Spätschicht am Sonntag bot mit den unterhaltsamsten NFL-Football in der kompletten laufenden Saison. Ein Protokoll. Weiterlesen
Chuck Pagano
Das Date am Donnerstag, das könnte romantischer sein: Houston Texans – Indianapolis Colts | NFL 2015, Week 5 Preview
Donnerstagsspiel der NFL heute Nacht, ab 2h30 live bei SPOX.com, SPORT1 US und im Gamepass: Houston Texans (1-3) vs Indianapolis Colts (2-2) um die Führung in der schwächsten Division der NFL, der AFC South. Weiterlesen
Notizblock Divisional Playoffs: Überall Trolle!
Am schönsten Wochenende des Jahres waren ungewöhnlich viele Trolle unterwegs. Jimmy Graham trollte sich in die Lächerlichkeit. Bill Belichick festigte seine Rolle als Obertroll. In Carolina trollten sich alle Beteiligten gegenseitig. In Denver ferntrollte Peyton Manning eventuell Tom Brady und nachdem am Sonnabend wir Footballnerds im Internet die Footballfans an den Sat.1-Mikrofonen getrollt haben, trollten Jan Stecker und Frank Buschmann ganz lässig direkt aus dem Fernseher zurück. Damit haben Buschi und Stecker jetzt auf jeden Fall das Momentum auf ihrer Seite. Bevor wir alle im storyline overkill mit Brady/Manning beziehungsweise Hammer-Hawks gegen Nickeligkeits-Niners verschüttet werden und uns auf Buschi-Ausraster wie im United Center annodazumal freuen, schnell nochmal ein launiger Rückblick auf die vier Spiele vom Wochenende.
New Orleans Saints 15, Seattle Seahawks 23
In der “It´s a passing league, stupid” wurde am Wochenende ungewöhnlich viel gelaufen. Das ging schon los im – zugegebenermaßen kalten, nassen und windigen – Seattle. Der siegreiche QB Russel Wilson hatte am Ende ganze neun completions. Aber mit Beast Mode und einer bärenstarken Defense war das völlig ausreichend.
Die Saints sind auch gelaufen. Richtig gut sogar. Leider gingen gleich zu Beginn einige kleine Dinge schief (verschossenes Field Goal, Fumble) und schon stand es 16-0. Weil auch danach Drew Brees, der sichtlich unter den Wetterungsbedingungen litt, kein großer Wurf gelingen wollen, kam New Orleans bis kurz vor Schluß auch nie wirklich in Schlagdistanz.
Einiges hing an dem vielen Gelaufe, aber vor allem an der Abwesenheit des Möchtegern-Trolls Jimmy Graham. Vor dem Spiel hat er den Körperkontakt händeringend gesucht, im Spiel selbst ist er dann selbigem tunlichst aus dem Weg gegangen. So war Graham dann nicht die gefährlichste Waffe auf dem Feld, sondern die größte Lachnummer.
Geglänzt haben beide Verteidigungsreihen. Seattles sowieso mit der scheinbar unendlich tiefen Rotation an fähigen pass rushers; die der Saints aber auch, die ungemein diszipliniert in ihrer Aggressivität gespielt hat. Die zwei, drei schlimmen missed tackles sollten eigentlich vom Angriff ausgeglichen werden.
Indianapolis Colts 22, New England Patriots 43
21 Punkte Rückstand, viertes Viertel, 4th&1 – Chuck Pagano läßt punten. Das ist ein Kündigungsgrund! Absolut unverzeihlich. Und so wie es aussah, wollte Andrew Luck ihm auch nicht an die Gurgel. Der sollte gleich mit gefeuert werden. Man muß nicht gerade Atomphysik studiert haben, um zu kapieren, daß die Siegchancen mit dem Punt von “sehr klein” auf “minus 1000” gesunken sind.
Und gerade so wie Luck gespielt hat, hätte gar nichts schiefgehen können. Entweder er hätte einen weiteren unfaßbaren Ball geworfen und das Spiel spannend gemacht oder jemand der seit etlichen Jahren endlich mal wieder Patriots-mäßigen Patriots-Secondary hätte eine INT zum TD zurückgetragen – und Luck hätte nochmal einen 28 Punkte Rückstand aufholen können.
Auf der anderen Seite haben die Pats mit durchschlagendem Erfolg das gemacht, was die Colts eigentlich die gesamte Saison über mit einbrechendem Mißerfolg versucht haben: smashmouth football. Erst laufen, dann laufen, dann screen pass, dann laufen, dann play action, dann Lauf in die Endzone. Was den Colts vor allem dafür fehlt, ist nicht unbedingt ein LaGarette Blount, sondern linemen, die Löcher reißen können; einen Fullback wie James Develin und einen Tight End, der Leute in die falsche Ecke stellt wie Michael Hoomanawanui.
Um das Paßspiel müssen sie sich weniger Sorgen machen. Da steht Andrew Luck auf dem Weg zu mehr MVP-Titeln als seinem Vorgänger in den nächsten Jahren nur Aaron Rodgers im Weg. Schön für die Colts auch, daß nächstes Jahr TE Dwayne Allen und Guard Donald Thomas (kam von den Patriots) von der IR quasi kostenlose Neuzugänge sind. Vielleicht hat ja sogar Reggie Wayne noch eine starke Saison im Tank.
Getrollt wurde auch hier, nämlich vom Obertroll Belichick. Von der Position, von der Pagano trotteligerweise hat punten lassen (IND 28 oder so), haben die Patriots dann trolligerweise gepuntet. Für sechs (Netto-)Yards. Das fand Belly bestimmt noch witziger als kurz vor Weihnachten, als er nach seinem liebsten Weihnachtssong gefragt wurde.
San Francisco 49ers 23, Carolina Panthers 10
In Carolina konnte man das Gegenteil des Spiels in Seattle sehen. Beide Mannschaften waren ebenso aggressiv wie Saints und Seahawks, aber teilweise peinlich undiszipliniert. Ihren großen Teil beigetragen haben die Schiedsrichter, die kaum die vielen Nickeligkeiten unterbinden konnten und sogar offensichtlichste Kopfstöße haben durchgehen lassen. Dazu kamen dann auch noch Nachlässigkeiten, die in einem Playffspiel niemals passieren dürfen. (Mike Pereira hat das hier alles kommentiert.)
