Die Furchtlose Vorschau auf das NFL Regular Season Finale 2021/22

Heute endet die Regular Season der NFL-Saison 2021/22.

(Achtung, weiter unten sind Spoiler aus der letzten Nacht)

Luftschloss Offense: Passspiel wird immer kürzer

Über weite Strecken war es eine enttäuschende Saison, was nicht nur daran lag, dass Offenses ziemlich gestruggelt haben. Offensiv-Probleme können durch mehrere Dinge hervorgerufen werden. Eine davon ist gute Defense-Arbeit. In dieser Hinsicht war 2021 eine interessante Saison, weil sich der ligaweite Trend zu mehr Cover-2/Cover-4 Defenses und mehr Zone-Defense fortgesetzt hat.

Defensive Coordinators verfolgten stärker als früher das Ziel, dem Gegner den tiefen Pass wegzunehmen. Das hatte z.B. zur Folge, dass heuer wesentlich kürzere Pässe geworfen wurden. Der Trend zu immer kürzeren Pässen hat sich somit auch nahtlos aus den letzten Jahren fortgesetzt (aDOT habe ich errechnet aus der durchschnittlichen Wurftiefe der versuchten Pässe; Throwaways habe ich ausgeklammert):

Auch die Rate an versuchten Pässen, die mindestens zehn Yards downfield bis zur Anspielstation fliegen, ist deutlich nach unten gegangen, wie dieser Graph zeigt – allerdings zeigt auch er, dass die Entwicklung schon letztes Jahr in Gang gesetzt wurde:

Natürlich ist allein der aDOT nicht ausreichend um wirklich stabile Schlüsse zu ziehen, denn jeder Pass ist zu einem gewissen Grad auch der „survival rate“ unterworfen: Um einen Pass zu versuchen, muss ich erstmal nicht gesackt werden bzw. darf es auch kein Throwaway sein um einen Sack zu verhindern.

Um wirklich belastbare Schlüsse zu ziehen, müssen wir also weitergehen und z.B. die Zeit anschauen, die Quarterbacks in der Pocket bis zum Wurf (oder Scramble) verbringen. Weniger Zeit bis zum Wurf heißt auch: Weniger Zeit für die gelaufene Route, heißt tendenziell kürzere Würfe per Definition. Ben Roethlisberger in Pittsburgh ist ein Extrembeispiel dafür. Auch Tua in Miami.

Interessanterweise ist über alle QBs in der NFL aber nicht zwingend ein Trend zu schnellerem Werfen zu beobachten. Im Gegenteil: Die Time in Pocket ist in den letzten Jahren tendenziell sogar nach oben gegangen. Quarterbacks nehmen sich also mehr Zeit bis Zum Wurf/Scramble – und trotzdem werden immer weniger tiefe Pässe und immer kürzere Pässe im Allgemeinen geworfen.

Das spricht dann schon dafür, dass die Defenses mit ihrer Strategie, primär vor allem anderen tiefe Pass-Plays zu verhindern, Erfolg haben. Sie zwingen Offenses zu mehr Methodik, mehr Underneath-Passing, mehr Geduld.

Freilich war dieser Rückgang an aufregendem tiefen Passspiel nicht allein der Grund für diese ästhetisch enttäuschende Footballsaison. Die Quarterbacks selbst haben ganz einfach auch nicht so gut performt wie in anderen Jahren.

Ein Beispiel? Aaron Rodgers führt mit 0.26 EPA/Play die Quarterback-Effizienz-Liste der Saison 2021 an. In den letzten zehn Jahren hätte das nie für den Top-Spot gereicht. Es wäre auch in keiner der letzten zehn Jahre der zweitbeste Wert gewesen.

Nur in acht der letzten zehn Jahre wäre es überhaupt der drittbeste Wert gewesen. Insgesamt ist es nur die 26t-effizienteste QB-Saison seit 2012.

Die Probleme mit dem Regelwerk

Und diese ganze Ineffizienz der Passing-Offenses kam zustande, obwohl es kaum „große“ QB-Verletzungen gab, obwohl Referees ihre Flaggen für Roughing-the-Passer mittlerweile werfen, wenn der QB bloß schief angeschaut wird, und obwohl das Regelwerk mittlerweile unterworfene tiefe Pässe mit satten Raumgewinnen durch Defensive Pass-Interference belohnt.

