Letztes Wochenende Regular Season im College Football, wenn wir das traditionsreiche Duell zwischen US Army und US Navy am 11. Dezember mal ausklammern. An diesem Samstag entscheidet sich die Besetzung des BCS National Championships Games.
Road to Glendale
Ich habe kein schlechtes Gewissen, das vergangene Wochenende gehypt zu haben. Die Nacht von Freitag auf Samstag war lang (bis 9h) und schmerzhaft, aber vom Spannungsbogen großartiges Kino. Boise State ist aus dem Rennen für das Finale in Glendale, Arizona nach dem sehenswerten 31-34 (OT) in Nevada raus. #3 TCU hat seine zwölf Saisonspiele allesamt gewonnen, muss nun auf eine Niederlage der beiden Top-Gesetzten hoffen. #2 Oregon hat nach wackeliger erster Halbzeit seine ganze Klasse in Halbzeit zwei gegen Arizona aufblitzen lassen. #1 Auburn hat den Abend mit dem größten Comeback seit Led Zeppelin in Iron Bowl Nr. 75 eingeleitet. Der Hype für Samstag wird sich auf Auburn und Oregon begrenzen, auch wenn (leider) schon die ersten Experten dem Worst Case (Niederlage von einem der beiden oder beiden) schon vorbeugen, und Szenarien durchspielen, wie Wisconsin oder Stanford an TCU vorbeirutschen könnten – obwohl alle drei nicht mehr spielen.

Der Biberenten-Club
Samstag um 21h30 bricht in Corvallis der Bürgerkrieg aus. Und das sogar mit Grund: Die Oregon Ducks halten Einzug im Reser Stadium (Bild). Zeit für die siebtälteste Rivalität im US-College-Football: Oregon State Beavers gegen Oregon Ducks. Biber gegen Enten. Im Volksmund auch Civil War genannt, ganz einfach aufgrund der großen innerstaatlichen Konkurrenz. Seit 1894 spielen die beiden Unis gegeneinander, abwechselnd in Eugene (Ducks) und Corvallis (Beavers) und früher auch in Portland.
Oregon State und Oregon sind die bei den einzigen FBS-Mannschaften in Oregon und daher ist dieses Spiel auch so etwas wie die Football-Meisterschaft von Oregon. Der Sieger erhält die Platypus Trophy. Eine sehr geile Idee: In unserer schönen deutschen Sprache ist „Platypus“ nix anderes als das Schnabeltier, eine Kreatur mit Entenschnabel und Biberschwanz. Dass das Schnabeltier nur in Australien vorkommt, da kann man schon mal ein Auge zudrücken.
Reizvoll an der Auseinandersetzung ist auch die geringe Distanz zwischen den beiden Unis: Nicht mal eine Autostunde liegen Corvallis und Eugene auseinander. Die beiden Städte liegen im Willamatte Valley, der bevölkerungsreichsten Region im ganzen Staat Oregon. Die Spannung zwischen Ducks- und Beavers-Zuneigung zieht sich quer durch die Familien, wie auch anders bei zwei so großen Unis (je ca. 24.000 Studenten)?
Hooligans und Kloschüsseln
Auseinandersetzungen gab es schon in den Anfangszeiten. Die Rückkehr von einem siegreichen Auswärtstrip beim Rivalen wurde gerne exzessiv gefeiert. 1972 dachten sich die Ducks-Fans, die Feier könnte man doch vorverlegen, und rissen die Torstangen aus der Verankerung. Der Versuch, auch die andere Endzone zu erobern, endete in einer gepflegten Massenschlägerei.
Das anerkannt schlechteste Footballspiel zwischen den beiden fand 1983 statt. Sauwetter im nasskalten Nordwesten der USA, und eine Orgie an Fumbles, Turnovers und verschossenen Field Goals waren für ein 0-0 verantwortlich. Das letzte punktelose Spiel in der Division I – mittlerweile wurden die Remis abgeschafft. Das Spiel wird in den Annalen nur mehr Toilet Bowl genannt. Die Kloschüssel. Da kann man es dann auch runterspülen.
