America‘s Team, einer der teuersten Sport-„Vereine“ der Welt (ca. 1,3 Mrd. Euro), ist bei genauerer Betrachtung eher etwas anderes geworden: Jerry Jones’ Spielzeugwiese. Es ist die Geschichte eines Besitzers, der Idole, langjährige Freundschaften, haufenweise Moneten gegen eines eingetauscht hat: Seine Liebe zu einer Franchise, die andere groß gemacht haben – und die er auf den Gipfel hob.
Steers? Rangers? Cowboys!
Die AFL war Ende der 50er grade im Begriff zu entstehen, nachdem die NFL Lamar Hunt die Gründung einer Footballmannschaft in Dallas verweigert hatte. Hunt gründete daraufhin die Dallas Texans und mit der AFL eine neue Football-Liga und zwang die NFL zum Umdenken. Noch im Jänner 1960 vergab die NFL eine Lizenz für eine Footballmannschaft in Dallas. Nach Monaten entschied man sich dafür, die Mannschaft Cowboys zu taufen, anstelle von Steers oder Rangers. Cowboys. Texanisch eben.
Der Sprinter und die Ringe
Nach dem Präsidentenmord von Dallas trugen die Cowboys ab Mitte der 60er erheblich dazu bei, das Selbstvertrauen der Stadt wieder aufzupolieren. Head Coach Tom Landry baute um WR Bob Hayes (Sprint-Olympiasieger) eine titelreife Mannschaft, die fast die ersten beiden Superbowl anstelle der Packers bestritten hätte. 1967/68 lieferte man sich in Green Bay die berühmt/berüchtigte „Ice Bowl“, mit -25°C ohne Windchill eines der kältesten Spiele der NFL-Historie.
Die 70er waren geprägt von QB Roger Staubach und aufgrund gelungener Außendarstellung immer schneller steigender Popularität der Mannschaft. Landry galt als sehr innovativer Coach mit modernem Scouting und die Marketing-Abteilung kreierte die ersten Cheerleader in der NFL. Superbowl V wurde noch verloren, aber ein Jahr später war man nach Sieg über Miami schon Weltmeister – wie auch 1977/78, als die Denver Broncos geputzt wurden. In den 80ern verkalkte Landry dann zusehends und die Erfolgsbilanzen wanderten immer weiter gen Süden.
Der Neuankömmling
Ende der 80er kaufte dann der riesige Fan und ehemalige Footballspieler Jerry Jones die Franchise und feuerte nur wenige Tage später die Legende Landry. Der neue Coach war Jimmy „Betonfrisur“ Johnson, Jerrys ehemaliger Studienkumpel von der University of Arkansas. Johnsons erste Aktion: QB Troy Aikman draften. Resultat: Erste Saison, 1-15. Aber Johnson und vor allem Aikman lernten schnell.
Mit der Taktik, Eigenbauprodukte via Draft zu holen, stabilisierten sich die Cowboys innerhalb weniger Jahre und waren schon im vierten Jahr unter Johnson Superbowl-Champion (Kantersieg gegen die Bills). Herausragend in Erinnerung bleiben unter OffCoord Norv Turners Anleitung die „Triplets“: QB Aikman, RB Emmitt Smith, WR Michael Irvin. Aber das Erfolgsgeheimnis der Cowboys war ein anderes: Sie schafften es immer und immer wieder, unbekanntes Talent in der späteren Runden des Drafts zu finden.
1993 verteidigte man den Titel, wieder ein Sieg gegen die Bills in der Super Bowl. Danach allerdings schmiss Jones Johnson aufgrund fehlender Kompatibilität mit seinen Vorstellungen von Football raus. Jones wollte wohl beweisen, dass der Kader, den er persönlich als GM zusammengestellt hatte, personell gut genug war, um auch johnsonlos zu brillieren.
