Glaskugel 2012: New Orleans Saints

 

Es regnet in Strömen. Seit Tagen schon. Die Uniformen sind klatschnaß. Die Männer sind durch bis auf die Knochen. Sie waten durch knöcheltiefen Schlamm. Immer auf der Hut vor einem Hinterhalt oder einem gut geplanten Überfall von der Flanke. Die schwüle Hitze ist unerträglich.

Die Kompanie ist bekannt als eine der härtesten und skrupellosesten zwischen Atlantik und Pazifik. Sie sind bekannt als Einheit, die sich nicht immer an die Regeln hält. Aber sie sind bekannt als eine der mutigsten und besten Einheiten der gesamten Armee.

Juristen fernab der Front in ihren feinen Büros werfen ihnen immer wieder Knüppel zwischen die Beine um hochtrabenden Idealen Genüge zu tun, die nicht weiter von den Männern im Dschungel weg sein könnten. Hier geht es um Schweiß, Tränen, Verletzungen, Blut und Verluste und das alles nur dafür, einen Auftrag auszuführen.

Sie haben schon ganz andere Schlachten geschlagen – und gewonnen. Nun aber haben sie ihren KP-Chef und zwei ihrer besten Gruppenführer verloren. Der Zugführer und MG-Schütze, der sich mit Jahren harter Arbeit und unerreichter Zähigkeit bis an die Spitze gearbeitet hat, ist in dieser Situation der unumstrittene Leader.

Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Ein langer harter Weg liegt vor ihnen. Aber am Ende wird sich niemand mehr um die Verluste, Rückschläge und Juristen kehren – wenn die Kompanie “Saints” als erfolgreiche Helden zu ihrem Heimatstützpunkt in New Orleans zurückkehrt.

Mit typisch amerikanischem Pathos ließe sich die Geschichte so schreiben, wenn die New Orleans Saints tatsächlich am Abend des 3. Februar 2013 im eigenen Stadion die Lombardi Trophy in die Höhe strecken. Die Ausgangslage könnte in diesem pathetischen Sinne “perfekter” nicht sein: die bösen Outlaws, die alle Widerstände überwinden, es allen zeigen und zu Helden werden.

Nach Bountygate sind sie “men on a mission”, die nach einer shock-and-awe Offseason fester zusammengeschweißt sind, als jemals zuvor.

Saints Offense

Der MG der Kompanie, Drew Brees, kann mit Fug und Recht behaupten, der beste QB der NFL zu sein. Er hat die Offensivphilosophie des gesperrten Head Coaches Sean Payton zur Perfektion auf dem Spielfeld getrieben. Er hat Playoffspiele gewonnen, er hat den Super Bowl gewonnen, und er hat den Jahrhundertrekord für die meisten Passing Yards in einer Saison von Dan Marino nicht gebrochen, sondern mit fast 5500 Yards in 2011 zerstört. Man kann nicht sagen, daß die Offense der Saints sich personell verbessert hätte, aber das ist einer der wenigen Fälle in denen das auch gar nicht schlimm ist.

Verloren hat New Orleans die 40 Catches von Robert Meachem an die San Diego Chargers. Aber die anderer Pfeiler des Paßspiels, die WRs Lance Moore und Devery Henderson, Slot-Monster Marques Colston und 2,00-m-TE Jimmy Graham sind immer noch da. Graham, der in sein drittes Jahr geht, sollte – bleibt er von Verletzungen verschont bleiben – besser sein als die 99 Catches und 1300 Yards der letzten Saison. Von einem 26-jährigen kann man schließlich erwarten, sich noch zu verbessern. Moore, Henderson und Colston sollten zumindest ihre Leistungen halten und um den Platz von Meachem balgen sich Adrian Arrington und 4th-rd pick Nick Toon.

Schedule

Wk1 v WAS
Wk2 @ CAR
Wk3 v KC
Wk4 @ GB
Wk5 v SD (SNF)
Wk6 BYE
Wk7 @ TB
Wk8 @ DEN (SNF)
Wk9 @ v PHI (MNF)
Wk10 v ATL
Wk11 @ OAK
Wk12 v SF
Wk13 @ ATL (TNF)
Wk14 @ NYG
Wk15 v TB
Wk16 @ DAL
Wk17 v CAR

Neben und auch wegen dem fast unaufhaltsamen Paßspiel werden die Saints auch 2012 wieder eines der besten Running Games der Liga haben. Kein Team der gesamten Liga kann so viel Talent im Backfield sein eigen nennen. Der letztjährige 1st-rd pick und ehemalige Heisman Trophy Winner Mark Ingram und Chris Ivory haben beide letztes Jahr einige Spiele verletzt gefehlt. Weil aber daneben auch noch Mr. Zuverlässig Pierre Thomas und die pfeilschnelle Allzweckwaffe Darren Sproles jedem Defensive Coordinator Kopfzerbrechen bereiten, ist das gar nicht weiter aufgefallen. Gerade Sproles war mit 700 Receiving-, 600 Rushing-Yards und 9 TDs neben TE Graham der zweite absolute Match-up-Albtraum für jeden Gegner. Außer New Englands Gronkandez gibt es in der ganzen Lige kein derartiges Duo, auf das eine Defense fast keine Antwort finden kann.

