Auftakt zur NFL-Preview 2022 mit der AFC East.
Beginnen wir mit dem Topfavoriten.
Buffalo Bills
PFF Playoff-Chance: 78%
Superbowl-Chance: 11%
Over/Under 11.5 Siege
Schedule #9
Die Bills sind neben den Buccaneers der meistgenannte Superbowl-Pick im Vorfeld der anstehenden NFL-Saison. Auf den ersten Blick ist einfach zu verstehen, warum:
- Josh Allen gehört zur QB-Elite und hat fassungslos gute Playoffs hinter sich
- Der Receiving-Corps ist einer der besten, das Offensiv-Personal eins der wandlungsfähigsten in der NFL
- Der Passrush hat erstaunliche Tiefe und im neu eingekauften EDGE Von Miller jetzt auch einen echten Headliner
- Die Secondary ist seit Jahren eine der besten in der NFL und heißt in CB Tre’Devious White ihren besten Mann nach Verletzung wieder willkommen zurück
Die sportliche Leitung sitzt sicher im Sattel und denkt langfristig. Der Coaching-Staff verliert zwar den Offensive Coordinator, aber in Headcoach Sean McDermott und DefCoord Les Frazier bleiben zwei erprobte Konstanten erhalten.
Frazier wird ob seiner Defensive-Coverage in den letzten 13 Sekunden im Schlussviertel in Kansas City über die Offseason einige schlaflose Nächte verbracht haben, doch in Summe sind die Bills aufgestellt wie einer derjenigen Contender, für den es im Laufe ihres „Fensters“ irgendwann einmal Klick macht.
Führen wir die Positives einmal genauer aus.
Allen war 2021 zumindest im Lauf der Regular Season im Gesamtpaket nicht ganz so grandios wie während seiner verblüffenden Breakout-Saison. Und doch hat Allen im Laufe der letzten 12 Monate die allermeisten Zweifel an seinem Status als Elite-QB ausräumen können. Er hat nicht ganz die Konstanz eines Brady, Rodgers oder Mahomes in seinem Spiel, aber sein Peak steht den Kollegen in Tier 1 in nichts nach. Ich würde argumentieren, dass Allen neben vielleicht noch Aaron Donald der dominanteste Spieler der letzten Playoffs war.
In Summe mit Playoffs hat Allen nun zwei grandiose Jahre gespielt. Ich fühle mich glücklich, dass ich bei meiner Einschätzung über ihn so daneben gelegen habe, denn es ist eine Freude ihm beim Footballspielen zuzuschauen.
Kategorie | 2020 | 2021 |
EPA/Play | 0.26 (#5) | 0.22 (#5) |
PFF Offense Grade | #5 | #3 |
Big Time Throw% | 5.8% (#8) | 5.9% (#7) |
Turnover worthy Play% | 3.4% (#17) | 3.2% (#15) |
Catchable Balls | 79.1% (#5) | 74.8% (#19) |
Success Rate | 55% (#5) | 52% (#2) |
CPOE | 6.0% (#3) | 2.9% (#6) |
Pressure-to-Sack% | 10.7% (#2) | 10.6% (#2) |
Das Problem der Bills in den letzten beiden Spielzeiten war allenfalls, dass zu viel auf Allen zugeschnitten war. So war Allen mit seinem Power-Rushing sogar der Ersatzmann für das strauchelnde Laufspiel – 84 und 86 designte Runs in 2020 und 2021 sprechen Bände, aber Allen hat dabei insgesamt 15 Touchdowns und über 1500 Yards erlaufen.
Für die Entwicklung des regulären Bills-Laufspiels ist zwar auch diesmal nicht allzu viel gemacht worden, aber wenige Teams haben besser erkannt als die Bills, dass in der NFL der Gegenwart der Pass (bzw. im erweiterten Sinne der Erfolg des QBs) über Wohl und Wehe entscheidet.
Mit dem neuen OffCoord Ken Dorsey werden jetzt einige neue Züge in die Offense Einzug halten. Wie genau das ausschauen wird, werden wir sehen, aber vielleicht haben wir einige Hinweise schon im Laufe der letzten Saison erhalten.
