Die starke Wide-Receiver-Klasse von 2024

Wer die NFL-Draft-Vorberichterstattung schon länger verfolgt, der wird das eine oder andere Mal davon gehört haben: Der Jahrgang an Wide Receivern ist außergewöhnlich gut besetzt.

Eine kurze Analyse der wichtigsten Prospects.


Zuerst aber noch ein Verweis auf einen alten Artikel zur Receiver-Position, die eigentlich aus mindestens drei Positionen besteht – und wenn wir es etwas breiter fassen, dann haben NFL-Playdesigner seit 2019, als ich den Artikel geschrieben habe, noch einige zusätzliche Rollen geschaffen, die früher eher der Trick-Play/Gadget-Kiste zugeschrieben wurden, heute aber relativ regelmäßiger Bestandteil von NFL-Offenses sind.

Hier vorab das Consensus Board von Arif Hasan mit Stand gestern zu Mittag: Satte 18 Receiver scheinen in den Top-100 Spielern auf. Weitere zehn sind zwischen 100 und 200 gerankt.

Drei Prospects gelten als sichere Top-10-Picks. Irgendwann gegen Mitte/Ende der 1ten Runde dürfte der Run auf die nächsten Schwall an Receivern einsetzen, der vergleichsweise gute Optionen für verschiedenste Geschmacksrichtungen bietet.

PlatzNameCollege
2Marvin Harrison Jr.Ohio State
3Malik NabersLSU
6Rome OdunzeWashington
19Brian Thomas Jr.LSU
29Adonai MitchellTexas
32Ladd McConkeyGeorgia
33Xavier WorthyTexas
35Keon ColemanFlorida State
39Troy FranklinOregon
46Xavier LegetteSouth Carolina
49Ricky PearsallFlorida
52Roman WilsonMichigan
65Ja’Lynn PolkWashington
69Malachi CorleyWestern Kentucky
78Jalen McMillanWashington
81Devontez WalkerNorth Carolina
89Jermaine BurtonAlabama
94Javon BakerUCF

Die großen Drei

Marvin Harrison jr.

Harrison ist der Sohn vom gleichnamigen ehemaligen Hall-of-Fame-Receiver, der jahrelang ein kongeniales Duo mit Peyton Manning bei den Indianapolis Colts bildete. Harrison jr. gilt als das beste Gesamtpaket im NFL Draft 2024 und projected als echter X-Outside-WR1. Er hat in vielen Aspekten schon den Feinschliff, ist als Route-Runner schon mit 22 Jahren so gefinkelt wie mancher zehnjährige Veteran und hat eine exzellente Fangtechnik.

Harrison gewinnt gegen Press-Coverage (vor allem dank seiner Hände) und kreiert schnell die viel zitierte „separation“. Obwohl er mehr als doppelt so viele Double-Coverages wie jeder andere Receiver im heurigen Draft gesehen hat, und obwohl das Ohio-State-Quarterbacking letzte Saison bestenfalls wackelig war, hat Harrison Elite-Production nachzuweisen.

Harrison ist mit 6’3 prototypisch gebaut. Ich habe einen Vergleich aufgeschnappt, der mir plausibel erscheint: Harrison ist ein schnellerer Devonta Smith mit 40 Pfund mehr. Offseason-Workouts hat Harrison keine bestritten, weil Teams keine Fragen zu seinem Profil mehr hatten, aber die Tracking-Daten deuten auf einen ähnlichen Game-Speed wie bei Brian Thomas hin (der lief 4.33 im 40-yds Sprint).

Harrison ist athletisch nicht ganz eine Kreuzung der anderen beiden Top-WRs Rome Odunze und Malik Nabers, aber weit entfernt davon ist er nicht. Er ist beweglicher als Odunze, aber nicht ganz so dynamisch wie Nabers. Dafür ist Odunze am Catchpoint besser, aber Harrison läuft den kompletteren Route-Tree als Nabers.

Malik Nabers

Es gibt Experten wie Adrian Franke, die Nabers höher bewerten als Harrison. Dieses hohe Standing rührt in erster Linie aus seiner Explosivität und Dynamik.

Nabers ist elektrisierendste der heurigen Receiver. Körperkontrolle, Beweglichkeit, Beschleunigung mit dem Ball in der Hand – Nabers‘ Bewegungsapparat ist wie aus einem Guss und sorgt für einen sensationellen Play-Speed. Nabers ist im Line-Up ein big play waiting to happen.

