Frühstückseier am Freitag – Schreckgespenster im Trainerkarussell

Ja Moooooin.

Das NFL-Trainerkarussell hat sich gestern weitergedreht: Mindestens zwei neue Posten wurde besetzt, ein dritter gilt als fast gebongt, um einen vierten kursieren zumindest Gerüchte. Diese Gerüchte kann ich nicht anders bezeichnend denn als „Schreckgespenst“.

Vorab ein Coordinator-Posten: Ravens-Coach John Harbaugh hat über Nacht Mike MacDonald von seinem Bruder Jim aus Michigan zurückgeholt. MacDonald ersetzt den letzte Woche gefeuerten Wink Martindale. Baltimore bleibt also gewissermaßen „in house“ bei der Besetzung des DC-Postens. Das wird sehr spannend, inwieweit die angekündigte schematische Revolution dann ein Revolutiönchen bleiben wird.

Denver Broncos: Nathaniel Hackett

Nathaniel Hackett zu den Broncos war der erste Dominostein von gestern. Hackett war die meiste Zeit der 2010er Jahre als QB-Coach und später OffCoord bei den Blake-Bortles-Jacksonville-Jaguars aktiv, und zuletzt drei Jahre OffCoord bei den Packers.

Hackett gilt als frenetischer Coach, durchaus in der Lage, sein Scheme an das Spielermaterial anzupassen. Mit Bortles eine einigermaßen vernünftige Offense gespielt zu haben, ist schon mal eine Leistung – die Mannschaft war 2017/18 sogar im AFC-Finale, sicherlich getriggert von einer echt starken Defense, aber nicht zuletzt in den Playoffs zuckte auch die Offense, bis Hackett und Co. am Ende des AFC-Finales in New England der Mut verließ. Die Jags schalteten in einen RRPP-Modus, den jedes Kleinkind antizipieren konnte, und schieden in letzter Minute aus.

Bei den Packers hat Hackett das Kunststück geschafft, die Karriere vom freelancenden QB Aaron Rodgers zu biegen und Rodgers zu einem dritten Frühling zu verhelfen. Nicht ganz klar ist dabei allerdings, wie wichtig Hacketts Einfluss – schließlich überstrahlte ein gewisser Matt LaFleur den Trainerstab.

Bei Hacketts Einstellung in Denver ist natürlich diese Verbindung zum nur drei Jahre jüngeren Rodgers offensichtlich. War Hacketts größtes Versprechen, seinen QB aus Green Bay mitzunehmen? QB ist schließlich die einzige Position, die in Denver zählt – und eine brauchbare Lösung im Draft gibt es heuer eher nicht.

Hackett und Rodgers sollen sich gut verstanden haben. Gefühle sind in der NFL natürlich immer so eine Sache, und gerade der Wechsel in die potente AFC West könnte auch abschreckend für Rodgers wirken. Aber weil es die einzige Lösung ist, die Denver auf absehbare Zeit relevant macht, belasse ich es dabei einfach mal. Denn: Wenn Rodgers kommt, ist Denver mit einem Schlag sehr relevant.

Chicago Bears: Matt Eberflus

Der neue Bears-Headcoach ist dann also Matt Eberflus, bisheriger Defensive Coordinator der Colts –  Scheme-Sicht und Makroperspektive eine enttäuschende Wahl. Eberflus lässt im Kern eine relative Basis-Version der Cover-2 Defense spielen, die verlässlichen 4-Man-Rush erfordert um gegen heutige Top-Offenses einigermaßen mitzuhalten.

Eberflus ist auch Defense-Coach in einer Mannschaft, die eigentlich nur ein Makroziel verfolgen sollte: Entwickle Justin Fields. Das bedeutet: Scheme für Fields, Einkauf/Einberufung von Receivern, Verbesserung der Offensive Line. Nichts davon geht als Kernkompetenz von Eberflus durch, der eher in der Kategorie der CEO/Culture-Coaches verortet wird.

Der Begriff „Culture“ ist natürlich in letzter Zeit von Leuten wie Matt Rhule oder Joe Judge verbrannt worden – ist aber fairerweise mangels Kompetenzen von solchen Leuten auch exzessiv verbraucht worden.

Ist Eberflus ein guter Stratege, hat das natürlich trotzdem Potenzial. Headcoach zu sein ist mehr als Scheme. Wenn Eberflus einen vernünftigen OffCoord mitbringt und die trotzdem Zeit und Ressourcen in die Offense stecken, hat das trotzdem Potenzial.

Ian Rapoport zur Folge könnte Kevin Patullo der Mann sein, und der hat in den letzten zwei Jahren nicht unerfolgreich allein Offenses für Philip Rivers und Jalen Hurts geschustert – viel unterschiedlicher können QB-Typen nicht sein. Adaptabilität scheint also gegeben zu sein.

