In Sachen College-Football Historie nähern wir uns rapide der Moderne – wir kommen heute schon in den 1960er Jahren an. Wir haben bislang gesehen, wie Football sich aus Fußball und Rugby entwickelte, welche Kinderkrankheiten, aber auch welche existenziellen Schwierigkeiten er dabei überstehen musste, wie Football zum Wirtschafts- und Kriegsfaktor wurde – und wie er in den Vierzigern und der unmittelbaren Nachkriegszeit als US-weite Projektion von Toughness als Abhärtungskur für die verweichlichte Jugend propagiert wurde. Weiterlesen
Ohio State University
The Countdown, T-minus 3: Ohio State Buckeyes
The Countdown
#3 Ohio State Buckeyes.
Big Ten Conference.
2012: 12-0.
Wenn man die die fünf größten Football-Programme im College-Sport aufzählen soll, wird in 95% der Fälle die Ohio State University mit dabei sein. Gründe sind die lange Historie von Football in der Hauptstadt von Ohio (Columbus), die wiederZufalleswill außer einer Eishockey-Franchise kein Team in den Big-4 der US-Sportligen beheimatet, viele Erfolge, legendäre Trainerköpfe wie Woody Hayes oder Jim Tressel, und auch das 105.000 Zuschauer fassadene Ohio Stadium, genannt aufgrund seiner Bauform „The Horseshoe“, das zweitgrößte Stadion in den USA, dürfte mit in das Bild passen.
In den letzten beiden Jahren lief Ohio State außer Konkurrenz mit, weil man wegen eines (kleineren) Recruiting-Skandals, der auch Tressel den Kopf kostete, von der NCAA gesperrt war. Wer also College-Football erst seit kurzem verfolgt, wird vielleicht überrascht sein vom Terz, der in den US-Medien um die Buckeyes („Kastanien“) gemacht wird. Aber Ohio State ist schon eine gewaltige Hausnummer. Der letzte BCS-Titel liegt zwar mittlerweile zehn Jahre zurück und wurde auch nur dank einer Schiedsrichterfehlentscheidung gewonnen, aber 2006 und 2007 stand man jeweils im BCS-Finale und gewann auch hernach mehrmals die Big Ten Conference.
2012/13 schloss man eine perfect season mit 12-0 ab. Weil man aber wie besagt a.K. dabei war, wurde davon kaum Notiz genommen. Dafür gilt Ohio State vor dieser Saison als einer der Topfavoriten auf das Erreichen des BCS-Endspiels.

Urban Meyer (l.) als Headcoach in Florida. Wer den Typen halbrechts übrigens nicht kennt: Ab ins Bett. – Bild: Wikipedia.
Einer der meist genannten Hauptgründe dafür ist der Head Coach Urban Meyer, der seit Januar 2012 das Zepter übernommen hat und zu den aktuell drei begehrtesten Trainern gilt. Meyer hat in Utah und Florida große Erfolge gefeiert und ist bekannt geworden durch seine innovative Auslegung der „Spread-Option-Offense“ mit guter Balance zwischen Pass und Lauf. Damit unterscheidet sich Meyer diametral von seinem „Vorgänger“ Tressel, dessen erzkonservative Spielweise eher auf Fehlerminimierung basierte. Meyer dagegen steht für Spektakel.
Ganz koscher ist Meyer vielen Leuten zwar nicht, Stichwort extrem laxe Handhabe bei disziplinären Problemen seiner Spieler sowie Bewegen am Rande des Regelwerks, was Recruiting und Trainingsvolumen angeht, aber es gilt als unbestritten, dass Meyer imstande ist, alles aus seinem Spielermaterial herauszuholen, was möglich ist, und dass eventuelle Misserfolge nur selten auf seinen Mist gewachsen sind.
Das zweite Grund ist das Spielermaterial. Die Toptalente laufen Ohio State quasi die Tür ein, und seit Meyer die sportliche Leitung über hat, gibt es auch Zufluss an Talenten aus dem US-Süden, wo sich die NFL-Kaliber auf den Füßen stehen. Nicht jeder kann bei Alabama oder Florida spielen, also gehen sie halt zu Meyer in den Norden. Einen glänzenden Ruf dort hat Meyer nach wie vor. QB Braxton Miller z.B. wird hinter vorgehaltener Hand bereits für einen möglichen Gewinn der Heisman-Trophy gehalten.
Dritter und dieses Jahr vielleicht wichtigster Grund: Der Spielplan. Der ist so wachsweich, dass für viele alles andere als die erneute perfect season zum Ende der Regular Season einer riesigen Enttäuschung gleich kommt. Die Big Ten Conference gilt als sportlich dieses Jahr ausgesprochen dürftig bzw. ohne echte Stolpersteine. Out of conference bestreitet OSU nur bessere Trainingsspiele. Eine 13-0 Saison wäre das quasi sichere Ticket ins BCS-Endspiel.
