NFL Offseason Zwischenstand 2023 – AFC East

Täuscht mich der Eindruck, oder haben wie die vernünftigste NFL Free Agency seit Menschengedenken erlebt?

Kaum hirntote Millionenverträge, die schon vor Trocknen der Tinte zehn Meter gegen den Wind nach Megafail schreien. Nur wenige wirklich Aufsehen erregende Trades. Dafür viele grundsolide, eher kurze Verträge mit einiger Kreativität. Diese One-Year-Prove-It-Deals, die mit Void-Years über mehrere Jahre abgeschrieben werden, ist spätestens seit dieser Offseason nicht mehr bloß eine Geheimwaffe der Eagles, sondern ligaweit akzeptiert – und die NFL-Mittelklassespieler unterschreiben diese Offerten!

Ich weiß nicht, ob ich alle Divisionen durchbekomme, aber lass mich mal mit einem Blick auf die AFC East beginnen.

Bills 

Eine unauffällige und nicht unerwartete Offseason. Die Bills hätten eventuell ähnlich wie Kansas City vor einem Jahr einen sanften Umbruch einleiten können, aber wie es ausschaut, entschieden sie sich für maximal mögliche Kontinuität. Nur die Free Agents, die unmöglich gehalten werden konnten, sind gegangen. Die wesentlichen größeren Verträge wurden allesamt gehalten.

Womöglich ist der Unterschied zwischen den Chiefs und Bills ein ganz simpler: Kansas City hatte seinen Superbowl-Ring schon gewonnen. Buffalo hechelt ihm noch hinterher, hat es zuletzt zweimal in Folge nicht mal mehr ins Halbfinale geschafft. Unter anderem, weil die Bills in den letzten Jahren zu viele sinnlose „Luxury Picks“ wie mehrere 2nd-Round-Runningbacks getätigt haben, fehlt es an mehrere Stellen an der Kadertiefe. Recht große Flexibilität hat man nicht, weil man zwei hochbezahlte Premium-Positionen „von außen“ (Stefon Diggs und Von Miller) in die Gehaltsstruktur pressen muss.

Buffalo hätte evtl. mit einem Verkauf von Diggs einen Umbruch einleiten können – aber dann nicht viele Optionen zum Nachbesetzen gehabt, weil der Jahrgang 2023 wenig verfügbares Receiver-Talent hat. Weil man „das Fenster“ also aufrecht erhalten will, droht nun schleichende Erosion im Kader.

LB Tremaine Edmunds konnte in dem Zug unmöglich gehalten werden. Dass man kein Team für große Splashes sein würde, war auch klar. OG McGovern von den Cowboys verstärkt die verwaiste iOL. Der überraschendste Move war, dass der Safety-Oldie Jordan Poyer gehalten wurde. Will Buffalo ernsthaft ein weiteres Jahr mit Poyer/Hyde in die Saison gehen?

Dolphins 

Wo Buffalo versucht, seinen Laden so lange es geht zusammenzuhalten, gehen die Dolphins, die noch ein Jahr „Rookie QB“ Window mit Tua Tagovailoa haben, jetzt auch in den „all in“ Modus. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar.

Etwas überraschend war aber doch, dass man bei Tua die 5th Year Option gezogen hat. Freilich waren die Alternativen für Miami rar gesät. Viele Draftressourcen gibt es nach dem verschwenderischen eigenen Umgang und den NFL-Strafen nicht erstmal mehr. Aber Tua ist sportlich längst nicht über alle Zweifel erhaben, und als wandelnde Gehirnerschütterung ein echtes Gesundheitsrisiko; remember: Die 5th Year Tag ist „injury guaranteed“.

Lamar Jackson ist damit wohl endgültig vom Tisch; und immerhin: Noch zwei Jahre Tua heißt: Man weiß in etwa, was man bekommt.

Offensiv haben die Dolphins kaum etwas gemacht. QB Mike White als relativ teurer Backup für Tua (8 Mio/Jahr für zwei Jahre) ist eine Absicherung, so gut es geht nicht mehr mit Skylar Thompson in den Playoffs antreten zu müssen. TE Gesicki wurde ziehen gelassen, aber der spielte im McDaniel-System eh keine Rolle. Die Kuriosität, die seine letztjährige Franchise Tag darstellte, hat sich im Nachhinein als Missverständnis erwiesen.

O-Line hat man gar nix gemacht. Auf Runningback hat man alle Speedster gehalten, aber entgegen der Erwartung erstmal noch keine Physis ergänzt. Auf Receiver ist nicht viel notwendig. Die Offense ist eh am Arsch, wenn Tyreek Hill oder Jaylen Waddle ausfallen, und ersetzen kannste die zwei sowieso nicht.

