Heute Nacht beginnt der NFL Draft 2024

Heute Nacht beginnt der lang erwartete NFL Draft 2024, der in diesem Jahr in Detroit abgehalten wird.

Das Programm ist recht straight:

  • 1te Runde: Donnerstag/Freitag 02h
  • 2te + 3te Runde: Freitag/Samstag 01h
  • 4te – 7te Runde: Samstag ab 18h

Wie immer ist das NFL Network (im Gamepass) live dabei. In Deutschland überträgt RTL Nitro mit seinen unfehlbaren Experten (haben ja schließlich alle selbst mal Football gespielt) heute Nacht die 1te Runde live ab 1h. Im Vorfeld des Drafts hat RTL übrigens bekannt gegeben, dass die einstige Galionsfigur Frank Buschmann ab nächster Saison nicht mehr NFL kommentieren wird.

Fixprogramm seit etwas mehr als einem Jahrzehnt ist die „Live-Coverage“ der Kollegen von Der-Draft.de – auf Youtube oder Twitch. Es ist die 11te Live-Begleitung, die über alle sieben Runden geht und selbst Samstag spätnachts noch Informationen zur Mehrzahl der gedrafteten Prospects liefert.

Heuer geht das ganz ohne Mit-Initiator Roman John (a.k.a. maschemist) über die Bühne – es werden nur noch Christian Schimmel und Jan Weckwerth mit einigen ausgewählten, zugeschalteten Gästen mit von der Partie sein.

Wer bis dahin noch viel Zeit hat und sich knietief in die Materie einarbeiten will, dem seien diverse Notizzettel von Jan Weckwerth auf seinem Triple-Option-Blog ans Herz gelegt. Ich habs wie immer etwas kürzer gehalten mit meiner Draft-Berichterstattung…

Meine Vorschau

Letzte Woche habe ich die bisherigen Offseasons der 32 NFL-Mannschaften unter die Lupe genommen – Sezierstunden.

Am Sonntag habe ich kurz auf den Draft aus der Vogelperspektive geschrieben.

Vor einigen Wochen hatte ich schonmal die Quarterbacks en detail analysiert. Am Montag waren die Wide Receiver dran.

Am Dienstag folgte eine Vorschau für Gelegenheitszuschauer zu den Offense-Prospects. Und gestern war die Defense dran.

Aus der Gerüchteküche

Vorneweg: Es ist ein Draft mit ungewöhnlich vielen sich widersprechenden Pre-Draft-Gerüchten. Selbst die ganz tief vernetzten Experten sind sich nur in wenigen Aspekten einig, und die Mock-Drafts sind all over the board.

Natürlich ist die Gerüchteküche gerade in den letzten Tagen heiß gelaufen – aber wie so oft sind wenige Informationen glaubwürdig, da Teams wie Agenten vor allem aus Eigeninteresse streuen. Bill Belichick erzählte vor einigen Tagen in einem Podcast, dass man prinzipiell nichts zu glauben brauche, was mehr als 12 Stunden vor Draft-Beginn nach draußen sickere. Erst dann tröpfeln durch das Geschacher hinter den Kulissen vereinzelte, ernst zu nehmendere Info-Nuggets raus.

Trotzdem sind sich die Buchmacher schon jetzt relativ sicher, dass die Washington Commanders an #2 QB Jayden Daniels und nicht Drake Maye ziehen werden. Der neue “Pivot-Point” im Draft könnte also der dritte Pick zu werden (gehört den Patriots) – mehr dazu weiter unten.

Adam Schefter erwartete gestern gleich sechs 1st-Round-Quarterbacks, was glaube ich ein neuer Rekord wäre. Aber auch hier Warnung: Schefter mag gut informiert sein – Garantie ist seine Aussage keine. Viele sprechen davon, dass es der unvorhersehbarste Draft seit langem wird.

Adrian Franke erwartet QB von 1-3, dann die drei Wide Receiver, dann einen Run auf die Offensive Tackles, und insgesamt sechs Trades in der 1ten Runde:

Es gibt gar einige potenzielle 1st Round Prospects, die wegen „medical red flags“ fallen könnten – EDGE Laiatu Latu (UCLA), OT Troy Fautanu (Washington), DT Zer’shawn Newton (Illinois), iOL Jackson Powers-Johnson (Oregon), OT Amarius Mims (Georgia) und WR Ladd McConkey (ebenso Georgia) sind die am meisten gefährdeten Kandidaten.