Letztlich hat San Fran in der zweiten Hälfte eine überragende Leistung gezeigt und damit verdient gewonnen. Für Carolina muß es nun darum gehen, Cam Newton endlich mal vernünftige skill players zur Seite zu stellen. Newton selbst hatte in der ersten Halbzeit einige hervorragende Würfe unter Druck, bei denen er selbst nur auf dem großen Zeh stehend genaue Rakteten abgefeuert hat. In der zweiten Hälfte kam von ihm auch nicht mehr viel, da hatten seine OLine und sein schlechtes receiving corps um den humpelnden Steve Smith ihn aber auch schon im Stich gelassen.
Jim Harbaugh hat in diesem Spiel den Refs die Rolle als Head Troll genommen und Sympathien verspielt. Es gibt eine Linie zwischen „leidenschaftlich“ und „unsportlich“ beziehungsweise dumm. Er stand auf der falschen. Er wurde dafür sogar einmal bestraft. Wenn er sich weiterhin nicht unter Kontrolle hat, wird seine Rumpelstilzchenhaftigkeit – inklusive meterweit aufs Spielfeld rennen und Schiedsrichter mit Schimpftiraden eindecken – seiner Mannschaft nochmal in einer wichtigen Situation auf die Füße fallen.
San Diego Chargers 17, Denver Broncos 24
In Denvers Mile High hat erstmal Peyton Manning getrollt. Bevor er San Diegos Verteidiger mit endlosen Variationen seiner hard-count-/”Omaha”-Combo offenbar gehirnerschüttert hat, rief er mehrmals “Heidi, Heidi!” in die Landschaft. War das ein Ferntrollversuch gegen Brady, der im Regular Season Game gegen die Broncos nach “Cougar, Cougar!” verlangt hat, bevor er mit “Linda, Linda!” seine Träume von Belichicks Freundin öffentlich machte?
Wer Heidi ist, wissen wir immer noch nicht (Internet, come on!), aber Chargers HC Mike McCoy hat sich anscheinend zu viele alte gametapes von Marty Schottenheimer angesehen. RunRunPassPunt hat in den ersten drei Vierteln nix Zählbares eingebracht.
Nach der verkorksten Wiederaufnahme des NFL-Repertoireklassikers “Marty Ball” in den diesjährigen Spielplan ist McCoy nun nicht nur bei korsakoff durch jeden Rost gefallen. Nachdem Philip Rivers im vierten Viertel endlich seine seltsamen, aber erfolgreichen Kugelstoßerimitationen zeigen durfte, wurde das Spiel nochmal spannend. Immerhin hat WR Keenan Allen nach diesem Spiel die Rookie of the Year Trophäe sicher.
Weil Peyton Manning gewohnheitsmäßig auf die Einladung zum Laufen gegen six men boxes oft eingegangen ist, war das größtenteils eine ziemlich zähe Angelegenheit. Zum Schluß wurden aber alle noch dafür belohnt mit einer Aufholjagd, einem der besten Onside Kicks, die man jemals sehen wird und vor allem mit einem beeindruckenden match winner Peyton Manning. Es ist ein bißchen untergegangen, aber bei den beiden wichtigsten 3rd Downs, als San Diego nur einen Touchdown im Rückstand war, hat Manning mit schwierigen Pässen das Spiel gewonnen. In den Playoffs, draußen, in der Kälte. Nur die pundits und yada-yada-Typen werden das wohl wieder geflissentlich übergehen.
Und auch nicht vergessen sollte man den gefährlichen turf troll, der Eric Decker verfolgt. In diesem Spiel hat er wieder zugeschlagen. Auch beim ersten Mal ging es gegen Denver.
http://www.nfl.com/videos/nfl-game-highlights/0ap1000000080915/Decker-hits-the-deck
Vor dem Wild Card Weekend 2013/14 am Samstag: Indianapolis Colts – Kansas City Chiefs Preview
Die NFL-Playoffs haben uns wieder! Heute Abend ab 22h35 geht es los mit dem ersten Wildcard-Spiel. Die NFL-Playoffs sind jedes Jahr ein absolutes Highlight des Sportjahres. Sie laufen nach dem Prinzip do or die ab. Keine best of-Serie, kein Rückspiel. Verliere und fahre heim. Und das nicht in langweiligen Runden wie Achtelfinale, Viertelfinale, Halbfinale, sondern in Wildcard Weekend, Divisional Playoffs, Conference-Championships und Super Bowl.
Den Auftakt dieses Jahr machen die Sieger der AFC South, die Indianapolis Colts (11-5) und die Kansas City Chiefs (11-5), Zweite der AFC West. Spielstätte ist das Lucas Oil Stadium in Downtown Indy, eine Halle mit verschließbarem Dach, die eigentlich immer voll ist, aber ausgerechnet im Vorfeld dieses Playoff-Auftakts hatten die Colts Probleme, all ihre Tickets loszuwerden um einen Blackout im heimischen Markt zu verhindern.
Colts gegen Chiefs klingt nicht unbedingt nach einer Top-Paarung. Hier treffen die Teams aufeinander, die in den letzten beiden NFL-Drafts jeweils einen #1-Draftpick hatten, was nix anderes bedeutet, dass sie 2011 (Colts) und 2012 (Chiefs) jeweils die schlechteste Bilanz der Liga gehabt hatten. Die Partie hat aber ihre Reize.
Da wäre zum einen der voluminöse Head Coach der Chiefs, Andy Reid, letztes Jahr mit Schimpf und Schande aus Philadelphia fortgejagt, und nun das (nach Siegen) schlechteste Team der Liga innerhalb eines Jahres in die Playoffs geführt. Reid musste prinzipiell nicht viel mehr anstellen als einen Quarterback einzukaufen (das machte er: Alex Smith) und seiner Offense solideres Spiel einzubläuen (tat er: Nur 18 Turnovers für die Offense). Das reichte gegen einen nicht allzu schweren Schedule für den schnellen Turnaround.
