Minnesota Vikings in der Sezierstunde

Stat Line 2012

Record        10-6    WC
Enge Spiele    5-1 
Pythagorean    8.8   (13)
Power Ranking   .464 (23)
Pass-Offense   5.3   (30)
Pass-Defense   6.0   (10)
Turnover        -1

Management

Salary Cap.
Free Agents.

Letztes Jahr zeigte ich in der Sezierstunde der Minnesota Vikings mit einem Finger auf das extreme Pech in engen Spielen, das die schwache Saisonbilanz der Vikes mitzuverantworten hatte. Dieses Jahr muss ich den umgekehrten Weg gehen. Minnesota beendete das Jahr mit 10-6 Siegen und einer überraschenden Qualifikation für die Wildcard Playoffs, aber man sollte bei aller Leistungssteigerung nicht dran vorbeischauen, dass diese auch durch eine 5-1 Bilanz in engen Spielen zustande gekommen war.

Überhaupt ist es uncharakteristisch für die NFL dieser Jahre, dass sich eine Mannschaft vom Schlage der Vikings für die Post Season eignet: Passspiel ist mit 5.3 NY/A so gut wie nicht vorhanden, dafür wird in 48.5% der Spielzüge gelaufen und in der Defense aufs Austeilen von blauen Flecken gehofft.

Ging diesmal gut. Soll – glauben wir den Worten von Head Coach Les Frazier – auch in Zukunft auf der Tagesordnung stehen. Man darf da getrost skeptisch sein.

Die Ponder-Frage

Die Vikings haben ein Quarterback-Problem an der Backe. Chris Ponder, der #12-Draftpick von 2011, stagnierte nun zwei Jahre auf größtenteils niedrigem Niveau und gilt als Spielgestalter, dem man enge Leine beim Lesen von Abwehrformationen anlegen muss. Ponder ist auch nicht der große Wurfästhetiker, der ein Stadion mit zwei fantastischen Touchdowns in Ekstase zu versetzen imstande ist, und so wirken Vikings-Spiele oft einschläfernd.

Die anhaltenden und schon vom College in Florida State bekannten Schulterprobleme sind in Kombination zu besagt ineffizienten Stats ein Grund, weswegen Ponder in diesem Herbst seine dritte und letzte Chance bekommt. Viele gehen auch nach der „Absicherung“ durch Matt Cassel aus Kansas City davon aus, dass Minnesota sich ein „Prospect“ in den späteren Draft-Runden holen wird.

Die Offense

Die auch im Zuge des Rookie-LT Matt Kalil deutlich verbesserte Offensive Line war wichtiger Bestandteil einer insgesamt sehr physischen Offense. Man sagt vor allem Kalil, C Sullivan und RT Loadholt exzellentes Blocking fürs Laufspiel nach und ist auch in der Tiefe gut genug besetzt, dass ein verletzungsbedingter Ausfall nicht gleich die Katastrophe heraufbeschwört.

Der Mann, der die Offense zuletzt trug und auch in Zukunft tragen soll, ist RB Adrian Peterson, dessen Geschichte vom Verletztenstand zum NFL-MVP dutzendfach dokumentiert wurde. Peterson erlief in der abgelaufenen Saison 2097yds in der Regular Season und scheiterte knapp am ewigen NFL-Rekord. Das Laufspiel der Vikings muss allerdings ineffizient genug eingesetzt worden sein, denn in den Effizienz-Stats scheint Peterson nicht als Top-Back der vergangenen Saison auf. Peterson ist kein Back, der dir konstant Yards liefern wird, sondern vielmehr einer der Marke boom or bust: Häufig für wenig Raumgewinn zu Boden gebracht, aber dann immer wieder mit einem 70yds-Lauf.

Wichtig für die Vikings wird sein, in Zukunft die Last von Petersons Schultern zu nehmen. Mit Percy Harvin wurde der wichtigste Offensiv-Allrounder nach Seattle getradet. Dafür kam mit dem präzisen Routenläufer WR Greg Jennings ein Mann aus Green Bay, der Ponder mit seiner Akribik durchaus helfen sollte. Der Receiving-Corp liest sich mit Jennings, Michael Jenkins, Jarius Wright und TE Rudolph aber immer noch etwas dünn und ich würde zumindest einen kleinen Finger ins Feuer legen, dass da im Draft noch nachgebessert wird (MIN hält aktuell zwei Erstrundenpicks).