Nabers hat ähnliche „traits“ wie Ja’Marr Chase, auch wenn er am College bei LSU eine völlig andere Rolle gespielt hat: Fast 55% seiner Snaps spielte Nabers im Slot, was die Frage aufwirft, ob dies geschah, weil ihm Coaches keine Vollzeit-Rolle als Outside-WR zutrauten, oder ob sie ihn mit dieser Variation maximieren wollten. Fast 80% Win-Rate gegen Outside-Press in der SEC deuten auf den Fall eindeutig darauf hin, dass Nabers die Fähigkeiten hat, um an den Flanken zu gewinnen, ohne dass er prototypische Maße für einen echten Outside-WR1 hätte (6’0, 199 Pfund).

Doch viel von Nabers‘ Produktivität muss man mit Blick auf seine NFL-Projection in Relation setzen. Nabers rannte viele Slot-Fades und Corner-Routes gegen Deckungen, die es in der NFL selten bis nie gibt. Yards after Catch sind schön und gut, doch als Projection ist diese Fähigkeit oft überschätzt. Außerdem sah Nabers weit weniger Doppeldeckungen als Harrison.

Ein möglicher Knackpunkt an Nabers‘ Profil könnte seine Eindimensionalität im Route-Running sein: Vielfach gewinnt er mit simplen Double-Moves. Hat Nabers einen Konter, wenn sich professionelle Top-Cornerbacks darauf einstellen, oder erleben wir dann das große Straucheln?

In Summe ist Nabers der jüngste Receiver aus dem Top-Trio und mit seiner noch nicht ausgefeilten Technik derjenige mit dem meisten noch zu schürfenden Potenzial. Er wird eine andere Rolle übernehmen als Harrison und Odunze, und wohl etwas länger brauchen um sein „Ceiling“ zu erreichen, doch die Möglichkeiten, schon auf dem Weg dorthin spürbare Produktivität aus Nabers herauszukitzeln, sind breit gestreut.

Rome Odunze

Odunze ist der WR3 auf dem Consensus-Board, doch Receiver-Experten wie Matt Harmon (Reception Perception) haben eine so hohe Meinung von seinen NFL-Aussichten, dass sie verleitet waren, ihn an Harrison vorbei als WR1 overall zu ranken.

Odunze ist ein fantastischer Route-Runner mit einem breiten Arsenal an Waffen gegen Press-Coverage. Odunze hat bombensichere Fanghände selbst downfield in engsten Deckungen und gilt damit als stärkster Receiver am Catchpoint im heurigen Draft. Sein College-QB Michael Penix vertraute ihm bei den Washington Huskies blind.

Odunze ist selbst nach dem Catch versiert und hat zahllose missed tackles in seinem Tape, wenn auch er nicht die gleiche „can score on any touch“-Bedrohung ausstrahlt wie Nabers. Mit 6’3 und 212 Pfund ist Odunze fast gleich groß und schwer wie Harrison, wenn auch einen Tick langsamer (4.45 Sekunden über 40 Yards). Dafür hat Odunze einen hervorragenden Antritt.

Seine Fähigkeit, „separation“ zu kreieren ist sehr gut, aber nicht ganz so knackig wie bei Harrison, doch Odunze macht dies mit einer atemberaubenden Catch-Rate in „contested catches“ wett: 68% dieser Bälle hat Odunze am College gefangen – der sechstbeste Wert in einer Sample-Size mit über 400 Receivern. Zum Vergleich: Eine 50% Catch-Quote in solchen Situationen ist schon sehr gut.

Harmon, der nun wahrlich nicht zu Übertreibungen neigt, rief in einem Podcast bei Bill Barnwell zwei stilistische Vergleiche für Odunze aus: Die konservative Projection ist demnach Allen Robinson. Die aggressive Davante Adams. Bäm.

Odunzes „Ceiling“ mag ein Jota unterhalb jenem von Harrison oder Nabers liegen, doch er gilt als sehr „sicherer“ Prospect, dem in verschiedenen Schemes ohne weiteres eine Rolle mit einem Target-Share um die 30% zuzutrauen ist (was nur Elite-Receiver schaffen), und um den herum man bedenkenlos sein Passing-Scheme bauen kann.

