Matthew Stafford ist Superbowl-Winning Quarterback.
Diesen Satz wollte ich seit über zehn Jahren mal schreiben. Jetzt ist es soweit – leider ein Jahr „zu spät“ und mit dem falschen Team. Aber ich freue mich trotzdem für Stafford, einen QB, bei dem es schon immer kaum Grauzone zwischen „total überschätzt“ und „Perle vor die Säue“ gab.
Als Stafford 2009 als #1 Pick zu den Detroit Lions gedraftet wurde, waren meine Hoffnungen groß, dass es mit dieser siechenden Franchise bergauf gehen könnte. Aber es hat dann trotz guter Ansätze nie so richtig geklappt – und das lag auch an Stafford.
Einmal wurde Stafford im vorletzten Jahr unter der alten Rookie-Wage-Scale gedraftet und kostete die Lions damit von Beginn an einen Berg von Geld. Aber auch Stafford, der Spieler, hat sich nie ganz in das oberste „Tier“ der Starting-QBs entwickelt.
Das Potenzial von Staffords Wurfarm war immer da, aber es sind die Kleinigkeiten, die immer fehlten um auch nur in die Nähe der absoluten Liga-Elite zu kommen. Stafford ist nicht präzise genug. Er ist nicht konstant genug. Er hat zu viele Aussetzer, wirft zu viele Turnover. Er kassiert zu viele Sacks (also für einen Elite-QB). And so on…
Stafford wurde über Jahre für allerlei Shortcomings entschuldigt – zu wenig Support, zu schwache Coaches, allgemeine Detroit-Lions-Scheiße. Ich habe die Entschuldigungen alle gehört, aber ich schrieb im großen Mailbag vor eineinhalb Jahren hier an dieser Stelle:
Swiss Lion: Wann gewinnen die Detroit Lions ihren ersten Super Bowl?
Ich habe immer wieder Momente, in denen ich mich damit abgefunden habe, dass die Lions in meiner Zeit auf dieser Erde keine Superbowl mehr gewinnen können, aber auf der anderen Seite: Du musst in der NFL „nur“ den richtigen Quarterback draften, und schon bist du auf Jahre Contender. Ich liebe Matthew Stafford, weil er ein richtiger Typ ist und mit seinem Arm super-ästhetischen Football spielen kann. Aber Stafford ist nicht der QB fürs gelobte Land. Insofern: Abwarten und Tee trinken.
As it turned out, Stafford brauchte nur die richtigen Rahmenbedingungen. Und das bedeutet mehr als „Calvin Johnson im Lineup“. Bei den Rams wurde Stafford in eine Offense mit einem Elite-Playdesigner wie Sean McVay gesteckt. Er spielte hinter der #1 Passblocking-O-Line. Er hatte in Cooper Kupp einen Receiver auf dem Sprung zum Superstar. Die #2 war Robert Woods und später Odell Beckham jr. Fast 20% seiner Würfe hatten offenes Target.
Wenn wir uns aber anschauen, wie Stafford über die Jahre in PFF Grade (das v.a. die Qualität der individuellen Würfe bewertet) und EPA/Play (eine Statistik, die stark am QB hängt, aber auch die Qualität der Offense drumherum misst) anschauen, dann sehen wir:
- Stafford war über die Jahre fast nie in den Top-10 klassiert
- Staffords 2021 in Los Angeles war sein bestes Jahr, und trotzdem war er außerhalb der Top-5
Jahr | EPA/Play | PFF Grade |
2009 | 30 | 39 |
2010 | — | — |
2011 | 8 | 12 |
2012 | 17 | 15 |
2013 | 16 | 8 |
2014 | 20 | 20 |
2015 | 19 | 25 |
2016 | 10 | 11 |
2017 | 15 | 10 |
2018 | 24 | 16 |
2019 | 4 | 8 |
2020 | 16 | 13 |
2021 | 6 | 7 |
Stafford als System-QB abzustempeln, wäre freilich falsch, denn man kann genauso gut argumentieren, dass erst Staffords Potenzial seinem neuen Coach bei den Rams ermöglichte, sein System zu spielen.