Soweit die Theorie. Die Geschichte zeigt aber, dass man im College-Football niemals von einer Perfect-Season ausgehen sollte. Zu viele Fehler passieren in diesem Sport. Selbst die besten Mannschaften haben viele nur durchschnittliche Spieler, denen Dummheiten passieren. Zu oft reicht ein einziger schwarzer Nachmittag für eine scheinbar unnötige Pleite. Selbst Meyers bärenstarke Mannschaften bei Florida oder die letzten beiden überirdischen Ausgaben von Alabama schafften es nicht ohne Niederlage durch die Saison. Und bei aller Liebe: Ohio State war im letzten Herbst zwar 12-0, aber das recht aussagekräftige Simple Rating System führte die Buckeyes nur an #13 (14pts über dem durchschnittlichen Team). Echte Dominanz sieht anders aus.
Die Mannschaft hat Pryorität
In the best interests of my teammates, I’ve made the decision to forgo my senior year of football at the Ohio State University.
(Quelle: N.Y. Times)
Sachte Terrelle Pryor.
Am Dienstagabend ist passiert, was schon länger spekuliert wurde: Die Ohio State Buckeyes verlieren nach Strickjacke Jim Tressel nun auch ihren Quarterback: Terrelle Pryor hat sich offiziell selbst aus dem College Football gezogen, bevor es die NCAA hätte machen können. Pryor war nicht irgendein QB. Pryor war einer der meistgehypten athletischen QBs der letzten Jahre, ein Hüne von einem Mann (1,98m, 106kg), ausgesprochen beweglich und wurfgewaltig.
Anfangs ein reiner Option-QB, so hat sich Pryor zuletzt immer stärker versucht, als potenzieller NFL-QB zu geben, blieb im Winter sogar am College, um 2012 eventuell in einer akzeptablen Position gedraftet zu werden.
Das kam schon damals überraschend. Denn Pryor war bereits für 5/12 der kommenden Saison am College gesperrt worden. Das Vergehen: Meisterringe eingetauscht. Gegen Tätowierungen.
Ein banales Vergehen? Immerhin banal genug, um Mitwisser Tressel den Job zu kosten. Im Lauf der Ermittlungen kam auf, dass Pryor wohl völlig überraschend von einem Booster für signierte Autogramme Geld bekommen hatte und zudem wohl in einer Handvoll verschiedener schwerer Sportwagen durch Columbus getourt war. NCAA-Skandal at his worst.
Was bleibt von Pryor? Er hat Oregon in einer tollen Rose Bowl 2010 besiegt. 3x Michigan geputzt. Viele unpräzise tiefe Bälle geworfen. Trotzdem zweieinhalb Jahre lang Rabatz gemacht und konstant in Nähe des BCS-Finals gespielt. Ansonsten? Wird man sich in Zukunft an den unrühmlichen Abgang erinnern.
Die Reise Pryors könnte nun a) in den möglichen NFL-Supplemental Draft (für Spieler: Wettquote 11:10) führen, oder b) in die Canadian Football League (Quote 5:4) oder c) gar in die UFL (3:1).
Die Reise der Ohio State University dagegen geht eher in Richtung Verlust von Stipendien, Aussperrung aus Bowls und zumindest 2011/12 einiger ungemütlicher Niederlagen.
Und die nächste wartet womöglich bereits: Colt McCoys Ehefrau hat sich gestern in einem Radioschalte ein ganz klein wenig vielleicht büsschen oder so versprochen. Bei den Texas Longhorns werden ein paar Sirenen geläutet haben.
BREAKING: Konformist in anderem Sinne
Nächster Stein aus der Mauer gebrochen – aus der Mauer der NCAA, der Hüterin der Moral im College Football: Jim Tressel ist für zwei Spiele suspendiert worden – von seiner eigenen Universität. Tressel ist nicht irgendwer. Tressel ist der Head Coach der Ohio State Buckeyes, eines der größten und erfolgreichsten Programme der letzten Jahre und neben Michigan das Flagschiff der Big Ten Conference.
Tressel ist der Inbegriff des Konformisten, die personifizierte Strickjacke, der Traum aller republikanischen Schwiegermütter. So abgrundtief konservativ wie Tressel sich gibt, sendete Tressel damit ein Signal an die Öffentlichkeit: Seht her, für mich gelten noch Regeln der Gesellschaft!
As it turns out, ist Tressel tatsächlich Konformist – Konformist im Sinne vieler Collegefootball-Coaches: Für den Sieg wird alles in Kauf genommen und bei Regelwidrigkeiten werden schon mal beide Augen zugedrückt.
Im Jänner hatte die NCAA fünf Buckeyes gesperrt, weil sie Geld angenommen hatten und ihre Championship-Ringe verhökert hatten. Tressel wusste davon, unternahm aber dagegen nichts. Das ist gegen die Regeln der NCAA. Tressel gegen die Regeln!
Die Ohio State University hat Tressel nun eigenhändig gesperrt – für die ersten zwei Saisonspiele 2011/12 – Spiele gegen Akron und Toldeo, die locker gewonnen werden sollten. Die Sperre kann so interpretiert werden, dass OSU schlimmeren Bestrafungen durch die NCAA entgehen wollte. Die NCAA kann trotzdem noch zusätzliche, härtere Strafen verhängen.