Außerdem soll WR Adonai Mitchell so große “character concerns” haben, dass ihn viele Teams von ihrem Board gestrichen haben; es gilt als denkbar, dass er aus der 1ten Runde fällt.

Gedanken zum möglichen Ablauf der 1ten Runde

Die Bears werden an #1 die Einberufung von QB Caleb Williams offiziell machen. Spannender ist, was Chicago mit seinem anderen Top-10-Pick macht (#9 Overall Pick): Ist einer der drei Top-WRs dann noch auf dem Board, muss es eigentlich Receiver werden, denn langfristig auf einen 32-jährigen Keenan Allen zu bauen, ist eine miese Idee.

Aber ob es dann Receiver wird? Die Gerüchte werden stärker, dass die Bears einen Defensive Tackle (Byron Murphy) im Visier haben. Auch EDGE wäre eine Position, die in Chicago mittelfristig auf jeden Fall noch zu besetzen ist.

Wie schon oben angedeutet: Der Draft geht richtig los an #2 mit den Washington Commanders. Jayden Daniels soll es dem Vernehmen nach also werden – aber es bleiben berechtigte Restzweifel. Daniels ist in den Anlagen nicht unähnlich einem Justin Fields vor drei Jahren – und der wurde im Pre-Draft-Prozess zerrissen, hat in der NFL nie so wirklich gezündet und ist kürzlich für einen Late-Rounder getradet worden. So wie ich das lese, bleiben Drake Maye und selbst J.J. McCarthy voll im Spiel. Sicher ist wohl nur, dass Washington den Pick behalten und einen QB draften wird.

Abhängig davon, welchen Quarterback die Commanders ziehen, wird der #3 Pick der Patriots zum Dreh- und Angelpunkt.

Ist Maye an dieser Stelle noch im Spiel, gilt als wahrscheinlich, dass die Vikings einen massiven Trade versuchen werden. Das nach einem QB lechzende Minnesota soll stark an Maye interessiert sein. McCarthy scheint nur eine Art “Ersatzplan” zu sein, für den die Vikes im schlimmsten Fall ein paar Mid-Rounder einsetzen, um 2-3 Spot von #11 hochzukommen.

Die Patriots sind gerade offensiv eigentlich noch gar nicht so weit, dass sie einen jungen QB ins Fegfeuer werden können – sie würden prinzipiell ihren Fehler von 2021 wiederholen, als sie Mac Jones ohne Waffen verbrannten. Andererseits können die Pats noch immer später Receiver nachlegen, und sie werden so schnell nicht mehr so hoch draften – wenn eine Franchise den Wert eines Franchise-QBs kennt, dann sind es die Pats.

Könnte ein weiteres Team nervös werden und einen verrückten Trade einfädeln? Schwer vorstellbar, aber es ist die NFL. Der “echte” Draft ist meistens einer mit Szenarien, die sich selbst die gewagtesten Mock-Drafter nie ausdenken konnten. Und ehrlicherweise ist der “echte” Draft oft auch einer, der als “schlechter Mock-Draft” verspottet werden würde.

An #4 steht Arizona. Die Cards werden recht sicher WR Marvin Harrison draften, wenn sie kein gewaltiges Trade-Angebot für den vierten QB im Draft bekommen.

Kommt diese Offerte, ist spannend zu sehen, wie weit nach unten Arizona gehen würde. Prinzipiell hat der Kader noch einige Lücken, weswegen mehr Draftpicks den Cards helfen. Aber andererseits gibt die Vertragssituation bei QB Kyler Murray durchaus etwas Nachdruck her – und Arizona könnte nicht tiefer als #6 (Giants) oder #7 (Titans) gehen wollen.

An #5 sollten die Chargers entweder auf Trade-Calls hören oder einen Wide Receiver draften – aber bei Jim Harbaugh ist ein Offensive-Tackle-Pick nie auszuschließen.

Die Giants an #6 brauchen händeringend Waffen und könnten einen Receiver picken. Spannend ist dieser Pick vor allem dann, wenn QB4 noch auf dem Board sein sollte – könnte New York dann verleitet sein, einfach diesen QB zu snacken? Was hätte dann ihre Meinung vom Moment der letztjährigen Vertragsverlängerung bei Daniel Jones geändert – Jones hat seit jener Unterschrift schließlich kaum gespielt, und wenn, dann in untragbaren Umständen?

