Die Gesichter von Super Bowl 2015

Superbowl Sunday steht vor der Tür, und nachdem die Kollegen bereits über Coach Evil Belichick geschrieben haben beziehungsweise noch über die taktischen Vorzüge des Endspiels referieren werden, werfen wir mal einen Blick auf die Köpfe, die sich am Sonntag hinter den Helmen verstecken werden. Weiterlesen

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Seattle Seahawks in der Sezierstunde

Abschluss der Sezierstunde-Serie wie immer mit dem amtierenden Superbowl-Champion, dem überzeugendsten NFL-Titelträger seit langer Zeit, den Seattle Seahawks. So sehr ich den Zufall in dieser Sportliga NFL liebe, so angenehm ist es, mal wieder einen überzeugenden, über allen stehenden Meister zu sehen. Es gab auch in den letzten Jahren immer wieder bockstarke Siegermannschaften, aber selten in der Kombination: Qualität, Siege, Superbowl-Blowout. Wie Seattle den bedauernswerten Endspielgegner Denver platt wie eine Scheibe Toastbrot machte, das hatte was Episches, von dem man sich auch drei Monate hernach nicht so recht lösen kann.

Den Weg der Seahawks in den letzten Jahren habe ich schon im Vorfeld der Superbowl 48 nachzuzeichnen versucht: Philosophie trifft Pragmatismus. Ein jahrelang fast wie zufällig aussehendes Hin- und Herverschieben von Spielern und Draftpicks als verzweifelter Versuch des Head Coaches / quasi-GMs Pete Carroll, seine Trainerkarriere zu retten, ergab in Seattle erst dann einen Sinn, als man in der dritten Runde des NFL-Drafts die QB-Granate Russell Wilson fand. Mit dem richtigen Quarterback im Line-Up fügten sich die entscheidenden Teile der Mannschaft plötzlich zusammen.

2011 hatte man eine fantastische, aber nahezu unbekannte Defense, die unbemerkt blieb, weil die Offense nix war. Ein Jahr später hatte man mit Frontmann Wilson dann auch die Feuerkraft im Angriff, scheiterte aber extrem unglücklich in den Playoffs. 2013 fügte sich alles zusammen: Dank der billigen jungen Superstars hatte man Geld genug um auf kritischen Positionen einen enorm breiten Kader zusammenzukaufen, der quasi von der Nummer 1 bis zur Nummer 4 im Depth-Chart keinen Qualitätsverlust hatte.

Der Titelsturm hatte noch ein weiteres Gutes: Carroll konnte seine Assistenten halten. Galten OffCoord Bevell und DefCoord Dan Quinn lange Zeit als potenzielle Headcoach-Kandidaten z.B. in Cleveland, verhinderte die lange Playoffserie ein Abwerben der Co-Trainer. Bis Anfang Februar warten heutzutage nur noch ganz wenige Mannschaften – ad hoc fielen mir nur noch die Browns ein, die vor zehn Jahren nach dem letzten Patriots-Titel in New Englands Stab wilderten.

So haben wir in Seattle in diesem Frühjahr fast unveränderte Rahmenbedingungen: Ein Head Coach Carroll, der es auch weiterhin allen Kritikern zeigen will. Einen Trainerstab, der beisammen blieb. Einen sehr jungen Mannschaftskern, der nur wenige Abgänge zu verzeichnen hat. Und höchstens ein paar Fragezeichen mit mittelfristigem Fokus.

Überblick 2013

Record        13-3    SB
Engeö Spiele   5-3
Pythagorean   12.9     1
Power Ranking  0.760   1
Pass-Offense   6.8     8
Pass-Defense   5.1     1
Turnovers      +20

Management

Salary Cap 2014.

Freilich sind aber selbst die Seahawks nicht ohne Schwachstellen. Die Offensive Line zum Beispiel war das ganze Jahr über ein Fragezeichen, und sie zwang QB Wilson zeitweise, noch stärker zu improvisieren als gewohnt. Nun ist Wilson kein QB, der sich irgendwelche Anflüge von Nervosität anmerken lässt, wenn der Druck von allen Seiten auf die Pocket hereinprasselt, aber 51 Sacks in 526 Drop-Backs sind dann doch eine Hausnummer. Fast 10% Sack-Quote kassieren nur wenige NFL-Spielmacher.

Es war für Seattles Offense egal, weil sie eh primär versucht, ein hartes, staubtrockenes Laufspiel aufzubauen. Weil sie auf die Qualität der Defense bauen kann. Und weil sie darauf bauen kann, dass Wilson genügend Plays – zu Fuß oder mit aufregenden tiefen Bomben – macht um die Spiele trotzdem locker zu gewinnen.

LT Russell Okung gilt als Anker der Offensive Line, aber er verpasste Teile der 2013er-Saison mit Verletzungen und war ganz generell in seiner Karriere nie einer der Spieler, auf die du für alle 1200 Offense-Snaps pro Jahr bauen konntest. Der zweite Klassemann der Offense Line ist C Max Unger. Aber alle anderen Stamm-Vorblocker bekamen heuer auf die Fresse: LG Carpenter wird als 1st-Round Bust beschimpft, RG McQuistan wurde ohne mit der Wimper zu zucken nach Cleveland abgeschoben, und RT Giacomini stabilisierte sich erst Ende der Saison, wurde dann aber auch in der Free-Agency fortgeschickt.

Es gilt als hausgemacht, dass Seattle einen seiner hohen Draftpicks für einen Offense Liner spendieren wird – entweder für einen Guard oder einen Tackle, vielleicht werden es sogar je eins und eins. Seattle pickt erst zum Ende der ersten Runde, aber das ist kein Problem, wenn haarklein die OT-Position als eine der bestbesetzten im Draft 2014 gilt.

Eine weitere potenzielle Stelle zum Nachbessern in der Offense wurde auf Wide Receiver aufgemacht, wo man Golden Tate nach Detroit ziehen ließ. Man konnte sich zwar letzte Woche sozusagen als verführtes Ostergeschenk die Dienst von Sidney Rice erneut sichern (man hatte sich Rices teuren Vertrags im Februar entledigt, bekam ihn nun für Minimalgehalt und Einjahresvertrag wieder), aber ein Rice allein macht keine Kadertiefe hinter dem Stamm-Trio, und sei das noch so gut.