Was allein „Elite Deep Underthrower“ Carson Wentz dadurch an Raumgewinnen für völlig deplatzierte Pässe kassierte, geht auf keine Kuhhaut mehr. Die NFL wäre sehr gut beraten, das Problem dringend zu beheben.

Elite-Teams? Fehlanzeige!

Die Regular Season war unvorhersehbar wie lange nicht. Das kann man super finden, weil jede Woche irgendein Favorit stürzt. Ich finde das Phänomen der Favoritenstürze aber eher in den Playoffs interessant.

Ohne wirklich „verlässliche“ Teams, die auch die Erwartungen erfüllen, fühlt sich die Regular Season zwar Woche für Woche überraschend an, doch wirklich viel Substanz lässt sich daraus nicht ziehen. Und so warte ich im Prinzip seit spätestens Anfang/Mitte November nur noch auf den Playoff-Start – hoffend, dass sich nicht allzu viele Stars bis dahin verletzen.

Unter diesem Gesichtspunkt bin ich auch einer derjenigen, der mit der Verlängerung der Regular Season nicht viel anfangen konnten. Und nicht viel anfangen können. Wir kriegen bloß eine Woche mehr vom Gleichen.

Die abgelaufene Saison war auch die erste seit sehr langer Zeit, in der ich mehrmals freiwillig auf die Möglichkeit verzichtet habe, mir Sonntagabendspiele live reinzuziehen. Es gab einige herausragend spektakuläre 19h-Partien und Redzone-Schichten, aber auch einige, in denen es schlicht nicht eine einzige gute Ansetzung gab. Das alles hängt mit dem oben Geschriebenen zusammen: Keine Spitzenteams = kein roter Faden = viele Überraschungen = aber nicht viel Erkenntnisgewinn.

Letztes Jahr folgte auf eine spektakuläre Regular Season eine unterirdische schwache Post Season. Lass uns einfach hoffen, dass die heurige Saison die Umkehrung dessen bringt.

Frühschicht von heute Abend

  • Cleveland Browns – Cincinnati Bengals
  • Detroit Lions – Green Bay Packers
  • Minnesota Vikings – Chicago Bears
  • New York Giants – Washington
  • Jacksonville Jaguars – Indianapolis Colts
  • Baltimore Ravens – Pittsburgh Steelers
  • Houston Texans – Tennessee Titans

Implikationen: Cincinnati kann mit einem Sieg eventuell sein Seeding verbessern. Dazu geht es um eine der beiden AFC-Wildcards im Fernduell zwischen Colts und Ravens/Steelers (*). Gewinnen die Colts, sind sie Playoff-Fixstarter und kegeln die Ravens und Steelers raus.

Verlieren die Colts aber (wie seit 2014 jedesmal inklusive dem einen in London ausgetragenen Spiel) in Jacksonville, ist der Sieger von Ravens-Steelers in den Playoffs… mit EINER Ausnahme: Wenn später im Sunday Night Game Raiders und Chargers auf remis spielen, sind Raiders und Chargers in den Playoffs. Es wäre einfach zu niedlich mit anzuschauen, welche Anstrengungen die NFL unternehmen würde um so ein „Gijon-Szenario“ zu unterbinden.

Ansonsten gilt für 19h noch: Tennessee kann mit Sieg den #1 Seed fixieren. Cincinnati könnte mit einem Sieg noch ein bissl was fürs Seeding machen, soll aber dem Vernehmen nach auf Schongang getrimmt sein um anders als beim letzten Mal 2015 fit in die Playoffs zu gehen.

Der Rest fokussiert sich höchstens auf Draft-Spots.


Zu den Spielen.

Bei Browns-Bengals soll Cincinnati aufs Schonen eingestellt sein. Die Browns werden ohne Baker Mayfield antreten, bei dem es in den nächsten Wochen und Monaten nur ein Thema geben wird: Seine mittel- bis langfristige Zukunft in der Franchise. Die heurige Saison war bei allen Entschuldigungen und Ausreden von wegen Verletzungen usw. krass enttäuschend.

Im „Hinspiel“ haben die Browns Cincinnati mit ihrem physischen Brand an die Wand gespielt. Heute geht es für einen der Preseason-Favoriten eigentlich nur mehr darum, sich mit einem einigermaßen positiven Gefühl aus der Saison zu verabschieden. Ich erwarte zwar auch bei einer Pleite gegen Bengals-Backups kein Köpferollen, aber eine 7-10 Bilanz wäre schon ein ganz herber Dämpfer.


