Es ist Superbowl-Woche. Ich bin momentan mit eintausend anderen Themen beschäftigt und die Welt um mich herum hat sich schon in-depth mit dem Finale auseinandergesetzt, dass es kaum mehr Neues zum Schreiben gibt.
Ich habe erst gestern begonnen, mich ein wenig tiefer mit dem Endspiel zu beschäftigen, und verweise hier der Einfachheit halber mal auf genau das, was ich gestern gehört und gelesen habe.
Bengals-Defense
The Athletic Podcast mit Robert Mays. Den habe ich in der Mittagspause beim Waldgang gehört. Banger. Jeder Mays-Podcast fühlt sich an, als würde man hier jemanden bei seinem absoluten Traumjob zuhören. Aber in der gestrigen Ausgabe hat Mays mal wieder einen neuen Gast wie ein Karnickel aus dem Hut gezaubert, von dem ich bislang noch nie etwas gehört hatte, aber der gleich mal mit einer in-depth Analyse der Bengals-Defense glänzt, dass mir Speichel und Spucke zugleich wegbleiben: Ollie Connelly, ein Brite.
Gleich mal Connelly auf Twitter gefolgt und dessen Substack angemacht, und siehe da: Wir sind mittendrin in fabulösen Artikeln über den Mahomes-Kollaps gegen drop 8 im Championship Game und die allgemeine Entwicklung der einst miserabel gecoachten Bengals-Defense – ein Artikel über deren post snap movements aus dem Oktober – for free.
Connelly schreibt letzte Woche über Cincinnatis DefCoord Lou Anarumo:
As I’ve noted in these parts and elsewhere throughout the year, Bengals defensive coordinator Lou Anarumo has, for my money (whatever that is worth), been the league’s top assistant coach this year. Not so much because of the raw output, but for his willingness to ditch his own dogma in favor of chasing what’s worked.
Anarumo has built his setup around three core principles: safety movement, prioritizing his unit’s best position group (in Jessie Bates and Vonn Bell he has one of the league’s finest safety tandems in the league); an organic pass-rush, blitzing rarely, and allowing his down four (or three, or five in their late-moving ‘bear’ front) to get after the passer without extra help; fresh packages each week, a new formation, blitz design or personnel groupings that he has yet to show throughout the season (or at least used in minimal snaps).
[…]
Whereas other coaches have failed to keep up as the game has tilted towards an RPO-heavy, spread world, Anarumo — architect of some Bad defense (with a capital B) — has come into his own. He has tried things; ditched what hasn’t worked and leant into what has. He built a defense all his own, for this specific team with this specific group, adding DLC packages throughout the season.
Back. Side. Dig.
In Teil 2 des Podcast spricht Mays über die Rams-Offense, und zwar mit Seth Galina und Deionte Lee. Das sind zwei Garanten für unterhaltsame, wenn auch nerdige Football-Diskussion. Was macht die Rams-Offense heuer besser als früher?
Galina aus der Pistole geschossen: Backside Dig.
Der Konzept ist in den letzten Tagen in aller Munde, und es wird bei den Rams von Odell Beckham jr. gelaufen. Jener Beckham war erst Mitte der Saison als Free Agent zum Team gestoßen, nachdem er bei den Browns gefeuert wurde. Galina hatte schon damals detailliert erklärt, dass weniger Beckham als Individualist das Problem gewesen sei – sondern Beckham in einer Offense, die an seinem Talent vorbeidesignt war. Ich schrieb damals:
Ich habe keine richtig gute Erklärung, warum das mit OBJ so furchtbar schiefgegangen ist.
Seth Galina/Deionte Lee haben in ihrem Podcast festgestellt, dass weniger Beckham als Individualtalent das Problem war (er hat sich trotz aller Unkenrufe sehr häufig freigelaufen), sondern die Combo Stefanski/Baker. OBJ wurde häufig als Iso-WR an der Backside eingesetzt, wo er wieder und wieder die Dig-Route (in Breaker zwischen 12 und 22 Yards downfield) gelaufen ist, aber Mayfield ist eher selten dorthin mit seinen Reads gegangen. Baker ist eher ein „inside the numbers“ Thrower, aber die Browns wollten Beckham als echten X draußen halten, und bis OBJ die bei den Browns tiefer interpretierte Dig-fertig gelaufen war, war Baker längst mental aus den Plays ausgestiegen.