Die möglichen 1st Rounder

Brian Thomas jr

Thomas (Codename BTJ) ist der WR4 am Consensus-Board. Er hat die Gardemaße (6’3, 212 Pfund) und die Athletik für die Rolle des X-Receivers. Seine Sprintzeit (siehe Abschnitt Marvin Harrison) ist für einen so wuchtigen Receiver absolut beeindruckend. Thomas ist explosiv für Beschleunigung aus dem Stand und hat downfield und in enger Deckung ein Highlight-Reel vor dem Herrn.

Aber Thomas lief am College bloß einen äußerst limitierten Route-Tree (über 60% waren Slants, Go und Curl-Routes), und auch wenn das nicht zwingend ein Problem sein muss (siehe die Entwicklung von DK Metcalf), so war er in der gleichen Offense doch deutlich unproduktiver als sein College-Teamkollege Nabers (1.0 Yards pro Route weniger).

Seine Konstanz zwischen all seinen Freak-Catches steht jedoch in Diskussion, und seine einfachen Drops (10% Drop-Rate) deuten auf Konzentrationsprobleme hin. Auch seine Art, sich Raum zu verschaffen, erschwert seine NFL-Projection: Vielfach erschnupperte er einfach offene Zonen in LSUs aggressiver Downfield-Offense; viel Ähnlichkeit mit professionellem Football hatte das nicht.

Im schlechtesten Fall ist Thomas damit eine Art MVS 2.0 – groß, schnell und damit ständige Bedrohung für den tiefen Ball, aber ein Ärgernis mit Inkonstanz und unnötigen Drops.

Im besten Fall aber fasst Thomas in einer Offense neben einem etablierten Possession-Receiver Fuß, weil er dort die Zeit und Raum bekommt, an seinen Schwächen zu feilen, ohne den Druck zu spüren, die komplette Offense tragen zu müssen. Es riecht nach einer Rookiesaison mit einigen fetten Stat-Lines in manchen Wochen, und völligem Abtauchen in anderen.

Adonai Mitchell

Mitchell ist auf dem Papier der komplettere Prospect als Thomas: Er ist fast gleich groß und gleich schnell, aber Mitchell ist agiler und beschleunigt furioser. Sein Route-Running ist konstanter, seine Qualitäten am Catchpoint besser.

Doch zumindest Mitchells Tape aus seiner letzten Saison bei Texas (davor spielte er zwei Jahre in Georgia) ist noch eindimensionaler als jenes von Thomas: Er lief vor allem vertikale Routen auf der kurzen Spielfeldseite („boundary“), sah dabei aber vergleichsweise selten den Ball (der andere Texas-WR im Draft, Xavier Worthy, war produktiver). Sein aDOT ist extrem hoch (über 20 Yards downfield), seine YAC-Quote natürlich recht gering (weil er selten kurz angespielt wurde).

Es ist nicht klar, ob dieses sehr „spezielle“ Production-Profil (bzw. das Fehlen einer Elite-Production) eher Mitchell anzulasten ist, oder dem Scheme, oder dem inkonstanten QB-Play.

Ein oft genannter Kritikpunkt an Mitchell ist die mangelhafte Einstellung – er gönne sich in zu vielen Downs ein Päuschen. Dem sei entgegengesetzt, dass die Texas-Offense von Steve Sarkisian bekannt dafür ist, in vielen Plays schon „pre-snap“ nur eine Seite zu bespielen, was 100%igen Einsatz des Boundary-Receivers zu einer Kraftverschwendung macht.

Verglichen wird Mitchell oft mit einer „ungeschliffenen“ Version von CeeDee Lamb. Matt Harmon sieht die Upside eines George Pickens bzw., wenn es ganz gut läuft, sogar die eines Nuk Hopkins, der nie so schnell laufen konnte, aber eine ähnliche Furchtlosigkeit in engen Fenstern an den Tag legte.

Anyhow: Idealerweise kommt Mitchell in eine Offense mit einem QB, der die Eier für tiefes Passspiel und keine Scheu vor Würfe in enge Fenster downfield hat. Ausgehend davon lauert echtes WR1-Potenzial in AD Mitchell.