Der neue Head Coach war der etwas clownige Barry Switzer, der am Vorhaben „Titel-Hattrick“ dank Steve Young und seinen 49ers scheiterte. Switzer holte sich aber 1995/96 den Ring, unter anderem mit einem eben von den 49ers gekommenen weiteren Clown, CB Deion Sanders, im Kader. Switzer war damit auch nach Vorgänger Johnson der zweite Coach, der College- und NFL-Meisterschaft gewann.
Mehr Hype, denn Fundament
In den Jahren danach wurden mehrere Schlüsselspieler des Dopings (Zufall oder nicht – Sie entscheiden!) überführt oder hatten triebgesteuerte Probleme mit Frauen. Switzer blieb noch ein paar Saisons, ebenso wie Aikman, dessen Karriere nach etlichen Gehirnerschütterungen 2000 fertig war. Emmitt Smith spielte noch ein paar Jahre weiter, um den Rekord an Rushing Yards zu brechen (schaffte es 2002). Erst Bill Parcells motzte die verreckte Karre „Cowboys“ Mitte der 2000er wieder auf.
In den letzten Jahren waren die Cowboys eine überhypte Mannschaft – gemessen an den sportlichen Darbietungen. Es wurde Talentvergeudung betrieben. Mittlerweile spielt man im neuen, unfassbar monströsen Cowboys Stadium – Jerry Jones‘ Denkmal, in dem er vermutlich selbst noch persönlich Hand anlegte und die Schrauben zu den Sitzreihen im dritten Rang andrehte – in Arlington genau zwischen Dallas und Forth Worth. Dort, wo Super Bowl XLV stattfand. Dallas hätte teilnehmen sollen – und war schon zur Saisonhälfte krepiert: 1-7.
Das Monstrum

Dallas Cowboys Stadium
Seit 2009 eben jenes neue, unfassbar gigantische (eben texanische) Cowboys Stadium (je nach Wahl 80.000 bis 105.000 Plätze). Die Arena kann auch als persönliches Denkmal Jerry Jones‘ gelten und ist versehen mit allem Schicki-Micki und einer monströsen Anzeigetafel, die über dem Spielfeld thront. Das Ding ist so riesig (harhar, texanisch), dass davon schon mehrmals Punts abgeprallt sind.
Auch die alte Arena, das Texas Stadium, war eines der berühmteren NFL-Stadien gewesen, dank seiner misslungenen Dachkonstruktion – als Halle gedacht, konnte das Dach nicht sämtliche Last tragen und wurde mit einem Loch versehen. Wie man solche Fehler schönt? Die Cowboys sagten ganz einfach – Ein Loch, damit Gott uns beim Spielen zuschauen kann. So klingt Selbstvertrauen.
Rivalitäten
Größter historischer Rivale sind die Washington Redskins – zurückgehend auf die Zeit, als es die Dallas Cowboys noch nicht einmal gegeben hatte. Die Rivalität zwischen Cowboy und Indianer hatte ich im vergangenen Herbst schon mal angeschnitten, und sie geht weit über den Sport hinaus, war unter anderem dafür verantwortlich, dass Dallas trotz geographischem Unsinn in der NFC-East mitspielt.
Immer noch verschärft, aber deutlich hinter den Redskins einzuordnen, sind die beiden anderen Divisionsrivalen aus der NFC East. Die Philadelphia Eagles sind dabei insbesondere aufgrund diverser „Bounty“-Geschichten aus den 80ern und 90ern, sowie dank der Flauseln des T.O. in den 2000ern ein ungern gern gesehener Gast, die New York Giants der „sanfteste“ Konkurrent.
Sportlicher und historischer Natur sind die Auseinandersetzungen mit Pittsburgh Steelers und Green Bay Packers. Die Steelers sind dabei seit den 70ern ein Gegenpool zu den stets aufregenderen, extrovertierteren Cowboys, die Packers gehören seit der Anfangszeit der Superbowl-Ära in den 60ern zu den großen Konkurrenten. Dallas verpasste zweimal denkbar knapp die ersten beiden Superbowls gegen Green Bay („Ice Bowl“) und musste in den 90ern schließlich zusehen, wie die Käsköpp unter der QB-Legende Favre der großen Cowboy-Dynastie den Rang abliefen.
