NFL-Power Ranking 2013/14 in der Zielgeraden

Das Matchup für Superbowl XLVIII am 2. Februar 2014 steht: Denver Broncos gegen Seattle Seahawks. Die Ansetzung kommt nicht überraschend. Beide waren schon im Sommer die jeweils größten Favoriten ihrer Conferences, und beide waren auch vor den Halbfinalspielen jeweils favorisiert gewesen.

Die Seattle Seahawks gehen in das Endspiel als Team mit den besten Effizienz-Stats im Power-Ranking. Sie führen trotz ihrer recht wackeligen Vorstellung gegen San Francisco auch vor dem großen Endspiel die Wertung an. Die Denver Broncos sind als bestes Team der AFC die #3 des Rankings. Wir haben also ein Endspiel der beiden jeweils besten Mannschaften jeder Conference – das hatten wir lange nicht mehr.

Und die Endspiel-Quote ist knapp: Das Power-Ranking favorisiert Seattle mit 53% Sieg-Wahrscheinlichkeit hauchdünn gegenüber den Denver Broncos. In Punkt-Spread ausgedrückt heißt das: Die Seahawks gehen als Favorit mit einem Punkt ins Endspiel. Knapper geht fast nicht. Und würdiger für ein Endspiel auch nicht.

Zum Power-Ranking.

NFL-Power Ranking 2013/14, Conference-Finale

NFL-Power Ranking 2013/14, Conference-Finale

WP entspricht der Siegchance der jeweiligen Franchise gegen eine standardisierte, durchschnittliche NFL-Franchise, (LW) ist das Ranking von letzter Woche, E16 ist WP hochgerechnet auf 16 Spiele (WP*16 = E16), SOS ist der bisherige Strength of Schedule, den dieses Modell für die jeweilige Franchise errechnet, Rs die Platzierung des Schedules, W-L die tatsächliche Sieg-Niederlagen-Bilanz jeder Franchise vor der Super Bowl.

Der Extrapunkt

Bevor ich noch einmal auf die Mannschaften und Spieler eingehe, sei kurz eine Nachricht aus dieser Woche andiskutiert, die ich mit Freuden aufgenommen habe: Roger Goodell, NFL-Commissioner und mittlerweile so still, dass er fast in Vergessenheit geraten ist, hat vorgeschlagen, den Extrapunkt (PAT, point after touchdown/try) zu streichen.

Ich warte praktisch seit ich Football verfolge auf diesen Moment. Der PAT war für mich immer ein Ärgernis. Er langweilte mich als Madden-Spieler unendlich. Er langweilte mich als TV-Zuschauer. Ich hasste ihn. Es war erst intuitiv, aber dann rechnest du nach und siehst völlig unüberraschend: 99.5% (oder so) gehen rein. Dieses Jahr sollen es 5 versemmelte PATs unter 1200 gewesen sein (einer davon kam im Schneegestöber von Philadelphia, als der Hold im Tiefschnee misslang).

Wer einem PAT nachtrauert, der soll sich mal die umgekehrte Vorgehensweise vorstellen: Stell dir vor, die NFL vergab bisher stets 7 Punkte für einen TD, aber sie kommt im Jahr 2013 auf die Idee, fünf bis sechs zusätzlichen Werbepausen zu Gunsten einen TD nur mehr 6 Punkte zu werten und dafür einen Extra-Schuss einzuführen, der in 99.5% der Fälle eh rein geht. Das ist doch idiotisch, nicht? Wir würden es hassen.

PATs waren in der Urzeit des Football gerechtfertigt, aber heute sind die Kicker so gut, dass sie fast alles reinnageln. Maximal ein falscher Hold zerstört einen PAT. Mir schweben viele Ideen für einen PAT-Ersatz vor:

  • Sechs Punkte für den TD. 1 Extrapunkt für einen Versuch von den Goal-Line (oder 2yds-Line). Zwei Punkte für einen Versuch von der 2yds-Line (oder 3yds-Line). 1 Punkt von der 2yds-Line, das liest sich fair: Heute gelingen 48% der 2pt-Conversions (die starten dort) – das ist eine Punkterwartung von fast genau 1 Punkt pro Versuch – fast identisch mit dem PAT.
  • Sieben Punkte für den TD, aber eine Mannschaft kann für den Einsatz von einem Punkt einen 2pts-Conversion versuchen (von der 1, 2 oder 3yds Line). Gelingt er, kriegste 8 Punkte. Misslingt er, kriegste 6. Versuchst du’s erst gar nicht, kriegste 7 und wir haben eine Werbepause gespart.
  • Schreibe zwingend eine 2pts-Conversion vor.

