NFL Vorschau 2022: AFC West

Die AFC West ist die Division, die wie keine andere das Wettrüsten der NFL im Jahr 2022 symbolisiert: Alle jagen die Chiefs. Und genau die sind in einen Mini-Umbruch gegangen, anstatt ihr Titelfenster mit Gewalt zu strecken.

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NFL Offseason Ausblick 2021: AFC West

Vierter Teil der NFL-Offseason-Serie, heute mit der AFC West. Es ist eine Division, die dank Patrick Mahomes in den letzten Jahren eine klare Sache war. Wie lange das wohl noch so bleiben wird?

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Mit den San Diego Chargers in den Sonnenaufgang

Die Chargers sind eine der konstantesten Franchises der letzten Jahre, gewinnen fast immer die AFC West und blamieren sich irgendwann in der ersten oder zweiten Playoffrunde. Im vergangenen Herbst war dem nicht so. Da blamierten sie sich mit ihren katastrophalen Special Teams schon in der Regular Season und brachten es zustande, mit der besten Offense und der besten Defense (nach Yards) nur eine 9-7 Bilanz hinzuknallen und die Playoffs zu verpassen.

Trotzdem blieb es ruhig, wie eigentlich immer, wenn die Chargers zu früh scheitern. GM A.J. Smith hält seinen Konsorten die Nibelungentreue. An Head Coach Norv Turner gab es auch nach der wiederholten Enttäuschung kein Rütteln. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie es in anderen Städten zugeht, wenn der hochbezahlte Titelanwärter die Playoffs verpasst.

Die Luftwaffe

Zeit, Philip Rivers zu würdigen. Der Quarterback mit dem ungewöhnlichen Wurfstil – es wirkt fast wie ein Abstoßen des Balles – ist schlicht und ergreifend ein Faszinosum, stellt sich Woche für Woche hinter eine als durch und durch mittelmäßig geltende Offensive Line und feuert Woche für Woche, Spielzug für Spielzug, mit zusammenklappender Pocket tiefe Bomben auf Receiver, deren Namen selbst die großen Experten kaum kennen (außer Mike Mayock).

Rivers schenkte 2010/11 mal eben 4710yds und 30 Touchdowns ein, und der leading receiver machte ganze 782yds: TE Antonio Gates, unbestritten ein herausragender Mann, der von kaum einem Linebacker oder Safety über ein komplettes Spiel in Schach gehalten werden kann. Gates stellt sich IMHO des Öfteren als Wide Receiver auf und mischt von dort die Spielfeldmitte mächtig auf.

Abseits von Gates kann vielleicht noch ein WR Vincent Jackson Star-Status beantragen, der Rest der Ballfänger-Armada bleibt recht anonym. Und trotzdem machten acht verschiedene Angreifer mindestens einen Catch mit mehr als 48yds Raumgewinn. Die häufigen Big Plays werden zum Großteil auch Turners Fähigkeit, Mismatches zu kreieren, zugesprochen.

Die Bodenwaffe

Nimmt man die Urteile von Pro Football Focus als Grundlage – und es dürfte bekannt sein, dass ich darauf sehr viel gebe – gründet San Diegos Offense auf einer Line, die hauptsächlich für Laufspiel zusammengesetzt ist. C Nick Hardwick gilt als Anker der Line, während die beiden Tackles Marcus McNeill und Jerome Clary Jahr für Jahr schlechter in der Pass Protection werden. Das ist insofern verwunderlich, weil Laufspiel im Gameplan von Norv Turner eigentlich nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Dabei wurde im Vorjahr mit RB Ryan Mathews ein Back mit vielen Vorschusslorbeeren als Tomlinson-Nachfolger gedraftet. Mathews gilt als sehr explosiv, hat aber im Vorjahr mit argen Verletzungssorgen zu kämpfen gehabt und bereitet auch mit nicht vorhandenem Pass-Blocking Kopfzerbrechen. Persönlich bin ich ein Fan von FB Mike Tolbert, ein recht geschmeidiger, fangstarker Mann, der nach dem Abgang von Allzweckwaffe Darren Sproles oft bei 3rd downs angespielt werden dürfte. Tolbert ist allerdings auch so einer derjenigen Backs, die nicht lange die Gegend auskundschaften und straight über die Mitte laufen und dementsprechend viele Hits einstecken – wie lange er wohl halten wird?