Auch #7 Tennessee braucht eigentlich einen QB, gibt es aber nicht offen zu. Ihr Plan scheint es zu sein, mit Will Levis in die Saison zu gehen, um dann hinterher so zu tun, als seien sie überrascht, dass der Plan nicht aufging. Sie dürften einen Offensive Tackle (Joe Alt) draften – aber es wäre schon spektakulär, wenn der QB4 zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Board wäre. Denn was dann: Trotzdem OT draften? Pick an die Vikings verkaufen? Oder den QB-Pick durchziehen?

An #8 sehen eigentlich alle einen Passrusher nach Atlanta gehen. Bis vor wenigen Tagen waren 99% der Mock-Drafts auf dem „DallasTurner-Trip“, was nach Group-Think förmlich schrie. Am Montag gingen dann plötzlich Gerüchte um, dass es Laiatu Latu werden könnte. In den Mock-Drafts von Peter Schrager und Daniel Jeremiah dagegen fällt Latu bis ans Ende der 1ten Runde.

#9 Chicago siehe oben.

Der #10 Pick wird einiges über die Jets verraten: Sie sind eigentlich im Win-Now-Modus einem Aaron Rodgers ausgeliefert, haben aber in der Free-Agency alle ihre Lücken soweit gestopft, dass sie ohne krassen „Need“ in den Draft gehen. Der oft kolportierte Brock-Bowers-Pick klingt zwar logisch, ist aber mit Blick auf die langen Entwicklungs-Zeiten auf dieser Position eine eher suspekte Idee. Gehen wir nach Value, müssen die Jets Offensive Tackle draften. Ich hab ehrlich keine Ahnung, was die Jets tun werden.

Danach kommt das Trio der Verzweifelten: #11 Minnesota, #12 Denver, #13 Las Vegas. Alle drei brauchen eine QB-Lösung.

Minnesota ist wie geschrieben ein klarer Trade-Up-Kandidat – GM Kwesi Adofo-Mensah hat schon vor Wochen einen zweiten 1st Round Pick (#23) akquiriert, um genug Munition für den schon oben angedeuteten Trade-Versuch zu sammeln.

Nur für Maye scheinen sie bereit, Haus und Hof zu verkaufen. McCarthy ist ihnen wohl nur einen “kleinen” Trade-Up um ein paar Spots wert – und Kwesi ist dann schnell bei der Rechnung Lieber Penix an #11 und einen weiteren 1st Rounder in der Tasche, als McCarthy ohne Pick #23.

Denver hat *vernünftig betrachtet* nicht das Trade-Kapital, um mit den Vikings mitzuhalten – aber wer will schon garantieren, dass Sean Payton vernünftig bleibt?

Unabhängig solcher Überlegungen hat Denver so viele Baustellen, dass ehrlicherweise alles im Spiel ist: QB-Pick an #12 (Bo Nix? Denver hat keinen 2nd Rounder, also muss es wenn schon QB, dann hier draften), non-QB an #12, Trade-Down.

Auch Las Vegas an #13 liebäugelt mit einem QB. Auch hier steht das Trade-Up-Kapital in Zweifel. Ob man eventuell den QB6 draften würde? Nicht völlig auszuschließen.

Aber hey: so sehr wir an dieser Stelle über einen QB6 an #13 des Drafts spekulieren – oft gehen die Quarterbacks am Ende dann doch etwas später als gedacht, und Teams wie Denver oder Las Vegas draften erstmal gutes Premium-Personal, um Infrastruktur zu bauen.

New Orleans an #14 muss mit seinen eklatanten Cap-Problemen eigentlich eine Premium-Position wie Offensive Tackle draften. Danach folgen einige Mannschaften wie #15 Colts#16 Seahawks#17 Jaguars#18 Bengals (*s.u.) und #19 Rams, die alle durchaus Receiving-Talent denken und somit schon einen „Run“ auf die WRs auslösen könnten – aber jede dieser Mannschaften kannste auch problemlos mit was anderem in Verbindung bringen – z.B. OT oder EDGE (oder Tight End Brock Bowers für die Colts, ein häufiges Mock-Draft-Szenario).