Ich habe auch schon von Vorschlägen gehört, die es dem Rugby nachahmen wollen: Der Extrapunkt bleibt als Kick erhalten, soll aber von der Stelle aus erfolgen, von der der Ball die Goal-Line übertreten hat. Viel Spaß dann denen, die über den Pylon reinsegeln.

Oder: Extrapunkt erhalten, aber schießen muss ihn der Spieler, der den TD erzielt hat. Damit gewinnen wir wieder etwas Spannung, bzw. ein Team muss sich schon vor dem TD überlegen, wem es den Ball geben möchte…

Viele Vorschläge, und alle sind sie besser als der PAT, einer der wenigen wirklich lahmen Momente in einem Footballspiel.


Den direkten Vergleich der Effizienz-Stats hatten wir schon letzte Woche, aber als Visualisierung kann man es schon noch einmal hinaushauen (klick mich):

Profile der Superbowl-Teams 2014

Profile der Superbowl-Teams 2014

Es ist im Grunde ein Duell einer der besten NFL-Offenses der Saison (Broncos) gegen die beste Defense (Seahawks). Wobei die Seahawks über das Jahr durchaus auch eine sehr gute Offense auffahren, und weiterhin sowohl in Pass- als auch Lauf-Effizienz nur minimal unter einer Standardabweichung besser sind als der Durchschnitt. Was auch auffällt: Beide Teams werden mit am meisten bestraft.

Bei den Seahawks fällt rein optisch betrachtet auf, dass dieser orgiastische WOW-Effekt in der Offense mittlerweile abgeht. Das liegt vor allem dran, dass bei QB Russell Wilson die Leichtigkeit des Seins verschwunden ist. Wilson, der vor einem Jahr die Footballwelt in hellste Aufregung versetzt hatte, schleppt sich in den letzten Wochen nur noch durch. Folgender Graph verdeutlicht dies:

QB Russell Wilson 2013/14

QB Russell Wilson 2013/14

Die verwendeten Metriken sind EPA/Play, was soviel misst wie den Beitrag zu Punkten, den Wilson pro Spielzug leistet. „0.24 EPA/P“ liest sich so: Jeder Spielzug über diesen Spieler hat 0.24 Punkte zur erwarteten Punkteausbeute der Mannschaft in diesem Drive beigetragen. EPA („expected points added“) ist dabei die Summe aller Spielzüge. EPA misst alles: Raumgewinn, Downs, Turnovers, Incompletions, Sacks, Touchdowns. Es ist die kompletteste Mess-Metrik für Football-Offense, die ich kenne. Ich nutze dabei die Interpretation von Brian Burke. Burke hat sein EPA-Konzept hier präzise erklärt.

Ein Spieler allein macht keine Mannschaft, auch kein QB. Aber man kann trotzdem recht gut abschätzen, wie Wilsons Saison verlaufen ist: Dem famosen Auftakt folgte ein eher durchwachsener Oktober, gefolgt von einem sensationellen November, in dem die Seahawks zeitweise unschlagbar aussahen. Aber dann änderte sich irgendetwas nach dem Kantersieg über die Saints. Wilsons quält sich seither mit sterilen Leistungen durch.

Vor allem seine SR% (Success-Rate) litt bedeutend. Seit mehreren Wochen hat Wilson nur noch 3 oder maximal 4 erfolgreiche Plays auf 10. Das ist extrem wenig, und es wäre schon gegen die 49ers fast schief gegangen, wäre er am Ende nicht von zwei massiven Big-Plays im Passspiel heraus gerissen worden.


Das Power-Ranking war letzte Woche 2-0, weil beide Heim-Teams gewonnen haben. Beide Tipps waren auch gegen den Vegas-Spread richtig. Bei Seattle-San Francisco war der vom Power-Ranking vorgeschlagene Spread von 6 Punkten sogar auch der Endstand des Spiels.

Damit ist das Ranking in den Playoffs bei 7-3 korrekten Tipps. Über die Saison liegt es bei nunmehr 128-73 richtigen Tipps (63.7%). Für die Super Bowl habe ich es schon in der Einleitung geschrieben: Eine Favoritenstellung von sage und schreibe einem Punkt, oder 53%, für die Seattle Seahawks.

Viel knapper geht es nicht, auch wenn wir just in den letzten Jahren einige solcher Matchups hatten: Green Bay (2010/11) und die New York Giants (2011/12) waren jeweils Favoriten in echten Münzwurfen: Beide hatten vor ihren Superbowls gegen Pittsburgh bzw. New England nach diesem Ranking eine Favoritenstellung von unter 50.5%.

Das Wetter ist diesmal eine komplette Unbekannte, aber es ist nur ein weiterer X-Faktor in einem Spiel, in dem man schlicht ins Dunkle greifen muss um sich mit einem Siegertipp ans Licht zu wagen.