Oregon State und Oregon sind keine landesweiten Footballmächte wie die Pac-10-Mitstreiter USC, Stanford oder Washington. Oftmals spielten da mittelmäßige Footballmannschaften gegeneinander. So auch 1998, als der Bürgerkrieg erstmals verlängert werden musste, zweimal sogar. Letzter Spielzug der ersten OT, das Feld wird gestürmt. Nach gut einer Viertelstunde ist es erst geräumt, um den letzten Play nach Strafe zu wiederholen. Zuletzt ging es aufwärts mit beiden Programmen: Mehrmals wurde um die Pac-10 Meisterschaft gespielt. 2008 stürmten die Ducks in Corvallis zu einem 65-38 und verwehrten den Beavers den Rose-Bowl-Einzug. 2009 gelang den Bibern nicht zu Revanche: Oregon gewann daheim und fuhr nach Pasadena.
Speed-Offense und Charakterköpfe
Am Samstag wird Oregon State im eigenen Stadion versuchen, den Ducks den erstmaligen Einzug ins BCS National Championship Game zu vermasseln. Um so viel ging es noch nie: Nicht nur staatliche, sondern nationale Meisterschaft!
Oregon ist seit einiger Zeit aus diversen Gründen in den Schlagzeilen: Sensationellem Offensiv-Football stehen kriminelle Studenten gegenüber. Der Reihe nach: Chip Kelly ist seit 2009 nicht mehr OffCoord, sondern Head Coach in Eugene. Kellys erstes Spiel fand im September 2009 in Boise statt. Am Spielende prügelte Star-RB Legarrette Blount einem Gegenspieler gegen das Kinn. Blount wurde intern suspendiert. In Kellys Mailordner landete eine Zahlungsaufforderung eines wütenden Fans: Mit Bitte, die vergeudeten $649 für den beschämenden Auswärtstrip zurückzuerhalten. Kelly verlangte vom Fan die Adresse. Tief beeindruckt nahm der Fan seine Zahlungsaufforderung zurück. Kelly hat Klasse. QB Jeremiah Masoli nicht. Masoli wurde beim Diebstahl auf dem Campus erwischt. Kelly schmiss Masoli raus und machte QB Darron Thomas zu dessen Nachfolger. Masoli spielt mittlerweile mäßig erfolgreich für Ole Miss. Dritter Star, drittes Vergehen: RB Lamichael James (Heisman-Kandidat, im Bild) stellte sich im vergangenen Winter als Frauenschläger heraus. James wurde aber nur ein Spiel gesperrt. Zu wichtig ist der Mann für diese Offense.
Und es ist nicht einfach nur eine Offense. Es ist die Offense. Kelly lässt ein Hurry-Up spielen, das siehst du kein zweites Mal. Selten, dass die Playclock auf unter 20 Sekunden tickt. Und das nicht gegen Halbzeitende, sondern konstant. Das Bild ist eine Anspielung auf Kellys Offense: SIX POINTS! Und die halbe Defense ist noch nicht mal an der Line of Scrimmage. Die Ducks laufen mit James und seiner Armada im Schnitt 300yds pro Spiel. Dazu kommen 241,7yds von QB Thomas. Macht sensationelle 541,7yds Offense PRO SPIEL. Oder 50,5 Punkte im Schnitt. Dem gegenüber steht eine ordentliche Defense.
Oregon State erlebt heuer ein Auf und Ab. Mit 5-6 ist man noch nicht bowl-eligible. Da kommt der Rivale grad recht. Am vergangenen Samstag schenkten die Beavers ihr Spiel in Stanford ab (0-38), waren mit den Gedanken wohl schon in Corvallis. Größte defensive Waffe der Beavers ist DT Stephen Paea, der die Triple-Option-Plays um QB Thomas und RB James (ich sage nur: Huffs Touchdown-Lauf) stoppen soll. Statistisch hat OSU keine Chance: Die Lauf-Defense ist trotz Paea unterirdisch und die Offense bestenfalls unterdurchschnittlich.
Trotzdem: Es ist Bürgerkrieg, da werden Kräfte frei. Eigenes Stadion. Vermutliches Scheiß-Wetter. Enges Reser Stadium. Es ist angerichtet.