Houston-Tennessee könnte sneaky interessant werden. Die Titans sind zwar am Gesunden und klar favorisiert, aber sie haben das Hinspiel verloren. Sie haben 2x Colts, Bills, Chiefs, Rams und 49ers geschlagen, aber gegen Steelers, Jets und Texans verloren.

Sie sind einfach nicht vernünftig einzuschätzen. Jetzt keimt Hoffnung auf, dass ihr Franchise-Runningback Derrick Henry irgendwann in den nächsten Wochen wieder spielfähig sein könnte. Die Fixierung des #1 Seeds wird damit umso wichtiger, um nicht vor Henrys erstem Auftritt schon rausgeflogen zu sein.

Eigentlich sollte das mit dem Sieg machbar sein. Aber: Die Texans haben Tennessee nicht bloß schon einmal geschlagen, sondern spielen auch einen leidenschaftlichen Brand Football, obwohl sie nach Effizienz pro Down das klar schwächste Team der NFL-Saison sind. Sie holen einfach das Maximale aus ihren Möglichkeiten heraus.

Der in der 3ten Runde gedraftete Rookie-QB Davis Mills hat sogar Potenzial angedeutet, über diese Saison hinaus QB zu bleiben.

Headcoach David Culley, den nach wie vor nur ausgewiesene NFL-Experten auf der Straße erkennen würden, hat auf seiner Debüt-Anstellung mit seinen 67 Lenzen einen ziemlich ordentlichen Job gemacht…

…und steht damit wie erwartet vor der Entlassung. Denn niemand darf Fanatikern wie GM Nick Caserio oder Lifecoach Jack Easterby in ihren Allmachtsfantastien in die Quere kommen.


Jags-Colts ist das Ende von Trevor Lawrences Rookiesaison. Es war ein NFL-Einstand, der nicht viel schlechter hätte verlaufen können. Wir sind nach einer ganzen Saison nicht sicher, ob Lawrences miese Stat-Line ihm geschuldet ist, oder den wirklich einmalig üblen Umständen in Jacksonville.

Normalerweise wäre ich geneigt, den QB in solchen Momenten anzuzählen, denn wir wissen: Quarterback trumps everything. Aber wenn du einen Coach hast, der nichts außer Scherereien veranstaltet und gegen sein eigenes Team arbeitet, wenn du keine Waffen hast und die Mannschaft spätestens bei Saisonmitte auseinandergebrochen ist, dann ist es auch schwer.

Jacksonville soll angeblich morgen Bill O’Brien zum Vorstellungsgespräch einladen. Wenn O’Brien sich rein auf die Trainingsarbeit bzw. den Coaching-Job konzentriert, wäre das vielleicht eine spannende Idee. Wenn sich O’Brien aber wie in Houston in Machtkämpfe mit dem GM (in Jacksonville *noch*: Trent Baalke) verstrickt und zu viel Power abstaubt, dann ist Lawrence vielleicht bald auf dem Trade-Markt. Teams wie Carolina oder New Orleans wedeln schon mit ihren „Franchise-Runningbacks“ um sie gegen Lawrence und zwei 1st Rounder einzutauschen.


Giants-Washington ist eigentlich nur deshalb erwähnenswert, weil morgen GM Dave Gettleman seinen Rücktritt verkünden soll.

Gettleman ist vor vier Jahren in New York angetreten um es der Analytics/Nerd-Szene so richtig zu zeigen. Er hat Runningbacks an #2 gedraftet, seinen Quarterback nach dem Scouten von drei Snaps gezogen, hat für teuerste D-Liner getradet und keine Gelegenheit ausgelassen um die Laptop-Generation zu verspotten.

Seine Bilanz spricht für seine Kompetenz: 19-45.

Dave wird sich fragen, was denn wohl falsch gelaufen ist. Am von ihm eingestellten Headcoach Joe Judge kann es nicht gelegen haben, denn Judge hat nach eigener Aussage trotz 10-22 Bilanz in zwei Jahren viel bewirkt:

“When I came here and I sat down with all the players, I wanted to know what it was like in here, what we had to change, from their mouths,” Judge said. “To a man, every player looked me in the eye and said: ‘Joe, it’s not a team. They don’t play hard. We’re out of playoffs, everybody quit, everybody tapped out.’”