Eine besondere sportliche Auseinandersetzung ist jene zwischen San Francisco und Dallas – gründend vor allem auf den Grabenkämpfen in den 90ern, als das eine Team sich so aufstellte, um das andere im NFC-Finale schlagen zu können. Zeiten, in denen der Conference-Titel in der NFC die 95%ige Miete zum Superbowlsieg war. Dreimal gewann Dallas mit Aikman. Einmal San Francisco mit Steve Young. Intensiviert wurde die Sache durch den Wechsel von „Primetime“ Deion Sanders, jenem egomanischen Spinner, der heute im NFL Network einen so speziellen (ich betone den positiven Unterton!) Zugang zu den Spielern findet.
Die eine oder andere Nickligkeit gibt es im Prinzip mit fast jeder der populäreren NFL-Franchises. Die Cowboys sind, wenn man mal beide Augen fest zudrückt, so was wie der FC Bayern der NFL: Entweder geliebt oder gehasst. Sie scheiden die Geister und so wirklich scheint es Jerry Jones nicht zu passen, wenn eine unspektakuläre Franchise wie New England in den 2000ern daherspaziert und sich in der Gunst der Bandwagoners nach oben arbeitet.
Gesichter der Franchise
- Jerry Jones – Owner, Stadionbauer und General Manager. Dallas Cowboys personifiziert und entsprechend gemocht und gehasst quer durch die Lande.
- Tom Landry – erster Head Coach der Dallas Cowboys (28 Jahre!, 1960-1988) und Erfinder zahlreicher Defensivformationen (u.a. „4-3“ Defense) und -taktiken („Doomsday Defense“). Zweimaliger Superbowlchamp und insgesamt fünfmal in der Superbowl.
- Roger Staubach – Scrambelnder Quarterback und Medienstar aus den 70ern. Mitverantwortlich für die heutige Popularität der Franchise und Erfinder des „Hail Mary“-Passes.
- Troy Aikman– QB. Der Anführer der sogenannten “Triplets”, trotz vieler Gehirnerschütterungen und recht kurzer Karriere dreifacher Champion und Hall of Famer. Heute mittelmäßig interessanter Co-Kommentator bei FOX.
- Emmitt Smith – RB mit den meisten Rushing Yards aller Zeiten, Teil der „Triplets“, aber aufgrund der eher keimfreien Persönlichkeit und unspektakulären Spielweise oft übersehen. Bei mir vor allem bekannt aufgrund der horrenden Grammatikfehler – eine Kompilation der Fauxpässe gibt es bei Youtube. (bitte Ohren ausschalten)
korsakoffs Highlight
Playoffspiel 2007/08 gegen die Giants – völlig unnötige Playoff-Pleite für die Cowboys nach gefühlter haushoher Dominanz in der ersten Hälfte, ließen die Giants stets irgendwie am Hauseck lungern. Als dann plötzlich im Schlussviertel New York 21-17 führte, spielten sich unglaubliche Szenen im Texas Stadium ab: Eine a-u-f-g-e-s-c-h-e-u-c-h-t-e Offense rund um Tony Romo, die in jedem Spielzug den Touchdown suchte, anstatt beständige Drives auszuspielen. Das forcierte Big Play kam – für den Gegner, der die außer Rand und Band spielenden Cowboys böse, böse verlud.
Eckdaten
Gegründet: 1960
Besitzer: Jerry Jones (Öl, Football)
Division: NFC East
Erfolge: Superbowl-Champ 1971, 1977, 1992, 1993, 1995, Superbowl-Verlierer, 30x Playoffs (33-25) – Stand 2012