Auf der anderen Seite steht Chuck Pagano den Colts vor. Pagano bestritt sein zweites Jahr als Headcoach, aber 2012 hatte er großteils wegen einer Leukämie-Erkrankung verpasst. 2013 war sein erstes „volles Jahr“, und er beging keine auffälligen Fehler. Vielmehr kann man ihm attestieren, aus einem limitierten Kader nahezu das Optimum herausgewringt zu haben.
Wenn die Colts den Ball halten
Indianapolis erreichte schon im letzten Jahr die Post-Season. Damals spielte die Mannschaft um ihren QB-Grünschnabel #12 Andrew Luck einen risikoreichen Ball mit sehr viel vertikalem Passspiel in der Offense. Das führte zu besseren Ergebnissen als befürchtet, aber man war auch extrem anfällig gegen Turnovers. Als Konsequenz wurde nach dem Abgang des OffCoords Bruce Arians (wurde Headcoach in Arizona) dazu, dass man einen OffCoord Pat Hamilton einstellte, der vor allem dafür bekannt ist, dass er physische Spielweise und Kurzpassspiel bevorzugt.
Das sieht dann so aus: Während Luck 2012 noch in 27% der Pässe mehr als 15yds warf, sind es heuer nur noch 20%. Entsprechend steigerte Luck seine Completion-Rate auch von 54% auf 60%, senkte seine Sack-Quote von 6% auf 5.2% und vor allem: Er warf dieses Jahr nur noch 9 Interceptions im Vergleich zu 19 in der vergangenen Saison.
Luck ist der Mann, der diese Offense definiert. Es laufen zwar nicht mehr so viele Spielzüge durch die Luft, aber zu behaupten, dass Indys Laufspiel effizient wäre, ist eine glatte Übertreibung. RB #34 Trent Richardson wurde nach zwei Wochen teuer aus Cleveland eingekauft, erwies sich aber als gigantischer Bust und hinderte die Offense mit immerhin 157 Carries bei nur 2.9yds/Carry mehr als er ihr geholfen hätte. Richardson ist ein Back, der eigentlich optisch wie ein Star aussieht, allein… der Output ist nicht da.
Indys Offense Line ist trotz einiger teurer Offseason-Einkäufe wie LG Thomas oder RT Cherilus nicht allzu stark besetzt, aber 2.9yds/Carry sind dennoch unterirdisch für NFL-Verhältnisse. Zumal Richardsons Backup, der schmächtig gebaute Donald Brown, mit 5.3yds/Carry und null (!) Fumbles eh die bessere, sicherere Alternative zu sein scheint. Aber das ist kein Laufspiel, das dich tragen kann.
Luck ist meistens gefragt, und er macht seine Sache gemessen an dem Material, mit dem er arbeiten muss, hervorragend: 6.1 NY/A im Passspiel mit Leuten wie WR #13 Hilton (83 Catches, 1086yds, 5 TD, wird in 32% der Fälle tief angespielt), TE #80 Fleener (52 Catches, 608yds, 4 TD) oder Lucks College-Teamkollege WR #17 Whalen (kam vom Practice-Squad) sind eine Hausnummer. Der beste Wide Receiver ist möglicherweise der ungedraftete Rookie #16 Da’rick Rogers, der aber nur in vier Spielen Action sah.
Die Colts-Offense sah vor zwei Wochen im Regular-Season Spiel gegen diese Chiefs recht dominant aus, aber es gibt auf Chiefs-Seite einen großen Neuling im Vergleich zu jenem Spiel: OLB #50 Justin Houston, der in der ersten Saisonhälfte der vermutlich beste Abwehrspieler der Liga war, und danach nach Woche 10 mit diversen Verletzungen ausfiel. Houston soll heute Abend wieder fit sein, und auch ein halbfitter Houston ist ein massives Upgrade für die Chiefs. Am augenscheinlichsten wird das im Passrush zu spüren sein, wo die Chiefs im „Hinspiel“ heftig blitzen mussten und dabei ihr Defensive-Backfield ein ums andere Mal in Bedrängnis brachten.
Wenn du vorne den begnadeten und optisch so einzigartigen OLB #91 Tamba Hali (11 Sacks) mit Houston (11 Sacks in 11 Spielen) mischen kannst, dann wird Luck in der Pocket schneller in Bedrängnis kommen als ihm lieb ist. Luck ist ein fantastischer Quarterback, aber auch er kriegt nasse Füße, wenn die Offense Line ein ums andere Mal zerbröselt wird. Hali soll allerdings „questionable“ sein, könnte, wenn er überhaupt spielt, nur mit halber Kraft auflaufen.
Die Chance für die Colts ist das nur durchschnittlich besetzte Defensive Backfield der Chiefs. Kansas City machte zwar bockstarke 21 Interceptions im Saisonverlauf, aber bis auf den Super-Safety #29 Berry („The Fifth Dimension“) spielt kein DB eine wirklich gute Saison: Bei dem Rookie #31 Cooper dachte man, einen ganz großen Fang gemacht zu haben, bis Cooper von Peyton Manning zweimal hintereinander in Fetzen zerrissen wurde und seither als Nervenbündel auf der Bank hockt.
Fix ist nur: Luck wird das Spiel tragen müssen. Laufspiel geht keine eine Defensive-Front mit einem NT-Monster wie #92 Dontari Poe (346 Pfund, gilt unisono als All-Pro Kandidat) und einem DE #94 Tyson Jackson (spielt sein bestes Profijahr) nicht.
Wenn die Chiefs den Ball halten
Die Chiefs-Offense ist relativ einfach erklärt: Gib RB #25 Jamaal Charles den Ball und bläue QB #11 Alex Smith so lange ein, ja keine Turnovers zu begehen, dass Smith sich nicht mehr traut, das Ei weiter als 10yds zu werfen. Eine Strategie, die funktioniert, solange die Chiefs in engen Spielen oder mit Führung spielen. Die Offense ist nicht explosiv, sie ist sogar ziemlich ineffizient (5.7 NY/A Passspiel ist unteres NFL-Drittel), aber sie vermeidet die Ballverluste: 18 Turnovers in 16 Spielen sind ein sehr guter Wert.