Stafford war gleichzeitig Trigger für McVay wie Profiteur von McVay. Ich denke, so wie Staffords erstes Jahr bei den Rams ablief, war am oberen Ende der Erwartung. Stafford hatte einige Spiele, in denen er wirklich üble Fehler beging, aber seine Qualitäten als Werfer, die Bedrohung die sein mächtiger Wurfarm ausstrahlen und seine Traute, auch die entferntesten Winkel am Feld zu attackieren, gaben der Stafford/McVay-Offense eine sehr hochstehende Basis mit Potenzial für echte Dominanz.
Die Superbowl war unter diesem Aspekt irgendwie zeichnend. Staffords Receiving-Corps war irgendwann ziemlich ausgelutscht – TE Higbee gar nicht active, OBJ nach eineinhalb Vierteln auf IR, Kendall Blanton als Backup-TE ein Ausfall. WR3 war schon bald der 7th Round Rookie Ben Skowronek, und das nicht aufhören wollende Laufspiel verendete in einem Drittel der Early Downs in der berüchtigten Mauer des Schweigens.
Die Rams-Offense stockte mehrere Drives lang massiv, weil Stafford nicht in der Lage war, den Laden in 3rd Downs aus der Scheiße zu holen.
Aber Stafford hatte auch drei, vier echt geile Würfe, die so nicht viele Quarterbacks hinkriegen – unter anderem natürlich diesen krassen auf Twitter rauf- und runterdiskutierten Knaller im entscheidenden Scoring-Drive für Cooper Kupp:
Ein solches Play überstrahlt natürlich alles, gerade wenn es entscheidend zum Sieg beträgt. Das vollständige Bild Staffords ist aber nicht durch ein einziges Wunderplay der Güteklasse Mahomes gemalen – dafür holperte der Laden zu stark. Staffords erste Interception war etwas wild, dann verpasste er quasi direkt nach obigem Wunder-Pass mehrere offene Goal-Line-Plays, und wenn wir bitterböse Arschlöcher sind, dann können wir auch drauf hinweisen, dass der Pass, bei dem sich OBJ das Kreuzband riss, *maybe* einen Tick zu weit nach hinten geworfen hat. OBJ deswegen adjusten musste. Und sich dabei verletzte.
Die Superbowl reihte sich damit quasi nahtlos in die Story von Matthew Stafford ein. Schon im Semifinale hätte er fast das Spiel mit einem wilden Pass weggeworfen, doch Jaquiski Tartt hatte seinen mittlerweile berüchtigten Bullshit-Moment. Im Viertelfinale kollabierte die Rams-Offense zwei Viertel lang unter ihren eigenen Fehlern, ehe Stafford zwei Crunchtime-Bomben zum Sieg servierte.
Und so weiter.
Stafford 2021/22 zeigt aber: Unter den richtigen Umständen kannst du in der NFL auch mit einem QB ein oder zwei Ebenen unterhalb von „Elite-QB“ gewinnen. Es braucht die Kombination aus Playcalling und Waffen und eine zum rechten Zeit groß aufspielende Defense, doch dann kann es reichen.
Das ist natürlich nice, denn es zeigt: Es geht auch ohne die absolute Elite auf QB. Man kann noch immer mit einem sehr guten Mann ganz durchmarschieren, ohne auf die Existent von Brady, Mahomes oder Rodgers angewiesen zu sein. Das sollte der NFL Hoffnung machen – aber könnte in den nächsten Jahren, wenn unzureichend nachgeahmt auch zu größeren Team-Building-Bolzen führen.
Am Ende freue ich mich für Stafford. Ich habe es immer geliebt, für ihn zu rooten. Bei den Lions sollte (und konnte) es nicht sein. Aber jetzt ist er Superbowl-Champ.
