Die Vorschau auf die heutige Gruppe E fällt notgedrungen etwas kürzer aus.
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Die Olympische Hockey-Vorschau für Gelegenheitszuschauer, Gruppe C
Heute geht es los: Das Olympische Eishockeyturnier der Männer mit so viel NHL-Power, dass du gar nicht mehr weißt wohin du schauen musst. Gruppe A und Gruppe B hatte ich, aber weil in der Welt alles logisch sein muss, beginnt in Sotschi die Gruppe C das Turnier. Live ist man bei SPORT1 im TV oder bei deren Streams mit dabei. Gruppe C besteht aus folgenden Mannschaften:
Tschechien
Schweden
Schweiz
Lettland
Tschechien
Die Tschechische Republik ist verantwortlich für mein erstes großes Hockey-Erlebnis, 1998 in Nagano, als sie im Endspiel sensationell die Russen bezwangen. Im Mittelpunkt stand damals der Hexer, Dominik Hasek, der Inbegriff des Hockey-Goalies, der Russland in jenem Spiel komplett zur Verzweiflung brachte. Seither sind die Tschechen stets ein Titelkandidat, aber den ganz großen Wurf haben sie nur mehr selten geschafft.
Diesmal geht ihnen etwas die Sexyness und der ganz große Star-Rummel ab. Klar, Right Winger und Nationalsymbol Jaromir Jagr ist auch mit seinen 41 Lenze noch mit dabei, aber es ist kein Zufall, dass Jagr zuletzt kaum mehr länger als vier Monate für eine Franchise in der NHL spielte, ehe er weiterverschifft wurde. Jagr ist ein Techniker vor dem Herrn, aber mit vier Jahrzehnten auffm Buckel eben nur mehr so schnell wie man von einem 41jährigen befürchtet.
Immerhin: Seine Nebenleute in den ersten beiden Reihen gelten als hochklassig und vielseitig genug, um die tschechische Mannschaft gegen jeden Gegner im Spiel zu halten: Voracek kann alles außer abschließen. Die beiden Center Plekanek und Hanzal gehören zu den defensivstärksten Mittelstürmern, und auf links freut man sich immer den torhungrigen Michalek in Aktion zu sehen. Die Frage ist, was Michalek dieses Jahr drauf hat: Seine NHL-Saison wird als desaströs bezeichnet, er gilt als völlig verunsichert (was „völlig verunsichert“ bei einem Hockey-Crack bedeutet, kann jeder selbst für sich beantworten). Ach, und: Den steinalten RW/C Patrick Elias hat man nun auch lange genug gesehen um zu wissen, dass das ein ganz abgebrühter Hund ist.
Es gab allerdings Kritik in Tschechien, weil der Coach eine ganze Latte an brauchbaren weiteren Stürmern draußen ließ, und vor allem, weil D Jan Hejda aus Colorado nicht mitgenommen wurde. Denn: Die Abwehr ist einer der Schwachpunkte. Nur die Routiniers Zidlicky und Michalek sind noch echte NHL-Stammspieler aus den tschechischen Defensivreihen. Eine halbwegs solide Abwehr wird essenziell für die Tschechen, denn anders als vor 16 Jahren mit Hasek im Kasten gilt die Goalie-Situation diesmal als verheerend: Pavelek will man in Winnipeg fast jede Woche ersetzen und wenn man sieht, was andere Contender für Torhütersituationen vorfinden, muss man die Tschechen ob der Ihrigen schon fast bemitleiden.
Schweden
Schweden war der Olympiasieger von 2006, scheiterte aber in den Ausgaben 2002 und 2010 jeweils schon überraschend im Viertelfinale an den Medaillenhoffnungen. Das Dreikronen-Team von 2014 als ganz großer Gold-Favorit – übertreibe ich, wenn ich die Schweden im Head-to-Head minimum auf Augenhöhe mit den Kanadiern sehe, darauf pfeifend, dass mit Henrik Sedin ein ganz wichtiger Offensivspieler wegen Rippenverletzung für die Spiele ausfällt? Let me explain.