Wenn ein QB das mental nicht „processt“ bekommt, braucht ein Coach dann eben Konzepte um einen WR1 trotzdem vernünftig einzusetzen, und Stefanski hatte sie nicht wirklich, und es gab auch sonst keine ernsthaften Versuche, Beckham à la Davante Adams in Green Bay mit künstlichen Touches wie kurzen Screens in Szene zu setzen.
In Summe: Einfach kacke gelaufen. Beckham ist nach Galina bestimmt noch ein Top-15 WR in der NFL, aber sein nächstes Team braucht einen klareren Plan und muss sich drauf einstellen, und auch beachten, dass OBJ qua Persönlichkeit Locker-Room-Hierarchien aufzubrechen imstande ist.
Nun ist Beckham ein weiteres Beispiel, dass nicht jeder Topspieler in jeder Situation funktioniert. Dass Talent und Scheme immer zusammengehören.
Also warum funktioniert das dann in Los Angeles?
Galina & Lee sind sich eins: Allein die Tatsache, dass Sean McVay jetzt in Matthew Stafford einen QB hat, der überhaupt die Frontside (also die Seite des ersten Reads) im Lesen von Defenses verlässt, reicht aus um das ganze Feld bis zum letzten Winkel zu attackieren – und damit nicht nur Beckham zu einem integralen Bestandteil der Offense zu machen, sondern die ganze Offense auf ein neues Level zu hieven.
Stafford sei längst kein perfekter QB, aber er habe die Augen um Safetys zu manipulieren, er habe den Arm für jeden Wurf, und er habe die Traute um sich anders als Jared Goff in Empty-Sets hinzustellen und bei Nichtverfügbarkeit des ersten Reads die Füße zu re-setten und auf die Option an der anderen Flanke überzugehen.
Das sei – so führt Galina mit einer Begeisterung aus – absolut nicht gewöhnlich für Quarterbacks. Das Naturell der meisten QBs sei üblicherweise, viel zu oft und viel zu lange an den ersten Read zu glauben und an ihm hängen zu bleiben, auch wenn das Fenster längst geschlossen ist.
Weil die Rams eine Spur kürzere Dig-Routes laufen wie die Browns, und in Cooper Kupp an der anderen Flanke eine tödlichen Waffe haben, die tiefere Routen laufe als für einen Slot-Receiver üblich, feuere diese Offense in lichten Momenten aus allen Rohren, auch ohne einen absoluten Superstar-QB.
Wer es lieber deutsch und in geschriebener Form und in einer Ausführlichkeit hat, dass kein größeren Fragen offen bleiben, für den verweise ich auf Adrian Franke bei SPOX. Seinen ganzen dreiseitigen Artikel durchzuarbeiten, erfordert einen Moment an Geduld und ein frisches Mindset, aber prinzipiell ist sein gestriger Artikel über die Rams-Offense der definitive Einstieg in die Welt der McVay-Offense der Saison 2021/22. Da steht eigentlich alles drin, was man wissen muss, inklusive der Funktionsweise der Backside Dig.
NB: Heute gibt die NFL bekannt, in welcher deutschen Stadt heuer und nächstes Jahr das angekündigte Regular-Season-Spiel ausgetragen wird. Gestern sickerte durch, dass es 2022 möglicherweise München und nächstes Jahr dann Frankfurt sein soll, aber gesichert ist das noch nicht. Ursprünglich soll die NFL nämlich das Ziel verfolgt haben, eine fixe, gleichbleibende Destination zu besuchen.
Vielen Dank für den Hinweis auf Connelly, der Artikel über die Bengals D ist echt klasse 🙂
Die NFL spielt 2022 in München.
Danach bis 2025 ein weiteres Mal München, und zweimal Frankfurt.
Also alles wie erwartet.
Gut aus Tiroler Sicht 😉 . Eigentlich finde ich ja München als einzigen Austragungsort in D etwas weit ab vom Schuss. Da ist Frankfurt zentraler, auch NRW für die Mehrheit schneller erreichbar. Aber die Tickets dürften eh so teuer sein, da ist Hotel & Flug dazu nicht mehr sooooo viel teurer 😦 … Stadien dürften voll sein, egal wo es stattfindet.
Pingback: Superbowl-Vorschau 2022: Cincinnati Bengals – Los Angeles Rams | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!