Das ganz große Highlight folgt mit der WM erst im nächsten Jahr, aber der Confederations-Cup ist schon ein erstes „Vorglühen“, eine Standortbestimmung zwölf Monate vor dem Spektakel. Ich mag den Confed-Cup, weil man zum ersten Mal die neuen WM-Stadien besichtigen kann, weil die Atmosphäre etwas entspannter, weniger aufgebauscht als bei der WM ist und trotzdem Turnierluft versprüht, und weil es Mannschaften gibt, die du danach nie wieder zu Gesicht bekommst. Tahiti, zum Beispiel. Ohne nachgeschaut zu haben, fühlt sich das an wie eine Ferieninsel in der Südsee, Trommelwirbel und Blumenkranz im polynesischen Haar… und Ozeanienmeister! Wir werden über Tahiti lernen und nachdem die Jungs punkt- und torlos in der Vorrunde nach Hause geflogen sind, ein neues Kapitel im Ordner Landeskunde abgelegt haben.
Die letzten Confed-Cups pflegten auch, spielerisch besser zu sein als der große Bruder WM. Die Teams spielten befreiter auf, ein Ausscheiden fiel schließlich nicht so schwer ins Gewicht. Vor allem die Brasilianer zündeten zuletzt ganz andere Feuerwerke als im jeweiligen Jahr darauf, als sie sich von Perreira und Dunga geknebelt in die Hosen schissen. Wie wird es diesmal sein, zuhause, mit dem beispiellosen Druck, in einem Jahr den WM-Pokal stemmen zu müssen?
Die Stimmung im brasilianischen Lager schien in den letzten Jahren ziemlich schlecht zu sein. Viele Trainerwechsel, ziellose Suche nach einem neuen Spielsystem, einer neuen Identität. Der Terminus des „Samba-Fußballs“, obwohl von Kommentatoren wie Bartels immer und immer wieder strapaziert, ist längst veraltet. Samba, das Kleinwichsen zwanzig Meter vorm Strafraum mit plötzlichem vertikalem Spiel aus dem Fußgelenk raus, praktizieren heute nur mehr Teams wie Bayern oder Barcelona. Von den Brasilianern kennt man es allein von den Uralt-Tapes aus den 60ern und 80ern.
Brasilien installierte Ende 2012 mit Luis Felipe Scolari zum was-weiß-ich-wievielten-Male in den letzten Jahren einen neuen Cheftrainer, und Scolari scheint noch nicht so recht zu wissen, wohin die Reise mit seinem Spielermaterial gehen wird. Altstars wie Kaka oder Ronaldinho, aber auch bekannte Namen wie Ramires oder Pato, stehen nicht im Aufgebot des Confed-Cups, dafür eine Liste an Spielern aus der heimischen Liga plus dem einen oder anderen Mann aus Europas Top-Ligen (Dani Alves, Dante, Luis Gustavo, Thiago Silva).
Der Superstar ist diesmal der neue Barca-Wunderknabe Neymar, 21-jährig, und mit so vielen Vorschusslorbeeren bedacht, dass er riskiert, daran zu zerbrechen. Viele Europäer, mich eingeschlossen, werden Neymar zum ersten Mal wirklich live spielen sehen.
Die Brasilianer müssen nicht zaubern, aber sie haben was gutzumachen: Ich habe ihnen diese abstruse WM 2010 noch nicht verziehen, als Dunga seine eigene Mannschaft in seinem Sicherheitswahn komplett knebelte, dass ihnen die Luft ausging. Als großer Innovator und Fußball-Philosoph gilt Scolari zwar auch nicht, aber seine Hauptaufgabe wird eh sein, aus diesem Spielerkern zumindest halbwegs sowas wie eine Mannschaft zu formen, auf der sich in den nächsten 12 Monaten ein Anwärter auf den WM-Pokal formen lässt. Vielleicht kriegen wir in den nächsten zwei Wochen Erstansätze zu sehen.
Die Lage im Land
Es ist kein Geheimnis, dass viele Stadionbauten hinter dem Zeitplan zurückhängen. Zwei wichtige Spielstätten für den Confed-Cup, das WM-Stadion in der Hauptstadt Brasilia und das Maracana von Rio, wurden erst im letzten Monat fertig gestellt, und vor kurzem sorgte ein zeitweiliges Verbot für Spiele im Maracana (BRA-ENG) für helle Aufregung. Die Blamage wurde abgewehrt; das Spiel konnte stattfinden, aber die Episode fügt sich in ein Gesamtbild, das glücklicher sein könnte.

Maracana von innen
Immerhin: Im neuen Look macht das Maracana ziemlichen Eindruck als ein schönes Fußballstadion. Die alte Rundung mit dem zwei Kilometer entfernten Spielfeld ließ einen Außenstehenden ja oft fragen, was an dieser Stätte so kultig sein soll. Maracana 2014 – ein würdiger Tempel für die Spiele, fast 80.000 gehen rein.
