Heute: Die Footballausgabe der Bücherliste. Weiterlesen
Smart Football
Wahre Liebe: „The Essential Smart Football“ (Chris Brown)
Ganz ehrlich: Es war mein erstes Buch über American Football. Dass ich es überhaupt las, hat einen Grund: Den Autor. Und man kann keinen Gedanken zu diesem Buch schreiben, ohne nicht auf dessen absolut fantastische Weblog zu verweisen: Smart Football. Auf diesen Namen hört die Privatseite von Chris B. Brown, seines Zeichens Football-Pragmatiker und Strategiespezialist, in seiner Freizeit einem Beruf auf juristischem Gebiet nachgehend.
The Essential Smart Football ist im Grunde eine Aneinanderreihung mancher von Chris Browns besten Blogeinträgen, plus einigem neuer Inhalt (Verhältnis 2/3 Blog zu 1/3 wirklich Neuem). Als Problem empfand ich das nicht. Irgendwie ist es schön, den einen oder anderen lieb gewordenen Eintrag auf Papier neu zu entdecken, in den Händen zu halten und vor dem Einschlummern aufzusaugen.
Das Buch beginnt mit einer einleitendem Hymne auf den Football und ich gestehe: So einen Text wollte ich auch schon immer schreiben. Ich habe es nur nie annähernd so hinbekommen. Das ist wahre Liebe. Nicht blinde Liebe. Wahre Liebe. Da heißt es:
This interplay of mind and muscle – of the raw physics of bodies flying across a field as a result of some combination of planning, preparation and geometry – has long fascinated me. Of course, we cannot forget that football is a game, and no matter the hyperbole in the media, coaches are not geniuses because they can draw up a pass play, and players are not heroes because they scored a touchdown.
(!!!)
Und:
But I am convinced that football is too rich a subject not to be examined in detail. In the essays that follow, I try to speak to two audiences: football coaches and interested fans.
Der komplette Text hängt bei mir neben dem Schreibtisch. Was folgt, ist klassischer Smartfootball-Stil: Auf kurzen und knackigen acht bis zehn Seiten werden eine Reihe an Konzepten aus der Footballhistorie mit Browns charakteristischen Graphiken versehen in einem flockigen Englisch abgearbeitet, und in jedem Satz spürt der Leser Browns Bewunderung für diesen Sport.
Wir erfahren, warum Mike Leach ein Genie ist, weshalb Superbowl 45 die Kulmination von Entwicklungen auf der Abwehrseite war, wieso keine Offense jemals (okay, fast nie) den Ball spiken sollte, worin der Clou der 3-3-5 Defense liegt und weswegen Ed Reed und Polamalu wirkliche Superstars über die Epochen hinaus sind. Innovation ist oft ein Zufallsprodukt aus right place at the right time, und keiner weiß, wie viele Superspieler da draußen in der Anonymität verbrannt wurden.
Chris Brown hat mich vor etlichen Jahren mit seiner Sichtweise der Spieltheorie („Football and Decision Making“) sowie der Struktur einer Offense („The Constraint Theory of Football“) dazu gebracht, Football mit anderen Augen zu sehen. Und das war lange, nachdem ich dank Brown begriffen hatte, wie viel Zufall da draußen eigentlich herrscht.
Ich möchte nicht zu stark in Lobeshymnen verfallen. Ich hege einen Tick weniger Vertrauen in Browns Ausführungen über die Defense und manch einer mag ausgerechnet im allerletzten Kapitel über die Entwicklung hin zu Wilfork, Belichick und der Schönheit ihrer vielseitigen Patriots-Defense geschichtliche Schwächen des Autors erkennen. Aber nichtsdestotrotz lohnt sich die Lektüre.
Serviert werden nebst Einleitung 19 leicht lesbare, weil kurz und knackig gehaltene Essays von NFL über Entscheidungstheorie bis zu Nischenthemen aus dem tiefsten Süden des College Footballs, und auch wenn es nirgendwo stundenlang ins Detail führt, bietet dieses fast zusammengewürfelte Sammelsurium The Essential Smart Football für locker vertretbare Münze beste Unterhaltung für den einen oder anderen verregneten Sommernachmittag – bei Amazon (ca. €7) oder auch bei Kindle (ca. €4).