Jacksonville Jaguars

Es ist noch nicht offiziell, gilt aber als quasi geritzt, dass die Jaguars in Kürze Byron Leftwich als Headcoach vorstellen werden. Leftwich ist in Jacksonville eine bekannte Größe, schließlich war er 2003 der 1st Round Pick als neuer Franchise-QB der Jaguars. Das war damals mein erster Draft. Leftwich war selbst in der damaligen Zeit der Pocket-Passer eine Freak-Erscheinung: Immobil, dass Tom Brady als reinster Supersprinter durchgeht, aber ein Wurfarm vor dem Herrn. Leftwich feuerte seinen Tight Ends 2-Yards-Dumpoffs mit Vollkaracho in den Wanst, dass dir bei NFL-Blast die Spucke wegblieb, aber wenn der Passrush um die Flanke kam, war Ende im Gelände.

Leftwich führte die Jags einmal in die Playoffs, wo er von den Pats kaltgestellt wurde. Nach seinem vierten Jahr war plötzlich Schluss. Leftwich verlor den Training-Camp-Battle mit dem Spaß-QB David Garrard, wurde noch vor Start der Regular Season gefeuert und heuerte danach in Atlanta an – in einer Offense, die noch Wochen zuvor für den kompletten Gegenentwurf Leftwichs designt war: Michael Vick. Das konnte nicht gutgehen. Leftwich scheiterte krachend und verdingte sich danach als Journeyman-Backup, ehe er unter Bruce Arians zum Trainernovizen gemacht wurde.

Ich habe zu Leftwich ehrlicherweise keine gefestigte Meinung – obwohl Leftwich mit den vielen Huldigungen seines Chefs Arians seit vielen Jahren prominent beworben wird. Leftwich hat auf jeden Fall etwas Anpassungsfähigkeit gezeigt, als er von der Arizona-Offense um Carson Palmer zur Bucs-Offense von Jameis Winston und dann zu Tom Brady wechselte, aber auf der anderen Seite: Richtig nachhaltig durchschlagend war das alles nur mit Brady, und der ist der GOAT. Play-Action, Zone-Rushing usw. kennt Winston mit Ausnahme des guten Game-Skripts in der letzten Superbowl nur vom Hörensagen.

Etliche Experten singen trotzdem ein Loblied auf Leftwich. Ich lasse mich also gern eines besseren belehren und hoffe einfach mal, dass er „the man“ ist, der Trevor Lawrence von der Leine lässt.

Den Quellen zufolge will Leftwich unbedingt nach Jacksonville, knüpft seine Anstellung in Jacksonville aber offenbar an eine kuriose Bedingung: Sein Buddy Adrian Wilson (momentan Cardinals) muss GM werden, denn Leftwich will auf keinen Fall mit GM Trent Baalke zusammenarbeiten.

Dessen Kopf hatten die Jags-Fans beim letzten Saisonspiel in Woche 18 vehement gefordert, aber bislang hatte sich nix bewegt. Baalke hat IMHO bei den Jaguars einen ähnlich schlechten Job gemacht hat wie davor bei seiner Zeit bei den San Francisco 49ers (als die guten Draftpicks prinzipiell auf das Konto von Scot McCloughan gingen).

Keine Ahnung, was der Ex-NFL-Safety Wilson so draufhat. Die Cardinals haben über die Jahre nicht unbedingt mit glücklichen Drafts geglänzt, aber wenn ich die News richtig interpretiere, dann war Wilson nicht allzu stark im Scouting-Prozess involviert.

Kurios ist aber zweifelsohne, dass hier der Headcoach seinen GM auswählt. Das sorgt von Beginn an für Machtverhältnisse, die in der NFL tendenziell ungünstig ablaufen: Ein GM als Marionette des Head Coaches.

Las Vegas Raiders

Noch keine Entscheidung bei den Raiders, aber gestern Abend sind wieder die alten Schreckensszenarien aufgepoppt, die Vic Tafur (The Athletic) vorgestern eigentlich schon ad Acta gelegt hatte: Die Raiders wollen die x-te Patriots-West-Connection aufmachen und Dave Ziegler als GM aus Foxboro loseisen.

Keine Ahnung was Ziegler so draufhat (die Historie an Belichick-Assistenten fern der Heimat ist grausam), aber der Mann ist nicht das „Problem“ an der Idee von Mark Davis. Es ist der Mann, den Ziegler offenbar im Paket mitbringen will:

Josh McDaniels.

Ich muss zu McDaniels nicht mehr viel sagen, was ich nicht schon über die Jahre geschrieben habe. Zuletzt schrieb ich vor vier Jahren einen Verriss über McDaniels als Headcoach-Kandidat – Wochen, bevor McDaniels in letzter Minute aus seinem mündlichen Committment bei den Colts ausstieg und damit unfreiwillig den Weg für einen starken Coach in Indy öffnete.