Eine Defense wie Mehltau

Ich gebe zu, dass ich sehr überrascht darüber bin, dass San Diego im Vorjahr die #1-Defense aufweisen konnte. Es handelt sich hier IMHO um eine eigenartige Unit, die nach Abgängen ihrer großen Einzelkönner plötzlich nicht Rabatz mit harten Hits und haufenweise Turnovers macht, sondern sich ganz mehltauartig über den Gegner legt.

Die Defensive Line hat keinen dominanten Nose Tackle, dafür die variabel einsetzbaren Antonio Garay, Jacques Cesaire und Luis Castillo, und die neuen Travis LaBoy/Rookie Corey Liuget. Die Linebackers erhalten mit ILB Takeo Spikes einen uralten, bärenstarken Tackler dazu, der den Abgang von Kevin Burnett abfedern soll. Die OLBs werden von Antwan Barnes, Shaun Phillips und Larry English gegeben, wobei Phillips seit Jahren eine bekannte Konstante ist, English nach einer enttäuschenden Rookie-Saison einen leichten Aufwärtstrend erkennen ließ und Barnes ein verkanntes Genie sein soll.

Prunkstück war trotz allem die Secondary, wo man zwischen den Zeilen vieler Analysten eine tiefe Bewunderung für die CBs Quentin Jammer und Antoine Cason sowie Safety Eric Weddle herauslesen durfte. Weddle wurde nun mit einem teuren Fünfjahresvertrag über 40 Millionen Dollar gebunden und erhält in dieser Saison einen potenziellen Superstar als Partner: SS Bob Sanders, bei dem man aber ernsthaft über dessen physischen Zustand reden sollte. Sanders hat bisher in nur zwei Saisons mehr als die Hälfte der Spiele bestritten, dabei allerdings brilliert.

Ein Punkt, der spannend sein wird: Wie verkraftet diese Defense den Abgang von DefCoord Ron Rivera, der neuer Head Coach in Carolina wird?

Wo es hakte

Die Special Teams. Field Goals über 50yds Entfernung gingen fast alle daneben, aber die wirkliche Schwäche waren die Coverages. Wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Punt Return gegen San Diego sagenhafte 18.9yds einbrachte und via Kick/Punt-Returns vier Touchdowns und 2309yds erzielt wurden, braucht man nicht viel Fantasie, um den Schwachpunkt einer Mannschaft abzuleiten. Fassungslos ist allemal, dass diese eine unbedeutend scheinende Schwachstelle eine Mannschaft so derart auseinandernehmen kann, dass sie mit der besten Offense UND der besten Defense nichtmal die Playoffs erreichte.

Ausblick

In gewisser Hinsicht bin ich Fan von dem, was die Chargers unter permanentem Verlust (und Verschwendung) von Star-Potenzial dort drunten jahrein, jahraus veranstalten. Da ich undiszipliniertes Spiel (Fumbles, Strafen) für durchaus ausmerzbar halte und San Diego fast alle Ingredienzien beisammen hat, ist San Diego für mich klarer Favorit in der AFC West. Der Schedule ist recht schwierig, aber ich kann mir sogar vorstellen, dass die Chargers den #1 oder #2-Seed der AFC holen.