Judge emphasized how this year’s team is different. He spoke about how his players continue to fight, pointing out fourth-down defensive stops in the final minutes of their previous two losses while trailing by more than 20 points.

He said impending free agents “are in my office every day begging to come back” and that players who left in the offseason call twice a week to say “how much they wish they were still here and they’re getting paid more somewhere else.”

Judge said the Giants “ain’t some clown-show organization.” He mentioned not having players fist-fighting on the sideline, which seemed like a clear reference to Washington Football Team defensive linemen Daron Payne and Jonathan Allen coming to blows during a recent blowout loss to the Cowboys (coincidentally, the Giants play Washington in the season finale).

“The toughest thing to change in a club is the way people think,” Judge said. “You can get new players … you got to change how people think. You got to change how they believe in what you’re doing. And then you got to trust the process. And that’s a lot easier said than done when they’re looking up right now and you got one game left and the most games you’re going to win is five this season.”

Judge hat also die Culture verbessert, die Dave Gettleman in zwei Jahren etabliert hatte. Bei so viel Culture wollen die Giants-Owner Judge unbedingt behalten. Nicht, weil er auch nur das Geringste angedeutet hätte, was ihn zu einem NFL-Headcoach qualifiziert (er hat es nicht). Sondern weil sie „Kontinuität“ auf der Headcoach-Position wollen. Na denn…


Ravens-Steelers läuft ohne Lamar Jackson ab. Es wird auch wohl das letzte NFL-Spiel von Ben Roethlisberger sein, zumindest wenn die Steelers ausscheiden. Letzte Woche ist schon mit vielen Tränen der Abschied aus dem Ketchup-Stadium zelebriert worden.

Pittsburgh braucht nach der Saison den Umbruch. Baltimore braucht einfach nur etwas weniger Verletzungspech. Dass sich die Ravens nach dem Ausfall von so vielen Schlüsselspielern und viel Pech in kritischen Late-Game-Situationen überhaupt noch im Playoff-Rennen befinden, ist schon für sich erstaunlich. Aber wenn wir die Huldigungen auf John Harbaugh und seine Coaches mal ausklammern, dann sehen wir hinter der Fassade, dass die Ravens ähnlich wie Cleveland nach der Saison nicht mehr drum herumkommen, sich mit ihrer Quarterback-Situation zu befassen.

Jackson ist zwar einmal NFL MVP geworden und in lichten Momenten eine Superwaffe. Aber 2021 war kein Confidence-Booster, dass man mit Jackson langfristig stabile Passing-Offense spielen kann. Ein 45 Mio/Jahr Vertrag ist nicht zwingend eine herausragende Idee.

Spätschicht um 22h25

  • Atlanta Falcons – New Orleans Saints
  • Los Angeles Rams – San Francisco 49ers
  • Buffalo Bills – New York Jets
  • Miami Dolphins – New England Patriots
  • Arizona Cardinals – Seattle Seahawks
  • Tampa Bay Buccaneers – Carolina Panthers

Implikationen: Hier wird die letzte NFC-Wildcard im Fernduell zwischen 49ers und Saints ausgespielt. Die Niners sind dabei schon in einer tricky-Situation, denn für ihren Gegner Rams wie auch für Tampa Bay geht es auf jeden Fall zumindest noch um das Playoff-Seeding.

Die Saints sind mit eigenem Sieg in Atlanta und Niederlage der 49ers in den Playoffs. Die Niners sind mit eigenem Sieg drin. Bei Niederlage müssen sie hoffen, dass die Saints in Atlanta nicht gewinnen.

Ebenso: Fernduell um den Gewinn der AFC East zwischen Bills und Patriots. Buffalo hält den Tie-Breaker, hat ein Spiel Vorsprung und trifft auf die enttäuschenden Jets.

Sidestory: Kann Arizona noch hochspringen auf #2? Dafür bräuchte es einen eigenen Sieg gegen Seattle, und Pleiten von Rams und Buccaneers. Auch ansonsten sind zwischen #2 und #5 noch praktisch alle Optionen offen.


Falcons-Saints ist also das eine richtig wichtige Spiel. New Orleans muss gewinnen und ist mit 4.5 Punkten favorisiert. QB wird Taysom Hill sein – kein Wahnsinn von einem Werfer, aber im Gesamtpaket dann doch eine ganze Liga oberhalb dessen, womit die Saints heuer schon antreten mussten (Trevor Siemian, Ian Book). Dass die Saints nach dem Ausfall des echt starken Jameis Winston überhaupt bis heute im Playoffrennen geblieben sind, ist schon eine Top-Leistung von Sean Payton und seinem Stab.