Dafür gibt es defensiv einen Königstransfer. Der Einkauf von CB Jalen Ramsey dürfte der hochklassigste Offseason-Transfer bislang gewesen sein, und auch wenn Miami Ramsey insgesamt 25 Mio. in Guarantees ausstellen musste, so war der Einkaufspreis mit bloß einem 3rd Rounder plus TE Long erstaunlich billig.

Die Erklärung für den Preis liegt in Ramseys Alter: Er wird im Herbst 29 – ein Alter, in dem selbst die allermeisten Top-Athleten nicht mehr weit davon entfernt sind, den allerletzten Zacken Explosivität zu verlieren. Ein 25-jähriger Ramsey kostete zwei 1st Rounder. Ein 28,5jähriger Ramsey brachte nur noch einen 3rd plus Reserve-Tight-End zurück.

Dennoch: Ramsey mag nicht mehr ganz die Granate alter Tage sein, aber viele sehen ihn als perfekten Fit in der Vic-Fangio-Defense und trauen ihm einen zweiten Frühling in einer Safety-ähnlichen Rolle zu, wenn er tatsächlich nicht mehr die „Lockdown“ CB1 Rolle spielen kann.

Auch der andere wichtige Neuzugang gilt als echte Verstärkung: LB David Long kostete für zwei Jahre nur 11 Mio. nicht pro Saison. Sondern insgesamt. Die einzige Erklärung für diese niedrigen Zahlen ist Longs Verletzungshistorie. Er gilt als nahezu idealer Linebacker-Typ für Fangios Zone-Defense. Die kapitale Schwachstelle in der Back Seven wurde mit Ramsey & Long also einigermaßen preiswert angegangen.

Was jetzt noch fehlt, ist etwas Tiefe in der O-Line.

Patriots

Ein Free-Agency-Start, der zum Graue-Maus-Image der Patriots der letzten Jahre passt. Eine wirklich Ahnung, in welche Richtung das Team entwickelt werden soll, hab ich noch nicht.

TE-Flop Jonnu Smith wurde für einen Late-Rounder nach Atlanta verkauft, WR Jakobi Meyers zu den Raiders ziehen gelassen. Dafür hat man WR Juju Smith-Schuster für mehr Geld als Meyers geholt und Mike Gesicki für einen ziemlich billigen Deal für ein Jahr geholt. In Summe sparten die Pats damit vielleicht 1-2 Mio, aber qualitativ treten sie ziemlich genau auf der Stelle. Einen echten Star, um den herum man den Receiver-Corps und damit auch das Scheme bauen könnte, hat man nicht geholt – er wäre aber auch nur via Trade bekömmlich gewesen.

Auf OT könnte Riley Reiff einigermaßen den drohenden Verlust von RT Isaiah Wynn kompensieren, aber die erwartete Vertrags-„Restructure“ bei Trent Brown steht noch aus. Auch hier: lateral move at best.

Dass da eine Mannschaft mit Verve versucht, das „Fenster“ von Mac Jones auszunutzen? Nicht so wirklich erkennbar. Oder hofft man einfach, dass ein ganzer neuer OffCoord (Bill O’Brien) schon ausreicht um zwei halbe (also gar keinen) zu ersetzen?

Das Problem liegt auf der Hand: Wenn Jones 2023 so spielt wie 2022, dann hat de Pats-Offense mit diesen Playmakern zu wenig Upside, um in der knackigen AFC mitzuhalten. Aber auf der anderen Seite bleibt die Defense wohl stabil genug, dass die Pats mal richtig abstürzen und nächstes Jahr mit einem Caleb Williams den Neustart einleiten könnten.

Jets 

Aaron Rodgers sollte es werden, und es scheint jetzt auch tatsächlich Aaron Rodgers zu werden. Die einzige offene Frage, seit Rodgers letzte Woche in der McAfee-Show seine Intentionen öffentlich machte, ist jene nach dem Trade-Wert. Oder?

Jets und Packers haben sich interessanterweise nicht auf ein Geschäft geeinigt, sondern darauf gewartet, was denn der QB überhaupt will. As führt jetzt zu einer durchaus schwer zu lesenden Situation: Denn wo in diesem Wechsel-Trara die Verhandlungsmacht liegt, ist nicht eindeutig geklärt.

Die Jets brauchen natürlich den QB, weil sie ansonsten die Blüte ihres Roster verschenken. Aber sie müssen dennoch nicht jeden Preis für den 39-jährigen Rodgers zahlen, denn je länger sie warten, desto besser wird ihr Hebel, weil die Packers Rodgers spätestens zum Saisonstart einen 60 Mio Roster-Bonus zahlen müssen, was Cap-technisch quasi nicht zu stemmen wäre.