Wk #1 vs Vikings
Wk #2 @Patriots
Wk #3 vs Chiefs
Wk #4 vs Dolphins
Wk #5 @Broncos
Wk #6 BYE
Wk #7 @Jets
Wk #8 @Chiefs (MNF)
Wk #9 vs Packers
Wk #10 vs Raiders (Donnerstagspiel)
Wk #11 @Bears
Wk #12 vs Broncos
Wk #13 @Jaguars (MNF)
Wk #14 vs Bills
Wk #15 vs Ravens (SNF)
Wk #16 @Lions
Wk #17 @Raiders

Solange nur Rivers fit bleibt, wird die Offense punkten und dass die Defense nicht um eine oder zwei herausragende Figuren gebaut ist, sondern tatsächlich als Unit aufgeigen kann, kann nur ein gutes Zeichen sein. San Diego = heißer Superbowl-Favorit.

Das Zeiteisen verrät: 903 Minuten verbleiben. WordCount nach vier Teams: 3815.

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Kansas City Chiefs in der Sezierstunde

Arrowhead Stadium Kansas City Chiefs NFL Sideline Reporter

Arrowhead Stadium in Kansas City - ©Flickr

Die Chiefs gelten gemeinhin als positive Überraschung. Nach Jahren des Niedergangs aus dem Nichts eine 10-6 Saison samt Divisionssieg gezaubert. Ich tue mich recht schwer, die Mannschaft einzuordnen. Zum einen natürlich der Aufwärtstrend.

Aber Grund zum Hypen sehe ich dennoch wenig – ein ganz schwacher Spielplan (nicht ein einziger der 10 Siege gegen Teams, die zum Zeitpunkt eine positive Bilanz hatten), kollabierende Divisionsgegner (Chargers, I’m looking @you!) und fast schon absurde Abhängigkeit vom Laufspiel. Positiv auf der anderen Seite: Der Kern der Mannschaft ist blutjung und versehen mit viel Talent, dank reichlich hohen Draftpicks in den letzten Jahren.

In den Playoffs gegen die abgewichsten Ravens offenbarten die Chiefs die Schwächen einer unerfahrenen Mannschaft, die keinen Plan B heranziehen kann, wenn das Laufspiel nach 1-2 langen Runs ausgeschaltet wird. Die Verunsicherung griff um sich und führte zu haufenweise Turnovers. Alles, was in der Regular Season halbwegs lief, flog den Chiefs um die Ohren und es zeigte sich, dass QB Matt Cassell eben nur bei gegebenen Umständen (funktionierendes Laufspiel) fehlerlose Leistung bringen kann.

Gebt mir einen WR!

Die Grundvoraussetzungen in Kansas City sind um Cassell herum gegeben: Funktionierendes Laufspiel mit One-Two-Punch, intakte Offensive Line (falls C Wiegmann nicht doch noch zurücktreten sollte), junger Tight Ende Moeaki, mit WR Dwayne Bowe ein Mann für 1000+ Yards und 15 Touchdowns.

Diese Offense braucht allerdings händeringend noch einen zweiten Wide Receiver. Nach Bowe (1162yds, 15TD) und Moeaki (556yds, 3TD) kommt noch RB Charles und dann laaaaaange nichts. Gebt Cassell einen zweiten NFL-würdigen Wide Receiver und es wird auch das Laufspiel entlasten.

Kansas City pickt an #21. In der ersten Runde werden die beiden Top-WRs Jones/Green weg sein, aber aus dem Pulk Baldwin/Young könnte noch einer zu haben sein. Baldwin wäre ein groß gewachsener Rohdiamant, der bisher aber mehr von seinen athletischen Voraussetzungen denn seinen Leistungen gehypt wird, Young ein Winzling, aber ein pfeilschneller und fangsicherer. Tendieren würde ich zu Young.

Problematisch an der Offense: Coordinator Charlie Weis ist gen University of Florida abgewandert. Nachfolger Bill Muir hat schon in den 70ern gecoacht und war zuletzt hauptsächlich für die Offense Line zuständig. Ebenso neu ist QB-Coach Jim Zorn, der als Head Coach auf Jahre hinaus verbrannt sein dürfte, aber einen exzellenten Ruf als Quarterback-Coach genießt. Nicht zu unterschätzen auch: Head Coach Todd Haley ist ehemaliger OffCoord und sollte weiterhin massiven Einfluss nehmen können.