Die Defense

Der erstaunlichere Mannschafsteil in der abgelaufenen Saison war die stark verbesserte Defense, die zwar mit 1.5% INT-Quote immer noch sagenhaft wenige Turnovers produzierte, dafür aber mit vielen harten Hits (immerhin einige Fumbles produziert) und diszipliniertem Spiel glänzte.

Die Defensive Line ist um die Ankerpunkte DE Jared Allen, DE Brian Robinson und DT Kevin Williams immer noch gesetzt. Kopfzerbrechen bereiten die Linebacker, wo abseits von OLB Chad Greenway wenig NFL-taugliches Material bereit steht. Der verletzungsanfällige Erin Henderson und der neu eingekaufte LB Brinkely aus Arizona dürften wenigstens für halbwegs gute Breite im Kader sorgen.

Im Defensive Backfield machte man mit dem Rauswurf des grundsoliden CB Antoine Winfield eine bizarre Baustelle auf. Winfield ist ein Faszinosum in der heutigen NFL: Ein zirka 1,22m großer Mann mit Armen aus Glas, der aber jeden Running Back im ersten Versuch zu Boden stößt und als Deckungsspieler immerhin gut genug war um jahrelang in Pro Bowl Nähe zu spielen. Man hätte Winfield zum zweiten Safety neben den jungen Harrison Smith stellen können und hätte ein gutes Safety-Duo gehabt.

So hat man erstmal gar nix mehr, außer einen offenen Safety-Platz und Cornerbacks, die nach Draften von Rookies in den hohen Runden schreien.

Ausblick

Die Vikes haben seit Jahren das Gerüst: Offense Line, Running Back, Defense Line. Ansonsten gibt es viele Fragezeichen: Wird aus Chris Ponder doch noch ein würdiger Quarterback, jetzt wo er mit Jennings einen willensstarken Receiver bekommt? Löst sich das Problem Defensive Backfield von allein? Wird Peterson noch mal so ein Jahr spielen können?

Es sind IMHO zu viele Fragezeichen, als dass man Minnesota erneut in den Playoffs erwarten kann. Vieles wird von der Entwicklung Ponders abhängen, aber wenn du deinen QB in zwei Jahren nicht ein einziges Mal ein paar schwere „Reads“ machen lässt, ist meine Hoffnung begrenzt. Immerhin hat das Front-Office den möglichen Troublemaker Harvin für guten Gegenwert verschifft und immerhin gibt es in der NFC North genügend andere Teams mit Fragezeichen, sodass ein kompletter Einbruch der Vikings auch nicht realistisch erscheint.

Tipp: 2013/14 bringt erst mal graues Mittelmaß.

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Recap Week 9: Seattle Seahawks – Minnesota Vikings

Muss ich noch mal vor Spoilern warnen? Egal, ich mach’s.

Die Seahawks sind mit diesem Spiel (auch dank „12th man“ Detlef Schrempf?) zurück in der Siegerstraße. Dabei waren zwei, drei Dinge doch etwas anders als in den vergangenen Hawk-Spielen, beginnend mit der Lauf-Defense, die nicht so wie gewohnt dominierte. Okay, bei RB #28 Adrian Peterson musste ich schon zweimal hinschauen, ob da nicht noch in letzter Sekunde für Jamaal Charles getradet wurde, denn Peterson wirkte fast frischer und flotter als vor seiner Kreuzbandverletzung. Er hatte auch Räume, denn die Offensive Line der Vikings blockte vor allem innen doch beträchtliche Löcher frei. Peterson mit unglaublichen 182 Yards in nur 17 Versuchen.