Schon im Lauf von 2021 haben die Bills peu a peu ihr Offense-Personal „reduziert“ von viel 10-Personnel in Spread auf immer mehr Formationen mit heavy personnel, mit Fullback Gilliam und/oder 2 TE in der Aufstellung. Mit diesem Schachzug versuchte Buffalo, gegnerische Defenses verstärkt in Base-Personnel zu bringen, um mehr Räume im Passing-Game zu öffnen.
Ich war lange überzeugt, dass die Bills diesen Trend fortsetzen wollen, aber der für Slot-WR Beasley geholte TE Howard ist gestern überraschend dem Roster-Cut zum Opfer gefallen. In TE Dawson Knox bleibt ein fangstarker Tight End im Kader, aber die anderen beiden TEs sind in Tommy Sweeney und Quintin Morris, die beide kaum NFL-Erfahrung haben.
Wird es also doch eine Rückkehr zur Spread geben? Die Receiver geben es her.
WR1 Stefon Diggs ist ein super Wideout (80% outside), dessen 1.8 Yards/Route letztes Jahr eine seiner schwächeren Saisons bedeutete
WR2 Gabriel Davis hat sich in Windeseile von einem deep threat zu einem relativ kompletten Receiver entwickelt. Er spielte zuletzt auch über 70% outside, hatte einen aDOT von über 15 Yards und machte über 2 Yards/Route. Seit seinem Breakout beim 4-Touchdown-Playoff-Game in Kansas City kennt ihn ganz Amerika.
Beasleys über 85% im Slot könnten neben einem zweiten Tight End auch durch Isaiah McKenzie ersetzt werden, der bislang eher als Gadget-Player fungierte, aber über 70% seiner Receiving-Snaps im Slot gespielt hat – oder durch Jamison Crowder, der früher mal ein echt guter Slot war, aber zuletzt mit Verletzungen und Formkrisen zu kämpfen hatte. So oder so: Hinter einem so dominanten WR-Pärchen wie Diggs/Davis haben die Depth-Player ohnehin mehr Räume als gewohnt.
Eventuell wird auch das Passing-Game aus dem Backfield erweitert: 2nd Round Rookie-RB James Cook gilt als echter dual threat, bzw: Viele seiner Draft-Reports fokussierten sich stärker auf sein Receiving denn auf sein Rushing. Allerdings: Es dürfte bekannt sein, dass ich per se kein Fan davon bin, zu viel auf Runningbacks im Passing-Game zu bauen. Selbst die besten Pass-Catching-Backs sind in der Regel nicht so gut wie durchschnittliche Receiver, und Routen aus dem Backfield bauen zu oft auf instabiles Yards after Catch.
Aber weiter mit den Pluspunkten…
Die Passing-Defense war in fünf Jahren der Ägide McDermott dreimal in den Top-3 und nur zweimal knapp außerhalb der Top-10 klassiert – eine solche Stabilität ist in der heutigen NFL rar geworden:
- 2017: #14
- 2018: #2
- 2019: #3
- 2020: #11
- 2021: #3
Klarerweise müssen wir die letzte Saison mit einem Sternchen versehen, denn wenige Defenses haben einen einfacheren Schedule gesehen als die Bills – Ben Roethlisberger, zweimal Tua, Taylor Heinicke, Davis Mills, Mike White/Zach Wilson, Carson Wentz, Rookie-Trevor-Lawrence noch während der Urban-Meyer-Zeit, Trevor Siemian, zweimal Mac Jones, einmal davon im Windspiel von Buffalo und Sam Darnold.
Trotzdem bleibt: Der Track-Record ist da. Das wäre auch gegen einen durchschnittlichen Schedule eine der besseren Defenses.
Und vor allem: Sie hat keine echten Schwächen. Linebacker wäre *vielleicht* zu nennen, denn weder Tremaine Edmunds noch Matt Milano sind allererste Sahne. Aber im Sandwich zwischen dem brutal vollgestopften Passrush und einer engmaschinen Zone-Defense mit Man-Coverage Potenzial sind sie schematisch einfacher zu verstecken.
