Insbesondere, wenn die Verantwortlichen um GM Chris Grier daraus die falschen Schlüsse ziehen, wäre die Post-Season-Teilnahme ein Pyrrhus-Ergebnis.

Oder anders: Eine etwaige Playoff-Qualifikation darf keinen Einfluss auf die Offseason-Planung haben – alles andere würde eine Serie von soliden, aber keineswegs dominanten Siegen gegen Gurkentrupps in ihrer Bedeutung überschätzen.

Ich würde an Miamis Stelle weiterhin einen höheren Draftpick in einen QB investieren. Wenn nicht den 1st Rounder, dann ähnlich wie bei den Eagles vor zwei Jahren bei Jalen Hurts einen 2nd Rounder. Das Potenzial eines solchen Picks ist mit einer so unsicheren Tüte wie Tua als QB1 einfach zu hoch.

Natürlich hat sich jetzt gezeigt, dass Investments in möglichst „fertige“ O-Liner und Receiver notwendig sind, aber auf QB untätig zu bleiben wäre einmal mehr Verkennung der bekannten Informationen über die NFL-Quarterback-Position.

Möglich, dass Tua mit der Zeit doch noch zu einer Art Drew Brees 2.0 wird, wie schon Matt Waldman einst als Best-Case-Szenario gemalen hat. Aber das Risiko, dass Tua mit all den bekannten Informationen nicht die Ausnahme ist, sondern die Regel, ist mir weiter zu hoch um nicht an einen QB-Pick 2022 zu denken.

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8 Kommentare zu “Eine hohle Siegesserie: Miami Dolphins 2021

  1. Also mir ist die Einschätzung hier wirklich zu negativ. Die Stats zu deuten ist ja immer ganz nett, aber positive Werte immer zu entschleunigen und sich an Negativstats hochzuziehen? Fragwürdig und nicht grad objektiv. Ich meine, die Truppe muss niemanden dominieren, denn es gilt die Spiele zu gewinnen. Erinnert sich jemand an die Bucs letzte Woche? In der Liga kann jeder jeden schlagen und dieser winning streak ist einfach mehr als respektabel, scheiß auf den schedule (dessen strength vor der Saison auch kaum aussagekräftig ist und sich während der Saison eben in beide Richtungen anpassen kann). Die Fins sind weiter im rebuild, auf Baustellen gilt es zu reagieren, aber sie gewinnen ihre Spiele und Dominanz sehen wir aktuell so gut wie gar nicht. Und auch die streak von 7 Niederlagen beinhaltete knappe Dinger, die sie eben nicht mehr verlieren sondern nunmehr gewinnen. Und das ist es eben: Spiele gewinnen. Im Darts kannst du besser scoren und besser checken aber am Ende verlierst du denn es kommt auf die richtigen Momente an. Beim Football kommt es auch auf entscheidende Situationen an. Auch die 12-3 Packers können locker gegen absolut geschwächte Browns verlieren. Bissl clock Management und ein paar kurze Dinger und du schießt auch mit diesem Kicker das winning FG. Aber nein, es kam eben wieder auch diese eine entscheidende Situation an. Am Ende guckt man drauf und liest 4 INT bei Baker und dies und das bei PFF und meint, man hätte das Spiel analysiert. Ich lese diesen tollen Blog wirklich gerne aber manchmal überwiegt mir diese persönliche Note zu sehr.

  2. Was ist denn nicht daran „objektiv“…positive Stats an den gegebenen Umständen anzugleichen und damit zu vergleichen? Gerade DAS ist objektiv.

    „scheiß auf den schedule (dessen strength vor der Saison auch kaum aussagekräftig ist und sich während der Saison eben in beide Richtungen anpassen kann). “

    Ja…genau…das wurde auch gemacht. Und deshalb werden positive Stats daran bewertet und eben nicht an dem „Wünsch dir was“-Ergebnis. Was am Ende eben subjektiv wäre.

  3. @RunningSpeck: Du solltest deine Fanbrille ablegen, denn es ist für jeden offensichtlich, daß die Phins weit hinter den gesteckten Zielen hinterher hinken. Mag sein, daß ein paar Niederlagen knapp waren, aber halt eben auch gegen Jaguars oder Falcons, und die sind jetzt wirklich unter den 3 oder 4 schwächsten Teams in der NFL.

    Ein Blinder sieht, daß die Offense nix reißt und die Defense von miesem QB Play beim Gegner profitiert, da nützt dir keine Fanbille und keine Kritik an den (sehr plausiblen) Argumentations Methoden dieses Blog nichts.

  4. Pingback: AFC Playoffbild 2021/22 vor NFL Week 17 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  5. Also ich finde hier wird aber auch oft die Chiefs Brille getragen was die Beiträge angeht… Ich erinnere nur an der „Power Rankings“ zu Beginn der Saison, als die Chiefs hier immer noch an der Spitze gesehen wurden. Vll irren sich ja auch die ganzen renommierten Seiten mit ihren „Experten“, die eben anderer Auffassung waren als Mahomes wirklich schlecht performt hat. Und nebenbei kann ich es absolut nachvollziehen, dass man Mahomesfan ist, der Junge ist der blanke Wahnsinn… und zu dem Verlauf hier: ich finde den streak auch nicht hohl, denn die Serie ist irgendwie beachtlich und auch die Graupen der Liga gewinnen mal gegen den ein oder anderen Contender, also in einer relativ ausgeglichenen Liga diesen streak hinzulegen, ist durchaus respektabel und nicht hohl. Die Fins bleiben dennoch eine Baustelle… Deshaun Watson loading…

  6. Pingback: Der Kommentar zum Auftakt im NFL-Trainerkarussell 2022 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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