Dieses Trio Baldwin / Kearse / Harvin hat seine Schwächen – der klassische Wideout, der die Manndeckungen im Alleingang schlägt, fehlt – aber es reicht eigentlich potenziell aus. Harvin ist dabei der Star, der einzige Slot-WR der Liga, der wirklich aus eigener Kraft dem Gegner seinen Willen aufzwingen kann, aber Harvin ist halt oft verletzt. Letzte Saison hatte man sogar Glück, dass sich Harvin schon in der Vorbereitung die Bänder riss und somit erst zum Saisonende wieder fit wurde und nicht mehr genug Plays hatte um sich nochmal ernsthaft für das Endspiel zu verletzten; vielleicht sollte er es noch einmal so machen, aber dann gehen den Hawks die Optionen aus.

Kearse gilt als echter Kämpfer. Er hat schon in Seattle studiert (University of Washington) und sich als ungedrafteter Rookie durchgesetzt. Seine absolute Stärke ist das Blockspiel, ungewöhnlich für einen Receiver. Baldwin kann alles ein bisschen und nix hervorragend – das reicht zu einer sehr, sehr brauchbaren Nummer 2, aber wie gesagt: Sollte Harvin ausfallen, könnte das diesem Passspiel schon einen Knacks geben. Rice ist schließlich auch bis auf sein Ausreißer-Jahr 2009 in Minnesota auch bestenfalls ein mittelklassiger Mann.

Soll ich erwähnen, dass auch Wide Receiver als außerordentlich tief besetzte Position im Draft 2004 gilt?

Tight Ends: Check. Miller ist zwar kein Star, aber für 2-3 Catches pro Spiel und den einen oder anderen tiefen Ball immer zu haben. Der junge Luke Willson hatte zwar nur einen bestenfalls soliden Einstand in der Liga, aber er wird es erstmal tun.

Running Backs: Check. Marshawn Lynch ist einer der ganz wenigen Runningbacks der NFL 2014, um die du wirklich versuchen kannst, deine Offense zu bauen. Auch ein Lynch kann zwar die Offense nicht allein tragen, aber allein Lynchs Power reichen aus, um für Seattle die Balance im PlayCalling zu halten. Das kannst du sonst heute nur noch von einem Peterson in Minnesota oder einem Doug Martin in Tampa behaupten – und da drücken wir schon bei Letzterem ein Auge zu. Lynch ist zwar nicht außerordentlich effizient (41.6% Success-Rate ist Liga-Durchschnitt / 4.2yds/Carry sind auch nicht weltbewegend), aber er zwingt mit seiner Konstanz jeden Gegner, ein Auge auf das Laufspielzu halten. 1545yds, 16 Rush-TDs, und 37 Catches für 319yds und 3 TD-Catches sind Zeugnis für einen kompletten Spieler.

Sein Backup Turbin hatte zuletzt ein eher schwaches Jahr. Aber in der Hinterhand wartet noch RB Christine Michael, vor einem Jahr gedraftet als einer der herausragenden Zukunftstalente auf der RB-Position. Michael war letztes Jahr einer der großen Favoriten von Mike Mayock im Draftprozess, und bei Texas A&M am College ein extrem auffälliger, explosiver Back.

In der Defense kamen einige Leistungsträger für die Kadertiefe abhanden, aber die für die Spielidee zentralen Spieler sind alle noch da: Die Achse der Legion ist Boom ist noch komplett, der großartige DT MeBane ist noch da, LB Bobby Wagner ist noch da. Sogar die beiden Star-DE Michael Bennett und Cliff Avril, die besten und wichtigsten Spieler beim Superbowl-Blowout, bleiben in Seattle. Bennett konnte für einen nicht billigen, aber auch nicht überteuerten Vertrag gehalten werden. Er ist vielleicht mit nur rund 600 Snaps/Jahr kein klassischer Stammspieler, aber als Rotationsspieler ist er unersätzlich, und in den Snaps, in denen er spielt, gibt es kaum vielseitigere Leute.

Aus der Defense Line wurden nur DE Red Bryant und DE Clemons ziehen gelassen; beide gingen zum ehemaligen DefCoord der Hawks, Gus Bradley, nach Jacksonville. Dafür konnte Rotations-Tackle McDaniel (530 Snaps letztes Jahr) gehalten werden. Damit ist die Front-Four der Seahawks aktuell wie folgt besetzt:

  • DT: Brandon Mebane, Tony McDaniel, Jordan Hill, Jesse Williams
  • DE/LEO: Michael Bennett, Cliff Avril, Bruce Irvin

Es braucht nicht zwingend eine Neuverpflichtung, aber man darf trotzdem darauf tippen, dass der Stab der Seahawks versuchen wird, in den mittleren bis späten Runden (Seattle hat allerdings keinen 3rd-Rounder) einen neuen Defensive Liner zu holen, der langsam eingelernt werden kann.

Ein Irvin kann auch als Outside-Linebacker spielen, gilt dort jedoch als Sicherheitsrisiko, wenn der Gegner überraschend mit einem Laufspielzug daher kommt. Selten, dass Spieler deplatzierter aussehen wie ein Irvin in der Run-Defense, aber dafür wurde er ja auch nicht geholt. Die anderen Linebacker sind alle komplette Jungs: Wagner, der gerne unterschätzte K.J. Wright, und auch der offizielle Superbowl-MVP Malcolm Smith hat eine Wandlung hin zu einem gebräuchlichen three down Verteidiger gemacht.

Die Achse der Legion-of-BoomCB Sherman, FS Thomas, SS Chancellor – steht und muss nicht weiter diskutiert werden. Das vierte Gründungsmitglied Browner wurde nach New England ziehen gelassen, aber der verpasste eh die meiste Zeit mit Drogenproblemen. Browners Ersatzmann 2013, CB Thurmond, musste auch ziehen gelassen werden, sodass mittlerweile der CB Byron Maxwell die legendäre Seahawks-Secondary vervollständigt.