McDaniels hat vor mittlerweile 12 Jahren letztmals als Headcoach gearbeitet – in Denver. Seine Zeit dort ist die einzige an die ich mich erinnern kann, die an Schlechtigkeit an jene von Urban Meyer heranreicht. McDaniels war damals 33. Nun ist natürlich möglich, dass sich ein so junger Mann so seit damals weiterentwickelt hat. Aber dann kam das mit den Colts vor vier Jahren.

Ich glaube nicht an McDaniels. Kommt er, werden die Raiders in der Division mit den Quarterbacks Mahomes und Herbert den Zillionsten Umbruch einleiten und nach drei Jahren entsetzt feststellen, wie gut sie es damals eigentlich unter dem Interim Bisaccia eigentlich hatten… wenn McDaniels drei Jahre bleibt.

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10 Kommentare zu “Frühstückseier am Freitag – Schreckgespenster im Trainerkarussell

  1. In einer Division mit Mahomes und Herbert, das kann heftig für Rodgers werden? Da ist der Division-Titel kein Selbstläufer.

  2. My two Cents:

    Ich würde mich über einen QB Rodgers in Denver freuen. Sportlich wäre das sehr interessant.

    McDaniels halte ich immer noch für eine bessere Wahl als viele gehandelte Personen, befürchte aber er will/darf/möchte den Imperator Belichick beerben.
    (Nur wann? Wie lange wartet er noch? Gibt es ein Aggreement?)

    Bei Jacksonville warte ich darauf was Trevor Lawrence im zweiten Jahr zu leisten im Stande ist. Ich hoffe auf Besserung, schlimmer kann es eigentlich nicht werden. Ich hoffe auf den Draft und eine wirklich aggressive free Agency.

  3. „(Nur wann? Wie lange wartet er noch? Gibt es ein Aggreement?)“

    Er ist halt in der guten Situation sich absolut kein Stress damit machen zu müssen.
    Ein HC Posten in der NFL hat er eigentlich sicher. Zu erfolgreich waren seine Jahre bei NE um ihm keine Chance irgendwo zu geben.
    Er ist erst 45 und hat noch alle Zeit der Welt, sollte er auf den Posten bei den Pats warten wollen.
    Und er verdient auch nicht schlecht – Gerüchten nach sollen es um die 4 Millionen pro Jahr sein. Zum Vergleich Mike Zimmer soll wohl ein Vertrag um die 5 Millionen (+Bonis) gehabt haben.
    Er gehört damit eher zur Gehalts-Oberschicht der Offensive Coordinators. Dazu Stabilität für seine Familie die nicht hin und her ziehen muss.

    Aber vielleicht macht er ja dieses Jahr den nächsten Schritt…also…wieder.

  4. Falls Leftwich wirklich in Jacksonville landen sollte, bin ich einerseits froh, dass wir ihn in Tampa los sind, andererseits befürchte ich schlimmes für Lawrence. Die Offense sah gerade letztes Jahr pre-Playoffs sehr statisch und lauflastig aus. Du hast jetzt auch nicht gerade die Elite Receiver wie bei den Buccs, die konstant gewinnen, wenn du lange 3rd Downs converten musst.

    Von Eberfluss bin ich irgendwie auch kein Fan, verstehe nicht so ganz, dass der so hoch gehandelt wird, aber DC und HC sind zwei Paar Schuhe. Aber da mir es Recht sein soll, wenn die Bears mäßig gut spielen, auch ok.

  5. Ist es wirklich so, dass Denver nur einen QB braucht? Sind alle anderen Positionen wirklich gut besetzt?

  6. nfl.com:
    Raiders put in request to interview Patriots OC Josh McDaniels for vacant head coaching job

  7. Brian Flores verklagt nicht nur die NFL, Dolphins, Giants und Broncos. Er haut die nächsten fetten Skandale raus: „Flores says that Dolphins owner Stephen Ross offered to pay him an extra $100,000 per loss during the 2019 season“… „Giants scheduled a sham interview with Flores last week to comply with the Rooney Rule“. (Quelle: PFT)
    Ich frage mich, warum die NFL so endlos viele Skandale hat (Bountygate, Spygate, Deflategate, Redskins-Cheerleaders, Kaepernick, Urban Meyer, Gruden, etc.) im Vergleich z.B. zur Bundesliga oder auch nur zu MLB, NHL, NBA.
    Früher dachte ich, die beklopptesten Typen in der Liga stünden auf dem Spielfeld. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass die Spieler noch die vernünftigsten Personen in dieser Organisation sind.

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