Superbowl-Vorschau 2022: Cincinnati Bengals – Los Angeles Rams

Ich habe mir jetzt ein Bild vom Superbowl-Matchup 2022 gemacht. Wie könnte Cincinnati Bengals – Los Angeles Rams ausschauen?

Vorneweg: Wer es genau wissen will, dem lege ich hier ein paar Leseempfehlungen ans Herz, mit denen er weit besser bedient sein wird als mit meinem folgenden Abriss. Wer es hingegen kurz und knapp haben will: Bitte die Link-Sektion überspringen.


Bengals-Coach Zac Taylor war ein Assistent von Rams-Coach Sean McVay, aber es gibt nur wenig, was diese beiden Offenses verbindet.

Die beiden Teams spielen die beiden höchsten Raten an 11-Personnel (also mit drei Wide Receivern). Beide lieben Empty-Formations (also Quarterback allein hinter den fünf O-Linern). Beide Quarterbacks sind erstklassig gegen den Blitz (also wenn ihnen Defenses mit mehr als vier Passrushern einheizen wollen). Beide Teams haben den deutlichsten Split zwischen Passing- und Rushing-Effizienz in der NFL. Und beide Coaches sind ungeachtet dieser Tatsache tendenziell etwas konservativ im In-Game-Management.

Und damit hören die Gemeinsamkeiten auf.

Der große Unterschied

Die Rams haben zu beiden Seiten der Line of Scrimmage einen deutlichen Vorteil in den „Trenches“. In prinzipiell allen Facetten außer Run-Blocking sind die Rams als das wesentlich dominantere Team zu betrachten, und das Mismatch zwischen der Offensive Line der Bengals und dem von Aaron Donald und Von Miller angeführten Rams-Passrush ist eins der krassesten, das man über eine Saison antreffen wird: Der dominanteste D-Line trifft auf die drittschwächste O-Line.

Trench MatchupsRamsBengals
Pass Block Win Rate#1#30
Pass Block PFF Grade#1#25
Run Block Win Rate#12#10
Run Block PFF Grade#10#20
Pass Rush Win Rate#1#25
Pass Rush PFF Grade#1#21
Run Stop Wint Rate#1#25
Run Defense PFF Grade#1#23

Die graphische Aufarbeitung in Form der Survival Rates gibt es auf Timo Riskes Twitter-Account. Es ist der Grand Slam für die Rams:

  1. Rams-Passrush generiert Druck schneller als der NFL-Durchschnitt
  2. Bengals-O-Line kassiert Druck schneller als der NFL-Durchschnitt
  3. Rams-O-Line kassiert Druck später als der NFL-Durchschnitt
  4. Bengals-Passrush geneiert Druck später als der NFL-Durchschnitt

Gerade mit Donald am Feld ist die Rams-Line bestialisch:

Offensive und Defensive Lines sind nicht mehr die alleinigen Treiber von Erfolg und Misserfolg in der NFL. Aber bei einem so deutlichen Mis-Match ist der Favoritenstatus der Rams schnell erklärt. Die Bengals brauchen Lösungen, um ihren physischen Nachteil in den Schützengräben zu kaschieren, andernfalls ist das Spiel am Sonntag gegessen bevor es losgeht.

Wenn die Bengals den Ball haben

Die Bengals-Offense ist als “player’s offense” schematisch total basic. Innovation oder auch nur aufeinander aufbauende Konzepte sind nicht das Bier von Headcoach Taylor, dessen größte Errungenschaft wahrscheinlich ist, sich einfach nicht in die Geschäfte von QB Joe Burrow und seiner Receiver-Armada einzumischen.

Jede Superbowl-Preview beginnt damit, wie die Offensive Line der Bengals gegen Donald und Co. gegenzuhalten versucht. Gelingt es nicht, ist das Spiel so gut wie durch, bevor wir zu allen weiteren Matchups übergehen.

Die Bengals-Line ist solide an der linken Flanke, aber vom Center rechtsseitig sprechen wie über eine einzige, drei Spieler lange Sollbruchstelle. Diese Sollbruchstelle muss den dominantesten Passrusher unserer Generation verteidigen. Donald hat nach Pressures (102) und Sacks (17) nur die drittbeste Saison seiner Karriere gespielt, und doch einmal mehr 25% mehr Pressures kreiert als der nächstbeste Defensive Tackle der NFL (Chris Jones).