Schweden, das ist in allererster Linie ein Hockey-Synonym für die komplette Mannschaft. Das war schon immer so, und auch diesmal gibt es selbst nach dem Sedin-Ausfall kaum Schwachstellen im Kader. Alles fängt damit an, dass die Abwehr so wendig ist, dass sie pfeilschnell nach Puck-Eroberung nach vorne eröffnen kann. Den schwedischen Verteidigern geht zwar nach dem Rauswurf von Verteidiger Hedman die allerletzte Physis ab, aber dafür spielen diese Jungs so schnell, dass du als Gegner nie unvorsichtig angreifen kannst.
Im Kasten steht Henrik Lundqvist, der bei den Rangers immer mal wieder in die Kritik gerät, aber mit dem Adler auf der Brust mit drei Kronen am Kopf ist Lundqvist fast nur als unbezwingbarer Block bekannt. Legendär sind seine Paraden beim Goldwurf 2006 in Turin.
Der ganze Defensiv-Block mit seiner schnellen Spieleröffnung ist das Getriebe der Schweden für ihre famose, famose Offensive. Ein Sedin fehlt, aber der andere ist noch da. Henrik Zetterberg war schon ein Superstar als ich noch ein kleines Kind war, und ist immer noch „erst“ 33, was mich verblüfft hinterließ. Der neue Zetterberg ist auch schon im Kader, der 21jährige Gabriel Landeskog von Colorado, der schon in seinem zweiten NHL-Jahr zum Team-Kapitän gewählt wurde.
Die schwedischen Winger werden in erster Linie angespielt von ihrem Center, Nicklas Backström von den Caps. Backström verglühte im Dezember fast vor Spielfreude, aber schleppte danach erstmal eine kleine Formkrise mit sich und ist seit 15 NHL-Spielen ohne Tor. Bloß: Einen Backström misst du nicht allein an Treffern. Ein Backström ist da, eine Unzahl an Assists vorzulegen (3t-meiste der NHL-Saison), sodass Sedin, Zetterberg, Landeskog, Alfredsson und wie sie –bergs und -ssons alle heißen nur noch einschieben brauchen.
Im Eishockey ist bei dieser Leistungsdichte in der absoluten Spitze natürlich extrem viel Zufall mit im Spiel, aber: Aufgestellt ist nur eine Mannschaft am besten für Gold – und das ist für meinen Geschmack Schweden. Es ist die einzige Mannschaft ohne auch nur einen Anflug von Schwäche im Kader. Und sie ist immer flott anzusehen.
Schweiz
Die Schweiz… die beste Nati ever soll Headcoach Sean Simpson da unter seinen Fittichen haben. Letztes Jahr marschierten die Schweizer sensationell ins WM-Finale und erst dort mussten sie sich den Schweden geschlagen geben. Ein WM-Endspiel ist immer eine feine Sache, auch wenn eine WM aufgrund vieler NHL-Abwesenheiten längst nicht den Stellenwert eines Olympiaturniers besitzt.
Von allen Mannschaften außerhalb der „Big-7“ (Schweden, Kanada, Russland, Tschechien, Finnland, USA, Slowakei) dürften die Schweiz über den mit Abstand besten Kader verfügen, und vor allem: Über den komplettesten, tiefsten. Sie haben in praktisch allen Mannschaftsteilen richtig gute Leute, die auch in Amerika Begehren erwecken.
Das beste von allen: Goalie Jonas Hiller, der seit vielen Jahren eine feste Größe in der NHL ist und auch dieses Jahr als Anwärter auf die Vezina Trophy als bester Torhüter der Saison gilt. Hiller ist der Ankermann einer Schweizer Mannschaft, die vor allem auf ihre Abwehrstabilität baut. Zum Beispiel mauerte man sich letztes Jahr mit nur 11 Gegentoren aus den ersten neun Spielen (inkl. nur insgesamt einem in Viertel- und Halbfinale) ins WM-Endspiel, und erst dort brachen die Dämme.