Das war meine erste Interpretation der Sachlage. Aber Kevin Cole hat auf „Unexpected Points“ ein paar durchaus valide Punkte gebracht, die die ganze Saga in einem anderen Licht erscheinen lassen. Prinzipiell argumentiert Cole, dass sich die Jets bei einem Einkauf von Rodgers einen ganz üblen Vertrag ins Haus holen, der das Team in spätestens zwei Jahren brutal in seiner Entwicklung limitieren wird.

So nachvollziehbar das Festklammern von GM Joe Douglas und Headcoach Robert Saleh an ihren Stühlen ist, so sei es doch auch für dieses Duo angebracht, einen Moment über ihren eigenen Tellerrand hinauszublicken und sich zu fragen, ob sie denn nicht auch die Verantwortung für das Danach nach dem Rodgers-Kurzauftritt tragen. Beziehungsweise, wenn schon nicht Verantwortung für die Organisation, dann zumindest für ihren eigenen Sessel, der dann eben nicht 2024, sondern halt 2025 heiß wird, weil das Team in einer Sackgasse steckt.

Die genauen Implikationen in Zahlenform sind etwas kompliziert in einem Text zu erklären. Wer es wissen will, den verweise ich auf das Video von Jason Fitzgerald.

Prinzipiell sollten die Jets am längeren Hebel sitzen und den QB für eine vergleichsweise niedrige Kompensation bekommen (sagen wir: 3rd Rounder). Die größte „Gefahr“ für New York ist, dass die Packers Frieden mit dem schwierigen Rodgers stiften und das Trade-Geschäft vorab platzt.

Dann würden die Jets schön blöd aus der Wäsche gucken, jetzt wo sie schon damit begonnen haben, Rodgers-Spezls wie Allen Lazard überteuert einzukaufen und ihre jungen Receiver-Juwele wie Elijah Moore für einen Witz an Kompensation an die Browns zu verkaufen.

Das ganze Thema kann uns, wenn es dumm läuft, noch monatelang begleiten.

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5 Kommentare zu “NFL Offseason Zwischenstand 2023 – AFC East

  1. Das ganze Thema kann uns, wenn es dumm läuft, in den nächsten Monaten noch verdammt viel Spaß bereiten (wenn man kein Packers/Jets Fan ist).

  2. „out of the box“ +1.
    Das ist pure Comedy: Die Jets schlagen sich um einen alternden QB mit fragwürdigen Ansichten, der sie cap-technisch verkrüppeln würde. Die Packers zerren auf der anderen Seite um das Recht jenem alternden QB, der mit ihnen auf Kriegsfuß steht, 60mio zu garantieren.
    Reminder: 72mio-Osweiler haben die Browns damals nur von den Texans genommen, weil sie Picks DAZU bekommen haben.
    Ich finde die Jets-lage ohne Rodgers übrigens gar nicht so übel: Lazard ist ja kein schlechter WR. Hardman auch nicht. Elijah Moore hatte eh schon um einen Trade gebeten und die Jets haben noch Garrett Wilson. Was die Jets brauchen ist einen ansatzweise brauchbaren QB und gutes Scheming. Ernsthaft: die Jets sollten in Baltimore anrufen, ansonsten ein-zwei FAs holen und anfangen das Playbook maßzuschneidern.

  3. A propos „alternder QB mit Erfolgen die länger her sind“: Cam Newton. Eher 6mio als 60. Und der kann nebenbei noch scramblen.

  4. Nach dem vernünftigen Teil kommt jetzt der unterhaltsame 😉:
    Wer ist bei AR der depp? Mein tipp: packers, weil unrealistische Erwartungen? Sollen froh sein, möglichst viel vom zu teuren Vertrag los zu werden??
    Wer ist bei LJ der störrische? LJ, weil er zuviel garantiertes gehalt will?? Die GMs, weil sie vllt nicht auf selbstverhandler stehen, sondern lieber mit den professionellen Agenturen verhandeln?? Ich hoffe nicht, dass LJ eine Art „kaepernick 2“ wird (natürlich aus anderen gründen).

  5. Lamar will einfach mehr garantiertes Geld als Watson. Was kein anderer QB nach ihm bekommen hat. Watsons Vertrag ist einfach die Ausnahme.
    Dazu hat LJ lange keine komplette Saison mehr gespielt was auch gegen so einen Vertrag spricht.

    Die Ravens haben auch letztens mit einem anderen Spieler ohne Agent einen Vertrag gemacht. Das spielt da weniger die Rolle.

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