Donald hat die höchste Passrush Win-Rate aller Tackles. Sein Nebenmann Miller hat die 11t-höchste Win-Rate aller Edge-Rusher. Der drittbeste Passrusher Leonard Floyd hat die 35t-beste Win-Rate aller Verteidiger. Die Rams haben embarrassment of riches an individuellem Passrush und werden kaum Blitzing brauchen um Burrow unter Druck zu setzen. Gerade gegen 11-Personnel spielen die Rams gerne auch mal mit Donald als Wide-Nine-Rusher mit Anlauf gegen unathletische Blocker.

Wie die Bengals gegenhalten, wird vieles am Spiel diktieren. Werden sie ihre Empty-Sets zurückschrauben um Burrow nicht den Haien zum Fraß vorzuwerfen? Werden sie einen ihrer drei Receiver opfern und mit 12-Personnel mehr Physis bringen? Werden sie in einen Kurzpass-Modus wechseln? Oder werden sie sogar noch laufintensiver auftreten als letzte Woche in Kansas City?

Burrow könnte als QB, der Pressure und Sacks auch unabhängig von seiner Protection förmlich einlädt, ein Hopp-oder-Top Spiel erleben, in dem es mehr Hoodini-Plays braucht als in den bisherigen Play-Offs. Eine automatisch verheerende Sache muss das nicht sein, denn Burrow hat in dieser Saison auch gezeigt: Er kann den Ball schnell werfen, wenn es sein muss (fünftmeiste Würfe innerhalb von 2.5 sek), und er geht tief, egal welches Scheme ihn verteidigt.

Denn Burrow vertraut WR Ja’Marr Chase blind, und Chase ist der Mann, mit dem die Receiver-Armada der Bengals beginnt. Chase geht meist an der rechten Flanke tief, aber kann auch Screens und Yards nach dem Catch. Chase hat die achtmeisten Yards/Route produziert.

Chases Nebenmann ist Tee Higgins, ein etwas größerer Receiver, etwas weniger mobil, aber mit sicheren Fanghänden und dezentem Größenvorteil gegen alle Rams-Corner abseits von CB Jalen Ramsey. Higgins hat die 14t-meisten Yards/Route gefangen. Der Slot-WR ist Tyler Boyd, der ständig am Feld steht, aber meist deutlich kürzere Pässe sieht.

Jeder Coverage-Gameplan der Rams beginnt mit Chase. Ramsey wäre als direkter Gegenüber eine logische Wahl, doch die allermeiste Zeit agiert die Unit von DefCoord Raheem Morris in Zone, wodurch Chase per Motion auch von Ramsey wegbewegt werden kann. Es wird einige 1-vs-1 Snaps der beiden Superstars Chase und Ramsey geben, aber mutmaßlich kein vollständiges „Traveln“.

Denkbar ist auch die „Belichick-Lösung“: CB1 Ramsey gegen den Hünen Higgins, und Chase mit CB2 und Safety doppeln. Auch diese Lösung wäre Abkehr vom Modus Operandi für Morris. Aber diese Lösung verhindert ein direktes Duell zwischen dem 5‘9 kleinen Corner Darious Williams und dem fast zwei Kopf größeren Higgins (6‘4).

Die Rams sind auch im Jahr 1 nach Brandon Staley eine „two high“ Defense geblieben – das heißt: Tiefen Pass wegnehmen ist Priorität #1. Burrow to Chase wird kein Feuerwerk zünden, aber wir haben von Cincinnati 2021/22 gelernt: Den einen oder anderen tiefen Versuch wird es dennoch geben – notfalls forciert.

Kleiner X-Faktor: TE C.J. Uzomah ist nicht fit. Er soll spielen, aber unklar ist, wie viel. Ein dominanter Pass-Catcher ist er nicht, doch in dieser Saison entwickelte er sich immerhin zu einem Mann für Nadelstiche. Ignorierst du ihn komplett, wird er 40 Yards und drei 1st Downs fangen und den Bengals ein zusätzliches langes Fieldgoal ermöglichen.