Denn die Defense ist in guten Händen – bei Romeo Crennell.

Gib mir Pass Rush!

Um mal Abwechslung reinzubringen – eine Mannschaft, die Pass Rush braucht! Pass Rush! Haben Sie gehört??

Eric Berry The Fifth Dimension Kansas City Chiefs NFL Sideline Reporter

The Fifth Dimension - ©Wikipedia

Für mich persönlich ist die Defense der Chiefs eine der Geschichten der Saison – was dort an jungem Spielerpotenzial herumstolziert, kann in absehbarer Zeit ganz groß werden: In der Secondary u.a. der großartigen Safety Eric Berry („The Fifth Dimension“), der noch besser werden soll, und der Cornerback Brandon Flowers. Die Linebackers können mit Derrick Johnson und dem liberanisch/amerikanischen Passrush-Spezialist Tamba Hali (bekam erstmal die Franchise Tag übergestülpt).

Kopfzerbrechen bereitet einzig die Defensive Line: Die teuren Draftpicks Tyson Jackson und Glenn Dorsey sind zwar gut, aber nicht so dominant wie erwartet. Dorsey hat sich zudem als unfähig gezeigt, den in der 3-4 so wichtige Nose Tackle zu geben. Eben dieser Nose Tackle dürfte in Kansas City händeringend gesucht werden. Der US-Running Back an meiner Würstelbude hat mir einmal gesagt:

Nose Tackle for a 3-4 defense is as important as the catcher in baseball.

Problem: Dominante Nose Tackles sind schwer zu finden. Wir suchen hier fette Säcke (150kg aufwärts), die so athletisch sind, dass sie es mit 2-3 Blockern aufnehmen können und dem Pass Rush dadurch Raum und Zeit geben.

„Pass Rush“ wird eben auch noch gesucht – Hali hat schon die Franchise Tag über und könnte spätestens in einem Jahr zu teuer werden, aber auch schon für 2011/12 ist jede Verstärkung bzw. Verbreiterung des Kaders hoch willkommen. Muss ich wiederholen, dass auch in den späteren Runden noch Qualität auf dieser Position vorhanden ist, zumal vermehrt 3-4 OLB/DEs aus den Colleges strömen.

Ausblick

Matt Cassell

Matt Cassell - ©Wikipedia

Trotz Defense, trotz Laufspiel, trotz gutem Coaching: Das Spiel der Chiefs steht und fällt mit QB Matt Cassell. Thomas Jones kann daran anschließen, was er seit gefühlt drei Jahrzehnten macht, Jameel Charles kann die 5,6yds/Lauf halten, es nützt nichts, wenn Cassell nicht zulegt.

Cassell ist kein Schlechter – aber um von einem mittelmäßigen Team zu einem Top-Team zu mutieren, brauchst du in der NFL entweder eine sensationelle Defense, oder einen Top-Quarterback. Beides haben die Chiefs noch nicht und ich werde das Gefühl auch noch nicht los, dass wir es hier mit einer talentierten Mannschaft zu tun haben, die noch 1-2 Jahre braucht, weil noch zu grün. Mal schauen, wie Cassell mit neuen Wide Receivers spielt – schon allein deshalb ist es vital, den „richtigen“ Wide Receiver in der Draftlotterie zu ziehen.

Das Grundgerüst steht. Die Chiefs brauchen jedes Spiel und würden unter einem Lockout leiden junge Hunde mit Maulkorb. Entwicklung ist das Stichwort – für 2011/12 erwarte ich von Kansas City zu diesem Zeitpunkt einen leichten Rückschritt.

Ein Schritt zurück, um den Durchbruch zu schaffen – so sieht es das Script vor.

Weitere „Sezierstunde“-Folgen gibt es hier zu finden.

Denver Broncos in der Sezierstunde

Denver Broncos 2010 – dank Josh McDaniels potenziell eine butterweiche Vorlage für einen Rundumschlag. Trotzdem der Versuch einer dezidierten Analyse.