Charles ist der Schlüsselspieler: Das ist ein Runningback, der in seinen ersten Profijahren vorwiegend als change of pace-Back eingesetzt wurde und als solcher Berühmtheit erlangte, weil er jedes Jahr 5-6yds/Carry erzielte – Werte, die kein anderer NFL-Back über so lange Zeiträume annähernd einhalten konnte. Charles lieferte auch heuer wieder: 259 Carries, 1287yds (5.0yds/Carry) für 12 TD, und 70 Catches für 693yds und 7 TD. Das sind erstklassige Zahlen, noch dazu für einen Back, der ohne ernst zu nehmende Passspiel-Entlastung auskommen muss, und dessen Offense Line… hm… banal ist. Allerdings setzen die Chiefs fast zu oft auf Laufspiel und Charles: In EPA-Zahlen liest sich Charles’ Saison eher ineffizient.
Gegen Indianapolis könnte es jedoch eine gute Idee sein, viel Charles einzusetzen, denn die Colts-Abwehr strahlt eigentlich nur im Passrush Gefahr aus: Hier wäre OLB #98 Mathis zu nennen, der aktuelle Sack-Champion der NFL mit 19.5 Stück. Man hat Mathis wohl lange Zeit unterschätzt, aber dieses Jahr war er als Alleinunterhalter durchaus ein wichtiger Faktor für eine andernfalls recht unzuverlässige Defense.
Indys Lauf-Defense ist in Run-Success Rate (55%) und Y/A (4.5) jeweils recht weit unterdurchschnittlich. Die Offense Line der Chiefs ist keine Elite-Einheit, aber sie bekommt im Vergleich zum ersten Spiel diesmal in LT Brandon Albert eine Verstärkung zurück. Dafür fällt heute Abend RT Eric Fisher (#1-Draftpick 2013) aus.
Es ist das gefühlt engste Matchup vor diesem Wildcard-Weekend. Eine Prognose ist eigentlich qua Design zum Scheitern verurteilt. Es ist das Spiel eines QB-Jungstars Luck gegen eine potenziell hervorragende Defense, und das Spiel einer „Alte-Schule“ Offense gegen ein one trick pony an Defense. Kurz gesagt wird für die Chiefs viel davon abhängen, ob Charles in Gang kommt und Smith ohne Turnovers auskommt. Geschieht das, haben die Chiefs eine gute Chance, das Spiel zu gewinnen. Gehen die Colts aber früh in Führung, könnte das Spiel ähnlich laufen wie das „Hinspiel“.
Alle Faktoren zusammengerechnet, sehe ich Indianapolis zuhause leicht im Vorteil. Es ist aber kein Tipp, auf den ich Geld setzen würde.
Chuck Strong
Beim neuen Coach der Indianapolis Colts, Chuck Pagano, ist gestern Nacht eine – heilbare Form von – Leukämie diagnostiziert worden. Die Nachricht kommt hierzulande wie ein Schock. Pagano ist erst seit wenigen Monaten sportlicher Leiter der Colts und ich hörte bislang nur Gutes über ihn. Bei der Verkündung der bitteren Nachricht sollen mehrere Spieler in Tränen ausgebrochen sein.
Pagano wird wenigstens vier bis sechs Wochen ausfallen, soll aber bereits seinen Kampfesmut und die Freude auf die Rückkehr zum Training bekräftigt haben. So lange wird Pagano einer Chemotherapie unterzogen, eingesperrt ihn in eine Art quarantäneartige Isolation, wo ihn nur die engsten Familienangehörigen besuchen dürfen.
Die Indianapolis Colts haben schnell reagiert und den Offensive Coordinator Bruce Arians zum Interimscoach genannt. Die Bilder eines schluchzenden Arians auf der Pressekonferenz waren berührend. Arians sagte, selbst ein Krebspatient gewesen zu sein, und verweigerte mit dunkelroten Augen jeden Kommentar außer den besten Glückwünschen für die ersten sehr schweren Tage Chemotherapie.
Auf Twitter wurde ein Hashtag #chuckstrong eingerichtet, wo die Fans dem erkrankten Coach Mut zusprechen sollen.
Glaskugel 2012: Indianapolis Colts
Hier wird gerade umgebaut. Gehen Sie bitte weiter, es gibt hier nichts zu sehen! Die Colts sind zur Zeit eine einzige Baustelle, auf der zwar noch einige erfahrene Handwerksmeister zugegen sind, aber dies hauptsächlich um die vielen talentierten Stifte anzulernen.
Noch bis 2010 war diese Baustelle das Haus von Peyton Manning. Mit dem Wegbrechen des Fundamentes Manning ist das ganze Haus 2011 einfach eingestürzt. Und was für ein Haus das war! Neun Jahre in Folge mindestens 10 Siege pro Regular Season, neun Mal in Folge in den Playoffs – eine unglaubliche Konstanz, die nicht mal von Belichicks Patriots getoppt werden kann. Daneben hat Peyton noch einige Rekorde aufgestellt, eines der größten Spiele aller Zeiten gemacht (2006 AFC Championship Game) und auch eine Lombardy Trophy in seinen Keller geholt.
Da haben auch immer noch ein paar andere mitgeholfen – Tony Dungy, Marvin Harrison, Reggie Wayne, Tarik Glenn, Dwight Freeney, Bob Sanders, Bill Polian – aber man tut keinem dieser Herren unrecht, wenn man sagt: Peyton Manning war die Colts.
Jetzt ist er es nicht mehr. Nach seiner wieder aufgebrochenen Nacken-/Nervenverletzung und einer ganzen verpaßten Saison mußten die Colts sich entscheiden, ob sie dem 36 Jahre alten Risikopatienten einen $28 Millionen Roster Bonus zahlen oder ob sie nicht lieber das größte Quarterback-Talent seit Peyton Manning (oder wahlweise auch John Elway) draften und um diesen Andrew Luck herum einen neues Haus bauen.
Indy entschied sich für Luck. Auf den Sperrmüll kamen mit dieser Entscheidungen neben Manning auch gleich noch GM Bill Polian, der gesamt Coaching Staff um Jim Caldwell und einige Spieler von Jeff Saturday bis Pierre Garcon. Geblieben von den „großen“ Namen sind nur die DEs Freeney und Robert Mathis sowie WR Wayne.