Ladd McConkey

McConkey ist ein kleiner (5’11), weißer Receiver, den man im ersten Eindruck unterschätzen würde. Entgegen des Vorurteile gegenüber solchen Prospects („reiner Slot“) hat McConky fast doppelt so viele Snaps als echter Wideout gespielt (70%) denn im Slot (knapp 30%).

Er ist pfeilschnell (40 Yards unter 4.4 Sekunden), hat herausragende Beweglichkeit, verliert kaum Tempo beim Richtungswechsel und beschleunigt exzellent aus dem Stand. Er ist imstande, im vollen Lauf mit Körpertäuschungen Gegner aussteigen zu lassen und damit Raum zu kreieren – damit hat er zahlreiche Routen gegen Gegner in der hochkarätigen SEC gewonnen.

McConkey dominierte in der Senior Bowl – solch starker erster Eindruck gegen auf dem Papier annähernd gleichwertige Konkurrenz war in vergangenen Jahren oft ein gutes Zeichen.

Etwas umstritten ist seine Fähigkeit, gegen Kontakt standzuhalten. Es gibt vereinzelte gebrochene Tackles von McConkey, aber oft genug geht er mit Erstkontakt zu Boden. Trotzdem ist McConkey zuzutrauen, aus allen Aufstellungen heraus alle Zonen des Feldes anzulaufen und überall Routen zu gewinnen.

Seine einzige echte Schwäche ist seine Größe. Das einzige andere Fragezeichen eine etwas ausführlichere Verletzungshistorie. Ein echter X-WR1 wird er mit seinen 1,75m nicht werden – aber er könnte ein idealer WR2 sein und klingt mit seinem Profil wie ein Late 1st oder früher 2nd Rounder.

Fragezeichen / Day 2 Prospects

Keon Coleman

Coleman ist gebaut wie ein klassischer X-Receiver (6’3, 213 Pfund) und hat krasse Highlight-Catches, aber hat zwei große Knackpunkte, die dagegen sprechen, ihn mit einem 1st Round Pick zu draften.

Er kreiert keine „Separation“ gegen Man-Coverage und vor allem nicht gegen Press-Coverage. Damit verlangt er Würfe in enge Fenster, was den Schwierigkeitsgrad für Quarterbacks und damit Volatilität erhöht.

Und er brauchte 4.61 Sekunden über 40 Yards. Auch wenn das die gleiche Sprintzeit ist wie bei Allen Robinson und Colemans GPS-Daten offenbar beweisen, dass sein „Game-Speed“ deutlich schneller ist, wirkt eine solche Zahl immer erstmal abschreckend.

Coleman ist aber durchaus agil, hat eine gewisse Explosivität aus dem Stand und Beweglichkeit, um sich trotzdem Platz zu verschaffen. Coleman projected mit seiner Fähigkeit, Zone-Defense auf In-Breaking-Routes zu schlagen (70. Perzentil Separation-Qualität gegen Zone), als Big-Slot.

Wie hoch er gedraftet wird, hängt letztlich davon ab, ob man ihm nur zutraut, ein Kelvin Benjamin 2.0 zu werden (reiner Catchpoint-Receiver), oder eher sowas wie der neue Drake London (gewinnt auch underneath).

Ricky Pearsall

Gänzlich anderer Spielertyp ist der total explosive Ricky Pearsall aus Florida. Mit 6’1 etwas kleiner, aber dafür mit 4.41 Sekunden über 40 Yards wesentlich schneller. Eine sehr gute Senior-Bowl-Woche und ein rekordverdächtig guter 3-cone-Drill in der Combine haben sein Profil im Vergleich zum Spätherbst, als er quasi unbekannt war, deutlich verbessert.

Pearsall läuft gute Routen auf Kurz- und Mitteldistanzen, und hat obendrauf den Speed, um Defenses auf Post und Corner-Routen auf dem falschen Fuß zu erwischen. Er gilt als relativ reifer Spieler, der schnell einsatzbereit ist, und seine Hände fangen quasi alles, was in seine Nähe kommt. Glaubst du nicht? Ok:

Ein Knackpunkt an Pearsall ist sein Alter: Mit bald 24 Lenzen dürfte sein Entwicklungspotenzial beschränkt sein, und für eine permanente Rolle als WR1 fehlt ihm die Physis bzw. die Beschleunigung aus dem Stand.