Maxwell und Slot-CB Jeremy Lane machten aber beide ihre Jobs im letzten Jahr sehr ordentlich, und man kann ihnen durchaus vertrauen. Brutal schwierig ist ihre Arbeit auch nicht: Die meisten Top-Receiver beim Gegner werden eh durch Sherman und der Scheming weggenommen, und wenn der Passrush wie gewohnt zündet, haben sie auch lange genug Zeit um ihre Gegenspieler halbwegs abzudecken. Zu schauen ist höchstens, ob und wie die Jungspunde SS Jeron Johnson (einst Boise State) und CB Tharold Simon (einst Problemkind bei LSU) besser eingebunden werden.

Wir haben also in Summe Needs in der Offensive Line (vermutlich Guard und Tackle), Spots für verbesserte Tiefe auf Wide Receiver, Defensive Line und vielleicht noch im Defensive Backfield, aber das sind Luxusprobleme vergleichen mit auch unmittelbaren Konkurrenten.

Fazit: Der Titelverteidiger ist schon vor dem Draft gut aufgestellt für die Titelverteidigung. Die sollte man zwar nicht erwarten – in einer NFL solltest du nie etwas „erwarten“ – aber der Kader ist schon wieder eine der komplettesten von allen.

In Offense und Defense greifen so fassungslos viele Rädchen ineinander, dass er bei Seattle gar nicht den „einen“ Mega-Spieler braucht, um den sich alles dreht. Die Offense ist ums Laufspiel gebaut, aber das Laufspiel hat nur deswegen eine Chance, weil der Quarterback ein Goldstück ist. Umgekehrt funktioniert dieser Quarterback vermutlich auch deswegen so fassungslos gut, weil er die Unterstützung von einem brachialen Run-Game hat.

Ähnlich die Defense: Die Secondary wäre vermutlich auch ohne Passrush in der Lage, jeden Gegner unter 6.0 NY/A zu halten, aber erst in Kombination mit dem Passrush ist sie total dominant. Deckt der Cornerback den Gegner 0.3 Sekunden länger als der durchschnittliche Corner, hat der Passrush 0.3sek mehr Zeit durchzubrechen. Bricht dieser Passrush dann noch aus eigener Kraft 0.2sek schneller durch als der durchschnittliche Passrush, hast du die dominanteste Defense seit mindestens zehn Jahren beisammen.

Es ist diese ausgeglichene, mannschaftliche Geschlossenheit, die mich bei allen famosen Einzelkönnern wie Wilson oder Earl Thomas seit gut zwei Jahren so fasziniert die Seahawks beobachten lässt. Es ist dieser Mannschaftsgedanke, der dazu führt, dass diese Mannschaft nicht einmal den Titel gebraucht hätte um mich für sie zu begeistern. Selten, sehr selten, dass solche Naturgewalten so perfekt ineinander verschmelzen – und schon allein deshalb ist auf die Seattle Seahawks schon wieder zu achten.

Super Bowl XLVIII preview: Seattle Seahawks Offense v Denver Broncos Defense

Alle reden vor diesem Super Bowl von der „Besten Offense aller Zeiten“ gegen „Legion of Boom“. Aber die Seattle Seahawks (15-3) haben auch eine Offense, so wie die Denver Broncos (15-3) auch eine Defense haben. Höchste Zeit bei T-1 schnell noch einen Blick auf dieses matchup zu werfen.

Seattles Angriff ist ein seltsames, scheinbar willkürlich zusammengeschraubtes Gebäude aus verschiedensten Materialien. Es gibt ein Fundament, auf dem die Offense aufgebaut ist, aber die oberen Stockwerke und vor allem der Balkon dieses Hauses sehen aus wie ein “best of NFL playbooks”.

Aber fangen wir mit dem Fundament an. Das besteht hauptsächlich aus dem Laufspiel. Marshwan “beast mode” Lynch läuft hinter einer mittelmäßgen Offensive Line so gut wie eh und je. Daß es dem run blocking an Stärke mangelt, sieht man vor allem an Robert Turbin, der pro Lauf fast ein Yard weniger als Lynch erreicht.

Besonders die Mitte der Linie um J.R. Sweezey, Max Unger und James Carpenter wird mit dem neu errichten Bollwerk der Defensive Line Denvers größte Mühe haben. Vor allem der monströse Defensive TacklePot Roast“ Terrance Knighton hat sich nach einigen mittelmäßigen Jahren in Jacksonville zu einer echten Macht gemausert. Aber auch die anderen dicken Jungs in der Linie um den sehr jungen Malik Jackson, den neu aufgeblühten Shaun Phillips und den endlich sein Talent ausschöpfenden Robert Ayers machen zusammen eine mittlerweile sehr anständige front four. Defensive Coordinator Jack Del Rio holt aus diesen ehemaligen castoffs und Talentverschwendern wirklich alles raus.

In den letzten sechs Spielen hat Denvers Verteidigung nur einmal mehr als 100 Yards zugelassen. Die Linebackers hinter der Linie sind allesamt keine Offenbarung, aber zumindest Danny Trevathan macht einen recht zuverlässigen Job. Wenn Lynch einmal durch die Linie brechen kann, ist immer mal wieder ein big play drin.


Zum Laufspiel gehört bei den Seahawks auch immer noch die read option. In den letzten Wochen hat Quarterback Russel Wilson zwar fast immer den Ball an seinen Running Back abgegeben, aber wenn die edge players der Broncos am Sonntag nicht högscht diszipliniert sind, könnte der agile Wilson mehrere First Downs mit seinen Beinen rausholen. Sind sie allerdings zu weit “draußen” um den Weg an der Linie vorbei dicht zu machen, dürfte Lynch ein recht freundliches Bild in der Mitte vor sich haben.

Mit ihrem Laufspiel dürfte Seattle also den Ball bewegen können. Aber “moving the chains” ist immer noch etwas anderes als “scoring points”.

Ebenso fest verankert zum Angriff der Seahawks gehört der Slant. Um drives am Leben zu erhalten, läßt Offensive Coordinator Darrell Bevell Slants werfen bis zum Erbrechen, am liebsten zur rechten Seite. Allein: es war in den letzten Wochen sehr hervorsehbar und Wilson hat viele dieser Würfe verpaßt. Sie müssen entweder kreativer werden oder Wilson diese Bälle so genau werfen wie ein ganz Großer.