Hill ist natürlich keiner, mit dem man verlässlich 30 Dropbacks durchziehen kann. Folge: Die Saints werden wohl viel laufen. Alvin Kamara ist wieder fit, aber die O-Line bleibt Flickwerk an der linken Flanke. LT Hurts und LG Throckmorton sind beides eher wackelige Konsorten, aber ob das gegen die sanfte Falcons-Front wirklich zum Problem wird, muss sich erst zeigen.

Atlanta hat das Hinspiel gewonnen – aber damals nur in allerletzter Minute gegen einen QB Siemian. Wenn das heute besser gehen soll, dann werden die Falcons ein vernünftiges Spiel ihrer Offense-Playmaker brauchen. Auf Receiver haben die Falcons nur zweitklassiges Material – Tajee Sharpe, Olamide Zaccheus oder Russell Gage sorgen bei keinem NFL-Verteidiger für Angstzustände.

Aber Playmaker wie Cordarelle Patterson oder Kyle Pitts spielen eine Mega-Saison. Patterson hat heuer als Runningback und Receiver geglänzt und ist im Prinzip das, was wir vor einiger Zeit auf diesem Blog „Widereceiverback“ getauft haben:

  • 280 Snaps als Runningback
  • 95 Snaps als Wideout
  • 63 Snaps als Slot-WR
  • 15 Snaps als Tight End/H-Back
  • 60 Snaps als Kick Returner

Und Patterson war überall stark. 2.3 Yards/Route als Pass-Catcher, mehr als 3 Yards nach Erstkontakt als Rusher. Es war Pattersons wohl bislang beste NFL-Saison.

Auch Pitts hat eine gemessen an den üblichen Erwartungen an einen Rookie-Tight-End fantastische Saison hinter sich. Pitts wurde als Blocker noch nicht viel in Szene gesetzt, hat aber über 1000 Yards gefangen und ist Top-5 in Yards/Route. Er verspricht die Matchup-Waffe zu werden, als die man ihn erwartet hatte.

Bissi problematisch ist QB. Matt Ryan spielt keine unterirdische Saison dafür, dass sein Arm echt nachgelassen hat. Aber Ryan ist in den meisten essenziellen QB-Stats mittlerweile hinaus aus den Top-15 QBs gerutscht. Für seinen Monstervertrag ist das zu wenig. Für Atlanta wird es eine echte Offseason-Übung, ihn entweder loszuwerden oder jetzt – nach der verpassten Chance 2021 – den Umbruch einzuleiten.

Für das heutige Spiel habe ich ein paar Bedenken ob der O-Line, die in LG Jalen Mayfield einen echten Schwachpunkt hat. Die Saints-Defense gehört zu den besten in der NFL und hat eine wuchtige Front. Wenn Atlantas O-Line nicht hält, kann das ein zäher Abend werden.


Verlieren die Saints, sind die Niners durch. Gewinnen die Saints, muss San Francisco bei den Rams gewinnen. Die Niners haben die letzten fünf direkten Duelle gegen die Rams gewonnen.

Die Rams sind auch heuer im Jahr 1 nach Brandon Staley wieder eine der Top-Defenses der NFL. Der DefCoord Raheem Morris, bis letztes Jahr nicht als „2 high“ Guy bekannt, hat das Defense-System der Rams aus der letzten Saison grosso modo beibehalten und nur an kleinen Stellschrauben verändert.

Weiter dominiert DT Aaron Donald in der Mitte alles. Donald ist der beste Run-Defender auf DT und hat die zweitmeisten Pressures im Passrush erzielt. In der Deckung ist der meistens im Slot eingesetzte CB Jalen Ramsey die Schlüsselperson, aber gegen eine Offense vom Profil der Niners hilft ein einzelner Corner vielleicht gar nicht so viel.

San Francisco hat eine Serie an exquisiten Skill-Playern. Deebo Samuel kann laufen wie fangen. Brandon Aiyuk ist auch so ein YAC-Monster und TE George Kittle ist einer der vielseitigsten Tight Ends in der NFL.