Neuer Head Coach ist der ehemalige DC der Ravens, Chuck Pagano. Als Coordinators an seine Seite hat sich Pagano Greg Manusky und Bruce Arians geholt. Manusky, ehemals DC der 49ers und Chargers, hat als Linebacker selber noch gegen Peyton Manning gespielt. Arians, stil- und erklärungslos entlassen von den Steelers, hat so seine Erfahrungen mit jungen, talentierten Quarterbacks.
Colts Offense
Der kauzige Mr. Arians began Mitte der 70er Jahre für zwei Dekaden durch die große Assistant-Coaches-Welt in NCAA und NFL zu tingeln. Mississippi State, Temple, Kansas City Chiefs, New Orleans Saints und schließlich 1997 Offensive Coordinator der großen Alabama Crimson Tide. Just 1998 hat dann Jim Mora, HC der Indianapolis Colts, einen guten Mann gesucht, der seinem Rookie-QB eine NFL-Offense näherbringt. Dieser QB, Nr.1 pick selbstverständlich, galt als das größte Talent seit John Elway – Peyton Manning.
Das hat Arians ganz gut gemacht. Nach kurzem Umweg über Cleveland (als OC) landete er dann in Pittsburgh, wo er wieder einen jungen, talentierten QB unter seine Fittiche bekam – Ben Roethlisberger. Das hat auch ganz gut geklappt. Über die Jahre haben Arians/Roethlisberger sich eine sehr schöne Offense installiert, die als eine der wenigen in der NFL noch ein starkes vertikales Element hat. Big Ben war dann auch entsprechend sauer, als er erfuhr, daß er von nun an seinen Weg ohne Arians weitergehen muß, der ihn seine gesamte Karriere über begleitet hat.
Dieser Werdegang prädestiniert Arians dafür, nun auch Andrew Luck den Weg ins NFL-Niveau zu führen. Das witzige an dieser Arians/Luck-Combo ist, daß der heiße College-QB und Fast-Heisman-Gewinner bisher in einem lahmen, euphemistisch „Pro-Style-Offense“ genannten System mit sehr viel 2- und 3-TE-sets gespielt hat, während der ehemalige OC der Pittsburgh Steelers seinen dickarmigen QB am liebsten aus der Shotgun mit 4 WRs quer über das ganze Feld werfen ließ. Man darf gespannt sein, wie die Offense der Colts 2012 aussehen wird.
Schedule
Wk1 @ CHI
Wk2 v MIN
Wk3 v JAX
Wk4 BYE
Wk5 v GB
Wk6 @ NYJ
Wk7 v CLE
Wk8 @ TEN
Wk9 v MIA
Wk10 @ JAX (TNF)
Wk11 @ NE
Wk12 v BUF
Wk13 @ DET
Wk14 v TEN
Wk15 @ HOU
Wk16 @ KC
Wk17 v HOU
Über Luck müssen wir hier nicht mehr viele Worte verlieren. Er ist tatsächlich der „erwachsenste“ College-Quarterback denn ich je gesehen habe. Er hatte alles, aber auch wirklich alles in der Stanford-Offense so souverän unter Kontrolle, daß es wirkte, als hätte der Profi Peyton Manning sich in die Rose Bowl verirrt. Mit einer einmaligen Ruhe und Gelassenheit hat er aus den verschnöselten Cardinal-Jungs einen Bulldozer gemacht.
Talent ist Talent, aber nun ist er in der NFL. Das ist eine andere Welt. Und viel Hilfe wird er neben Arians nicht bekommen. WR Reggie Wayne ist noch da, aber sonst lagen da ab April nur noch Schrott und Ersatzteile rum. Als Ballfänger wären da noch Donnie Avery, ehemals großes Slot-Talent mit drei Catches 2011; die Mensch gewordene Gehirnerschütterung Austin Collie; Blair White, 2011 mit null Catches; und die beiden Rookies T.Y. Hilton und LaVon Brazill.
Der neue GM Ryan Grigson hat sich erstmal dran gemacht, zwei gute Tight Ends für seinen QB zu draften (Dallas Clark und Jacob Tamme sind nicht mehr da). In Runde zwei Lucks alten Stanford-Buddy Coby Fleener und in Runde drei Clemsons Dwayne Allen. Im Backfield lauern noch noch die vom alten Regime hoch gedrafteten RBs Delone Carter und Donald Brown, die beide bis jetzt aber nicht viel reißen konnte.
Offensive Line ist noch schlimmer. Peytons Alter Ego, Center Jeff Saturday ist weg und die anderen vier waren eh unterste Kanone. Die O-Line wurde in den letzten Jahren von Polian sträflich vernachlässigt. Im letzten Jahr immerhin hat man in den ersten beiden Runden zwei Tackles verpflichtet. Anthony Castonzo hatte die ganze Saison über mit einigen Wehwechen zu kämpfen, während Ben Ijalana sich das Kreuzbandriß, sich durch die Reha quälte um sich dann im Trainings Camp erneut das Kreuzband zu zerstören. Daraufhin wurde er entlassen. Sad story.
Als Center wurde Samson Satele verpflichtet, aber wenn man sich die restlichen Namen so anguckt – Winston Justice, Jeff Linkenbach, Joe Reitz, Seth Olsen – da kann sich Luck schon mal ein Schmerztabletten-Abo bestellen.
Colts Defense
Die größte Story in der Defense ist die Umstellung von 4-3 auf das Pagano´sche 3-4, was allenthalben für Kopfschütteln gesorgt hat, weil die beiden besten Spieler, Freeney und Mathis, da scheinbar gar nicht reinpassen. Um das noch mal klarzustellen: für Freeney wird sich nicht viel ändern, er wird einfach die Terrell-Suggs-Rolle spielen, also fast einen klassischen Defensive End. Für Mathis wird es etwas schwieriger. Er muß wohl zumindest in der Base-D die Jarett-Johnson-Rolle übernehmen und den edge setter geben, der keine Läufe über außen zuläßt. Aber da Indys Gegner bei dem horrenden Defensive Backfield wahrscheinlich eh 60 Pässe pro Spiel werfen werden, können die Colts gleich in Nickel- oder Dime-D bleiben und da ist Mathis ein reiner Pass Rusher wie auch zuvor.