Zum fertigen Fundament gehört schließlich noch das tiefe Paß von Wilson, nachdem er sich viele Sekunden lang mit seinen Entfesselungskünsten Zeit “erkauft” hat. Man kann das nicht planen, es gibt dafür auch keine richtigen Spielzüge, die Bevell ansagen könnte. Aber weil es Wilsons Spielsstils regelmäßig gelingt, seinen Wide Receivers endlos viel Zeit zu geben, um sich freizulaufen, gibt es in jedem Spiel Seattles einige Möglichkeiten für lange Pässe. Wilson muß sie dann nur nutzen. Glücklicherweise sind die beiden Safeties der Broncos, Duke Ihenacho und Mike Adams, große Wackelkandidaten.

Die WRs Doug Baldwin, Golden Tate und Jermaine Kearse können die schwierigsten Bälle fangen und machen das auch immer mal wieder. Aber sie lassen eben auch immer mal wieder Bälle fallen. Seattle muß zwingend big plays machen, um auf´s scoreboard zu kommen. Ohne big plays haben sie keine Chance.

Diese big plays kommen nicht nur von Lynch und Wilson, sondern auch von den Special Teams. Im Spiel gegen San Francisco war es ein Kick Return von Golden Tate über 70 Yards. Überhaupt war das Spiel gegen die 49ers ein ganz typisches der Seahawks. Ein langer Lauf von Wilson, ein langer Paß von Wilson und ein langer Kick Return waren verantwortlich für 17 der 23 Punkte.


Auf dem Fundament steht dann ein seltsam anmutendes Gebäude. Es wirkt, als hätten mehrere Architekten ihre coolsten Ideen zusammengeworfen. Nur hat es eben keine richtige Struktur, kein System.

Mal 5WRs empty sets, mal eine trips formation hier, mal ein Running Back an der Seitenlinie da und zwischendurch mal etwas ganz Konventionelles. Es wirkt immer willkürlich und beliebig, wenn die Hawks nicht gerade Laufen oder Slants werfen. Wirklich erfolgreich ist das alles nicht. Der junge QB und seine WRs, die auch allesamt noch sehr jung sind, sehen dann oftmals etwas verloren aus. Zumal Denver in Champ Bailey und Dominuque Rodgers-Cromartie zwei erfahrenen und smarte Cornerbacks hat. “Klassisches” Paßspiel verspricht Seattle keinen großen Erfolg.

Um Punkte zu machen, muß irgendwas von diesen Spielzügen funktionieren. Ideal wären für die Hawks zwei, drei ganz neue plays für Percy Harvin, der immerhin so fit ist, daß er das Spiel wird beginnen können. Im Championship Game hat man im ersten Viertel kurz gesehen, wie gefährlich er durch seine Vielseitigkeit und Explosivität ist. Mit einem jet sweep machte er locker ein neues First Down.

Big Plays sind der Schlüssel zum scoreboard für Seattle; viel mehr noch als für die meisten anderen Teams. Ohne big plays werden sie keine 20 Punkte machen und mit weniger als 20 Punkten sollte man einem Peyton Manning nicht gegenübertreten, egal wie gut die eigene Defense ist.

Also: Fundament super, die zwei Stockwerke ganz schön, nur der Balkon hängt da seltsam schief dran. Aber auch von einem schiefen Balkon kann man sehr gut ein Feuerwerk beobachten.

Philosophie trifft Pragmatik: Wie die Seattle Seahawks ein einzigartiges Business Model schafften

Gestern hatten wir die Denver Broncos als erste der beiden Superbowl-Mannschaften 2013/14 unter der Lupe im Versuch, ihre Stilfindung zu analysieren. Heute ist die andere Mannschaft dran, die Seattle Seahawks aus dem rauen Nordwesten der Vereinigten Staaten – eine Franchise, die viele Jahre lang als reiner Mitläufer wahrgenommen wurde.

Ursprünglich wurden die Seahawks in den 70er Jahren als Expansion-Team in die AFC eingegliedert. Dort waren sie Divisionskonkurrenz der… Denver Broncos. Während die Broncos aber alljährlich mit einem der größten Stars, QB John Elway, Division und Conference viele Jahre lang dominierten, ging bei den Seahawks so vieles daneben, dass man zwischendurch vergaß, dass da droben in den Wäldern, wo es eh immer regnet, noch eine NFL-Mannschaft zuhause war.

In den 90er Jahren wurde die Franchise an den CEO von Microsoft, Paul Allen, verkauft, der rasch mit der Sanierung begann. Allen riss den morschen Kingdome ab und baute das neue Seahawks-Stadion in Downtown Seattle, eines der fantastischesten NFL-Stadien mit Blick auf die Stadt und mehreren Lautstärkerekorden. Allen installierte auch den Erfolgscoach der Green Bay Packers, den stets grimmig dreinschauenden Mike Holmgren, als neuen Cheftrainer – und schon waren die Seahawks eine Nummer.

Allerdings ab 2002 in der NFC, denn im Zuge der NFL-Aufnahme der Houston Texans wurde eine Neustrukturierung der Divisionen gemacht. Weil zu wenige NFC-Teams im US-Westen zuhause waren, wurden die Seahawks einfach mal auf ihre 30jährige Geschichte scheißend von der AFC in die NFC umgeschichtet. Viel zu sagen hatten sie dabei nicht; es hätte auch keine Sau interessiert.

Sportlich war es ihr Glück, denn ihr neues Zuhause, die NFC West, war viele Jahre lang die Lachnummer der NFL. Seattle gewann sie jahrelang im Schlafwandel. 2005/06 schaffte man sogar den Sprung in die Superbowl XL in Detroit. Dort war man eigentlich die bessere Mannschaft, aber eine Kombination aus Pech, einigen wenigen Steelers-Plays und einem lachhaften Schiedsrichter-Gespann verwehrte den Seahawks den ersten Titelgewinn. In der Folge dümpelte man zurück in altbekannte Gewässer mit 7-9 und 4-12 Saisons.

