Sezierstunde 2024: Die NFL-Teams im Aufwind

Vorletzter Sezierstunde-Teil mit den NFL-Teams, die sich im Aufwind befinden. Bei den heutigen Teams sprechen wir wahrscheinlich noch nicht über echte Contender – aber sportlich sollten sie in der kommenden Saison auf jeden Fall entweder zu den besseren Teams zählen oder einen ordentlichen Leistungssprung machen.

Detroit Lions & Green Bay Packers

Lions wie Packers habe ich schon vor einigen Wochen analysiert. Beide sind aufstrebende Teams, deren Quarterbacks auf Vertragsverlängerungen warten – mit leichten Unterschieden: Green Bays Jordan Love ist jung und hat Elite-Potenzial angedeutet; Detroits Jared Goff ist ein QB etwas unterhalb des Leistungsvermögens von Kirk Cousins. Ohne entsprechenden Support-Cast traut ihm niemand zu, ein altes Mütterchen allein über den Zebrastreifen zu führen.

Die Lions-Offseason war bis jetzt gekennzeichnet vom Versuch, die letzten größeren Kaderschwachstellen in der Defense zu adressieren: D.J. Reader als zweiter Starter auf Defensive Tackle, um die Double-Teams von Alim McNeil und Aidan Hutchinson zu nehmen. Marcus Davenport als Depth im Passrush, um nicht wieder schnell bei 5th Round Rookies in prominenten Rollen zu landen. Carlton Davis als CB1 und Arik Robertson für Cornerback-Depth.

Offensiv steht neben Goffs Vertrag die Verlängerung von Amon-Ra St. Brown aus – im Draft hat GM Brad Holmes alle Optionen offen, und diesmal sogar vernünftig besetzte „Premium-Positionen“ in der Auswahl, um mich nicht wieder mit Runningback- und Linebacker-Picks zu entsetzen.

Die Packers tauschen Safety Darnell Savage gegen Xavier McKinney und RB Aaron Jones gegen Josh Jacobs aus (Jacobs‘ Vertrag ist eine Augenauswischerei). Die einzigen anderen nennenswerten Moves betreffen die O-Line, wo LT David Bakthiari das Team nach endlosen Verletzungsgeschichten verlässt; auch einer der Nachfolgepläne in Yosh Nijman wechselte die Farben. Allerdings planen die Packers schon seit Jahren für die Zeit nach Bakthiari.

Als junges Team haben sie noch einige Depth-Fragezeichen, die allerdings mit fünf Top-100-Picks angegangen werden können.

Vielleicht könnte ich beide Teams schon als Contender führen: Detroit hat eine der fünf besten Superbowl-Odds, die Green Bay eine der besten zehn. Bei den Lions fehlt mir dafür die große QB-Lösung. Bei den Packers das Vertrauen, dass dieses junge Team tatsächlich schon jetzt den nächsten Schritt nehmen kann.

Atlanta Falcons

Die Falcons sind ein Fall für das Setzen richtiger Erwartungen. Die letzten Jahre unter Dan Quinn sowie die komplette Ära Arthur Smith waren gekennzeichnet von einem ätzendem Mix aus richtungslosem Siechtum und nicht erfüllbaren Versprechen, aber jetzt hat man die Aussicht auf die erste Saison mit akzeptablem Quarterbacking seit gut und gern fünf Jahren.

Diese Aussicht kommt zu einem Premium-Preis: Business-Superstar Kirk Cousins staubt erneut um die 150 Mio. guaranteed ab – ein immenser Preis für einen 36-jährigen QB, der schon in seinen besten Jahren exzellente Bedingungen brauchte, um auf hohem Niveau zu performen. Jetzt muss seine Leistungsfähigkeit nach einem Achillessehnenriss im Oktober mehr denn je infrage gestellt werden.

Aber Cousins ist der beste all dieser NFL-Mittelklasse-QBs, die Twitter in Ermangelung einfacherer Benamselung „Shanahan-QBs“ getauft hat. Anders als seine Vorgänger wird er gute Effizienz aus dieser Offense herausholen.