Schauen wir erstmal den Passrush an: Boogie Basham, Tim Settle, Jordan Phillips, A.J. Epenesa. Das ist die zweite Reihe der Bills-D-Line! In mehr als einer Handvoll Mannschaften wäre das eine passable Starting-Unit. Die erste Reihe in Buffalo lautet so:
EDGE Gregory Rousseau
DT Ed Oliver
DT DeQuan Jones
EDGE Von Miller
Rousseau hat als Rookie-Passrusher mit 36 Pressures und 4 Sacks gut genug performt und viele Zweifel an seiner NFL-Reife auszuräumen. Der Top-10 Pick von 2019 Oliver mag Jahre gebraucht haben um zu flashen, aber mittlerweile ist er eine echte Säule. Er ist an Run-Defense nicht interessiert, aber das machen eh die Nebenleute Jones/Phillips, während Oliver über 40 Pressures und mehr als 5 Sacks fabriziert.
Der Star ist natürlich der künftige Hall-of-Famer Miller, wesentlicher Leistungsträger beim Superbowl-Run der Rams. Miller nutzte seinen zweiten Frühling um in Buffalo noch einmal einen extrem fetten Vertrag abzuholen. Die kompletten sechs Jahre, 120 Millionen wird er zwar nicht mehr abstauben – so ist der Vertrag auch gar nicht strukturiert – aber wenn er mit 33 Lenzen noch zwei Jahre auf 80-90% seiner Klasse performt, wird er ein wichtiger Anker.
Bleibt die Secondary. White ist ein Zone-Corner, der locker Man-Coverage spielen kann. Als CB2 hat man Levi Wallace durch Kair Elam ersetzt. Elam ist ein Rookie, was immer ein Risiko birgt. Aber der Track-Record der Bills, junge Defensive Backs zu entwickeln, ist ein langer. Das Safety-Duo Poyer/Hyde ist seit Jahren eine Konstante.
Gibt es also echte Gründe für Zweifel am Status der Bills als Top-Contender?
Wir sprechen über die NFL, also: Ja. Kein Team ist perfekt, auch nicht die Bills. Offensive Line z.B. ist ein potenzieller Schwachpunkt.
Der aus Tennessee geholte OG Rodger Saffold kommt in die Jahre und war zuletzt permanent verletzt, RT Spencer Brown ist ein Talent, aber geht nach Verletzung erst ins zweite Jahr. Auch RG Bates ist ständig angeschlagen. In LT Dawkins und Center Morse gibt es nur zwei Säulen – und auch Morse war in der Vergangenheit nicht immer fit. Brandon Thorn rankte diese O-Line vor der Preseason trotzdem als die 14t-beste der NFL. Das ist gut – aber nicht Elite. Gerade im Rushing-Game hatte sie zuletzt selten genug Punch.
Dann: Ken Dorsey mag als neuer von innen zum Offensive Coordinator beförderter Mann schon mit allen Aspekten der Bills-Offense vertraut sein und sogar neue Ideen einbringen, aber er bleibt ein 1st-Year-Playcaller. Und das birgt immer Risiken: Play-Design ist nicht gleich Play-Calling.
Und was passiert, wenn es Vorgänger Daboll war, der für die Passlastigkeit einstand, und jetzt mit dem von der Defense kommenden McDermott eine für Artgenossen typische Ansage kommt – bitte mehr Balance, lass und mehr laufen und mit meiner Defense gewinnen yaddayadda ect.
Dann nimmt die Offense den Ball aus den Händen seines besten Playmakers. Dann hinge plötzlich im Jahr 2022 wieder mehr an der Defense – und selbst die ist nicht ganz perfekt: Run-Defense ist qua Personnel-Design hie und da etwas anfällig. Bei Miller mögen sich die 33 Lenzen langsam bemerkbar machen. Die Tiefe dahinter würde zwar bleiben, aber wie hoch ist dann das „Ceiling“ des Passrush?
Oder in der Defense: Poyer/Hyde haben die 30 überschritten (Poyer ist 31, Hyde gar schon 32). Was, wenn wir 2022 zum ersten Mal seit Äonen über ein Performance-Loch auf dieser ewigen Stärke sprechen?