Zur Secondary. Antoine Bethea ist ein sehr guter Safety, er bekommt nur leider überhaupt keine Presse. Als Peyton noch da war hat das von vornherein niemanden interessiert und letztes Jahr war Bethea dann verloren zwischen den ganzen Krücken. Neben Bethea wird wahrscheinlich Tom Zbikowski spielen, der jahrelang bei den Ravens von Ed Reed, Rex Ryan und Pagano gelernt hat. Safeties also gut.
Aber die Cornerbacks sind absolut nicht NFL-tauglich. Jerraud Powers ist noch der einzige, der zumindest simple Aufgaben in zone coverage einigermaßen ausfüllen kann. Daneben stehen so Größen wie Justin King, Terrence Johnson, DJ Johnson und Brandon King. Das ist fast schon eine dreiste Frechheit, mit so einer Secondary gegen die Patriots oder Packers antreten zu wollen.
Bei den Linebackers stehen mit Pat Angerer und Kavell Conner zwei junge Typen, die zumindest durchschnittlich gut sind und auch noch besser werden können. Daneben kennt man noch Neuzugang Moise Fokou aus Philadelphia vom „Oh-war-das-schon-wieder-dieser-Fokou-der-da-gerade-gar-nicht-durchgesehen-hat“-sagen. Der Rest sind Rookies und letztjährige Rookies.
Um die Defensive Line komplett zu machen, seien auch noch Fili Moala und Drake Nevis zu erwähnen, beide sehr jung, aber gar nicht sehr gut. Aus Baltimore hat sich Pagano zur Verstärkung die beiden Riesen Brandon McKinney und Cory Redding geholt. Immerhin kennen die das System.
Ausblick Colts
Insgesamt ist das nix in der Defense. Jeweils ein sehr guten Pass Rusher und Saftey umgeben von einem weiteren guten Pass Rusher und zwei, drei anderen mittelmäßigen Spielern, während der Rest deutlich unterdurchschnittlich ist – was soll das werden? Andrew Luck wird wohl den Rekord für die meisten Paßversuche als Rookie aufstellen, weil die Colts so oft großen Rückständen hinterherlaufen müssen. Ganz in Ruhe um- und aufbauen ist angesagt. Die AFC South ist wohl die schwächste Division mit ebenfalls umbauenden Jaguars, mittelmäßigen Titans und geschwächten Texans. Aber trotzdem gibt es nicht die kleinste Hoffnung auf die Playoffs.
Glaskugel 2012: Baltimore Ravens
Die Baltimore Ravens sind ein überschätztes Team, das mindestens im letzten Jahr völlig über seine Verhältnisse gespielt hat. Joe Flacco kratzt nicht mal am Top-10-QB-Status. Offensive Coordinator ist ein älterer Brian Schottenheimer, der sich für das klügste Mastermind der Liga hält, aber oft einfach nur albernern Quatsch macht. Die Defense wird getragen von von einem 37 Jahre alten Linebacker, der schon lange seine physischen Verfallserscheinungen nicht mehr mit Feuer und Wille wettmachen kann. Der zweite Eckpfeiler, Safety Ed Reed, hat zum wiederholten Male ernsthaft überlegt zurückzutreten, weil seine Knochen nur noch eine Packung Cornflakes sind. Der wahre MVP und Defensive Player of the Year, Terrell Suggs, hat sich die Achillessehne gerissen und ist vielleicht 2013 wieder auf seinem alten Niveau. Einen erstklassigen WR kennt man in Baltimore nur aus dem Fernsehen. “Superstar” Michael Oher ist auch nur ein Fernseh- oder Kinostar. Ray Rice, der beste Angreifer, schert sich nur um seine Kohle und nicht um den um ihn herum verfallenden Haufen, in dem ein 200kg schwerer Rentner die Blind Side verteidigt. Schließlich ist auch noch der Defensive Coordinator abgehauen.
Damit geben wir nun ab zu Alters Ego, der sich mit tatsächlichen Ergebnissen und Zahlen beschäftigt. Die Ravens haben unter John Harbaugh, seit 2008, 44 Spiele in der Regular Season gewonnen; fünf Playoffsiege eingefahren, davon vier auswärts; und standen zwei Mal im AFC Championship Game. Alle Playoff-Teams, gegen die Baltimore letzte Saison gespielt hat, wurden geschlagen: 2x Steelers, 2x Texans, 2x Bengals plus die 49ers. Nur gegen die Patriots haben sie verloren, im Championship Game – aber auch das erst, nachdem sie den Game-Winning-TD eigentlich schon hatten und nachdem ihr Idiot Kicker ein 23-Yard-FG in die Rabatten gejagt hat.
Offense
Schedule
Wk1 v CIN (MNF)
Wk2 @ PHI
Wk3 v NE (SNF)
Wk4 v CLE (TNF)
Wk5 @ KC
Wk6 v DAL
Wk7 @ HOU
Wk8 BYE
Wk9 @ CLE
Wk10 v OAK
Wk11 @ PIT (SNF)
Wk12 @ SD
Wk13 v PIT
Wk14 @ WAS
Wk15 v DEN
Wk16 v NYG
Wk17 @ CIN
Alter guckt sich auf diesen Absatz Egos hin die Offense genauer an und meint, ich bleib dabei: überschätzt. Joe Flacco bringt nicht mal 58% seiner Pässe an den Mann, schafft keine 7 Yards/Paßversuch und sein QB-Rating ist auf Mark-Sanchez-Niveau. Und ja, Rumbling RB Ray Rice from Rutgers ist ein Guter, aber: 1364 Yards, von denen 400 (!) in zwei Spielen gegen Browns und Bengals kamen? 11 Spiele mit weniger als 90 Rushing Yards? In den Playoffs 42 Läufe für 127 Yards – 3,0 Yds/Carry?!? Und wer spielt da nochmal WR? Anquan Boldin, der in seinem Leben noch nicht einen wichtigen Ball festhalten konnte? Torrey Smith, der nichts kann außer gerdeauslaufen – und das auch nur, wenn niemand im Weg steht?