Dagegen sah die Vikes-Protection gegen den Seahawk-Passrush schlecht aus, aber lange nicht so schlecht wie QB Chris Ponder, seit Wochen in einer tiefen Formkrise befindlich. Der Receiving-Corp der Vikes machte wenig Stich, aber so leblos wie Ponder auftrat… da werden sich einige zurückerinnert haben, wie nahe die Vikes an RG3 im Draft dran waren. Am meisten sagen diese sehr schnellen Ponder-Scrambles nach nullkommaneun Spielsekunden aus – der Mann hat kein Selbstvertrauen mehr und bringt nichtmal mehr die kurzen Swing-Pässe an.

Swing-Pässe sind ein gutes Stichwort für das, was Seattle von QB Russell Wilson verlangte. Wilson antwortete mit einem effizienten Spiel (16/24 complete, 3 TD) ohne gröberen Bock, und es wären mehr komplette Pässe gewesen, hätten die Receiver vor allem zu Spielbeginn nicht so viele fangbare Bälle einfach durch die Handschuach gleiten lassen.

Heimlicher Star war die Offense Line, die den Ausfall vom Top-Guard Carpenter locker kaschierte und auch DE Jared Allen kaum ins Spiel kommen ließ. Wilson hatte Zeit, RB #24 Lynch Platz, und so wurde ohne größeres Spektakel der vierte Saisonsieg eingefahren.

Die Hawks dürfen weiter gen Playoffs schielen. Die Vikes müssen sich besorgt fragen, was aus Ponder werden soll und ob sie nun doch nicht Playoff-Material für diese Saison stellen.

Minnesota Vikings in der Sezierstunde

Seuchensaison für die Vikings – und trotzdem blieb es nach den turbulenten Jahren um egomanische und autistische Charaktere erstaunlich ruhig in den Twin Cities – selbst die sich hinziehenden und immer zäher werdenden Stadionverhandlungen erregten nur wenige Gemüter. Der HeadCoach-Debütant Les Frazier stand dann auch trotz einer Bilanz von 3-13 nie ernsthaft zur Diskussion.

Die statistische Analyse gibt uns einen Ansatz, warum. Weiterlesen

MNF-Preview, Week 11: Wer stoppt Rodgers?

Packers-Jagd nach der Perfect Season, die zehnte. Green Bay empfängt heute, 02h30 LIVE bei ESPN America und Sport1+, den Divisionsrivalen Minnesota Vikings. Green Bay hat heuer die Tanz, Spiele im Schlussviertel nach klarer Dominanz ganz gerne wieder bissl spannend werden zu lassen. So geschehen letzte Woche in San Diego. So geschehen vor drei Wochen in Minnesota. Gefallen sind die Packers bis dato nicht.

Dafür ist die Offense um QB Aaron Rodgers zu perfektionistisch. Rodgers bringt fast alle Bälle an einen Receiver und kann auf eine qualitativ und quantitativ großartige Armada an Wide Receivers und Tight Ends zurückgreifen. Es gibt Leute, die Rodgers’ bisherige Saison als beste eines QBs ever preisen.

So weit möchte ich mich mit meinem halben Dutzend Jahren NFL-„Erfahrung“ nicht hinauslehnen, aber selbst nach Reinrechnen der gelegentlich kassierten Sacks für zu langes Ballhalten: Rodgers’ Vorstellungen bisher sind eindrucksvoll. Und bisher gab es nur wenig Greifbares für Defensive Coordinators, wie man diese Dominanz hätte eindämmen können.

Minnesota verfügt über starken Pass Rush um DE Jared Allen und DE Brian Robinson, über eine sehr gute Defensive Line insgesamt, hat aber Deckungsprobleme in der Secondary. Außerdem ist der beste Cornerback Antoine Winfield nicht wirklich fit und CB Chris Cook dürfte teamintern gesperrt sein, nachdem er vor kurzem in den eigenen vier Wänden recht wüst gegen die Liebsten gewütet hatte.

Auf der anderen Seite ist auch RB Adrian Peterson nicht ganz fit, soll aber spielen. Peterson wird essenziell für die Vikings sein, da Green Bays Abwehr heuer als eine der schwächeren in der NFL gilt, eigentlich unverständlich mit Blick auf die vielen fantastischen Einzelspieler im Kader. DefCoord Dom Capers ist noch auf der Suche nach dem richtigen Mix und kriegt vor allem keine gescheite Linebacker-Unit auf das Feld, konnte sich bisher jedoch auf gut getimte INTs (16 an der Zahl) und INT-Returns verlassen. Nun kommt mit Rookie Christian Ponder ein unerfahrener Quarterback des Weges, aber Ponder hatte im „Hinspiel“ trotz vieler Incompletions keine unterirdische Vorstellung, hat sich aber anfällig gegen Fumbles und Turnovers gezeigt.