Und dann bleibt da noch das Problem des „recency bias“: Wir haben die Bills zuletzt aus allen Rohren zündend gesehen – ein offensiv nicht zu übertreffendes Spiel gegen Bill Belichicks Patriots und der wahnwitzige Shootout gegen die Chiefs. Dass Buffalo während der Regular Season durchaus wilde Varianz in seinem Spiel hatte (die größte Varianz nach DVOA), gehörte auch zur Geschichte der Bills 2021. Stinker wie gegen Steelers, oder Jaguars sollte sich ein Superbowl-Aspirant im Normalfall nicht erlauben – ebenso wenig wie von den Colts für über 40 Punkte überrannt zu werden.
Die Bills sind im Gesamtpaket also ein würdiger Topfavorit – aber kein unumströßlicher. Die Playoffqualifikation sollte Buffalo trotz 1st Place Schedule und AFC North im Spielplan im Schlafwandeln schaffen, aber der #1 Seed mit seinem Freilos ist kein Geschenk. Und selbst mit dem 1st Seed sollten die Bills diesmal auch die letzten 13 Sekunden durchziehen, um nicht wieder eine Saison mit einem heartbreak zu beenden.
Miami Dolphins
PFF Playoff-Chance: 36%
Superbowl-Chance: 1%
Over/Under 8.5 Siege
Schedule #12
Die Dolphins sind der Chaos-Club der AFC East. Zu dumm um zu Tanken, zu dumm um zu Tampern, und nebendran noch einen Rattenschwanz an Problemen, weil der im Winter geschasste Headcoach Brian Flores gleich mal die Rassismus-Keule rausholte, die Miami einige Wochen lang in der Offseason beschäftigte.
Flores‘ Rauswurf ist oberflächlich betrachtet nicht leicht zu verstehen. Schließlich hatte Flores in den drei Jahren als Headcoach der Dolphins wesentlich bessere Sieg/Loss-Bilanzen geholt als der Talent-Level des Teams erwarten ließ:
- 2019: 5-11 Bilanz mit Pythagorean von 3.9 Siegen
- 2020: 10-6 Bilanz mit Pythagorean von 9.7 Siegen
- 2021: 9-8 Bilanz mit Pythagorean von 7.6 Siegen
Freilich war Flores gerüchteweise zum Ende seiner Laufzeit mit so ziemlich jedem im Team zerstritten, sprach in den letzten Wochen kein Wort mehr mit Coaches und Spielern, und so wirklich eine Richtung hatte vor allem die Offense in allen drei Jahren nie.
Über genau diese Offense habe ich schon ausführlich geschrieben. Das kann in beide Richtungen gehen.
Ex-Shanny Assistent und neuer Headcoach Mike McDaniel kann in Richtung des nächsten McVay gehen und ein super Scheme callen, Tua kann Garoppolo 2.0 (oder mehr) werden, und mit der WR-Combo Tyreek Hill/Jaylen Waddle hinter einer verbesserten O-Line Monster-Zahlen auflegen. In dem Fall sprechen wir bei den Dolphins über einen Contender.
Aber McDaniel kann auch der nächste Zac Taylor werden, bloß dass er keinen Joe Burrow hat, sondern Tua, bei dem die ersten beiden schwachen NFL-Saisons eben doch nicht am mangelhaften Support-Cast gelegen haben und der schon zur Mitte der Saison von Backup Teddy Bridgewater ersetzt wird. Dann waren der 1st Rounder und alle anderen Picks für Hill im wahrsten Sinn des Wortes für die Fische, und das eh schon von Regressionsgefahr betroffene Miami schmiert auf nicht viel mehr als eine Handvoll Siege ab.
Oder am wahrscheinlichsten natürlich etwas dazwischen. McDaniel ist ein guter Offense-Mind, der mit allen Schwierigkeiten und Lerneffekten als 1st-Time-Playcaller zu kämpfen hat, einige Wochen braucht um das Tua-Conundrum (RPO/Shotgun vs. Under center/Play-Action) zu lösen, und Hill/Waddle geben der Offense zwar ein paar neue Optionen und ungekannte Big Plays, aber in Summe wackelt das Gerüst noch zu stark, und es springt eine weitere Saison im Mittelfeld um 8-9 heraus.
In 2022 nur von sekundärer Bedeutung, aber für unsere Übung trotzdem nicht ganz zu vernachlässigen ist die Dolphins-Defense. Obwohl in Josh Boyer der DefCoord sowie fast der komplette Trainer- und Assistenzstab geblieben sind (hey, es gibt noch die Rookie-Headcoaches, die nicht gleich alles über den Haufen werfen!), droht ohne das Mastermind Flores ein kleiner Einbruch.