Je nachdem, welche Positionsgruppe dann noch stark vertreten ist, wenn die Playoffteams dran sind, werden einige Mannschaften am Ende der 1ten Runde sehr glücklich werden: Die Bills z.B., wenn viel Receiver-Talent übrig ist, Packers/Cowboys, wenn sie auf Offensive Tackle noch aus einem prallen Pool schöpfen können – und natürlich die Chiefs, wenn entweder viel WR oder viel OT auf dem Board ist. Sie sind fast sicher schon jetzt als ein Gewinner des Drafts einzuplanen.

Aufregend wird es natürlich auch, wenn Trades eingefädelt werden. Mindestens eine Handvoll wird erwartet.

Mögliche X-Faktoren in diesem Draft sind Personalien wie Bengals-WR Tee Higgins (*s.o.) oder 49ers-WR Brandon Aiyuk: Ihre aktuellen Mannschaften haben nicht das Cap-Budget, sie langfristig zu halten und könnten sie an verzweifelte Contender mit Receiver-Need (z.B. Buffalo) verkaufen. Nicht unvorstellbar, dass ein solcher Trade über die Bühne geht, wenn das Top-WR-Trio Harrison/Nabers/Odunze weggedraftet ist.

Aus Teambuilding-Sicht ist spannend, wann der übliche Run auf die Cornerbacks und den zweiten Schwall an Receivern einsetzen wird: Schon ab Mitte Runde 1, oder wie so oft erst ab Ende Runde 1/Beginn Runde 2? Welches non-Premium-Positions-Talent (Linebacker, Runningback, Guard, Safety), das niemand auf dem Schirm hatte, wird diesmal in der 1ten Runde weggedraftet? Und wie viele einseitige Trades werden wir diesmal sehen? Viel “denkbar”, “vorstellbar”, “wohl” und “möglich” – aber diese Gedankenspiele gehören zum NFL Draft wie die Butter zum Brot.

5 Kommentare zu “Heute Nacht beginnt der NFL Draft 2024

  1. Auf RTL Nitro ist dieses Jahr wohl das DST Duo Franke/Kröger mit dabei. Insofern kann man sich das wohl ganz gut geben, denke ich.

  2. Ich spekuliere auch Mal: ich glaube noch nicht an den Run auf die OTs. Klar, super Klasse und eine wichtige Position, aber eben auch so viele tolle Spieler dass Teams auch mit ihrer Nr 2 oder 3 auf der Position happy sein könnten. Wenn ein Team einen Edge rusher oder DT braucht ist der Drop zur zweiten und dritten Runde größer. Deshalb würde ich vermuten dass Teams bei den OTs eher bereit sind zu zocken und der ein oder andere Top Spieler auf den schwächer besetzten Positionen noch dazwischen rutscht.

    Aber grau ist alle Theorie – Freitag morgen ist dieser Post bestimmt schlecht gealtert 😜

  3. Okay, ich lag falsch… Die Teams, denen in mocks idR ein O-Liner gegeben wurde haben auch konsequent O-Liner gewählt. Hatte ich ehrlich gesagt in der Masse nicht erwartet…

  4. Cousins mit Geld zugeschüttet und dann an #8 den vierten QB zu nehmen, finde ich für die Falcons dann auch ein bisschen fragwürdig. Und ob man an #12 dann unbedingt den „übriggebliebenen“ QB nehmen muss? Klar, der QB-Room der Broncos gibt nix her, aber an Sean Paytons Stelle hätte ich wohl eher ein Übergangjahr genommen, mich dieses Jahr über einen Top-Non-QB-Pick gefreut und nächstes Jahr mit einem dann mutmaßlich sehr hohen Pick mehr Auswahl bei den QBs gehabt (klar, ist ein bisschen Glaskugel, was es dann nächstes Jahr an QBs geben wird).

    Bei meinen Steelers muss ich abwarten, ob sie mit Fautanu als T planen. Dann passt der Pick für mich – zumal es ja noch nicht allzu lange her ist, dass man in der Ersten Runde lieber RB gedraftet hat. Aber wenn sie ihn auf G schieben, dann hätte ich mit allen CBs noch auf dem Board lieber den für sie besten CB gehabt.

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