Green Bay geht natürlich als hoher Favorit ins Spiel, trägt aber auch die Last des gewinnen Müssens, nachdem man sich nun auch offiziell verbal die Bürde einer ungeschlagenen Saison auferlegt hat. Die Vikings haben nicht viel zu verlieren, betrachten die Saison als Aufbaujahr und dürften dabei ganz gerne den Schimmel im Käse des großen Rivalen spielen.

Wiederholungen: Morgen, Dienstag um 11h bei ESPNA, 22h bei Sport1+

Minnesota Vikings in der Frischzellenkur

ÜBERBLICK

#12 QB Christian Ponder (Florida State)
#43 TE Kyle Rudolph (Notre Dame)
#106 DT/DE Christian Ballard (Iowa)
#139 CB Brandon Burton (Utah)
#168 OT DeMarcus Love (Arkansas)
#170 S Mistral Raymond (South Florida)
#172 C Brandon Fusco (Slippery Rock)
#200 LB Ross Homan (Ohio State)
#215 DE D’Aundre Reed (Arizona)
#236 WR Stephen Burton (West Texas A&M)

Zehn Picks für die Vikings, aber der Draft 2011 wird gemessen werden an diesem einen Pick in der ersten Runde: War es Florida States QB Chris Ponder wert, an der #12 gepickt zu werden? Immerhin handelt es sich hierbei um eines der lautesten D’oh!s des Drafts 2011.

Der Ponder-Pick macht insofern Sinn, weil auch ein eingekaufter McNabb teuer gewesen wäre und die Vikes damit einen alten Spielmacher kurz vor der Rente bekommen hätten. Ponder ist grundsolides Material, bescheiden, intelligent, aber Ponder ist verletzungsanfällig und vor allem: Kein Mensch sah ihn so früh off the board gehen. Das absurde Verlangen der Teams nach Franchise-QBs hat nun aber auch Minnesota erwischt.

Angenehm für Ponder: Die Offense wird um Laufspiel gebaut werden und womöglich muss er nicht schon in Woche 1 hinaus ins Getümmel. Und in Runde 2 hat Minnesota mit TE Kyle Rudolph die in der NFL so wichtige Anspielstation für die RedZone eingekauft. Minnesota spielt auffällig häufig mit mehreren Tight Ends. Die Auswahl ist nun groß: Der gute Blocker Kleinsasser, der solide Receiver Shiancoe und der starke Passempfänger Rudolph.

In den späteren Runden dann haufenweise Spieler, die man versuchen wird, ins System einzubauen. DT/DE Chris Ballard zum Beispiel, sicherlich gedacht, womöglich langfristig die Lücke Pat Williams zu schließen. CB Brandon Burton dürfte bei der schwachen Secondary der Vikings bestimmt zu seinen Einsätzen kommen, vor allem, wenn Lito Sheppard vom Schiff gejagt wird.

OT DeMarcus Love wird womöglich irgendwann als Ersatz für den RT Phil Loadholt gedacht sein, mit dem man in den Twin Cities alles andere als zufrieden ist. Ob man allerdings einen Pick aus der sechsten Runde sofort in die Startaufstellung platziert?

S Mistral Raymond? Ein Safety? Einer von zirka zweihundertzweiunddreißig Safetys, die die Vikes in den letzten beiden Jahren eingekauft haben. Gut genug war bisher keiner. Die späten Picks dürften eher dem Konkurrenzkampf um Kaderplätze geschuldet sein, wenn ich sehe, wie viele Defensive Ends und Wide Receivers in Minnesota herumlaufen.