Spannend ist die QB-Situation der Niners. JimmyG soll wieder fit sein, aber vielleicht ringt sich Shanahan durch, jetzt wieder häufiger den mobilen Trey Lance zu bringen, vielleicht in situational packages oder in der Redzone. Nur für a bissi Abwechslung. Lance hat letzte Woche ein interessantes Spiel gegen Houston abgeliefert. Da waren Bomben mit fantastischen Flugkurven dabei, aber eben auch 5-yds Granaten, wo ein Drittel Zip hinter dem Wurf gereicht hätte.

Bei den Rams ist QB Matthew Stafford nach dem Raketenstart in der ersten Saisonhälfte seit Woche 9 deutlich abgekühlt. Stafford hat seit Woche 9 eine Fehlerorgie hingelegt, die sich gewaschen hat: Viermal mindestens 3 Turnover-würdige Würfe, nur zweimal keinen.

Entsprechend sind die Rams in dem Zeitraum auch nur an #18 in EPA/Play gerankt. Eins der schwächsten Spiele in dieser Periode war Woche 10 gegen die Niners, als Stafford gleich vier Turnover-worthy Plays servierte.

Die Niners sind übrigens eine durchaus unangenehme Defense. Die Cornerbacks um K’waun Williams und Emmanuel Moseley überleben gerade so, weil vorne überraschend guter Dampf gemacht wird: EDGE Nick Bosa hat über 70 Pressures, DT Arik Armstead 45, und dann gibt es im einst schon gefloppten Supertalent Arden Key noch einen überraschenden Leistungsträger, mit dem schon niemand mehr gerechnet hatte. Key hat 32 Pressures und 7 Sacks beigesteuert. In Summe ist die Unit von DefCoord Demeco Ryans nicht einfach zu bespielen.

Also: Rams sind natürlich leichter Favorit. Aber die Niners sind ein in vielen Facetten unangenehmer Gegner und ein Auswärtssieg wäre alles andere als eine Überraschung.


Ganz kurz zu den Parallelspielen in den beiden Divisionen: Bei Buccs-Panthers dominiert noch die sehr laute Kontroverse um Antonio Brown. Die seit letztem Sonntag mit Browns unrühmlichem Abgang hochgekochte Geschichte hat in der Zwischenzeit zur Entlassung Browns geführt – aber vorbei war sie damit nicht.

Brown hätte es Anfang der Woche fast geschafft, seinen Coach Bruce Arians wie einen echten Deppen aussehen zu lassen. Aber weil Brown danach seine Klappe nicht halten konnte, und wie immer nix Gescheites rauskam wenn er ihn aufmachte, sind Deutungshoheit und letzter Rest an Ansehen verloren.

Brown ist damit in Tampa Geschichte. Den Buccs gehen damit langsam die Receiver aus. Das Team, das vor einem Jahr 100% voll geladen in die Playoffs eingezogen ist, hat nach dem Ausfall von Godwin und dem Rauswurf von Brown jetzt noch Mike Evans, Rob Gronkowski und Cam Brate als Top-Waffen. Das sind Klasseleute, aber die Tiefe besteht aus Cyril Grayson, Scotty Miller, Breshad Perriman oder Tyler Johnson: Gute Jungs, aber weit entfernt von Elite. Und Byron Leftwich als OffCoord ist bis jetzt nicht aufgefallen, personelle Nachteile mit Scheme aufwiegeln zu können.


Bei den Panthers könnten wir eventuell schon beim Ende der Ära Matt Rhule angekommen sein. Der Owner David Tepper gab sich lange Zeit sehr zugeknöpft, als er nach Rhule befragt wurde. Gestern wurden dann Gerüchte gestreut, dass Rhule zumindest ein weiteres Jahr bleibt.

Rhule hat erst zwei seiner sechs Vertragsjahre hinter sich, aber hätte ich so viel Kohle wie Tepper, würde ich jetzt reagieren. Lieber sunk cost als noch weitere Zeit mit diesem hoffnungslosen Fall von Coach zu verbringen.


Cardinals-Seahawks *könnte* (Betonung auf Konjunktiv) das Ende der Ära Pete Carroll/Russell Wilson sein. Was genau die Ownerin Jody Allen vorhat, weiß niemand.

Aber dass die Hawks seit Jahren trotz eines Top-QBs weit von Superbowl-Contenderschaft entfernt sind, muss schön langsam die Nerven der Verantwortlichen strapazieren. Ich werde das Gefühl nicht mehr los, dass zumindest einer aus dem Gespann Carroll/Wilson nächste Saison nicht mehr in Seattle sein wird.