Als ebenfalls Lionsfan gönne ich es Stafford auch sehr, auch wenn es McVay mit dem Playcalling in der zweiten Hälfte schwerer gemacht hat als nötig.
man kann halt mit einem sehr guten Mann durchmarschieren, nicht mit einem Trubisky
Korsakoff: Stafford 2021/22 zeigt aber: Unter den richtigen Umständen kannst du in der NFL auch mit einem QB ein oder zwei Ebenen unterhalb von „Elite-QB“ gewinnen
War das nicht schon immer so? Ich habe noch nie jedes Jahr die besten:
A Mannschaften
B QBs
C Trainer im SB gesehen
Wie oben erwähnt gehört auch immer Glück dazu. Und guck in die Historie, da sehe ich auch mehrere Würste die es bis in die SB geschafft haben. Einige davon sogar mit Ringen! Es ist ein Zusammenspiel zwischen vielen Faktoren, die du allerdings mit einen Elite QB minimieren kannst. Aber auch die haben mal einen Kack-Tag. Oder die Trainer werfen den Sieg im letzten Play weg. Alles schon dagewesen und gesehen.
Und wie langweilig wäre das, wenn wir alles vorher wüssten. Dann hätte Brady jetzt 10 Ringe und müsste sich ggf. noch einen Finger anoperieren lassen, falls er noch ein Jahr zu den 49ers geht…
Naja, die Mannschaften von Brady und Mahomes haben schon sehr deutlich die letzten Jahre dominiert.
Garoppolo/Goff waren QBs in Teams, die einfach zu der Zeit ihren Gegnern schematisch deutlich voraus waren.
Foles 2017 war ein Freak-Run über zwei Spiele einer Mannschaft, die für ihre Zeit extrem gut gecoacht war.
Manning hatte eine der besten Defenses ever in einem Jahr ohne eine richtig gute Offense.
Davor war Joe Flacco während seines kurzen „Runs“ 2012/13 der letzte Superbowl-QB, der wirklich unterhalb der Spitzenklasse anzusiedeln war.
Klar geht es, aber der Startvorteil mit einem Elite-QB ist schon ein sehr großer und es braucht viele oder einen extrem dominanten Faktor als Kompensation dessen.
Off topic: die Steeler haben verkündet, dass sie Brian Flores als „senior defensive assistant/linebackers“ einstellen. 🙂
schönes downgrade
nichtmal mehr Def Cord
Je nachdem, wie mans nimmt.
Er dürfte das Beispiel Kaepernick vor Augen gehabt haben, was passiert, wenn man sich mit der NFL anlegt und als „verbrannt“ gilt. Dann lieber erstmal kleinere Brötchen backen, als komplett von der Bildfläche zu verschwinden à la Kaep.
Zumal es, solange die Klage läuft und womöglich auch darüber hinaus vielleicht erst mal gar nicht schlecht ist, einen nicht ganz so exponierten Posten zu bekleiden. Sonst hat man ja in der Berichterstattung zur Defense oder zum DC immer den Halbsatz, dass Flores die Liga verklagt (hat).
Ein, zwei Jahre ein bisschen unter dem Radar zu fliegen und trotzdem den Fuß in der Türe behalten, ist vielleicht genau das, was Flores womöglich mittelfristig doch nochmal in die allererste Reihe bringt. Nicht zuletzt auch, weil die Steelers dafür bekannt sind, primär innerhalb der Organisation zu befördern, sodass eigentlich der neue DC Austin (Ex-Senior Dedensive Assistant/Secondary der Steelers) gerade das ärmste Würstchen ist, mit Flores im Nacken. Und Tomlin ist auch bereits 15 Jahre HC, vielleicht möchte der mittelfristig auch mal was anderes machen…
Es ist auch ein kleiner FU der Steelers an den Rest der NFL. Die Rooney Rule heißt nicht umsonst nach dem Gründer der Steelers.
Brian Flores ist meiner Meinung nach eine starke Verstärkung für die Steelers. Ich bin gespannt, wie viel Einfluss er in dieser Saison schon haben wird. Und falls Mike Tomlin dann in 1-2 Jahren vielleicht mal abtreten möchte, wäre Brian Flores ein super Nachfolger. Dann könnten wir vielleicht auch mal wieder in den Playoffs gewinnen?