Zumal das Spielertalent eher meh ist. Die Defensive Front hat neben dem famosen DT Christian Wilkins sowie der Passrush-Hoffnung Jaelan Phillips nicht viele Bright Spots, Linebacker ist geradezu absurd schwach besetzt, und die Secondary krankt dran, dass hinter den famosen CB Xavier Howard und S Jevon Holland (der seine fulminante Rookiesaison aber auch erst bestätigen muss) quasi keine Tiefe vorhanden ist.
CB Byron Jones kam vor zwei Jahren aus Dallas. Er war nichtmal die Hälfte seines Vertrags wert. Noah Ighbinoghene wurde vor zwei Jahren nach Trade-Up in der ersten Runde gedraftet. Er war noch weniger als Jones wert.
Die Dolphins überlebten die letzten Jahre mit aggressiver Manndeckung, Verletzungsglück (#1 in Adjusted Games Lost) und einer Unzahl an Turnovers und hatten Glück, recht hilfsbedürftige Offenses verteidigen zu dürfen. Für 2022 sehe ich erstmal eher schwarz.
In Summe bin ich bei Miami für 2022 ziemlich genau in der Mitte: Zu wenig Vertrauen, dass McDaniel und Tua von Beginn an alle Fragezeichen (O-Line, Defense) übertünchen, aber genug Hoffnung, dass die krassesten Schwächen der letzten Jahre ausgemerzt werden um wieder um die 9 Siege holen zu können – diesmal mit einer Performance, die so einer Bilanz würdig ist.
New England Patriots
PFF Playoff-Chance: 48%
Superbowl-Chance: 2%
Over/Under 8.5 Siege
Schedule: #1
Im Vergleich zu den Patriots sind die Dolphins aber sogar noch gut dran. Denn während Miami für seine Umstellung auf Wide-Zone-Offense einen Coach direkt aus dem Trainerstab von Meister Shanahan abgeworben hat, will Bill Belichick eine ähnliche Offense in New England offenbar ernsthaft von MATT PATRICIA und JOE JUDGE implementieren lassen. Wie viel mehr Himmelfahrtskommando geht?
Sofern das ganz keiner von Belichicks Prank-Jobs ist und die Pats im stillen Hinterkämmerlein nicht noch was ganz anderes aushecken (nie auszuschließen), klingt das alles eher nach Matt Rhule denn nach Bill Belichick… aber was weiß ich. Belichick hat schon öfters alle eines Besseren belehrt, aber wie viel Homer und Majestätsgläubigkeit muss man aufbringen um solche Zeilen wohlwollend zu interpretieren?
“Every day is a challenge,” Belichick said on Tuesday about the challenges of installing a new offense. “We just try to build on yesterday, and do what we can do today to get better, and build on it tomorrow. At different points in time, we take stock of where we are and decide whether we add more in this area, or add more in that area, or whatever it happens to be. We try to do things we think are most important and most necessary that will help us win. That’s just kind of what we do.
“You can get everything in and not execute it very well, or you can get in less and hopefully do it better. That’s usually the way it works, or there’s somewhere in between. I’d say usually, we fall somewhere in between: don’t get in everything we want, but feel like the things that we can do, at least we’re doing it at a competitive level. Not saying it’s great, but at least we can go out there and do it. So, we’ll see.”
Quelle: The Athletic
Ex-OL-Coach Scarnecchia hat dieser Tage in einem Interview bestätigt, dass die Pats schon in Vergangenheit Wide-Zone-Prinzipien gelaufen haben, halt ohne die angeflanschten QB-Bootlegs. „Die waren mit der Statue Brady nicht machbar“. Und jetzt sollen sie mit Betonfuß Mac Jones ein Kernelement werden?
Schwer, eine Unit zu finden, die von mehr Negativität umweht ist als die Patriots-Offense. Das Gute: Sollte das Ding schiefgehen, ist Belichick pragmatisch genug, den Gameplan in der ersten Halbzeit des ersten Spiels aus dem Fenster zu werfen und zu gutem, alten Power-Rushing mit eingestreuten Deep-Balls zurückzukehren.