Die Vorgeschichte

Es war Anfang Jänner 2009, als die Broncos zum x-ten Mal in Serie durch einen Leistungseinbruch gegen Saisonende (v.a.: Defense) die Playoffs verpassten. Reaktion: Der langjährige Coach und Superbowl-Champ Mike Shanahan musste gehen. Und Owner Pat Bowlen schleuste im Zuge des Jugendwahns zu dieser Zeit das OFFENSIV-Genie Josh McDaniels aus New England ein.

Eingeschoben das Geständnis: Ich fand den Move nicht übel. Vor allem nicht, nachdem ich diesen Artikel gelesen hatte.

According to coach Thom McDaniels, a reporter asked Josh what it felt like to be the guy who cost his team the game.

„He answered that he suspected God must’ve chosen him to be the guy that cost his team the game because he was strong enough to handle it,“ Thom says. „I was blown away that a high school senior could handle it that way.“

McDaniels legte von Beginn an ein merkwürdiges Kommunikationsverhalten an den Tag, verscherzte sich’s Franchise-QB Jay Cutler und WR Brandon Marshall. Im ersten Jahr ging es gerade noch gut, dank einer zu Beginn anständig spielenden Defense. Endergebnis: 8-8, weil wie in den Jahren zuvor die Defense gegen Saisonende kollabiert war – und der mittlerweile berüchtigte McDaniels am entscheidenden Spieltag auf WR Marshall verzichtete.

In der Offseason verscherbelte McDaniels nicht nur DefCoord Mike Nolan, sondern zudem einen 1st round pick für QB Tim Tebow – ein gewagtes Experiment, zumal im QB Kyle Orton recht formidabel gespielt hatte. RB Peyton Hillis wurde nach Cleveland verschoben (gegen QB Brady Quinn – ja, noch ein QB) und mutierte dort plötzlich zum neuen Stern am Himmel. Ach ja: CB Alphonso Smith, für den McDaniels ein Jahr zuvor einen 1st round pick verschenkt hatte, wurde quasi für lau nach Detroit abgeschoben.

2010/11

Die Broncos waren heuer ein Team mit zwei Gesichtern. Eine Offense, die extrem passlastig spielte – und entsprechend unkonstant. DVOA-Ratings: #15 overall, #9 Pass, #30 Lauf, #29 in der Konstanz. Konstanz im DVOA-Rating wird gemessen, um wie viel % die Werte Woche für Woche abwichen.

Extrem unbeständige Offense, dafür aber die konstanteste aller Mannschaften (geringste Varianz aller 32 NFL-Teams) in der Defense. Die konstant Schlechteste. Die Defensivbilanzen lesen sich so atemberaubend furchtbar, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:

Die absoluten Zahlen: #25 Passverteidigung, #31 Laufverteidigung
Die gewichteten Zahlen: #30 overall, #31 Pass, #29 Lauf
Pass-Defense: #32 Sacks (23 an der Zahl), #31 INTs (ganze 10), #32 in zugelassenen Big Plays (62 Pässe über 20yds!!), #31 in zugelassenem Pass Rating (gegnerische QBs polierten ihr Rating mit 93.0 auf)

Spiele mit 59-43-39-36-35-33-31 Gegenpunkten (fast 50% aller Spiele >30 Punkte zugelassen!). Gegen Oakland nach 22 Spielminuten mit 0-38 zurückgelegen. Ganze zweimal weniger als 20 Punkte kassiert.

Seit die NFL 2002 aufgestockt wurde, hatten 32 Teams 8 Jahre lang die Chance, möglichst viele Punkte zuzulassen. Macht 256 Möglichkeiten. Nur zwei Teams haben in diesem Zeitraum mehr Punkte in einer einzigen Saison kassiert als Denver in dieser (nämlich genau 471, also fast 30 pro Spiel): Detroit 2008 und Detroit 2009. ’Nuff said.