Bei so viel individuellem Talent auf den skill positions kann man auch mit einer durchschnittlichem Offensive Line leben. Der vermeintlich beste Guard der Liga, Carl Nicks ist für einen riesigen Payday nach Tampa abgewandert und wurde mit dem immerhin ziemlich guten Ben Grubbs ersetzt. Der andere Guard, Jahri Evans, ist ebenso ziemlich gut. Wenn auch nicht allererste Klasse wie seine vielen Fans (und sein Vertrag) vermuten lassen würden. Center Brian De La Puente, letztes Jahr aus dem Nichts gekommen, sowie die beiden Tackles Jermon Bushrod und Charles Brown sind auch Durchschnitt – was aber hier keinesfalls als Beleidigung gemeint ist.

Offensive Coordinator Pete Carmichael sollte keine Schwierigkeiten haben, aus diesem Verbund wieder einen der aufregendsten Angriffe der Liga zu formen. Carmichael hat während der Verletzung von Payton in der letzten Saison das Playcalling übernommen und danach auch nie wieder abgegeben. Es sollte also an dieser Front keine Schwierigkeiten geben. Der Angriff war auch letztes Jahr auf Super-Bowl-Niveau, die Schwächen gab es auf der anderen Seite des Balles.

Saints Defense

Weil es hier so große Schwierigkeiten gab, wurde DC Gregg Williams auch entlassen. Für ihn kommt das ehemalige Wunderkind Steve Spagnuolo, der sich nach erfolgreicher Zeit als DC bei den Giants die letzten drei Jahre als HC um die moribunden St. Louis Rams gekümmert hat. Das war nicht so erfolgreich, aber jetzt kann Spags sich wieder auf das konzentrieren, was er am besten kann.

Nur gibt es ein kleines Problem. Spagnuolo macht am liebsten nur mit seinen vier Defensive Linemen Druck auf den Quarterback. Bei den Giants mit ihrer endlos tiefen Rotation hat das hervorragend geklappt; bei den Rams mit Chris Long, James Hall und Robert Quinn hat das schon nur noch mäßig gut geklappt. Die Saints haben nun überhaupt keinen erstklassigen Pass Rusher in der D-Line. Will Smith ist noch ganz gut, aber ist auch erstmal vier Spiele gesperrt. Daneben stehen noch einige angeblich hochtalentierte Pass Rusher im Kader. Junior Galette, Cam Jordan, Greg Romeus und der diesjährige 3rd-rd pick Akiem Hicks. Aber außer irgendwie talentiert sein haben die alle noch nicht viel gerissen. Es erinnert irgendwie an die Patriots in den letzten Jahren: in jeder Offseason wird ein neuer ganz heißer Pass Rusher von irgendwo aus dem Hut gezaubert und während der Training Camps sind die eigenen Fans ganz verzückt und erzählen allen Interessierten, daß Shawn Crable oder Tyrone McKenzie hundertprozentig ganz steil aus der Kurve kommen werden. Passiert dann oftmals doch nicht.

Aber zum Glück hat Spagnuolo bei Phillys Großmeister Jim Johnson gelernt und hat daher auch vielfältige Blitzes im Repertoire. Fragt sich nur, ob die Secondary dahinter hält. CB Tracy Porter hat man aus Salary-Cap-Gründen ziehen lassen müssen. Ihn ersetzen sollen Johnny Patrick oder Patrick Robinson. Auch wieder so Fälle von viel nachgesagtem Talent, aber noch nicht allzu viel gezeigter Leistung. Immerhin steht an einer Seitenlinie relativ sicher Jabari Greer.

Als Safeties sollen daneben wie gewohnt Malcolm Jenkins und Roman Harper für Sicherheit sorgen. Das ist zwar sicherlich nicht Troy-Polamalu-Niveau, aber doch eines der besseren Duos der Liga.

Durch die Axt von RGI gefällt wurde neben Payton auch der aggressive leader Jonathan Vilma. Der LB ist vorläufig für die gesamte Saison gesperrt, im Berufungsverfahren kann die Strafe eventuell noch verkürzt werden. Wie schwer der Verlust als Kapitän wiegen wird ist schwer zu sagen. Spielerisch wurde Vilmas Fehlen mit den Neuzugängen Curtis Lofton und David Hawthorne auf jeden Fall aufgefangen.

Der wichtigste Neuzugang dürfte aber DT Broderick Bunkley sein. Bunkley kam von den Broncos und gilt als einer der besten Run Stuffer der Liga. Neben ihm steht mit dem ehemaligen Top-10 pick Sedrick Ellis ein zumindest sehr solider Mann.

Saints Ausblick

Als gefühllose Stumpen sind wir ja in der Regel nur wenig empfänglich für alle Dinge, die nicht mit Xs&Os, Matchups und Gameplans zu tun haben. Aber bei diesen Saints 2012 kommt man um die „noch-enger-zusammengeschweißt-„, „men-on-a-mission-„, „wir-gegen-den-Rest“Gedanken nicht herum. Sie mögen personell nicht besser geworden sein, aber psychologisch und in Sachen Motivation könnte sie die Offseason tatsächlich auf ein neues Level gehoben haben.

Spielerisch wird alles davon abhängen, welches System Spagnuolo wie gut installieren kann und was er aus dem durchaus vorhandenen individuellen Talent noch rausholen kann. Die Defense muß auch gar nicht Steelers-Niveau erreichen – aber trotzdem mal einen Gegner bei 20 Punkten halten. Am Ende kann der Angriff um Brees immer 30 Punkte machen, aber wenn die Verteidigung dann 36 Punkte gegen die 49ers (!) zuläßt, kann man einfach keinen Super Bowl gewinnen.