Das klappte letzte Saison durchaus passabel und mag ein entscheidender Treiber hinter Jones‘ guter Rookiesaison gewesen sein. Jones ist kein super-akkurater Kurzpasser. Er ist ein super Processor, der am liebsten und besten in die Intermediate-Distanzen wirft, auch wenn das letzte Quäntchen Effizienz verloren geht, weil Jones die Receiver zu selten im 100% richtigen Moment in den Lauf trifft.
Als einer der letzten echten Pocket-QBs ohne angeflanschte Mobilität hätte ich mit diesem Profil eher an viele Empty-Sets mit einem klaren Pre-Snap Picture gedacht als an under center, Pocket-Rollouts und Rhythmus/Timing.
Für Jones gilt diesbezüglich ähnliches wie für Tua in Miami: Er kennt vom College in Alabama ein komplett anderes System, mit anderen Aufstellungen, anderen Reads, anderem Timing. Jones ist kein so präziser QB wie Tua, aber besser auf längeren Distanzen. Am ehesten hätte ich ihn mit seinem Hirn gewinnen lassen – also durch Sezieren klarer Defense-Bilder (ergo: aus Shotgun).
Ich frage mich gleichzeitig tatsächlich, wieso Jones nach seinem passablen Einstand nicht mehr Buzz generiert. Warum er vielleicht schon näher an „maxed out“ als seine Jahrgangskollegen ist, habe ich gestern ausgeführt: Er hat bereits viel über die Spielfeldmitte gemacht – dort wo die meisten 2nd-Year-Breakouts versteckt sind.
Dass die Offense „vereinfacht“ werden soll und sein Einflüsterer Josh McDaniels als neuer Headcoach nach Las Vegas gezogen ist, könnte gegen eine weiteren Entwicklungssprung bei Jones in dessen zweitem Jahr sprechen. Aber vielleicht ist Jones ja auch einer dieser Coaching-unabhängigen Prospects, die es einfach mental draufhaben.
Bloß: Der Support-Cast ist halt auch nicht weltbewegend besser geworden.
Die Offensive Line war nach Scarnecchias Rücktritt 2021 besser als befürchtet, aber im März verscherbelte Belichick OG Shaq Mason an die Buccs und ersetzte ihn in Cole Strange durch einen 1st-Round-Reach, auch OT Isaiah Wynn könnte eventuell noch zum Verkauf stehen. Teile dieser Line wären ja noch ganz okay:
LT Trent Brown
LG Cole Strange
C David Andrews
RG Michael Onwenu
RT Isaiah Wynn
Aber wenn rechts Wynn wegbricht und Strange Rookie-Struggles durchlebt, dann wehe.
Der Receiver-Corps ist nur einen Tick einmal breiter aufgestellt als 2021. Devante Parker ist als Catchpoint-Receiver geholt worden um Jones‘ tiefe Wobbler im 1-vs-1 herunterzupflücken, aber es gibt bessere Lösungen für einen WR1. Der etwas hoch gedraftete Rookie Tyquan Thornhill bringt deep speed in die Gruppe (4.28 sek Sprintzeit), ist aber mit 180 Pfund gefährlich dürr.
Sie ergänzen eine Gruppe, die letztes Jahr bei aller Verbesserung noch a bissl unkomplett war. Jakobi Meyers ist ein gefährlicher Route-Runner im offenen Feld, vergisst aber in der Redzone zu ernten: 1170 Routen, 248 Targets, 2 Touchdowns. Nochmal ausgeschrieben: Zwei. TE Hunter Henry war eine sehr gute Ergänzung eben für die Redzone, aber dafür hat der andere teure TE Jonnu Smith so gut wie nix gezeigt.
Kendrick Bourne ist nicht mehr als eine passable #2, Nelson Agholor erlebte 2021 die geheimen, aber unkontrollierbaren Kräfte der Regression zur Mitte.
Eine komplette Wundertüte ist die Defense. Der Ruf vom „Defense-Genius“ Belichick war schon in den letzten 15 Jahren nicht immer genug, um die Pats vor richtig schwachen Defenses zu bewahren – und 2022 droht mal wieder so ein kritisches Jahr: Langjährige Leistungsträger wie CB J.C. Jackson, EDGE Kyle Van Noy oder die LBs Hightower/Jamie Collins sind weg, und ob die Jungen die Lücke füllen können, ist alles andere als gewiss.