Kollateralschäden

Die Broncos haben eine 4-12 Bilanz hingelegt, Josh McDaniels ist mittlerweile in St Louis bei dem, was er vermutlich vorerst besser kann (Offensive Coordinator), John Fox in Denver, um eine in Schutt und Asche liegende 3-4 Defense wieder rückzukonvertieren in eine 4-3 und die NFL um eine Erfahrung reicher: Ich denke nicht, dass der Kiffin/Mangini/Linehan/McDaniels-Trend, junge Coaches nach zwei Jahren Coordinator-Erfahrung zum Chef zu befördern, anhalten wird (Positiv-Beispiel Tomlin mal ausgenommen).

Dazu kommt ein schwerer Imageschaden der dem Coach am Ende das Genick brach – Spygate II – auch hier war McDaniels nicht klüger als Mentor Belichick. Wie viel mehr Unheil man in nicht ganz 23 Monaten an einer NFL-Franchise anrichten kann?

Als wäre das alles nicht schlimm genug, ist auch noch ein Toter zu beklagen (Selbstmord WR McKinley).

Wohin geht die Reise?

Fox halte ich trotz 2-14 in Carolina für einen Top-Coach, der die Defense wieder auf Trab bringen wird. Ich habe zu Beginn meiner Football-Zeit erlebt, wie Fox Carolina aufgebaut hat: Die Defense beginnt mit einer dominanten Front Four, dazu ein Top-MLB und solide Secondary.

Die Schlüsselstellen sind aktuell offen wie die Wunden, die McDaniels hinterlassen hat. Defensive Tackle zum Beispiel. Wird Denver Fairley an der #2 draften? Oder Dareus? Material für eine 4-3 Defense ist kaum vorhanden. Dazu muss DE Dumervil schnell wieder fit werden – aber ich frage mich, ob Fox mit dem eindimensionalen (Pass Rusher) Dumervil so seine Freude hat?

Die Linebackers haben durch Dumervils Re-Konvertierung (vom 3-4 OLB zum 4-3 End) andere Probleme: D.J. Williams [Madden-NFL-Hero!] wird dringend als OLB gebraucht, muss vermutlich aber als ILB spielen. Von daher: Fox ist auf der Suche nach seinem neuen Morgan.

Was ist mit der Secondary? Jüngst wurde der 33jährige CB Champ Bailey für teures Geld gehalten. CB Perrish Fox war ebenso Starter, steht aber kurz vor jahrelanger Einknastung (wegen Vergewaltigung). SS Brian Dawkins, jahrelang einer meiner Favoriten bei den Eagles, wird 38 und damit nicht mehr allzu lange spielen. Denver draftet an #2 – neben DT ist auch CB möglich, weil mit Patrick Peterson von der LSU einer der meist-gehypten Verteidigungsspieler bereit stünde. Peterson ist auch ein guter Returner.

In der Offense sind die Probleme anders gelagert: Was machen mit den Quarterbacks? Der kultige Kyle Orton ist zwar kein Franchise-QB, wäre aber trotzdem brauchbar – wenn da nicht QB Tim Tebow wäre, dem man offenbar das Vertrauen schenken will. Aber Tebow ist kein guter QB für die NFL und wird mit höchster Wahrscheinlichkeit als einer der besten College-Spieler ever nicht lange Land sehen in der NFL. Problem bei Tebow: Zusätzlich zur langen Aufbauzeit (sein Wurfstil ist immer noch katastrophal), muss die Offense recht stark auf seine Fähigkeiten abgestimmt werden.

Tebow ist Linkshänder. Das bedeutet, der rechte Tackle kriegt zusätzliche Bedeutung. RT Ryan Harris wird die Broncos aber verlassen. Eine weitere Baustelle also. Und: Fox ist aus Panthers-Zeiten gewohnt, viel laufen zu lassen. Gute Running Backs hat Denver aber keine.