In den WRs Darnell Mooney (13 Mio/Jahr in Free Agency) und Rondale Moore hat man die Slot-Waffen geholt, die die Top-10-Picks der letzten Jahre, WR Drake LondonTE Kyle Pitts und RB Bijan Robinson, allen Draft-Projections und Beteuerungen zum Trotz nie waren oder werden konnten.

Die Abgänge von Leuten wie WR Mack HollinsTE Jonnu Smith oder QB Desmond Ridder, Überbleibsel der Ära Smith, sind Addition durch Subtraktion. Damit hat die Offense vom neuen OffCoord Zac Robinson die notwendige Personaldecke zur Verfügung.

Schmerzhafter ist da der Verlust der Passrusher Calais Campbell und Bud Dupree, die, auch wenn sie steinalt und zu teuer waren, die einzigen nennenswert positiven Beiträge zum Falcons-Passrush des letzten Jahres waren. Sie müssen noch ersetzt werden – glaubt man den gängigen Mock-Drafts, dann geschieht das durch einen Draftpick an #8.

Grundsätzlich verachte ich, wenn Mannschaften mehr oder weniger offensichtlich auf das finale Ziel „Divisionssieg“ hinarbeiten. Die NFL ist keine Liga für solch niedrig hängende Früchte – noch dazu in der erbärmlichen NFC South. Aber ich verstehe, warum die Falcons es nach den letzten deprimierenden Jahren so angehen und erwarte, dass Atlanta durchaus attraktive Offense spielen und gute Ergebnisse erzielen wird.

Houston Texans

Die Falcons gehen „all in“ auf den Divisionsgewinn. Die Houston Texans gehen „all in“ auf den Superbowl-Titel – HELL YEAH und genau der richtige Move von einer Mannschaft, deren QB C.J. Stroud eine fabelhafte Rookiesaison gespielt hat.

Aber es ist kein „all in“ auf 2024, sondern ein Zweijahresprojekt, wie der Verkauf des 1st Rounders (aus dem Deshaun-Watson-Trade) mit 50% Aufschlag an die Vikings beweist: GM Nick Caserio nahm einen 2nd Rounder im nächsten Draft mit, um zirka 20 Spots im heurigen Draft runterzugehen – ein analytisch betrachtet vernünftiger Move.

Und ein notwendiger, nachdem Houston letztes Jahr einen irren Preis für die Rechte an Passrusher Will Anderson zahlte. Mit solchen Moves bessert Caserio seine Portokasse auf und holt sich zumindest Teile der fehlenden Team-Building-Ressourcen zurück.

Die Texans sind auch deshalb gut beraten, nicht alle Jetons auf 2024 zu setzen, da sie nicht so gut waren, wie ihr Record oder der Wildcard-Kantersieg über Cleveland glauben macht. Es gab viel Auf und Ab und viele knappe Siege – die klare Playoff-Pleite im Viertelfinale in Baltimore mag ein Segen für realistische Selbsteinschätzung gewesen sein.

Trotzdem ist Caserios Message klar: Die Texans bauen aggressiv am Rookie-Vertragsfenster von Stroud. Der Trade für Buffalos unzufriedenen WR Stefon Diggs war nur die letzte Indikation: Diggs kriegt hinter Nico Collins wohl die WR2-Rolle, die historisch betrachtet Sprengstoff bei diesem schwer zu kontrollierenden Charakter barg. Aber Diggs komplettiert eine hoch talentierte, aber zuletzt noch etwas inkonstante Receiver-Gruppe, ohne dass sein Einkauf einen weiteren Receiver-Pick im Draft verhindern würde (Diggs wird 2025 Free Agent).

Defensiv sollen die Passrusher Danielle Hunter und Denico Autry die Rolle gegenüber von Anderson aufteilen, während Jon Greenard ziehen gelassen wurde. Auf Linebacker und Safety wurden etliche Namen ausgetauscht. In Summe wohl ein leichtes Upgrade für die Front Seven und etwas bessere Tiefe für die Defense insgesamt.