Die Cards haben bei Rams-Pleite noch Chance auf den Divisionssieg, aber spielen ansonsten vor allem um ein bisschen gutes Gefühl für die Playoffs. Kyler Murray hat in der zweiten Saisonhälfte einfach zu viele Fehler gemacht um die atemberaubend gute Effizienz der ersten Saisonhälfte zu halten. Und so ist Arizonas Offense ein bisschen entzaubert worden. Wie eigentlich jedes Jahr bisher.


Im Fernduell um den Gewinn der AFC East müssen die Pats nach Miami. In Woche 1 verlor New England knapp und unglücklich (Fumble), aber seither haben sich die Pats in allen Facetten verbessert. Mac Jones ist heute anerkannt ein besserer QB als sein Ex-Teamkollege in Alabama, Tua.

Miamis Offense ist nicht viel mehr als hunderttausend RPOs. Deionte Lee sieht diesen Aspekt zwar als stilbildend – RPO könnten der primäre 1st-Down-Playcall in der NFL werden, weil sie in Miami funktionierten obwohl bis zum Exzess gecallt, obwohl es dort kein Laufspiel und null Bedrohung durch tiefes Dropback-Passing gab.

Aber das hilft den Fins auch nicht recht weiter. Der Rebuild, der vor zwei Jahren so vielversprechend begann, ist nach miesen Drafts und schlechten Free-Agent-Klassen im Mittelmaß versandet. Man hat einen coolen Headcoach, aber das Beispiel Miami zeigt, was ein einziger falscher Pick ausrichten kann. Hätte Miami vor zwei Jahren Justin Herbert gezogen anstelle von Tua, die Dolphins wären jetzt ein AFC-Contender. So aber hat man schon im Draft direkt danach zwei 1st Rounder verschleudert um einen Receiver zu ziehen, weil man „dem QB zum Funktionieren unbedingt eine Waffe geben musste“.

Einen guten Receiver zwar (Jaylen Waddle), aber das Problem auf QB hat man völlig überraschend trotzdem nicht gefixt. Und das schlimmste? Tua war 2020 die common sense richtige Lösung. Kaum jemand in der Draftnerds-Welt hätte gedacht, dass Justin Herbert ein so guter QB werden würde. Aber “die NFL” behielt wie schon bei Patrick Mahomes und Josh Allen gegenüber den Nerds (die in weiten Teilen Herbert trotz QB-Bonus eher als Late 1st Rounder sahen) recht.

Jener Justin Herbert spielt mit den Chargers im Sunday Night Game um den Playoffeinzug.

Sunday Night Game

  • Las Vegas Raiders – Los Angeles Chargers

Implikationen: Der Sieger holt die letzte AFC Wildcard. Bei einem Remis sind die Chargers durch – und *vielleicht* auch die Raiders, siehe obiges Gijon-Szenario.


Ein nicht uncooles Duell zum Saisonausklang. Die Chargers haben dank Herbert die bessere Offense, auch wenn Derek Carr bei den Raiders in den letzten Wochen einen bemerkenswerten Job gemacht und den von der Implosion bedrohten Laden zusammengehalten hat. Bevor sich in der nächsten Wochen die Gerüchte um Jim Harbaugh als nächsten Headcoach intensivieren, gibt es vorerst noch die Chance auf ein unwahrscheinliches Playoffticket.

Ich meine, Carr wäre echt entschuldigt gewesen, wenn nach dem schandhaften Abgang von Playcaller Jon Gruden oder dem Rauswurf von WR Henry Ruggs die Offense vor die Hunde gegangen wäre. Aber obwohl die Raiders eine Sollbruchstelle in der O-Line (Alex Leatherwood) mitschleiften, hat den Laden irgendwie am Leben gehalten. Klar macht Carr viele Fehler, aber allein die Tatsache, dass er noch immer die drittmeisten Big-Time-Throws aller QBs hat, ist bemerkenswert und hat die Raiders in einigen Spielen gerettet.