Fazit

Denver ist ein Scherbenhaufen. Etwas, mit dem John Fox umgehen kann. Außerdem ist durch die Installierung John Elways (als „Vice President“ der Footballabteilung…) ein Gesicht am Werk, das massivste Aufmerksamkeit auf sich lenken wird. Dieser Katalysator wird Fox einige Zeit für ruhigeres Arbeiten geben. Außerdem dürften die Erwartungen eher eine Meile unter dem Meer liegen als drüber, und alles über „4-12“ als Erfolg gewertet werden.

Vielleicht hat die Ära McDaniels dann doch noch was Gutes: Eine dahin siechende Franchise komplett zertrümmert und somit den Weg für einen „richtigen“ Neuaufbau geebnet…

Auch andere Mannschaften sind in der Sezierstunde auseinandergenommen worden – hier zu finden. Oder mit den Tag Sezierstunde arbeiten.

San Diego Chargers in der Sezierstunde

Es ist mittlerweile 15 Wochen her, aber wie schrieb ich damals in der Blütezeit des Törggelens, mitten in der „Blütezeit“ des Herbstes?

Die San Diego Chargers 2010 sind kein schlechtes Football-Team. Sie sind „nur“ ein außergewöhnlich schlampiges. So schlampig, dass man fassungslos zurückbleibt.

San Diego hatte gerade ein Heimspiel gegen die New England Patriots auf unsägliche Weise verloren. Die Chronik der Schande gibt liest sich immer noch fassungslos. So fassungslos, dass ich bei „San Diego 2010“ daran zuerst denke, und nicht an diese Statistiken:

Offense: #1 overall, #2 Passspiel, #15 Laufspiel
Defense: #1 overall, #1 Passspiel, #4 Laufspiel

#1 in Offense UND Defense, Baby. Saisonbilanz der Chargers: 9-7, Zweiter in der AFC West, nach Jahren der Dominanz. Was ist also passiert?

Philip Rivers QB San Diego Chargers, NFL

©Wikipedia

Bei den Atlanta Falcons mag der optische Eindruck noch getäuscht haben. Spätestens bei den Chargers aber bestätigen die DVOA-Statistikwälzer das Gesehene: Die Chargers sind #32 der NFL, wenn es um Special Teams geht. Zweiunddreißig. Spiele gegen Patriots, Rams und Raiders sind alleinig von den Special Teams verloren worden. Drei Spiele? San Diego fehlte ein Sieg zu den Playoffs. Da nutzt dir auch kein QB Philip Rivers mehr, der sensationelle 4710yds und 30 Touchdowns (13 INTs) via Luftweg fabrizierte und gefühlsmäßig im kritischen Moment stets ohne Laufspiel auskommen musste.

2010/11 im Schnelldurchlauf

Das Patriots-Spiel drückte San Diegos Bilanz damals auf 2-5. Grund, nervös zu werden? Im Prinzip nicht, denn erstens spielen die Chargers in der mauen AFC West und zweitens ist ihre Tendenz zum Saison-Fehlstart seit Jahren berüchtigt. Es sah auch diesmal danach aus, als einen Monat lang jeder Gegner (u.a. Indianapolis) in Grund und Boden gespielt wurde. Nur, um dann im eigenen Stadion von den Raiders überlaufen zu werden wie einst nur die Bucs von den Panthers. Eigenes Laufspiel in dieser Partie? Nope. Nada. 21yds, 5 davon via Rivers himself.

Endgültig für die Grütze war das Jahr für San Diego nach einer Auswärtsniederlage in Cincinnati (!) in einem Spiel, das gewonnen werden musste. Diese Spiele hat San Diego heuer nicht eingesackt.

Abgangsgelüster

Während die massivste Änderung für 2011/12 von der Seitenlinie und den Köpfen der Spieler ausgehen gehen muss (Stichwort: Die Laxheit muss verschwinden. Wir sind zwar im sonnigen Kalifornien, aber auf dem Feld darf ruhig nur an Football gedacht werden.), sind einige Stützen des Vereins auf dem Absprung.