Er wird also nie ein WR1 werden, aber dank seiner hervorragenden Fähigkeit, sich von Verteidigern zu lösen, projected er mehr zu sein als ein reiner Slot-Receiver. Matt Harmon beschrieb ihn als potenziellen „quarterback’s best friend“.

Xavier Worthy

Beim kleinen (5’11) und sehr schmalen (165 Pfund) Xavier Worthy ist spätestens seit der NFL Combine klar, wo sein Hauptverkaufsschlager liegt: Worthy ist schnell. Pfeilschnell sogar. Er brach den Combine-Rekord über die 40 Yards mit 4.21 Sekunden (davor John Ross 4.22 Sekunden).

Worthy betont seither bei jeder Gelegenheit, dass er mehr anzubieten hat als frühere Combine-Sprintwunder, und viele ernstzunehmende Tape-Experten stimmen zu.

Worthy ist kein klassischer Receiver-Typ. Er ist ineffizient gegen jegliche Form physischer Verteidigung (auch wenn er den Kontakt nicht scheut). Seine Performance gegen Press-Coverage ist mit nur 20% Win-Rate an der Line of Scrimmage schwach, und er hat weder besonders gute Hände (viele Body-Catches) noch eine Aussicht, Contested-Catch-Situationen zu gewinnen.

Aber in einer NFL, in der so viele weltoffene (also, zumindest im Sinne von „offen für neue Spielzugdesigns“) Offense-Coordinators arbeiten, wird Worthy einen Platz finden, denn er rennt echte Routen, ist eine Waffe im Deep-Passing-Game wie auch für kurze Routen, und hat gezeigt, wie effizient er Cornerbacks mit subtilen Moves in hoher Geschwindigkeit versetzen kann.

Dass ihn sein Rekordsprint in die 1te Runde katapultiert, ist eher unwahrscheinlich, aber dafür sollte er nicht aus der 2ten Runde fallen.

Es ist kompliziert

Troy Franklin

Franklin hat sehr vieles, was ein exzellenter NFL-Receiver braucht: Er hat einen phänomenalen Antritt an der Line of Scrimmage. Er ist im Long-Speed flott bei Fuß und setzt diesen Speed gekonnt ein, wenn er auch nur ein kleines bisschen Raum bekommt. Er versteht es, Routen präzise zu laufen.

Das Problem an Franklin: Er ist so spindeldürr, da ist selbst ein Devonta Smith der reinste Muskelprotz dagegen:

  • Smith ist 1.83m (6’0) und wiegt 77 kg (170 Pfund)
  • Franklin ist 1.89m (6’2) und wiegt 80 kg (176 Pfund)

Nicht falsch verstehen: Für einen Normalsterblichen sind das total normale Werte. Ich selbst bin 20 Jahre als minimal größere, gleich schwere Version wie Franklin durch die Welt gelaufen. Mir vorzustellen, mit so schlaksiger Statur ins Kreuzfeuer von NFL-Verteidigern zu kommen: Unmöglich.

Und diese Probleme sind in Franklins Tape evident: Schon einfacher Kontakt (also, für NFL-Verhältnisse „einfach“) reicht, um Franklin aus dem Spiel zu nehmen, oder seine Routen zumindest empfindlich zu stören – und Franklin ist mit seinem hoch aufgeschossenen Körper nicht agil genug, um solchen Kontakten verlässlich auszuweichen.

Viele historische Vergleich für Franklins Profil gibt es nicht, doch da er Devonta als Route-Runner nicht das Wasser reichen kann und sein Speed von 4.41 Sekunden über 40 Yards dann doch nicht ganz an die Elite-Sprinter heranreicht, besteht das Risiko, dass wir von einem One-Trick-Pony sprechen, das nie verlässlich eine vollwertige Receiver-Rolle in der NFL ausfüllen kann – geschweige denn eine WR1-Rolle. Ergo sollte ein hoher Pick für Franklin wohlüberlegt sein.

Xavier Legette

Legette hat fünf Jahre am selben College gespielt (South Carolina) und geht trotzdem als totales dark horse in den Draft. Über Jahre war er ein Mitläufer, hatte Probleme mit Covid, erlitt schwere familiäre Schicksalsschläge, überlebte einen Motorradunfall – ehe er 2023 nach einem Trainerwechsel plötzlich den Durchbruch hatte und eine fassungslos produktive Saison spielte (über 3 Yards/Route).