Die Abkehr vom ganz starken Man-Coverage-Approach hat bei Belichick schon letztes Jahr begonnen – mit einem CB-Depth Chart, bei dem Jalen Mills den CB1 geben muss, wäre auch alles andere vermessen.
Unverkennbar ist eine Umstellung auf eine etwas „leichtere“ Defense: Linebacker wie Mack Wilson oder J’Wuan Bentley oder der Freak-Safety Kyle Dugger sollen über die Mitte patrouillieren, während vorn die Anker Judon und Godchaux die Run-Defense schmeißen. DT Chris Barmore soll dann wohl in Jahr 2 größere Aufgaben im Passrush übernehmen (beziehungsweise der bis jetzt unauffällige Josh Uche in Jahr 3).
Allein: Da muss schon sehr viel an Breakouts kommen, damit das gegen die besseren QBs im Schedule reicht.
In Summe klingt da einfach zu viel danach, als wenn am Ende wieder Tausend Rushes von Rhamondre Stevenson hinein ins Herz der Defense die Drives lang hinhalten sollen, während Jones den Part des „Game-Managers“ übernimmt, was mit dieser Defense nur gegen die schwächeren Teams im Schedule reicht. Blöd, dass die Pats nach PFF den schwersten Schedule der NFL spielen und dabei u.a. zweimal Josh Allens Bills sehen, plus die Bengals, Vikings, Cardinals, Packers und Ravens – alles potenziell sehr gute Offenses. Die Patriots riskieren von den Dolphins überholt zu werden.
New York Jets
PFF Playoff-Chance: 15%
Superbowl-Chance: 0.1%
Over/Under 5.5 Siege
Schedule #12
Wer die Pats eher nicht überholt: Die Jets. Und das, obwohl die sportliche Leitung um GM Joe Douglas eigentlich ganz passable Verstärkungen für die Offense geholt hat, um dem als Rookie katastrophalen QB Zach Wilson bestmöglich zu helfen:
Garrett Wilson als #10 Overall Draftpick ist ein super Route-Runner und Free-Agent-TE T.J. Uzomah ist die notwendige physische Präsenz, die letztes Jahr gefehlt haben.
Das Experiment mit Corey Davis als WR1 ist gescheitert. Davis ist eine gute #2, aber kein echter X (auch Denzel Mims schaut gescheitert aus). Dafür hat Elijah Moore viel Positives als Rookie angedeutet: Moore, der am College fast ausschließlich im Slot gespielt hatte, wurde von den Jets 70% nach außen gestellt, und war trotz horrendem Quarterbacking mit 1.8 Yards/Route erstaunlich produktiv. Er könnte ein echter Breakout-Kandidat sein, wenn Wilson als Slot und Davis als Z über das Feld flitzen.
Und natürlich, wenn Wilson doch irgendwann einen Schritt nach vorn macht. Ich habs schon geschrieben: Da war fast nix da.
Wenig Playmaking. Viele Fehler. Wenige Throwaways und Checkdowns, viele Turnovers. Wilson spielte Hero-Ball in einer Offense, die ihren QB am liebsten in enge Leitplanken presst und einfache Reads gibt.
OffCoord Mike Lafleur hat Routen designt, die typisch Shanahan zu Dutzenden über die Mitte gingen – aber ich hab gestern gezeigt, wie Wilson diese Routen missachtete. Was mir Sorgen macht: Wilson hatte genau diese Tendenz schon am College.
Aus Analytics-Sicht war Wilson ein eher guter Draft-Prospect. Vielleicht kommt noch was. Aber wenn er tatsächlich in der Preseason Probleme hatte, sich gegen Joe Flacco durchzusetzen, dann läuft was schief. Wir sind gespannt, was da kommt, wenn Wilson nach seiner Verletzung irgendwann Mitte/Ende September zurückkommt.
O-Line hätte ganz passabel sein können (#10 bei Thorn). Dann verletzte sich der ewige Pechvogel Mekhi Becton, und auch wenn dessen hastig als Ersatzmann geholter Duane Brown wohl ein Upgrade über Becton ist: Das wirft die erhoffte Starter-Besetzung durcheinander.
