Trevor Lawrence ist gerettet.
Zumindest besteht jetzt die Chance dafür, denn die Jacksonville Jaguars haben nach langem Hin und Her über Nacht Doug Pederson als neuen Chefcoach eingestellt.
Pederson ist der Coach, den die Eagles letztes Jahr nach fünf gemeinsamen Jahren und einem Superbowl-Titel überraschend gefeuert hatten. Er hatte nun ein Jahr Abstand vom Tagesgeschäft des Coachings, soll im gesamten Trainerkarussell an gar nicht jeder Anfrage interessiert gewesen sein, und ist einer der „logischeren“ Re-Treads der letzten Jahre.
Pederson war nicht der #1 Kandidat in Jacksonville, denn als Favorit hatte über die letzten Wochen stets Byron Leftwich gegolten. Aber Leftwich, der als ex-QB der Jaguars als nahezu prädestiniert gegolten hatte den Job zu übernehmen, hat letztlich wohl von sich aus abgesagt, weil die Jaguars nicht den verhassten GM Trent Baalke demontieren wollten.
Was aus Baalke wird, ist zur Stunde nicht klar, denn keines der Statements um Pederson erwähnt den aktuellen GM namentlich.
Pederson ist aber auf jeden Fall ein interessanter Mann. In Philly war er fünf Jahre am Ruder, und das hässliche Ende sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesamtbilanz eindeutig positiv war. Pederson gewann mit einem Team, das nach dem Ende der Ära Chip Kelly ziemlich down und voller schlechter Verträge gewesen war, schon im zweiten Jahr die Superbowl – und das nicht etwa mit dem talentiertesten Kader der NFL, sondern mit einer insgesamt grandiosen Coaching-Leistung.
Der Quarterback in der Regular Season war Carson Wentz, ehe nach dessen Kreuzbandriss Saint Nick Foles für die Playoffs übernahm und mit einer geradezu fabelhaften Superbowl-Vorstellung die Patriots im Spiel mit den meisten Offensiv-Yards der NFL-Geschichte schlug. Jene Superbowl war das Spiel, in dem Pedersons Team endgültig zu einer Legende wurde, weil sie aggressiv das Gaspedal durchdrückten und schließlich auch den „Philly Special“ auspackten.
Ich verfolge die NFL seit 20 Jahren – und seit über zehn Jahren fast Day to Day. Superbowl 52 Eagles – Patriots war auch in den sozialen Medien der insgesamt deutlichste Trigger für qualifizierte Analytics-Diskussionen. Zuvor war Analytics noch Mathletics gewesen und hatte in den Hinterzimmern stattgefunden. Mit Superbowl 52 und Pedersons Playcalls war es plötzlich auch im öffentlichen Diskurs omnipräsent.
Pederson hatte in den Jahren danach mit der im Rückspiegel unvermeidlichen Wentz-Regression und zahlreichen Verletzungsproblemen seines QBs zu kämpfen, erreichte aber weitere zweimal die Post-Season, ohne dort jemals auf seinen QB1 setzen zu können.
Schließlich implodierten die Eagles letztes Jahr, als Wentz nach der Einberufung von Jalen Hurts einen Meltdown erlebte, mental komplett abdrehte und als bockiger Einmann-Betrieb im Kader die Arbeit Pedersons torpedierte. Es war eine hoffnungslose Situation, der letztlich auch Pederson zum Opfer fiel.
Pederson ist kein Heiliger. Er ist bestimmt nicht der allereinfachste Typ, und ich bin über die Jahre zum Schluss gekommen, dass meine Lobpreisungen auf seine Arbeit wahrscheinlich einen Tacken übertrieben waren.
Aber: Pederson ist ein vernünftig agierender Coach, der die richtige strategische Herangehensweise hat. Er priorisiert das Passspiel über das Laufspiel, er hat keine Angst vor neuen Offense-Konzepten, er weiß um Positional-Value und ist ein tendenziell aggressiver Playcaller.
Das alles macht sich extrem gut in diesem Team mit dem QB-Rohdiamanten Lawrence, dessen Rookiesaison so fürchterlich in die Binsen gegangen ist. Pederson könnte allein deshalb, weil er kein Spinner wie Urban Meyer ist, quasi über Nacht aussehen wie ein Genie.
Er übernimmt ein Team, das komplett am Boden liegt, aber das vom meistgehypten #1 QB seit Langem angeführt wird, das heuer erneut den #1 Pick hält, das mit aktuell ca. 60 Mio. Cap-Space den momentan zweitmeisten Platz für die Verpflichtung neuer Leute zur Verfügung hat, und das grundsätzlich zum ersten Mal seit vielen Jahren vernünftigem NFL-tauglichem Coaching ins Auge sieht.
Leftwich hin, Leftwich her: Pederson halte ich für die in Anbetracht der Situation bessere Anstellung. Ähnlich zufrieden scheint auch Lawrence zu sein:
Jetzt noch Baalkes Einfluss einschränken, und einem quicken Rebound der Jags steht eher wenig im Weg.