Eine Schwäche im System der Rams ist die Verteidigung der Spielfeldmitte underneath.

Es ist eine Zone, die Cincinnati gerne und viel attackiert. Tyler Boyd läuft oft über diese Mitte, und in den letzten Wochen rannte auch Higgins zahlreiche In-Breaker und Slants. Higgins-Slants hinein ins Herz der Defense könnten der beste Konter gegen eine Defense sein, die vorne schnell durchbricht und Chase mit Verve aus dem Spiel nimmt.

Natürlich bleibt Zac Taylor der Coach – womit ein weiteres Trauerspiel an 1st-Down-Runs in die offenen Arme der D-Line nicht unvorstellbar ist. Vernünftig ist das in einer Superbowl nicht. Aber es ist immerhin ein Weg, um Burrows Hit-Counter unter Kontrolle zu halten.

Wenn die Rams den Ball haben

Im Gegensatz zum Stückwerk der Bengals ist die Rams-Offense eine exzellent geschemte, gut geölte Maschine. Die Stars sind die beiden Receiver Cooper Kupp und Odell Beckham jr. Kupp dominiert mit Choice-Routes aus dem Slot – das sind Option-Routes, in deren Verlauf Kupp al volo die Nahtstellen sucht, die ihm die Defense anbietet. Kupp ist ein Meister darin – und seine Connection mit Stafford ist die produktivste der Saison.

OBJ läuft die in Film-Twitter fast schon kultisch verehrte „Backside Dig“ Route. Sie ist oft der zweite Read – und Stafford kommt oft zu diesem zweiten Read.

Der WR3 Van Jefferson ist mit seiner smoothness ein guter Mann, aber wie bei den Bengals steht auch hinter dem TE1 der Rams (Tyler Higbee) ein Fragezeichen. Wie bei den Bengals war dieser Tight End keiner fürs Kreieren von Matchups, sondern einfach da für die Nadelstiche.

Wie Burrow ist auch QB Matthew Stafford nicht mit dem Blitz beizukommen – und auch nicht mit Single-High-Defense. Das war die Lieblings-Aufstellung der Bengals in dieser Saison. Doch seit dem Conference-Finale ist das fast vergessen, denn dort würgten die Bengals Patrick Mahomes mit einem 3-Man Passrush und acht Pass-Deckern komplett ab.

Die Bengals deckten in dieser Saison in einem von neun Passing-Downs mit acht Mann – die höchste Quote der NFL. Die Rams haben in nur einem von siebzehn Snaps three man rush gesehen – selten genug, um für „Neuland“ für Stafford zu sprechen.

Die Rams-Protection ist exzellent (siehe oben: #1 in Passblocking), angeführt vom 40-jährigen Ex-Bengal Andrew Whitworth auf Left Tackle, der nach diesem Spiel in Ruhestand gehen wird. Mit bloß drei Mann besteht allein die Chance auf Coverage-Sacks, es sei denn EDGE Trey Hendrickson liefert eine überirdische Performance.

Hendrickson ist einer der Poster-Boys dieser Defense: Nicht spektakulär, aber grundsolide. Es ist eine Defense ohne Stars, aber auch ohne klare Schwachstellen. DefCoord Lou Anarumo hat nach anfänglichen Problemen seinen Groove gefunden und diese Unit variabel und damit zu einer unangenehm zu bespielenden gemacht, weil sie auf viele Challenges eine Antwort hat.

Die Schande für den TV-Zuschauer wird sein, dass das wichtigste Element – die Safety-Rochaden von Jessie Bates und Vonn Bell – erst am Montagabend in All-22 zu sehen sein werden. Denn das Matchup wird dort hinten, hinter dem letzten Cut der Live-Kamera, entschieden: Stafford so oft wie möglich den ersten Read nehmen und hoffen, dass der Passrush mit der halben Extrasekunde oft genug durchbricht, um Fehler des QBs zu forcieren.