Ein großes Problem – und das in dem Fußball-Kernland schlechthin! – sind die „weißen Elefanten“ in Brasilia und Manaus – Stadien, die nach der WM 2014 keinen Weiterverwendungszweck haben. Positiv immerhin: Der Kartenvorverkauf für den Confed-Cup soll glänzend verlaufen sein, die Begeisterung ist da, es wird ein Zuschauerrekord für Confed-Cups erwartet. [Qu: Economist].
Am letzten Wochenende habe ich mich zudem ein bissl dem Thema „Schwellenland Brasilien“ gewidmet und dem Impact, den die kommenden Großereignisse wie WM und Olympia 2016 in Rio haben. Grundstimmung, die durch die Dokus transportiert wurde: Ja, es bewegt sich was, und wenn der Staat die rechtsfreien Zonen in den Slums unter Kontrolle kriegt, sind sofortige Besserungen spürbar, aber es geht die Angst um, dass es nach dem Ende von Olympia, wenn sich die Welt wieder anderen Dingen widmet und wegschaut, Rückfälle in alte Zeiten gibt.
Immerhin aber wurde begonnen. In Rio blühen erste Favelas auf und bringen die Kreativität von Einwohnern und Städteplanern an die Oberfläche. Aber es gibt noch viele hunderttausend Menschen, die in Dutzenden weiterhin von der Drogenmafia kontrollierten Gebieten in unwürdigen Bedingungen hausen. In Sao Paolo wird fieberhaft an der Umsetzung eines neuen Verkehrskonzepts gearbeitet, um diesen Moloch vor dem Infarkt zu retten. Ansonsten das typische Phänomen in Schwellenländern: Die Leute strömen in die Städte in der Hoffnung auf besseres Leben, aber diese hoffnungslos überlaufenen Orte haben noch mit Basisproblemen wie Infrastrukturplanung und Kriminalitätsbekämpfung zu beißen (und da beißt sich dann die Katze in den Schwanz).
Das Gute ist, dass Staat, Regionen und Städte durch die Großereignisse gezwungen sind, Hand anzulegen. Und wenn im Jahre, sagen wir, 2016, sieben, acht Jahre fieberhaft an sozialen Verbesserungen gearbeitet worden sein wird (manchmal auch mit brachialer Gewalt), ist es fast „unvermeidlich“, dass langfristige Verbesserungen herauskommen.
Spielorte und Gruppen
Gespielt wird beim Confed-Cup in sechs Städten: Rio, Brasilia, Fortaleza, Belo Horizonte, Recife und Salvador. Nicht gespielt wird zum Beispiel in Sao Paolo, wo gerade erst nach langem Hickhack mit dem Bau einer neuen Arena (Corinthians-Stadion) begonnen wurde und keiner Garantien abgeben möchte, dass hier nächstes Jahr WM gespielt wird.
Die beiden Gruppen sind so verteilt:
GRUPPE A GRUPPE B
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Brasilien Spanien
Japan Uruguay
Mexiko Tahiti
Italien Nigeria
Eröffnungsspiel ist morgen Brasilien-Japan. Das Halbfinale wird über Kreuz gespielt, das Endspiel findet am 30.6. in Rio statt.
Tahiti
Zum Schluss noch zum kuriosesten Teilnehmer, dem Ozenienmeister Neuseeland Tahiti. Es ist sinnlos, über Spieler oder Trainer zu schreiben: Kein Name jemals gehört. Die meisten Spieler sind vereinslos oder spielen in Amateurvereinen, arbeiten untertags als Regaljungs oder Touristenführer. Als Aufwandsentschädigung für die Confed-Cup-Teilnahme gibt es Mindestlohn für die drei Wochen. In der Vorbereitung wurde u.a. 0:7 gegen die U20-Auswahl von Chile (!) verloren. Mittlerweile weiß ich, dass Tahiti zu Französisch-Polynesien gehört, und dort Teil der Inseln über dem Winde ist. Die Inseln über dem Winde waren in der Vergangenheit immer wieder im Brennpunkt von Auseinandersetzungen, wenn es um Atomtests des französischen Staates ging. Tahiti ist ähnlich wie das „nahe“ Bora-Bora ein hochpreisiges Touristenzentrum und bekannt für Perlenhandel. Sämtliche weiße Sandstrände sind nur gefaked; der natürliche Strand in der Südsee ist schwarz. Kältester Montat ist der August mit frösteligen 28.2°C oberer Durchschnittstemperatur.
Womit wir bestens gerüstet ins Turnier gingen. Ich weiß, wem ich die Daumen drücken werde.