Vikings
Ich hatte es gestern irgendwo in den Kommentaren gepostet, aber hier noch der Vollständigkeit halber: Die Vikings werden wohl Kevin O’Donnell als neuen Headcoach einstellen, nachdem die Verbindung mit Jim Harbaugh vor zwei Tagen überraschend komplett abgebrochen war.
Man erzählt sich in den USA, dass das so gegangen ist: Der neue GM Kwesi Adofo-Mensah, ab sofort auf diesem Blog einfach „Kwesi“, hatte Harbaugh über persönliche Netzwerke gekannt und nach anfänglichem Zögern tatsächlich Interesse an dem Mann bekundet, der einst die Stanford Cardinal und dann die San Francisco 49ers quasi über Nacht wettbewerbsfähig gemacht und zuletzt die Michigan Wolverines ins College-Playoff geführt hatte.
Der eh sprunghafte Harbaugh war wohl auch nicht ganz uninteressiert, und so gab es ernsthaftere Gespräche. Am Ende soll– so zumindest die öffentliche Erzählung – Harbaugh beim Job-Interview Anfang dieser Woche schon ein offizielles Job-Angebot erwartet haben, aber Kwesi und seine Mannen noch damit gezögert haben, weswegen Harbaugh pikiert über den Disrespect abgesagt haben.
Ganz so dramatisch wird es zwar nicht abgelaufen sein, selbst im Primadonna-Laden NFL nicht. Aber ich halte durchaus für möglich, dass beide Seiten einmal kurz durchgeschnauft und reflektiert haben, und zum Schluss gekommen sein, dass die Verbindung Kwesi/Harbaugh keinen allzu großen Sinn macht.
Denn: Die Vikes sind momentan ein klarer Fall für einen Rebuild. Mit QB Kirk Cousins kann man nicht weiter als 2022 gehen, dann steht der radikale Umbruch an. Harbaugh ist aber kein Coach für einen Umbruch. Harbaugh ist ein Anpacker, der lieber sofort in den Win-Now-Modus schaltet als das „long game“ zu spielen.
Und Harbaugh wird sich beim Blick auf den Vikings-Zustand gedacht haben: Das sind nicht die „stacked“ Niners von 2010, die einfach nach jahrelangem Anticoaching einfach einen passablen NFL-Trainer brauchen.
Prinzipiell wäre ich an Vikings-Stelle froh, dass es nicht zu der Liaison gekommen ist. O’Donnell ist eine Unbekannte und ein weiterer McVay-Disciple, aber so sehr wir uns über die letzten Jahre lustig gemacht haben über diese Ex-Shanny/McVay Jungs: Sie haben tendenziell zuletzt alle Erfolg gehabt. O’Donnell kann aber erst in frühestens zehn Tagen angestellt werden, da er sich momentan in der Vorbereitung auf das Endspiel befindet.
Vorgriff auf März :-): wofür würde denn die geneigte LEserschaft im Draft für die Jags plädieren zur besseren Rettung von TL?
„Bengals“ = bester Receiver ?
„TL soll nicht A. Luck werden“ = bester OLiner ?
„Best player“ = wohl Edge (HUtchinson / Thibodeaux) ?
„Value“ = Downtrade und WR/OL/Def mit niedrigeren Picks gleichzeitig ?
Qual der Wahl 🙂
Die Frage für Szenario 3 ist, wer zahlt was für den Uptrade? Ist Pick 1 dieses Jahr so viel Wert wie die letzten Jahre?
Szenario 4 meinte ich natürlich.
Pick 1 wird deutlich weniger wert sein, dadurch, dass es keinen Quarterback Run in den ersten 10 Picks geben wird / sollte. Ist einfach keine vergleichbare Klasse zu den letzten Jahren.
Glückwunsch an die Jaguars. Nach dem Abgang von Quinn, hätte ich mir damals Pederson für die Falcons gewünscht.
Was Kevin O’Donnel anbelangt… Würde dir zwar absolut Recht geben, Jim Harbaugh wäre gefühlt aber die sportlich deutlich interessantere Wahl gewesen. (IMHO)
Die Vikings müssen in den Umbruch.
Harbaugh und Umbruch ist wie Teufel und Weihwasser.
Ich glaube, Harbaugh hat nach erster Abstimmung mit den Zielen der Vikes schnell verstanden, dass die zwei Parteien mit den aktuellen Zielen nicht zusammenpassen, auch wenn eine Rückkehr in die NFL spätestens nächstes Jahr jetzt wirklich greifbar ist.
Aber ist Coach im College nicht Dauerumbruch? Immerhin gehen min. 25% der Spieler jedes Jahr weg…
Klar, ist nicht NFL
Miami mit neuen jungen Coach lt Rapport- Meinungen ?
Finde ich sehr interessant aber bin doch leicht skeptisch.
Dazu noch gleich 2 3-Rounder ?