Prinzipiell hat Caserio durch seine Zeit in New England, wo er ein glückliches Händchen als Schnäppchenjäger hatte ebenso wie ein gutes Gefühl, welche Spieler man besser nicht zu lange behält (Greenard?), einen gewissen Vertrauensvorschuss verdient. Weitsichtige Personalplanung ist auch (oder gerade) mit einem Top-QB ein immens wichtiger Skill.

Wahrscheinlich gehen die Texans aufgrund der zweiten Saisonhälfte und des Diggs-Trades als überjazztes Team in die nächste Saison. Einen vollwertigen Titel-Contender sehe ich noch nicht, aber einen Schritt weiter sollten sie auf jeden Fall gekommen sein.

Indianapolis Colts

Bei allem Hype um die Texans wirken die Colts mittlerweile eine Spur unterschätzt. Quasi seit sich ihr physisch imposanter Rookie-QB Anthony Richardson Anfang Oktober verletzt auf IR verabschiedete, laufen sie unter dem Radar – dass sie ähnlich wie Houston bis zum letzten Spieltag ebenso im Playoff-Rennen mitspielten, noch dazu mit Ersatz-QB, haben viele längst vergessen.

Ähnlich unauffällig war auch die Offseason: Erhalten statt umbauen war die Devise. WR Michael Pittman (Franchise-tag, dann knackiger Zweijahresvertrag), CB Kenny MooreEDGE Tyquan LewisLB Zaire Franklin und einige weitere: Alle gehalten für vertretbare Moneten.

Der Austausch des Backup-QBs (Joe Flacco statt Gardner Minshew) sowie der Einkauf von LB Raekwon Davis aus Miami und der Abgang von RB Zack Moss waren die einzigen nennenswerten Moves. Als würde GM Chris Ballard die Free Agency hassen!

Transferoffensiven zu vermeiden, ist in der NFL meistens eine gute Idee – es bleibt mit Blick auf die Qualität der gehaltenen Spieler aber a bissi die Frage, ob „risk = no fun“ Ballard nicht ein klein wenig mehr hätte versuchen können, um den Anschluss nach oben zu halten bzw. den Abstand zu den Topteams zu verkleinern.

2 Kommentare zu “Sezierstunde 2024: Die NFL-Teams im Aufwind

  1. Die Lions werden nicht um den 50-Mio-Vertrag für Goff herumkommen. Vielleicht können sie den Vertrag noch etwas drücken, aber unter 45 Mio werden sie ihn nicht bekommen (wollen).

    Viel sinnvoller fände ich es ihm maximal einen 2-Jahresvertrag zu geben.

    Wenn 2024 so läuft wie 2023 oder besser, kommen sie wieder in die Play-Offs und ggf. in die Superbowl. Aber dann kommt 2025 die Regression und man kann Goff wegen „mangelnder Leistung“ in die Wüste schicken.

    Oder es kommt schon 2024 der Einbruch, dann könnte man im 2025 evtl. auf QB gehen, diesen dann noch ein Jahr hinter Goff sitzen lassen und 2026 mit dem neuen QB wieder durchstarten.

    Alles anderen längerfristigen Verträge werden den Lions ans Bein laufen.

  2. Ja, nichts anderes sag ich seit Jahren 🙂

    Wobei die Lions mit Goff weiter gekommen sind, als ich erwartet hatte. Das plausibelste Szenario, solange dieser OffCoord bleibt, ist eine weitere gute bis sehr gute Saison (die Substanz auf HC + im Kader ist definitiv da), und dann schauen, was in den Playoffs geht.

    Wenn die Lions es tatsächlich ins Finale schaffen sollten, dann will ich nicht zu viel gesagt haben, denn auch wenn der Status eines mehrjährigen Contenders zu bevorzugen ist, wäre immerhin das Ceiling dagewesen.

    Aber idealerweise holt man eine billigere Alternative mit mehr Upside.

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