Brown war in seiner ganzen Karriere immer ein Left Tackle. Dort aber war George Fant zuletzt überraschend gut. Fant muss nun nach rechts, wo er stets wackelte. Immerhin ist innen Stabilität da: OG Alijah Vera-Tucker wird seinen Draft-Trade an Value nie bestätigen können, aber ist ein guter Spieler. OG Laken Tomlinson und Center McGovern sind JAGs, nicht dominant, aber gut genug um nichts in die Scheiße zu reiten.
Was auch nicht gut klingt: Die Jets investieren Draftpick auf Draftpick in Runningbacks. Letztes Jahr hoher 4th Rounder in Michael Carter. Jetzt hoher 2nd Rounder in Breece Hall. Da will wohl jemand mit Gewalt Kurzpassspiel aus dem Backfield heraus erzwingen – entgegen aller Tendenzen beim QB, und entgegen aller Empfehlung von Analytics, den Runningback-Dumpoff nur als Checkdown zu verwenden, nicht als essenzielle Option.
Die Defense war 2021 eine glatte Enttäuschung – nicht nur, weil Headcoach Robert Saleh von der Defense-Seite kommt. Saleh, der in den letzten Wochen mehrfach böse Vibes von wegen „old school guy“ verbreitet hat, braucht für sein Cover-3 Scheme aus 4-3 Aufstellung besonders guten Passrush.
Da könnte was gehen: DT Quinnen Williams hat sich letztes Jahr endlich gut gemacht und der vor eineinhalb Jahren teuer eingekaufte EDGE Carl Lawson ist nach schwerer Verletzung wieder zurück. Die beiden sind ein guter 1-2 Punch.
Der dritte Mann im Bunde ist aber gleich suspekt: Rookie Jermaine Johnson. Ihn haben die Jets mit ihrem dritten (!) 1st Round Pick geholt. Johnson ist ein sehr athletischer Passrusher, aber produktiv war er am College nicht.
Auf Linebacker hat Saleh in C.J. Moseley einen der Männer, die mit am wenigsten auf Play-Action anbeißen.
Die Secondary ist vielleicht die meistverbesserte Unit des Jahres – aber etwas jung. Rookie Sauce Gardner (#4 Overall Pick) muss eventuell sofort als CB1 auflaufen, was danach klingt als ob Gardners ungeheure Serie an Null-Touchdown-Spielen alsbald zu Ende sein wird. CB2 ist der solide DJ Reed, womit man den jungen Bryce Hall auf CB3 schieben kann und damit gleich zwei Spots verbessert.
Auf Safety ist Jordan Whitehead eine echte Verstärkung im Run-Support, aber Deep-Safety Marcus Maye ist weg und der 3rd Year Prospect Ashtyn Davis hat bislang nicht viel gezeigt, was ihn für höhere Aufgaben qualifizieren sollte.
Fazit: Die Jets werden besser sein als letztes Jahr – aber das müssen sie auch. Sie sind ein Team, das gefährlich oft dazu tendiert, im Draft nach oben zu traden, womit in wenigen Jahren schon Ressourcenknappheit herrschen wird. Das wird bitterböse zuschlagen, wenn sich der junge QB Wilson nicht schnell massiv entwickelt.
Ich will nicht zu negativ sein. Wilson war ein cooler College-QB. Vielleicht war er letztes Jahr einfach von der Aufgabe überfordert. Das passiert. Dass er seinen Humor nicht verloren hat, bewies er erst kürzlich im Juli. Kopf ist also noch oben, Lächeln ist noch da. Aber das allein wird nicht reichen. Bessere QB-Prospects als Wilson sind gefloppt, und die Probleme sind alle aufgezeigt.
Die Jets haben viel investiert, aber ich heiße Thomas. Ich glaube, wenn ich sehe. Bei Wilson muss ich es sehen, bevor ich es glaube. Die Bilanz von 2021 muss dieses Team schlagen, aber es wäre eine Überraschung, wenn die Jets ins Playoffrennen eingreifen können.
Tipp
#1 Bills (12-5)
#2 Dolphins (9-8)
#3 Patriots (8-9)
#4 Jets (6-11)