Das läßt Ego natürlich nicht auf sich sitzen und kontert: wir reden hier von dem Angriff, der als einziger mehr als 350 Yards Raumgewinn gegen die Steelers erzielt hat – und das zwei Mal! Die Ravens, die der guten Bengals-D in zwei Spielen mehr 700 abgetrotzt hat, den Browns 800. Die ach-so-starke AFC North mit sechs Siegen in sechs Spielen in Grund und Boden getrampelt hat?
Alter meint darauf trocken: ich meine die Ravens, die gegen Tennessee, San Diego, Seattle und Jacksonville verloren haben, die alle nicht in die Playoffs gekommen sind. Sieben Punkte gegen Jacksonville! Und gegen die Patriots im Championship Game war auch nur das Ergebnis knapp. New England hat Baltimore so sehr auf die leichte Schulter genommen, daß Julian Edelman im alles entscheidende Drive Anquan Boldin verteidigt hat! Daß sogar eine gute Aktion von Sterling Moore (wer?) gereicht hat, um den Touchdown zu verhindern.
Defense
Laß uns über die Defense reden, lenkt Ego ab. Neunmal 14 oder weniger Punkte zugelassen, nach Yards die Nr. 3 der Liga, nach Punkten die Nr. 3; verdammt nochmal: in drei Spielen weniger als 100 Passing-Yards zugelassen! Das ist ungesehen in der heutigen NFL! T-Sizzle, Ed Reed und Ray Lewis, dazu die starken junge CBs Ladarius Webb und Jimmy Smith. Durch gute Drafts kommen dazu noch viele junge Talente in der Front Seven: Pernell McPhee, Mount Cody, Sergio Kindle, Paul Kruger, Cortney Upsahw. Und ach ja, schon mal was von Haloti Ngata gehört? Das ich nicht ein hervorragender Kern einer Defense, sondern ein Fundament, auf dem ein Wolkenkratzer stehen könnte.
Daß zu kontern ist fast zu einfach, lächelt Alter. Ray Lewis spielt seit gefühlt 50 Jahren in der NFL, spätesten jetzt wird man ihm das auch ansehen. Suggs wird gar nicht spielen. Ed Reed wird wie immer die Hälfte der Saison verletzt sein, bei einer Verletzung vielleicht auch einfach hinwerfen, weil sein späteres Leben ihm viel mehr Wert ist, als eine NFL-Saison mehr oder weniger. Cody, Kindle, Upshaw, Kruger, McPhee: große Namen. Gute Presse. Sicherlich auch Talent, nur: gezeigt haben sie bis jetzt nichts besonderes. Beinahe jedes Team hat einige solcher talentierter Jungspunde, die nach Ansicht der eigenen Fans dieses Jahr ganz bestimmt voll durchstarten. LB und edge setter par excellence Jarret Johnson ist übrigens auch nicht mehr da.
Hinzu kommt noch die Sache mit dem Defensive Coordinator, setzt Alter gleich nach. Chuck Pagano war der letzte in einer langen Reihe von DCs, die das spezielle System der Ravens-D über viele Jahre als Assistant aufgesogen hat und fortführen konnte. Dean Pees ist ein gesichtsloser Handlanger, der ganz sicher nicht in einer Riege mit Marvin Lewis, Mike Nolan, Rex Ryan und eben Pagano stehen wird.
Egos Gesicht rötet sich. Nur weil Pees nicht bekannt ist, heißt das noch lange nicht, daß er nichts taugt. Er hat immerhin sechs Jahre lang für Bill Belichick gearbeitet. Und daß Baltimore ihn jetzt in eine Reihe mit Lewis, Nolan und Ryan stellt, spricht eindeutig für ihn. Und, lieber Alter, zu Ngata hast du vorsorglich auch kein Wort verloren. Denn auch Du weißt, daß dieser 150kg-Koloß, der beweglich und quick ist wie ein Linebacker, absolut einzigartig ist.Wie Darrelle Revis für die Jets oder Patrick Willis für die 49ers, so zählt auch Ngata eigentlich für zwei, so unfaßbar gut und so unglaublich viel besser als alle anderen auf seiner Position ist er.
Ausblick
Alter wirft dann schnell noch das nicht wiederholbare Turnover-Glück in den Raum, worauf Ego entgegnet, daß dann aber auch wirklich mal über die tollen Cornerbacks geredet werden müsse. Aber Alter und Ego müssen los – zum Taligaiting für das Hall of Fame Game (ja, das ist schon übermorgen!). Ihre Prognosen hört man noch, während sie verschwinden.
Ego ist überzeugt: Baltimore war nicht zufällig vier Jahre in Folge in den Playoffs. Baltimore hat auch in dieser Saison viel, viel individuelles Talent, starkes Coaching und durch die erstklassige Arbeit von GM Ozzie Newsome mehr Tiefe im Kader, als die meisten anderen Mannschaften. Playoffs sind locker drin und wenn Flacco noch ein kleines Schippchen draufpackt und Ray Rice einfach so weitermacht wie bisher, dann trifft der Kicker im nächsten Championship Game auch.
Alter wirft zum Abschluß die 2008er Tampa Bay Buccaneers in den Raum. Weißt Du noch, Ego, damals? Einige Besserwisser haben schon 2007 gesagt, daß die Bucs deutlich über ihre Verhältnissen spielen. Die Defense war von hervorragend auf gut abgerutscht, hatte aber komischerweise trotzdem noch sehr gute Statistiken. Der QB, Jeff Garcia, war damals nicht schlechter als heute Flacco. Der junge Head Coach hatte immer noch sein Wunderkind-Image. Und als Tampa 2008 neun der ersten 12 Spiele gewann, haben alle über die Besserwisser gelacht. Die restlichen vier Spiele gingen alle in die Hose und plötzlich wußten alle, daß ein Neuanfang nötig ist. Man kann seine Schwächen nicht für immer verstecken und wenn die Schwächen allzu deutlich werden, hat auch keiner mehr Angst vor ihnen. You can fool some people some time, but you can´t fool all the people all the time.
So gehen Alter und Ego von dannen und freuen sich beide auf das, was die Glaskugel dann schließlich im Herbst ausschütten wird.
