Um mal einen schrägen Vergleich zu bemühen: Die University of Texas aus der texanischen Hauptstadt Austin ist sowas wie der FC Barcelona (pre-2005) oder das Real Madrid (post-2002) im College-Football: Die finanziellen Möglichkeiten übersteigen alles, was die Konkurrenz zu bieten hat, man liegt mitten im Herzen vom footballverrückten Texas mit seinen Abertausenden an Super-Athleten, man ist ständig im Mittelpunkt des Medieninteresses… und man hat das Image des underachievers: Ganze zwei National Championships hat man in über 100 Jahren Bestehen holen können!
2009/10 erreichte man das BCS-Finale, das man unter eher unglücklichen Umständen verlor. Seither kämpfen die Longhorns um den Anschluss an die Spitze – mit äußerst wechselhaftem Erfolg. Das führte dazu, dass Head Coach Mack Brown nach jeder nicht vollends überzeugenden Leistung ins Fadenkreuz gerät.
Brown ist beileibe kein innovativer Coach, der durch besonders geniale GamePlans auffällt. Was Brown auszeichnet, ist seine ausgleichende Persönlichkeit: Bei Texas musst du 24/7 die Mutti für alles geben, die sich um alles und jeden kümmert. Du musst dich gegen den ständigen Gegenwind aus allen Richtungen wehren. Du brauchst viel Leim für deinen angesägten Stuhl. Es ist angesichts der Umstände bemerkenswert, wie lange sich Brown nun schon in Austin schon halten kann; 100%ig wären andere Trainerstäbe längst in die Luft geflogen.
Das gesagt, sind die Texas Longhorns von 2013 potenziell scary: In Sachen Talente aus den Highschools gibt es keinen hochwertigeren Kader im College-Football, und nun ist es auch das erste Mal seit Jahren, dass sich dazu ein gesunder, erfahrener Mannschaftskern gesellt (19 Starter bleiben im Kader!). Talent + Erfahrung ist eine der sichersten Erfolgsformeln im College-Football.
Problematisch war letztes Jahr die Defense, die nach der Verletzung von LB Jordan Hicks komplett auseinander brach. 61 kassierte Punkte gegen den größten Rivalen Oklahoma hat man DefCoord Manny Diaz noch nicht verziehen. Aber es gab auch bessere Phasen, in denen die Abwehr tolle Ansätze zeigte. Das Spielermaterial ist da; allein die beiden besten Spieler müssen ersetzt werden: S Vaccaro und DE Okafor, die in die NFL gingen. Gut ist, dass die Backups sich bereits auf den Füßen stehen.
Die Offense hat Potenzial für eine der besten im Lande, und das, obwohl es eine nie endende QB-Controversy gibt: Da ist zum einen David Ash, der immer für ein Gurkenspiel gut ist, und zum anderen Case McCoy, dessen Vorstellungen kaum blasser sein könnten, aber der politisch viel Einfluss hat („Mein Bruder Colt ist eine Legende auf dem Campus, also verdiene ich mir den Starter-Spot“).
Alles abseits der Quarterbacks ist sensationell besetzt, aber genannte beiden QB-Optionen haben so viele Flauseln, dass die OffCoords seit Jahren wie wild drum herum doktern müssen, um Konstanz in den Laden zu bringen. Letzten Herbst scheiterte der geniale OffCoord Bryan Harsin an dieser Monsteraufgabe, und Harsin gehörte nun wirklich zur heißesten Ware, was Offensivgeister angeht (Harsin ist nun weg, wird Head Coach bei Arkansas State).
So ist das Gesamtbild der Texas Longhorns ein recht frustrierendes: Die Möglichkeiten und Ressourcen sind schier unbegrenzt, aber die nicht aufhörenden Kleinkriege bei so vielen Interessensgruppen und die erfolglose Suche nach einem wirklich beständigen Quarterback verhinderten in den letzten drei Jahren den Durchbruch. Die Longhorns stecken ein bissl in der Zwickmühle, auch wenn es dank Talent+Erfahrung jederzeit den Breakout geben kann. Über ein 11-1 wäre ich alles andere als überrascht, auch wenn die drei schwersten Conference-Spiele auswärts oder auf neutralem Feld fern des heimischen Memorial Stadiums (100.000 Zuschauer) sind.
Wahrscheinlicher ist aber sowas wie ein erneutes 9-4 oder 10-3, mit aufflammenden Diskussionen um die Zukunft von Mack Brown.