Gockel und gestreifte Kätzchen
In Oregon herrscht wegen Bibern und Enten also Ausnahmezustand, und zeitlich fast parallel (22h00) und LIVE bei ESPN America matchen sich im Georgia Dome von Atlanta die nächsten zahmen Viecher um eine Trophäe. Nicht um ein bronzenes Schnabeltier, sondern um die SEC-Trophäe. Aufeinandertreffen die #1 Auburn Tigers und die #19 South Carolina Gamecocks. Tiger gegen Kampfhähne.
Über Auburn ist viel geschrieben und gesagt worden. Mit einem Sieg stehen die Tigers sicher im BCS-Finale. Mit einer knappen Niederlage, glaubt man den Experten, wohl auch. Die Tigers werden natürlich weiterhin auf den zwielichtigen QB Cam Newton setzen, dessen spektakuläre Spielweise ebenso Schlagzeilen produziert wie die undurchsichtige Geschichte dahinter. Am heutigen 1. Dezember ist Newton von der NCAA für spielberechtigt erklärt worden.
Auburn ist spätestens seit dem riesigen Iron-Bowl-Comeback der klare Favorit für dieses Spiel. Auch wenn Alabama über weite Strecken die Blaupause dafür geliefert hat, wie man Newtons Big Plays halbwegs eindämmt.
South Carolina wird seit einigen Jahren von Steve Spurrier (Bild) gecoacht. Spurrier, dessen Fun’n’Gun-Offense die SEC revolutioniert hat, aber in der NFL gescheitert ist. Man rieb sich nach Spurriers Debakel bei den Washington Redskins verwundert die Augen, dass der Star-Coach an die kleine University of South Carolina wechselte. In einer Division mit den Größen Florida (Spurriers Ex-Team), Tennessee und Georgia setzten sich heuer nach einigen durchwachsenen Jahren ausgerechnet Spurriers Kampfhähne durch – dank eines Kantersiegs in Gainesville vor ein paar Wochen.
South Carolina bietet mit QB Stephen Garcia einen Mann auf, der heuer einen Entwicklungssprung gemacht hat. Garcia ist großgewachsen und ein relativ sicherer Pass-Spieler im dritten Uni-Jahr. Ihm zur Seite stehen mit Freshman RB Marcus Lattimore (1114yds, 17 TDs) und WR Alshon Jeffery (zweites Jahr, 1351yds, 8 TDs) zwei hochtalentierte junge Offensivwaffen. Dazu besitzen die Gamecocks einen ganzen Haufen an Ergänzungsspielern auf den RB- und WR-Positionen, sodass die Last schön verteilt wird.
Die Defense ist recht solide, lässt wenige Yards zu und 20,2 Punkte im Schnitt. Nix Überragendes, aber durchaus die Stärke der Gamecocks.
Für South Carolina geht es in dem Spiel nicht nur darum, dem SEC-Rivalen Auburn die BCS-Finalträume zu zerstören, sondern vor allem darum, erstmals den SEC-Titel zu gewinnen. Dann wäre ein Platz in der Sugar Bowl garantiert. Für South Carolina der größte Erfolg ever. Aber Auburn ist eine große Hürde, eine, der die Gamecocks in der Regular Season nicht gewachsen waren: Knappes 27-35 Ende September.
Spektakel ja. Aber kein tierisches
Big-12-Finale zwischen den #9 Oklahoma Sooners und den #13 Nebraska Cornhuskers. Gespielt wird im monströsest möglichen Stadion: Cowboys Arena in Arlington zwischen Fort Worth und Dallas.
Die Oklahoma Sooners sind eines der drei, vier erfolgreichsten Footballprogramme der letzten Jahrzehnte und eine ständige Macht in der Big 12. Dank eines wilden 47-41 über die Oklahoma State University am letzten Samstag rutschten die Sooners im letzten Zacken noch ins Endspiel der Big 12. Ins vorerst letzte Endspiel. Später mehr.
Coach Bob Stoops schafft es seit Jahren, seine Sooners ganz oben zu halten, trotz Abgängen von Spielern wie QB Sam Bradford oder RB Adrian Peterson. Allein: Der ganz große Durchbruch gelang Oklahoma nicht, und auch heuer landete man „nur“ auf Rang neun, nach zwischenzeitlichem Platz 1 im Ranking. Die Sooners sind eine passgewaltige Mannschaft, angeführt von QB Landry Jones, der schon als Freshman sehr, sehr viele Yards und Touchdowns produziert. RB DeMarco Murray ist in seinem letzten Jahr und gilt als möglicher Draftpick für die mittleren Runden.