Legette ist demnach ein recht alter Spieler – was seine plötzliche Dominanz gegen teilweise um Jahre jüngere etwas suspekt macht. Mit 4.39 Sekunden ist Legette echt flink für einen Receiver, der stattliche 227 Pfund auf 1.83m verteilt (und seine Tracking-Daten sollen andeuten, dass er eigentlich noch schneller ist). Er fühlte sich wie eine Dampfwalze an, würde er über Troy Franklin rollen.

Legette lief wenige klassische NFL-Routen. Sein Arbeitsbereich war auf einige wenige Routen (Go, Post, Slant) und seine fulminante Beschleunigung nach dem Catch ausgelegt. Ich habe Vergleiche gehört, die von Treylon Burks über DK Metcalf hin zu einem Deebo-Samuel-Verschnitt gingen.

Das physische Potenzial für eine prominente NFL-Rolle ist also unzweifelhaft da. Ob er die steile Entwicklung nach ganz oben nimmt, wird auch dran hängen, ob er die Feinheiten des Route-Runnings erlernt und seinen Route-Tree erweitern kann, und natürlich, ob sein jüngster Breakout nicht doch primär seiner biologisch bedingten körperlichen Überlegenheit gegenüber Teenagern zu verdanken war.

Geheimtipp

Jermaine Burton

Um den Elephant in the Room gleich aus dem Weg zu räumen: Jermaine Burton gilt als charakterliche Zeitbombe. Nix genaues weiß man nicht, aber Burton soll an sechs verschiedenen Schulen in den letzten acht Jahren (!) immer wieder mit Coaches und Mitspielern aneinander gerasselt sein, eine Studentin während einer Post-Game-Celebration niedergestreckt haben und zumindest eine auffällige Strafe für unsportliches Verhalten kassiert haben. Einige Teams sollen ihn längst vom Board genommen haben.

Doch sportlich gibt es wenig zu meckern am Prospect Burton, außer dass er nie mehr als 800 Receiving-Yards in einer Saison zustande gebracht hat. Er ist sehr schnell, beschleunigt famos, gewinnt seine Routen, hat exzellente Körperkontrolle, bremst und beschleunigt auf höchstem Niveau, hat starke Hände, ist imstande, selbst ungenaue Bälle zu tracken und dann zu fangen, ist trotz nur 1.80m und 196 Pfund physisch genug, um Verteidigern auf Augenhöhe zu begegnen, und geht aggressiv zum Ball.

In Harmons Reception-Perception-Profil ist er Top-3 in Success-Rate gegen Man-Coverage und gegen Press-Coverage. Das Talent gibt einen 1st Round Pick her. Wer glaubt, Burton charakterlich unter Kontrolle zu haben, könnte das Schnäppchen des Jahres ziehen – auf das Risiko hin, einen Draftpick zu verbrennen für einen Spieler, der sich am Ende nie am Riemen reißt und obendrauf den Locker-Room teilt.

Und sonst so

An dieser Stelle ist nur dieser Eintrag zu Ende. Die Liste der reizvollen Receiver-Prospects könnte noch um etliche Absätze verlängert werden, wie obiges Consensus-Big-Board zeigt. Vielleicht finde ich morgen die Zeit, noch den einen oder anderen Day 2/Day 3-Prospect kurz zu umschreiben.

Ein Kommentar zu “Die starke Wide-Receiver-Klasse von 2024

  1. Finde es sehr interessant, dass Adrian Franke Nabers über Harrison setzt. Selbst wenn er in einigen Bereichen besser projected, halte ich den Stat mit der Double-Coverage für extrem aussagekräftig. Wenn ich im College bereits regelmäßig Double-Coverage sehe und schlage, ist das für mich persönlich schon ein Brett.

    Bei Ladd McConkey hast du 5’11“ und 1,75m geschrieben. Mit 5’11“ ist er immerhin 1,80m groß, natürlich kein Gardemaß, aber das ist eher Danny Amendola als Tavon Austin Size.

    Eine so tiefe WR Klasse sollte „meinen“ Patriots eigentlich gut in die Karten spielen. QB an #3 und dann hoffentlich double-dippen bei den WR mit 2nd- und 4th-Rounder. Aber so unberechenbar Belichick’s Drafting immer war, genauso eine Wundertüte wird das dieses Jahr mit neuer Führungsriege…

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