Am Ende der Saison 2008 wurde Holmgren verabschiedet. Als Nachfolger wurde – schon damals wenig überzeugend – Jim Mora jr. installiert. Mora konnte allerdings keine Begeisterung auslösen, und so waren die Hawks schon ein Jahr später wieder ohne Head Coach.


Pete Carroll trat Anfang 2010 von seinem Head Coach-Posten bei den USC Trojans zurück. Dort hatte er in über einem Jahrzehnt eine große Dynastie geformt und die stolze private University of Southern California zurück in die Erfolgsspur gebracht. Es war ein Erfolg, den man Pete Carroll gar nicht zugetraut hatte, denn Pete Carroll war in den 1990er Jahren zweimal als Head Coach in der NFL gescheitert.

Bei den Jets musste er nach nur einer Saison gehen. Bei den Patriots übernahm er 1997 eine Superbowl-Mannschaft und schaffte in drei Jahren erst 10, dann 9, dann 8 Siege. Siehst du einen Trend? Er ist nicht dein Freund. Schnell war das Urteil über Carroll gefällt: Ein netter Kerl, ja, aber ungeeignet als Head Coach in der NFL.

Ging ans College und brachte USC in gigantische Höhen. Allerdings gerüchtelte es viele Jahre lang ob da schon alles mit rechten Dingen zugegangen war. Ende 2009 verdichteten sich die Indizien immer mehr, dass es teilweise größere Recruiting-Verletzungen bei USC gegeben hatte und dass Carroll der NCAA-Hammer um die Ohren fliegen würde. Er ging, bevor es aufflog (das passierte ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt).

Und die Seahawks hatten ja gerade ihren Head Coach Mora jr. rausgeschmissen.


Carroll unterschrieb Anfang 2010 bei den Seahawks, und er wurde nicht bloß Head Coach, sondern zugleich auch noch mit Kompetenzen eines General Managers ausgestattet. Es verblüffte, welche Power man ihm gab. Der „echte“ General Manager ist zwar John Schneider, aber hallo: Schneider fungiert vor allem als Carrolls Berater. Mehr noch: Schneider wurde sogar von Carroll eingestellt!

Pete Carroll ließ in den ersten Wochen und Monaten seiner Amtszeit in Seattle keinen Stein unberührt. Er räumte den Trainerstab auf. Er wälzte den Kader um wie kaum jemand vor ihm. An die 200 Transaktionen machte Carroll allein in seiner ersten Offseason. Es sah gar nicht so aus, als hätte Carroll einen besonderen Plan im Hinterkopf. Es wirkte wie ein Hin- und Herschieben von Bausteinen, aber richtig aufgeräumt wirkte die Baustelle im ersten Hingucken freilich nicht – und ich selbst spottete auch ganz gern über Carrolls Wirken.

In der Retrospektive sieht das freilich etwas anders aus. Zum ersten holte er sich mit RB Marshawn Lynch (via Trade aus Buffalo) das neue Gesicht der Franchise, einen physischen, kräftigen Back als neuen Motor der Offense. Und dann kam der Draft 2010, einer der besten Drafts, die einer NFL-Franchise in den letzten Jahren glückte:

Russell Okung, Earl Thomas, Kam Chancellor, Walter Thurmond und Golden Tate in einem einzigen Draft! Das ist ein ganzer Mannschaftskern für sich. Trotzdem waren die Hawks 2010 ein relativ schlechtes Team, das aber verrückterweise trotz 7-9 Bilanz die Division gewinnen konnte. Man spielte in den Playoffs zuhause gegen den Titelverteidiger New Orleans, und, naja: Rest ist bekannt.

Das war der beste Laufspielzug der Playoffgeschichte, und das beast mode war geboren. Lynch galt fortan als Gesicht der Carroll-Seahawks: Wuchtig, wild, druckvoll.


Die Seahawks sind heute gebaut nach dem Ebenbild des Pete Carroll. Ich hatte den wirklich aufschlussreichen Artikel von Smart Footballs Chris Brown bei Grantland schon vor zwei Wochen hier verlinkt, aber noch einmal: Who’s laughing now?

Also known as Three-Deep zone coverage, Cover Three is a fundamental defensive building block; almost every high school team in the country runs some version. As the name implies, three defenders drop and divide the field into three deep zones — typically the two cornerbacks on the outsides and the free safety in the middle — while four other defenders drop to defend underneath passes as the remainder rush the QB. This coverage is sound against the pass and allows an extra defender to come up to stop the run, but it’s also conservative, which is why veteran NFL quarterbacks tend to carve it up and thus why it’s not commonly used in the NFL on passing downs.

Die Legion-of-Boom. Die vielleicht beste Defense, die ich bisher gesehen habe. Auf alle Fälle eine der optisch herausragendsten, gewaltigsten. Thomas, Sherman, Chancellor: Viel besseres gibt und gab es nicht zu bestaunen.

Es ist auch eine Defense, die aus außerordentlich vielen Außenseitern gebaut ist, Spielern, die die erste Runde des NFL-Drafts nur vom Hörensagen kennen. Die 2010er-Clique hatten wir schon, aber auch der aktuell größte und bekannteste Seahawks-Star, CB Richard Sherman, war ein Mann aus der fünften Runde. LB Bobby Wagner kam in der zweiten Runde. Der aktuell gesperrte CB Browner? Kam aus der Canadian Football League. Leute wie DT MeBane (3. Runde 2007) oder DT Red Bryant (4. Runde 2008) stammen aus der Zeit vor Carroll, aber sie blühten erst unter ihm auf.

In der Offense: QB Russell Wilson in der dritten Runde. WR Golden Tate in der zweiten Runde. WR Jermaine Kearse und WR Doug Baldwin? Beide wurden überhaupt nicht gedraftet.

Das erstaunliche ist: Die hohen Picks des Pete Carroll gingen eigentlich eher schief. Der G Carpenter (1. Runde 2011) ist Bankdrücker. Der OLB Irvin (1. Runde 2012) gilt als one trick pony und musste heuer wegen diverser Delikte ein Saisonviertel gesperrt aussetzen. Und der letztes Jahr quasi für einen 1st-Rounder geholte WR Percy Harvin war das ganze Jahr verletzt, soll nun aber zurückkehren; okay, wenn Harvin fit ist, ist das einer der zehn besten Skill-Player in der Liga, aber er ist halt fast nie fit.