Die Rams sind qua Scheme (fast 20% offene Targets für Stafford, Burrow hat nur knapp merh als die Hälfte davon) und Receiver-Talent wesentlich explosiver als die Bengals, und sie werden offene Boxen kompromisslos mit Laufspiel attackieren. Der in Rekordzeit von Achillessehnenriss genesene Cam Akers spielt ineffiziente Playoffs, aber für einen oder zwei Big Runs ist er immer gut. Die Frage wird auch hier sein, ob es McVay nicht übertreibt mit zurückhaltendem Playcalling.

Bullet-Points zum drauf Achten

  • Burrow ist der bessere QB als Stafford, aber die Rams haben mehr Talent und das bessere Scheme
  • Rams sind in den Trenches besser zu beiden Seiten der Line of Scrimmage; gerade Aaron Donald dominiert die rechte Seite O-Line der Bengals
  • Wie organisieren sich die Rams gegen Ja’Marr Chase? Wie kontern die Bengals mit Higgins?
  • Ersten Read Staffords wegnehmen ist Cincinnatis Defense-Ziel #1, aber die dazu notwendigen Safety-Rochaden werden wir im Livebild nur selten sehen
  • Beide QBs verbrennen den Blitz. Rams werden oft mit maximal vier Mann kommen, Bengals wohl oft nur mit deren drei
  • Laufspiel: Bengals übertreiben es gern, Rams haben keine Angst in offene Boxen zu laufen
  • Big Plays und Turnovers: Burrow wird Pässe für Chase forcieren, Stafford für Kupp und Beckham. Welche Risiko-Pässe intercepted werden, kann entscheidend sein

Müssen wir den Kicker noch nennen? Bengals-Rookie Evan McPherson kriegt solchen Hype, dass ein wichtiger Kick in die Binsen geht. Gehen muss. Oder? Oder???

Ausblick

Die Ansetzung ist auch deswegen so spannend, weil der bessere Quarterback (Burrow) hier die Punkte bekommt (Rams sind mit 4.5 favorisiert) und sich das gleichzeitig wie ein zu geringer Spread anfühlt. Zu lange haben die Bengals sich durchgewurstelt, keine dominanten Performances gezeigt um ihnen auch nur annähernd eine 50/50 Chance zu geben.

Die Rams sind in Summe einfach physischer und schneller an zu vielen Fronten, haben die raffiniertere Offense und die entscheidenderen Individualisten in der Defense. Vieles an den Bengals hat dagegen was von „ein Jahr zu früh“.

Aber es ist nur ein Spiel, und wir sehen im Lauf einer Saison viele größere Überraschungen als einen Sieg der Bengals über die Rams.

Und: Die Bengals haben in den letzten Wochen gewonnen, ohne dabei auf grandiose Burrow-Feuerwerke zählen zu müssen. Joe zeigte nicht mehr als „spot brillance“. Es braucht einen weiteren klug umgesetzten Defensive-Gameplan, ein paar weitere Connections für Chase und Higgins, ein weiteres Mal ein bisschen Glück in high leverage Momenten.

Die Rams sind zurecht favorisiert und wenn sie ihre Muskeln in den Trenches ausspielen, wird das ein schnell entschiedenes Endspiel. Doch McVay hat schon vor drei Jahren Nerven gezeigt, Stafford ist immer für einen kritischen Bolzen zu haben, und das Game-Skript schreit quasi nach einem punktearmen, schlampigen Spielbeginn mit 3-0 Führung Bengals nach dem ersten Viertel.

Von zehn direkten Duellen gewinnen die Rams wahrscheinlich sechs oder sieben. Ich kann damit nicht auf Cincinnati setzen, auch nicht mit dem besseren QB, aber ausgeschlossen ist ein weiteres Upset und das Happy-End der Cinderella-Story natürlich nicht.

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3 Kommentare zu “Superbowl-Vorschau 2022: Cincinnati Bengals – Los Angeles Rams

  1. Ergänzung: Offenbar wird Eric Weddle nach nur 4 Wochen mit dem Team schon die „Defense QB Rolle“ übernehmen und den „Green Dot“ bekommen – den Helm, an den der Playcall des Defensive Coordinators weitergegeben wird:

  2. Pingback: Superbowl-Sonntag 2022 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  3. Pingback: Super Bowl 2022 im Liveblog: Cincinnati Bengals – Los Angeles Rams | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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