Indianapolis Colts in der Sezierstunde
Gleich zu Beginn möchte ich auf den Eintrag von Ende Oktober verweisen, als ich unter dem Eindruck der schockierenden Vorstellung der Indianapolis Colts im Sunday Night Game zu New Orleans eine Statusbeschreibung aus meiner damaligen Sicht wagte. Obwohl die Colts am Saisonende dann einen Tick besser waren als es die 2-14 Bilanz vermuten hätte lassen, ist fast alles eingetroffen. Mehr noch: Auch GM Polian wurde gefeuert. Der neue Mann am Steuer, der von den Eagles gekommene GM Ryan Grigson, schmiss gleich am ersten Arbeitstag den schmallippigen Jim Caldwell raus. Ebenso weg: Peyton Manning und Gefolgschaft sowie ein großer Teil der verbliebenen Meistermannschaft. Tabula rasa in Indianapolis, nach einem Jahrzehnt in den obersten Sphären der NFL.
Als neuer Chefcoach wurde der recht profillos wirkende, aber unter dem Tisch als durchaus begabt bezeichnete Ravens-DefCoord Chuck Pagano installiert, ein Mann, dessen Abwehrvorstellung sich diametral von jener über Jahre praktizierten „Tampa 2“ unterscheidet, weswegen dann auch gleich Recken wie Freeney oder Brackett klargemacht wurde, dass sie ihre Karriere besser woanders ausklingen lassen sollten.
Konkret bedeutet ein Chefcoach „Pagano“, dass die Abwehr auf ein straightes 3-4 umgestellt wird, was Freeneys größte Stärke, das Druntertauchen unter den Left Tackle, negiert. Bis dato fand sich noch kein Abnehmer für den Mann, der vor all seinen Verletzungen über Jahre als ultimativer Pass Rusher in der NFL gefeiert wurde. Gesucht werden dann auch: Nose Tackle, Ends für die 3-4 Defense, flinke Linebackers und vor allem Defensive Backs. In einem Wort ausgedrückt: Rundumerneuerung.
Hopfen und Malz ist aber nicht verloren: DE Mathis dürfte mit seiner schmächtigen Statur ohnehin ein besserer OLB als Defensive End sein, und mit DT Redding sowie S Zbikowski hat sich Pagano gleich zwei Buddys aus dem Ravens-Lager mitgenommen. Abseits davon wird es nach einer eher gemächlich angegangenen Free Agency wohl einen oder zwei defensivlastige Drafts brauchen, um die über Jahre verlotterte Colts-Abwehr wieder in Schwung zu bekommen.
Ähh ja. Die Offense der Indianapolis Colts steht auch vor einer grundlegenden Restrukurierung. Angefangen werden soll beim Quarterback. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass die Organisation der Colts sich 14 Jahre nach dem Committment pro Peyton Manning diesmal mit dem Top-Pick den mindestens ebenso gehypten Andrew Luck von der Stanford University grapschen wird. Luck wird nun schon seit längerer Zeit als Jahrhunderttalent angepriesen und erst seit wenigen Tagen ernsthafte Konkurrenz durch RG3 aufgeschwatzt. Weil das Colts-Lager jedoch von Luck überzeugt zu sein scheint, dürfte die Diskussion nur medial geführt werden. Luck ist auf alle Fälle ein unglaublich reif wirkender Quarterback, dessen Horizont nicht an der Seitenauslinie endet, und IMHO ein athletischerer Mann als man es ihm zugestehen würde.
Um Luck herum wird allerdings gerade alles eingerissen, was man einreißen kann: Der gemeinhin als schwach angesehene Offensive Line wurde eine Frischzellenkur verordnet (C Saturday, G Pollak, T Diem sind weg) und abseits der vergangenes Jahr gedrafteten Tackles Castonzo/Ijalana ist noch nicht abzusehen, wie die Line in Zukunft ausschauen wird (aus Oakland kam C Satele).
Die beiden Top-Wide Receiver Stand heute sind der Routinier Reggie Wayne und der von den Rams eingekaufte Donnie Avery, nachdem Garcon, Tamme und Clark ziehen gelassen wurden. Und bei den Running Backs gibt es abseits des bereits als Flop abgestempelten Donald Brown von UConn nur noch den jungen Delone Carter von Syracuse, und der soll als Rookie nicht die besten Eindrücke hinterlassen haben.
Weia. Solches Hausreinemachen wie gerade in Indianapolis kommt in der NFL alle drei, vier Jahre vor. Es fällt eigentlich erst jetzt auf, wie lange die Colts mit einem Kern von nur acht, neun Schlüsselfiguren operierten (und alterten) und wie wenig Substanz abseits davon gegeben war. Man wusste, dass die Colts zuletzt 3-4x schlecht gedraftet hatten, jedoch wurden die Auswirkungen lange Zeit kaschiert. Diese Offseason zeigt in aller Brutalität, wie krass sich in der NFL ein Schnitt machen lässt.
Als Fan ist man dankbar, das miterleben zu dürfen. Ich habe es vor drei Jahren in Detroit gesehen, wo mit Schwartz nach langem Siechtum ein pragmatischer Coach eingestellt wurde und ohne allzu viel Free Agency, dafür via Draft Baustein für Baustein eingebaut wurde. In der Kinderschuh-Phase ist es schmerzhaft mit anzuschauen. In der Pubertätsphase (wo sich die Lions gerade befinden) dafür umso besser. Es gibt nichts Schöneres als sich die Zukunft eines aufstrebenden Teams auszumalen.
Und man sollte nicht vergessen, dass die Indianapolis Colts 2012 über ein um Welten (!) besseres Grundgerüst verfügen als damals die Lions besaßen. Die Colts 2012 waren ein Team, das historisch wenigstens fünf Spiele hätte gewinnen müssen. Die sieglosen Lions von damals hätten mit viel Glück zwei Partien gewonnen.
Natürlich steht und fällt vieles mit der Entwicklung des Quarterbacks Andrew Luck, bei dem man sich ein komplettes Floppen nur schwer vorstellen kann. Aber die Colts werden um Luck herum in mindestens zwei Drafts ein Gerüst bauen müssen. 2012/13 dürfte es selbst in einer schwachen AFC South Niederlagen hageln. Wenn aber Pagano und Co. dem Skript folgen können, werden die Indianapolis Colts spätestens in zwei Jahren ungeduldig dem September entgegenfiebern.