So arbeitete Carroll fast zwei Jahre lang nahezu ohne Resultat (okay, der Divisionssieg, aber…) vor sich hin. Spät in der Saison 2011 hatte man erstmals das Gefühl, dass sich in Seattles Defense auch vom Output her was regt.


Aber das echte Coming-Out hatte die heute bekannte Version der Seahawks erst im September 2012, als sie in einem Monday Night Game die Mega-Offense der Green Bay Packers nach Strich und Faden killten. Das Spiel von damals ist vor allem bekannt wegen der Replacement-Referees und der bizarren letzten Hail Mary des Russell Wilson, aber (zumindest bei mir) in mindestens ebenso prägender Erinnerung war die Vorstellung der Defense in der ersten Halbzeit, die Aaron Rodgers komplett abwürgte.

Der große Erfolgträger in Seattle war unter Carroll immer die Defense. Das markante Gesicht der ersten Jahre war RB Lynch aus der Offense. Aber der Schlüssel, diese Mannschaft von „gut“ und „Sleeper“ zu „Geheimfavorit“ und „Topfavorit“ war der Quarterback, Russell Wilson. Ohne Quarterback kann auch der ansonsten beste, tiefste Kader nix erreichen. Und Wilson ist nicht irgendein QB.

Wilson kam gegen alle Wetten aus der dritten Runde in die NFL. Er wurde sofort zum Stamm-QB. Nach einigen Eingewöhnungsproblemen in den ersten Wochen mauserte sich Wilson schnell zum heimlichen Star der „Big Three“ (RGIII, Luck, Wilson) der Rookie-QBs. Schon zur Halbzeit seiner ersten Saison gehörte er zu den besten Quarterbacks in der NFL, und wurde zur prägenden Gestalt einer Mannschaft, die gegen Jahresende alles an die Wand spielte, was sich ihr in den Weg stellte.

Dieser Überquall an physischer Energie und wuchtiger Dynamik, mit dem die Seahawks Ende der Saison 2012/13 alles in Grund und Boden walzten, wird für immer das definierende Bild der Carroll-Hawks sein. Es war blanker Zufall, dass die letztlich wohl beste Mannschaft der Saison letztes Jahr nicht die Superbowl erreichte, und es brauchte ein mirakulöses Comeback der nicht schwachen Atlanta Falcons in einem unglaublichen Playoffspiel.

Russell Wilson war dieses Jahr nur noch phasenweise so dominant, aber mit seiner Spielweise muss er trotzdem als Liebling der Massen angesehen werden: Ein untersetzter Mann, der eigentlich eher Kickreturner als Quarterback spielen sollte. Es ist extrem sympathisch, dem Underdog Wilson bei seiner Arbeit in der Pocket zuzusehen. Er strahlt phasenweise totale Kontrolle über sich und den Gegner aus. Es gibt wenig Anmutigeres als einen Wilson in Hochform. Da würdest ihn am liebsten als Plüschtier kaufen. Fragt sich, ob Wilsons „Formkrise“ in den letzten Wochen mehr ihm oder den dominanten gegnerischen Abwehrreihen zuzuschreiben ist.


Wilson ist nicht nur sportlich der Mann, der diesen überaus talentierten Kader über sich hinauswachsen ließ. Wilson ist auch deshalb ein „MVP“, weil er so billig ist. Er kostet die Hawks bloß nahezu das Minimalgehalt, weil er als Rookie aus der dritten Runde in einem skandalösen Kontrakt festgeknebelt ist. Auch Jungs wie Sherman, Chancellor oder Wagner spielen für lau, weswegen sich Seattle in der Offseason 2013 den Luxus leisten konnte, gefürchtete Passrusher wie DE Avril oder den kompletten DE Michael Bennett für okayes Salär einem eh schon enorm tief besetzten Kader hinzuzufügen.

So sind die Carroll-Seahawks dieser Tage ein auf recht unorthodoxem Weg zustande gekommenes, rundum fast komplettes Team. Es lebt von geglückten, späten Draftpicks. Von guten Verträgen. Von einem Trainerstab, der nach unermüdlicher Arbeit und vielen Rückschlägen doch noch die richtigen Schemata gefunden hat. Von einem Quarterback, der allen Unkenrufen zum Trotz die Liga im Sturm genommen hat. Und es ist ein markantes Team voller spektakulärer Charaktere und Geschichten.

Die heutige Ausgabe 2013/14 ist gemessen an dem Image, das die Hawks in der letzten Saison ausstrahlten, zwar tiefer und rundum vielleicht auch besser besetzt, aber es fehlt der letzte Thrill. Die Offense läuft nicht mehr so geschmiert wie 2011. Wilson, diese Wühlmaus, spielt nicht mehr ganz so lights out wie noch vor 12 Monaten. Aber dafür reißt eine der besten Pass-Defenses aller Zeiten, die Legion-of-Boom, alles heraus – sportlich und medial.

Pete Carroll hatte schon immer eine Philosophie, die er umsetzen wollte. Er konnte es nicht immer versuchen, weil ihm das Spielermaterial abging. In Seattle fand sich selbiges ein. Dank seiner pragmatischen Art, die auch Ignoranten wie mir lange suspekt erschien. Dank natürlich auch einem glücklichen Händen. Aber ohne Glück ist es nicht möglich, eine solche Mannschaft zusammenzustellen – und wir sollten sie bestaunen, solange sie noch in dieser Form zusammenspielen kann.

Vielleicht ist der Superbowl Sunday auch schon der Höhepunkt der Seattle Seahawks.

NFL 2012/13, Woche 7 in der Vor- und Rückschau

Was bleibt vom Donnerstagsspiel San Francisco – Seattle übrig, was wir nicht schon wussten? Vielleicht, dass die 49ers ihrem QB Alex Smith sogar noch weniger das Zepter in die Hand drücken wollen als bisher geahnt? Da waren einige merkwürdige PlayCalling dabei (QB-Scramble in der gegnerischen RedZone bei 10-6 und 3rd und 7? Really?).