WR Vince Jackson z.B., dessen Zicken heuer um ein Haar dazu geführt hätten, dass der Mann die gesamte Saison verpasst hätte. Jackson kam rechtzeitig zu den nahenden Playoffs zurück – und dann vergeigten es die Chargers sich noch. Jackson wird kaum noch mal in San Diego unterschreiben. San Diego wird versuchen, ihm das Preisschildchen „Franchise Tag“ aufzuhängen. Aber ob das mit Jackson und den Chargers noch was wird? Mit WR Kelley Washington und WR Malcolm Floyd (mit 717yds und 6 TDs teaminterne #2) sind zwei weitere Receiver vertragslos.

Ein Vierter im Bunde: WR Legedu Naanee. Über einen ehemaligen Boise State Bronco nichts Schlechtes, aber diese Aktion hat sich verdammt tief in mein Hirn eingebrannt. Drittes Viertel, du scorst bei 7-21 den Anschluss-Touchdown und trottest so arrogant in die Endzone, dass ein jeder Coach, ein jeder Coach außer Norv Turner, dir in den Arsch treten würde? Obwohl du noch NICHTS erreicht hast und ein Jungspund im vierten Jahr bist? Dass Turner das damals in Woche #1 duldete, kann man getrost als Zeichen werten – dafür, dass die Chargers ein so undisziplinierter Haufen auf dem Feld waren.

Jetzt fallen aber nicht nur haufenweise Receivers weg. Auch Backup-QB Billy Volek, ein guter Mann, und zwei Backup-RBs mit Darren Sproles und Mike Tolbert, sind Free Agents. Sproles ist kein Back für 30 Carries/Spiel, aber ein fangsicherer Mann mit Allround-Qualitäten. Trotzdem gilt er als quasi entlassen. Tolbert war mit 735yds der beste Rusher in dieser Saison und eine gute Ergänzung zum jungen Ryan Mathews.

Die Offense (1 Starter, RT Clary) und Defense Line bleiben von allzu schweren Verlusten wohl verschont. Aber bei den Linebackers ist nach Shawne Merrimans Nieder- und Abgang Not am Mann (3 Free Agents), wie bei den Safetys (SS Oliver, FS Weddle). Mit Ron Rivera ist zudem das Mastermind hinter der Defense weg (HC in Carolina).

Watt nun?

Das Fenster für den Erfolg schließt sich langsam in San Diego. Parallel mit der Angst vor dem Abgang der Chargers in Richtung Los Angeles werden gar einige Spieler die Franchise verlassen. Und nicht alle werden gleichwertig ersetzt werden können. Es schaut danach aus, als ob auch weiterhin alles um Rivers gebaut sein wird. Rivers hat bewiesen, dass er einiges aushält. Aber die Mannschaft um ihn herum wird nicht jünger.

Ich glaube zwar, San Diego wird 2011/12 wieder haushoher Favorit auf den Divisionssieg sein. Aber: Es braucht Verstärkungen. Der beste Passempfänger ist mit Antonio Gates ein Tight End, ein sehr guter, aber auch verletzungsanfälliger Mann. RB Mathews ist noch jung, aber für mich nicht einer der beeindruckenderen RBs.

Im Prinzip müffelt schon die Endzeitstimmung aus San Diego herüber. Norv Turner dürfte schon auf dem Schleudersitz Platz genommen haben. Ich denke, Turner wird seinen Fokus auf die Positionen Wide Receiver und Linebacker legen müssen. Beides keine schwachen Positionen im heurigen Draft. Für teure Free-Agents-Einkäufe sind A.J. Smith und die Chargers nicht bekannt.

Solange ein gesunder Rivers am Werk ist und die AFC West weiterhin vor sich hin vegetiert, wird San Diego aber noch ein paar Jahre Playoffchancen haben.

Nicht nur die Chargers werden auseinandergenommen. In der „Sezierstunde“ sind auch andere Mannschaften – hier.