Summa summarum

Im Prinzip ein nachvollziehbarer Draft der Vikings. Ponder gilt als etwas sehr hoch gedraftet, vielleicht nicht das, was man maximum value nennt, aber wenn man sich anschaut, wie schnell auch am Freitag die ersten QBs weggingen, dann ist Frische-Semmel-Ponder an #12 sogar wieder nachvollziehbar. Das nächstliebste nach Frischkohle ist in der NFL ein guter Quarterback.

Jetzt bleibt zu hoffen, dass Ponder schnell integriert werden kann und gesund bleibt. Denn RB Adrian Peterson wird nicht ewig die Offense tragen können und wenn Ponder zu lange braucht, ist Peterson bis dahin verbrannt.

NFL Draft 2011 Countdown T-minus 8 – Die Quarterbacks

Quarterbacks stehen in Amerika im Fokus wie keine andere Position. Und das sportartübergreifend. Quarterbacks sind Halbgötter oder Versager, Sieggaranten oder Schuldige am Scheitern. Sie sind diejenigen, die einer Mannschaft ein Gesicht geben.

Das Gesicht des NFL Drafts 2011 ist schon vor Monaten verschwunden. Ausgerechnet im Jahr des Quarterbacks (kein Witz) hat sich QB Andrew Luck von der Stanford University frühzeitig gegen die NFL und für ein weiteres Jahr College entschieden. Lucks Rückzieher hat die Tore für eine ganze Horde unterschiedlichster QB-Typen geöffnet.

Die im Rampenlicht

Die Katze – Statt des meistgehypten QB-Anwärters seit Jahren gilt nun QB Cam Newton von der Auburn University als aufregendster Mann. Über Cam Newton ist vieles gesagt und geschrieben worden. Großgewachsen wie ein Wide Receiver, athletisch wie ein verkappter Running Back, geschmeidig wie eine Katze. Ein Wurfarm, der in manchen Polizeirevieren unter die Waffenscheinpflicht fallen würde. Aber auch ein Senkrechtstarter, gekommen aus dem Nichts und völlig unerfahren in NFL-ähnlichen Spielsystemen.

Ich wurde auf Newton aufmerksam in einer Samstagnacht im letzten Oktober. Augen nach durchzechter Nacht inklusive Samstags-Seminar nur noch dank Zahnstocher auf Halbmast. Und dann, irgendwann im ersten oder zweiten Viertel gegen die LSU Tigers zündete irgendwo auf dem Spielfeld ein Turbo – der Co-Kommentator spritzt sich fast einen ab mit seiner acceleration, obwohl… oh my gosh trifft es schon recht genau.

In der Combine glänzte Newton durch eine Serie an Fehlwürfen und sorgte später für aufjaulende Alarmsirenen, als er seine Vision vom Helden und Werbesuperstar preisgab. Wer solches von sich gab, ist meist schnell von der Bühne „NFL“ verschwunden – sagt die Erfahrung.

Ein wenig euphorisches Bild von Newton zeichnet Nolan Nawrocki (Pro Football Weekly):

Very disingenuous — has a fake smile; comes off as very scripted and has a selfish, me-first makeup; Always knows where the cameras are and plays to them.  Has an enormous ego with a sense of entitlement that continually invites trouble and makes him believe he is above the law; Lacks accountability, focus and trustworthiness; Not dependable.

Starker Tobak. Aber der Beobachter dieser Macken hat einst ein überraschend präzises „Gutachten“ zu Jabustus Russell geschrieben.

Der Profiteur – Ebenso scheinbar aus dem Nichts ist Mizzous Blaine Gabbert geschossen. Gabbert ist ein Hüne von einem Mann. Entscheidungsfreudig, aber profillos und mit seinen traurig dreinblickenden Augen stets im Halbschlaf wirkend. Aus Gabberts College-Zeit bleibt das Eli-Fieber übrig (Stichwort aufgescheuchtes Huhn unter Druck). Und Bälle, die zwei Meter links oder einskommasieben Meter rechts am Receiver vorbeisegelten. Gabbert ist IMHO ein Produkt des Medienhypes, der auflagenbedingt nach Lucks Rückzieher einen „Nachfolger“ als #1-QB aufbauen musste.