Davon ab bot das Spiel adäquate Unterhaltung trotz fehlender Passrekorde. Seattles Offense bestand mal wieder zu größten Teilen aus RB Marshawn Lynch, dessen wuchtige Schritte diesmal wieder den entsprechenden Output brachten; wenn die Seahawks die nächsten zwei, drei Spiele gewinnen, wird Lynch früher oder später in den ESPN-Shows als möglicher MVP-Kandidat rauf und runterdiskutiert werden.

Dabei war es noch mehr das 49er-Laufspiel, das der Partie den Stempel aufdrückte. Die Kombination einer plötzlich (seit dieser Saison) auf großartigem Niveau blockenden 49er-Offense Line und eines wiederbelebten RB Frank Gore macht diese Mannschaft auch im Angriff sehenswert und locker eine Klasse stärker als noch letztes Jahr.

Was ebenso diskutiert wird: Ist die NFC West nach Jahren in der Misere auf einmal eine der Power-Divisionen? Wir werden sehen. San Francisco gehört zur Liga-Elite. Seattle ist oberes NFL-Drittel. Aber die aufkeimenden Diskussionen dürften schnell wieder beruhigt werden, wenn heute die Rams (vs Green Bay) und Cardinals (@Minnesota) schlecht aussehen.

Abendessenbegleitprogramm

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Das ESPN-Livespiel Houston Texans gegen Baltimore Ravens ist das Duell der beiden einzigen 5-1 Teams in der dieses Jahr in Breite und Spitze schwachen AFC. Die Texans wurden am Sonntag von Green Bay geerdet. Offense und vor allem Defense wirkten irdisch, was nicht bloß am ausgefallenen MLB Cushing liegen dürfte. Die Partie gegen die Ravens dürfte Aufschluss geben, wohin die Reise für Houston gehen wird, nachdem man die AFC South problemlos gewinnen sollte.

Baltimore dagegen ist ein eher glückliches 5-1 Team, muss sich in der Defense neu erfinden, nachdem die eh schon schwache Passabwehr durch den Ausfall des Einser-Cornerbacks #21 Webb noch weiter geschwächt wird. Rauf und runter diskutiert wird auch Leib, Herz und Seele der Ravens-Defense, MLB #52 Ray Lewis, der sich am letzten Sonntag schwer verletzte, und dessen Karriere möglicherweise beendet sein wird. Man sagte Lewis zuletzt nach, nur noch emotionaler Leader gewesen zu sein – und als solcher dürfte Lewis dem Team durchaus noch erhalten bleiben. Vielleicht kehrt sogar DE/OLB Terrell Suggs nach einem erstaunlich schnell auskurierten Achillessehnenriss in die Formation zurück.

Immer sehenswert ist die NFC East, diesmal mit New York GiantsWashington Redskins, wo sich die Scheinwerfer – traraaaaaaa – auf QB Robert Griffin III richten. Wie wird der mobile Griffin gegen den geballten Pass Rush der Giants zurecht kommen? Werden die Shanahans wieder keine Scheu zeigen, Griffin 10x/Partie in das Getümmel scrambeln zu lassen?

Bei Tampa BayNew Orleans haben die Saints die Gelegenheit, gegen einen suspekten Divisionsrivalen ihre Saison am Leben zu erhalten. Störfeuer werden derzeit vor allem von außen reingetragen, weil der Kopfgeldskandal nicht zum Verstummen kommt – letzter Stand ist, dass der ehemalige NFL-Commissioner Paul Tagliabue als Vermittler eingeschaltet wird.

Bei MinnesotaArizona sind zwei Quarterbacks und ein Irrwisch im Blickpunkt. Fangen wir mit Letzterem an: Ich betone es oft genug, aber WR/RB/PR #12 Percy Harvin mausert sich immer mehr vom Geheimtipp zum vertiablen Offensivspieler des Jahres – was Harvin dies’ Jahr an Einsatzzeit in der nun zwei Jahre lang so lahmen Vikes-Offense bekommt, grenzt schon fast an Wahnsinn, und Harvin macht beständig seine Plays.

Harvin hat auch das Glück, dass sich QB Christian Ponder in seinem zweiten Jahr hinter einer merklich verbesserten Offensive Line viel wohler zu fühlen scheint. „Wohlfühlen“ dürfte sich Ponder auch mit seiner neuen Lebensabschnittsgefährtin, der Sideline Reporterin von ESPN, Samantha Steele. Ponder, von der FSU als recht blasser QB in Erinnerung, dürfte sein Profil damit auf und abseits des Feldes gestärkt haben.

Quarterback ist auch das große Thema in Arizona, wo das Hin und Her zwischen Skelton und Kolb und Skelton eine Fortsetzung nimmt. Nachdem Kolb durch eine Verletzung Skeltons die #1-Rolle übernommen hatte, wurde Kolb letzte Woche ausgeknockt und wird nun vorerst wieder durch John Skelton ersetzt. Skeltons gebotenen Eindrücken von letzter Woche nach dürfte Kolb sobald fit sofort wieder zurückkehren. Kolbs Eindrücken nach dürften die Cards nächstes Jahr zwei neue Quarterbacks aufbieten.

Die Spätspiele

Das AFC-East-Duell New England PatriotsNew York Jets stellt alles in den Schatten, und dabei konzentriert sich der Mainstream sogar ausnahmsweise nicht auf Tebow, der nicht zur Ruhe kommt und unter der Woche seinen Tebow-Kniefall patentieren ließ. Patriots – Jets, das war die letzten Jahre eine der härtesten Rivalitäten in der NFL, erst wegen Parcells, dann wegen Belichick, dann Mangini, dann Spygate, dann Rex Ryan, dann, dann, dann. Gibt immer was Nettes abseits des Spielfels, und auf dem Spielfeld waren viele Spiele spannend bis zuletzt.