Eine Klasse schwächer, aber immer noch durchaus respektabel, ist man im Angriff besetzt. Damien Brunner von den New Jersey Devils ist als Center der einzige Spieler von Weltformat. „Der einzige“ liest sich negativer als es für eine Schweizer Mannschaft klingen sollte. Aber hinter Brunner ist die Tiefe eher mittelmäßig, zumindest vergleichen mit den Topnationen.
TV-technisch sehe ich relativ viel Hockey aus der Schweizer Liga, da ich SRF empfange und häufig zur Wochenmitte und um die UEFA-CL Berichterstattung herum einiges Hockey gezeigt wird. Natürlich ist eine NHL eine andere Welt, aber für meinen Geschmack ist die Schweizer Liga, was Tempo und Physis angeht, in Europa schon eine Hausnummer. Da wird erstklassiges Hockey gespielt. Wenn man das mit Hockey in Göteborg oder so vergleicht (und die schwedische Liga hat einen exzellenten Ruf), ist die National League in der Schweiz nicht weit weg.
Insofern: Nicht enttäuscht sein, wenn es zu keiner Medaille reicht; dafür sind die Arrivierten wohl noch zu weit weg. Aber den einen oder anderen Nadelstich traue ich dieser Schweizer Nati schon zu – vielleicht gelingt gegen die Tschechen sogar eine Überraschung.
Lettland
Lettland ist als #11 der Weltrangliste höher gerankt als zum Beispiel Österreich oder Slowenien, aber die Jungs von Coach Ted Nolan gelten trotzdem als klare Außenseiter in diesem Turnier. Die Auswahl der Letten setzt sich zusammen aus mehr oder weniger dem gesamten Kader von Dinamo Riga plus dem einen oder anderen NHL-Import.
Ich kenne keine Einzelspieler, aber von den letzten Weltmeisterschaften ist eine sehr quicke, wendige Defense in Erinnerung, die nach Puck-Gewinn nicht lange zaudert, sondern das Ding recht schnell via Kombinationsspiel nach vorne treibt. Das Problem ist allerdings, dass man zu wenige Bälle erobert. Die Letten kassieren viel zu viele Schüsse aus guten Positionen, und zusammen mit relativ unerfahrenen Goalies summiert sich das gegen spielstarke Offensiven wie Tschechien oder Schweden schnell mal auf 5-6 Gegentreffer; sprich: Man ist chancenlos gegen solche Gegner.
Gegen Mittelklasse-Gegner reicht die lettische Defense meistens aus, und dann kann man auch recht flink nach vorn spielen, wo der Center der Buffalo Sabres, der blutjunge Zamgus Girgensons (2012 in der ersten Runde gedraftet), wartet. Girgensons spielt mittlerweile auch in Buffalo unter seinem Nationalcoach Nolan, der dort Mitte der Saison als Interimscoach eingesprungen ist.
Es ist nicht zu erwarten, dass den Letten eine Überraschung in der Gruppe gelingt – am ehesten gegen die Eidgenossen, aber hm… nein. Es braucht dazu schon eine so disziplinierte Leistung ohne Penaltys, und das von einer so jungen, unerfahrenen Mannschaft, dass ich nicht dran glaube. Aber selbst ohne große Ambitionen für Medaillen ist das eine Mannschaft, die mir mit ihrem beherzten Spiel bei den letzten Weltmeisterschaften durchaus ans Herz gewachsen ist – vielleicht springt ja ein Punktgewinn für die Balten heraus.
Spieltage (alle Uhrzeiten MEZ)
- Am 12.2.: Tschechien – Schweden (18h), Lettland – Schweiz (18h)
- Am 14.2.: Tschechien – Lettland (9h), Schweden – Schweiz ( 13h30)
- Am 15.2.: Schweden – Lettland (18h), Schweiz – Tschechien (18h)