Nebraska wird zum letzten Mal ein Big-12-Spiel bestreiten. Die Cornhuskers wechseln zur kommende Saison in die Big Ten, die dann eigentlich eine Big Twelve sein sollte. Im Gegensatz dazu wird die Big 12 eher eine Big 10 sein. Wie auch immer, mit den Cornhuskers verlässt die Big 12 eines seiner Zugpferde. Die Maisschäler sind mehrfacher National Champion und Conference-Sieger.
Das Team 2010 spielt sehr defensiven Football. Es werden nicht viele Punkte erzielt, aber eben auch nicht viele zugelassen. „Vorne“ geht die Post am Boden ab: RB Helu und QB Martinez sind sehr laufstark, dafür wird in Nebraska nur sehr wenig gepasst. Die Huskers haben heuer nur zweimal verloren, beide Male gegen texanische Teams, und hätten sie nicht vor zwei Wochen gegen die Aggies 6-9 verloren, sie wären vielleicht in der Position, auch ohne Big-12-Titel eine BCS-Bowleinladung zu bekommen.
Der Sieger spielt in der Fiesta Bowl. Der Verlierer darf in ein paar Wochen wieder nach Arlington fahren, zur Cotton Bowl Classic, die nicht mehr in der Cotton Bowl zu Dallas ausgespielt wird, sondern ebenso im aufgeplusterten Monster der Dallas Cowboys.
Big-12-Championship. In der Nacht von Samstag auf Sonntag, um 2h. Live bei ESPN America.
Der letzte Schrei: Von Indianern und Orangen
ACC-Championship in Charlotte, North Carolina. Die #21 Florida State Seminoles treffen auf die #15 Virginia Tech Hokies (das Spiel wird am Sonntag um 13h auf ESPN America aufgezeichnet). Seminoles (ein Indianerstamm), Hokies (ein Schlachtruf) und der Hauptpreis: Der Platz in der Orange Bowl (Miami).
Die Florida State Seminoles mussten bis zuletzt zittern und auf eine Niederlage von North Carolina State in Maryland hoffen. Das ist „gelungen“, wodurch die FSU im Jahr eins nach Bobby Bowden erstmals seit Jahren wieder im ACC-Finale mitspielt. Der neue Head Coach ist Jimbo Fisher, während Bowden dieser Tage eine US-Truppe im Nahen Osten für ein „Spaß“-Spiel coacht.
Unter Fisher ist vor allem die Defense der Seminoles besser geworden. Richtig viele Punkte wurden nur zweimal abgegeben, und das eher zu Saisonbeginn. Seither sind es meist zwischen 14 und 19 Punkten, ein sehr guter Wert. In der Offense verlässt man sich sehr auf das Laufspiel, das hinter dem dominanten Blocker Rod Hudson mit einer Handvoll guten Running Backs recht erfolgreich ist. Zudem wird QB Christian Ponder sein vorletztes Spiel für Florida State absolvieren. Ponder ist Senior und gilt als NFL-kompatibel, verschob seinen College-Abschied im vergangenen Jahr aber noch einmal. Anfang Jänner ist für Ponder Schluss – und was gäbe es für den Student, der sich von Bodyguards bewachen lässt, Schöneres als einen Abschluss in der Orange Bowl im eigenen Staat Florida, noch dazu im Stadion des Erzfeindes Miami Hurricanes?
Die Hokies haben eine merkwürdige Saison erlebt. Zu Saisonbeginn eine Last-Minute-Niederlage gegen Boise State kassiert und eine Woche später der GAU: Heimniederlage gegen James Madison? Nie gehört? Nicht schlimm: James Madison ist ein FCS-Team (Division I-AA) und selbst dort nur Bodensatz. Die Hokies haben sich von dem Fiasko aber schnell erholt und seitdem nicht mehr verloren. Basis auch hier: Starkes Laufspiel und eine Verteidigung, die wenige Punkte zulässt.
Eigentlich ist Virginia Tech Favorit. Aber wer will ausschließen, dass die durchaus eher mittelmäßigen Seminoles am Ende die von Kopf bis Fuß durch und durch mittelmäßige Atlantic Coast Conference in der Orange Bowl repräsentieren werden?