Zwei Knackpunkte: Wie werden die Jets auf das enorme Tempo der Patriots-Offense reagieren, nachdem sich die Pats heuer einen Dreck um gefinkelte Aufstellungen der Gegner scheißen? Und inwiefern kann der angezählte QB Sanchez die zuletzt horrende Patriots-Secondary austesten? Ich tippe auf einen Patriots-Sieg, aber nicht mit drei Touchdowns.

Nur ein Parallelspiel, und überraschenderweise ist es OaklandJacksonville, was bedeutet, dass in den Staaten zwei CBS-Spiele parallel übertragen werden. Jacksonvilles bereits weithin als Megabust bezichtigter QB Blaine Gabbert sieht mal wieder eine schwache Passdefense gegen sich, und kann vielleicht ein paar Pluspunkte holen.

Das Nachtspiel

CincinnatiPittsburgh klingt eigentlich ganz gut als Ansetzung. Bei den Bengals fiel mir zuletzt die verstärkte Passlastigkeit auf: Man scheint QB Dalton nun mehr zu vertrauen, nachdem das Laufspiel überhaupt keine Impulse setzen kann. Daltons große Waffe ist neben den üblichen Verdächtigen WR #18 A. J. Green und TE #84 Gresham eine Unbekannte: WR #12 Andrew Hawkins, ein kleiner Percy Harvin – und gegen eine druckvolle Linebacker-Unit wie jene der Steelers vielleicht eine besonders wichtige Waffe, weil sie die Blitzfreudigkeit der Steelers einschränken könnte.

Tipps

Ich sehe nicht diese Orgie an Heimsiegen kommen wie das am Freitag vorgestellte Modell, und tippe diese Woche wie folgt:

BUFFALO – Tennessee
NY GIANTS – Washington
Tampa Bay – NEW ORLEANS
Carolina – DALLAS
HOUSTON – Baltimore
Indianapolis – CLEVELAND
St Louis – GREEN BAY
MINNESOTA – Arizona
NEW ENGLAND – NY Jets
OAKLAND – Jacksonville
Cincinnati – PITTSBURGH
CHICAGO – Detroit

Seattle Seahawks in der Sezierstunde

Freak-Saison für die Seattle Seahawks: Mit neuem Coach als Team im Umbruch gestartet, am Ende trotz schwacher Statistiken Divisionssieger und am Ende als erste Mannschaft mit negativer Playoffbilanz den Titelverteidiger New Orleans aus dem Wettbewerb gekegelt. Das Heimspiel gegen die Saints war elektrisierend, dank des Feuers in der Mannschaft und auf den Rängen.

Trotzdem: Seattle war 7-9 und hat an der Playoffteilnahme womöglich langfristig zu knabbern. Denn anstatt an #8 picken die Hawks nun an #25 in jeder Runde. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil in einer Mannschaft mit extrem vielen Löchern.

Handlungsbedarf in der Verteidigung

Ich habe nur 3x Seahawks gesehen. Das genügte aber, um die Schwachstellen ausfindig zu machen. Das Laufspiel ist nicht mehr als grundsolide, der Quarterback alt und unkonstant. Das ist alles nichts gegen die fürchterliche Secondary.

Die Cornerbacks haben allergrößte Problem im Duell Mann gegen Mann und brauchen dringend jeden neuen Impuls von außen. Keinen Deut besser schaut es in der Mitte bei den Safeties aus. Ich wusste gar nicht, dass Lawyer Milloy noch spielt. Jetzt weiß ich, dass es vielleicht nicht schlecht wäre, wenn Milloy nicht mehr spielen würde. Handlungsbedarf: extrem hoch.

Die Linebackers sollten vom Spielermaterial her passen. OLB Aaron Curry galt als großes Versprechen. Eingelöst hat er davon nicht lange nicht alles. ILB Lofa Tatupu ist verletzungsanfällig, gilt aber als Typ, der eine Defense führen kann. Die Defensive Line spielt phasenweise groß auf, aber nicht konstant genug.

Handlungsbedarf im Angriff

Bruchstückhaft ist auch die Offense, angefangen beim alternden QB Matt Hasselbeck. Hasselbeck wird nicht mehr lange spielen, aber an guten Tagen ist Hasselbeck immer noch recht effizient. Ich glaube, Seattle wird an #25 im Draft aktiv, sollte mit QB Jake Locker der Lokalheld (spielte an der nahen University of Washington) noch frei sein. Wobei mir in Seattle nicht klar ist, weshalb man Lokalhelden braucht. Das wunderschöne Stadion ist sowieso immer huckevoll. Nicht ausgeschlossen auch: QB Matt Leinart. Der spielte einst unter Carroll an der University of Southern California. Handlungsbedarf: gegeben, auch nicht Top-Priorität.

Dringender ist aber die Baustelle „Offensive Line“. Jahrelang Seattles größte Stärke und verantwortlich für viele tausend Yards von RB Shaun Alexander, aber mittlerweile ist davon nicht mehr viel zu sehen. Handlungsbedarf: Dringend.

Das Laufspiel ist ebenso mau. RB Marshawn Lynch hat bis auf den Sensationslauf gegen die Saints nicht allzu viel gezeigt. Das Passspiel krankt daran, dass es keine eindeutigen #1-Receiver gibt. Handlungsbedarf: Gegeben, aber Secondary und Offensive Line sind eindeutig wichtiger.

Ausblick

So viele Baustellen und doch Hoffnung. Hoffnung, dass Seattle öfters mit dem Feuer wie gegen die Saints spielt. Allerdings wird der Spielplan 2011/12 wesentlich ungemütlicher als noch in diesem Jahr.

Carroll muss neben den personellen Veränderungen auch einen Mentalitätsumschwung einleiten. Seattle hat sich phasenweise reaktionslos in sein Schicksal ergeben und hat mehrere Spiele wehrlos abgeschenkt. Das Punkteverhältnis von 310:408 spricht Bände.

Ich gebe Seattle selbst in der schwachen NFC West nur geringe Chancen auf eine Playoffteilnahme im kommenden Winter. Es ist eine Offseason, in der Carroll die Rahmenbedingungen schaffen muss, damit im kommenden Jahr der Einkauf von Playmakern Sinn machen kann.

Zu weiteren Sezierstunde-Ausgabern geht es an dieser Stelle, oder unter dem Tag Sezierstunde.