Positiv: Es wird nicht lange über Blaine Gabberts Arbeitmoral debattiert. Gabbert – gefühlt der Typus QB, der Ende der 1. Runde gedraftet wird, die letzten 2-3 Spiele im ersten Jahr startet und dann leise, ganz leise, die Offense übernimmt. Aber als #1-Pick?

Ick weiß nicht. Ich würde die Finger von Newton und/oder Gabbert lassen.

Gabbert/Newton gelten als die beiden Top-QBs im Draft. Nicht ausgeschlossen, dass Carolina einen an #1 draftet. Aber auch nicht unmöglich, dass nur einer oder gar keiner von beiden in den Top 10 weggeht – obwohl, es draften immer noch Amerikaner.

Die Garde eins b bis zwei

Das dunkle Pferd – Der Hinter dem Spitzen-Duo hat sich als #3 Washingtons Jake Locker positioniert. Locker galt vor einem Jahr als Top-Pick, entschied sich aber für ein weiteres Jahr am College. Keine gute Entscheidung. Locker hat seit einer faden Vorstellung gegen Nebraska Ende September immer schwächere Leistungen gezeigt und ist in sämtlichen Big Boards abgestürzt. Großartige Athletik zeichnen Locker im positiven Sinne aus. Aber Locker hat die Tendenz, in schöner unregelmäßiger Regelmäßigkeit sehr ungenaue Würfe einzustreuen. Gilt als zu entwickelnder Risiko-Pick für die erste oder frühe zweite Runde, vielleicht Seattle, die einen Nachfolger für Matt Hasselbeck brauchen. Damit könnte Locker auch gleich in der Stadt bleiben.

Hm. System- und Coachingfragen mal zur Seite geschoben. Ich bin bei allen dreien sehr skeptisch. Als Einschub: Auch bei Herrmann/Vier Viertel ist die QB-Frage schon thematisiert worden. Subjektiv und analytisch:

Subjektiv (in den Kommentaren)
Analytisch

Hinter den Top 3 folgen eine Reihe QBs, die es unter Umständen in die erste Runde schaffen könnten. Auffallend ist die breite Vielfalt.

Der Kokser – Da wäre zum ersten QB Ryan Mallett, der ehemalige QB der Arkansas Razorbacks und Michigan Wolverines. Mallett ist gesegnet mit einem Wurfarm, der Freunde des „vertikalen Spiels“ die Höschen nässt, aber auch umrankt von zwiespältigen Gerüchten. Mallett ist ein Produkt einer Bobby-Petrino-Offense und fast alle Bobby-Petrino-Quarterbacks gelten als NFL-Flops. Da wird man schnell mal in Sippenhaft genommen. Schlimmer noch: Mallett gilt als eigensinniger und lernresistenter junger Mann und ist umweht von Koks-Geschichten. Nichts Genaues erfährt man nicht, aber auch wenn niemand konkret wird, so soll Mallett einen verheerenden Ruf unter dem Großteil der Scouts genießen. Für Mallett zeigt der Pfeil nach unten.

Scout: Mallett ist so beweglich wie eine Scheibe Schüttelbrot.
Malletts Reaktion: Ich bin eben kein Vick.

Eigentlich keine schlimme Reaktion. „Eigentlich“, aber wenn du mal in der Schublade steckst…

Der Ruhige – Auf dem aufsteigenden Ast ist dagegen QB Christian Ponder von der Florida State University. Ich habe Ponder dank einer befreundeten FSU-Studentin seit Jahren etwas genauer verfolgt und muss sagen: Ich verstand nie, was man (bzw. frau) an Ponder so großartig fand. Statur und Anlagen passen, Ponder soll ein Leadertyp par excellence sein und ein helles Köpfchen, aber im Spiel selbst war Ponder nie der dominante Mann. Fand ich. Nun stand Ponder bei mir dank der Bodyguard-Geschichte auch im Ruf des Schnösels, aber mittlerweile finde ich ihn immer mehr angenehm bescheiden und bin immer mehr Fan geworden. Kandidat für die zweite Runde, der mit ein, zwei Jahren Aufbauarbeit vielleicht wirklich irgendwann mal das Franchise-Gesicht in einer quicken Kurzpass-Offense geben kann. Größtes Fragezeichen sind seine anhaltenden Schulterprobleme (Matt Stafford, anyone?).