Herbert ist aber ein besserer QB, und das in allen Belangen des Spiels. Herbert ist auch fantastisch unter Druck – und das ist wichtig, denn die Raiders hätten ein Matchup, das dort für sie läuft: EDGE Maxx Crosby (90 Pressures!!) gegen RT Storm Johnson. Crosbys Pressure-Zahlen überschätzen wahrscheinlich seine Bedeutung, denn Crosby hat heuer gegen unendlich viele Backup-Tackles gespielt. Aber das ist nicht seine Schuld. Gegen einen der schwächeren OTs der NFL könnte Crosby noch einmal ein gutes Spiel auflegen. Bloß: Die Wette, dass Herbert unter solchem Druck kollabiert, ist keine gute mehr.

Die Defenses sind beide suspekt. Raiders-DC Gus Bradley ist geradezu berüchtigt dafür, dass er nix anderes macht (oder kann) als Cover-3 und selbst gegen Mahomes nicht umstellt. Die Chargers können keine Run-Defense und sind extrem davon abhängig, dass EDGE Joey Bosa und DB Derwin James ihr „A-Game“ bringen um die personellen Schwachstellen drum herum zu kaschieren.

Die Chargers sind auswärts mit 3 Punkten favorisiert. Ich würde hier auch mit den Chargers gehen. Besserer QB, besserer Coach: Selbst mit der Gefahr des „Chargerns“ muss ich da bei den Bolts bleiben.

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9 Kommentare zu “Die Furchtlose Vorschau auf das NFL Regular Season Finale 2021/22

  1. Eine Frage zum eingangs besprochenen Halten des Balles in der Pocket: ich lese verschiedentlich die neu zusammengestellte O-Line der Steelers sei gar nicht so schlecht wie sie immer gemacht wird, sondern tatsächlich (unteres) Mittelfeld.
    Als Beweis werden dann immer Metrinken/Gradings angeführt. Man nagele mich gerade bitte nicht drauf fest, ob PFF Pass Blocking dabei ist, aber nehmen wir mal an dem ist so: sind solche Metriken nicht verfälscht, wenn der QB den Ball extrem schnell los wird?
    Eine gute O-Line zeichnet doch gerade aus, dass sie dem QB Zeit verschafft, dass sie ihre Blocks möglichst lange hält. Weißt Du, ob das z.B. bei PFF berücksichtigt ist, dass es ja eigentlich nicht das Gleiche ist, wenn der Liner seinen Block nur so lange „gewinnt“ bis der QB sofort den schnellen Kurzpass hinter die LoS raus auf den RB wirft (Matt Canada signature play)…oder ob er seinen Block so lange gewinnt, dass der QB einen tiefen Ball raushauen kann?

  2. Die Szenarien rund um das „Gijon-Spiel“ sind noch etwas komplexer als oben geschildert.

    Grundbedingung ist immer, dass die Colts verlieren, da nur so noch 2 Spots offen bleiben.
    Sollten zusätzlich die Steelers gewinnen, tritt genau das oben beschriebene ein: Verlierer aus Chargers-Raiders wäre draußen, bei Remis beide drin.
    Sollten es allerdings die Ravens sein, die das Frühspiel gewinnen, sind die Raiders bereits sicher drin (gewinnen den 3-way-tie mit Colts und Ravens und auch den evtl. 4-way-tie mit Colts, Ravens und Dolphins, da sie alle diese im H2H geschlagen haben). D.h. dann bräuchte es nicht mehr zwingend das Remis bei Chargers-Raiders, um beide mitzunehmen, sondern auch ein Chargers-Sieg würde das bewirken.

    Oder andersherum: Ravens brauchen neben dem eigenen Sieg zwingend Niederlagen der Chargers und natürlich der Colts, da nur der 3-way-tie mit diesen sie weiterbringt. Und zusätzlich noch einen Nicht-Sieg der Dolphins, denn den 4-way-tie Ravens. Colts, Chargers, Dolphins gewinnen die Colts.

  3. Schade das ravens es nicht in Playoffs kommen,Lamar ist immer eine Attraktion auch wenn das seine schlechteste Session war.

  4. Würde wetten, dass Fangio einfacher einen Job als Defensive Coordinator findet als die Broncos einen guten QB.

  5. Pingback: NFL 2021/22 – Woche 18 Liveblog | Frühschicht | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  6. @LoB: Ja, Grundaussage ist immer: Bei Colts-Pleite reicht Chargers und Raiders ein Remis um beide reinzukommen, egal wie Pittsburgh und Baltimore spielen.

    Dass die NFL es nicht soweit kommen lassen kann, dürfte auch klar sein.

  7. Pingback: NFL Wildcard-Weekend 2021/22: Der Sonntagsvorschauer | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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