Der Schotte – Seit der begeisternden Rose Bowl ist auch Andy Dalton bei mir hoch im Kurs. Dalton hat dank Sommersprossen und roten Stoppelhaaren ein eher „britisches“ Äußeres und erinnert eher an einen schottischen Säufer denn einen Franchise-QB, aber man sollte den TCU-Abgänger Andy Dalton ernst nehmen. Obwohl nicht der größte QB, hat Dalton keinen Schiss vor schneller Entscheidungsfindung und ich unterstelle ihm jetzt einfach mal eine satte Portion Arbeitsmoral.

Die lange Nase – Glaubt man einigen wenigen Fachmedien, so könnten auch noch Colin Kaepernicks Aktien im letzten Moment steigen. Der lange Schlacks mit dem Kanonenarm hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Geboren als Mischlingskind in Wisconsin, aufgewachsen und gehänselt von seinen Klassenkameraden als adoptierter Trabant in Kalifornien. Auf der Suche nach einem geeigneten College wurde Kaepernick von Boise State abgewiesen. Auf dem Rückweg nach Hause machte Kaepernick kurzentschlossen einen schnellen Zwischenstopp in Reno, Nevada. Resultat: Kaepernick ist heute einer der besten Wolfpack-Spieler ever. Im vergangenen Herbst putzte Kaepernick in einem denkwürdigen Spiel Boise State 34-31 in der Verlängerung. Über dieses und jenes und einen coolen Zwischenfall in einem Sportladen hat die New York Times im vergangenen Sommer geschrieben.

Best of the Rest

Wir kommen zum Rest. Zu den Spielern, wo Scouts Jahr für Jahr den „nächsten Tom Brady“ suchen.

Greg McElroywelcome back. Ich mag McElroy, obwohl ich in ihm keinen Mann für die ganz große Verantwortung sehe. Wenn es eng wurde, tendierte mir McElroy stets zu eher unüberlegten Leistungen. Aber McElroy ist ein hoch intelligenter Knabe (Wonderlic: 48 ist nicht überraschend), sehr gebildet und bescheiden. Der nette Typ von nebenan. Ein Backup, der keinen Stunk macht und den du für zwei Viertel für deinen verletzten Starter einwechseln kannst.

Pat Devlin galt vor drei Monaten als potenzieller Überraschungs-QB, aber aus nicht ganz klaren Gründen hat die Delaware/Joeflacco-Magie nicht bis zum Draft durchgehalten und Devlin wird allenfalls eine Chance für die Runden 5-7 eingeräumt.

Iowas Ricky Stanzi ist zu ungeschliffen für einen hohen Pick. VTs Tyrod Taylor ist zwar der vermutlich beweglichste aller Quarterbacks, steht aber neben den Schuhen, wenn es um tiefe Bälle geht. Vielleicht wird er umgeschult. North Carolinas T.J. Yates gilt als recht beschränkt, aber als potenzieller ruhiger Backup-QB, als Teamplayer. Ob es überhaupt reicht, um gepickt zu werden?

Von einem absurd kleinen College kommt QB Joshua Portis, der auf diesem Blog schon gelobt wurde. Portis hat in der Division II gespielt, an der California University of Pennsylvania. Wer das College nun in Kalifornien sucht, wird rund 2000 Meilen daneben liegen. Das College liegt in California, PA, nicht in Kalifornien. Portis selbst war einst Backup von Tim Tebow (wie übrigens auch Cam Newton) an der University of Florida und hat später mit Ladendiebstählen für Action gesorgt.

Völlig unbekannt ist QB Mike Coughlin, ein ehemaliger Boise State Bronco. Coughlin stand in Boise im Schatten von Kellen Moore, und soll einer der meistunterschätzten Leute des Drafts sein.

Um es am Ende mal geschrieben zu haben: Ich wäre als GM tatsächlich nur an Ponder und Dalton interessiert. Newton nur dann, wenn ich einen intelligent/kreativen Coach in einer beschaulichen Umgebung mit geduldigen Fans habe – bloß, wo in der NFL-Welt kriege ich sowas?