NFL 2016, Wildcard-Playoffs: der Sonntag

Heute gibt es bessere Quarterbacks als gestern: Ben Roethlisberger, Eli Manning, Aaron Rodgers. Beide Spiele sind in winterlichen Konditionen. Und das ganze auch noch zu christlichen Zeiten, wie Oma sagen würde. Ein perfekter Wild Card Sunday also.

[6] Dolphins (10-6) @ [3] Steelers (10-5)

TV: ab 18.30Uhr auf  Pro7Maxx, ran.de, PULS4, ab 18:55 auch auf DAZN

Le’veon Bell ist der beste Running Back der NFL. Pro Spiel läuft er für 105 Yards und fängt dazu noch Bälle für 51 Yards. Le’veon Bell ist auch der Running Back mit dem schönsten Laufstil. Er ist geduldiger als Frank Gore, lungert oft mehrere Augenblicke hinter seinen Blockern rum, kommt teilweise gar zum Stillstand, nur um dann aus dem Nichts zu einem Jump Cut á la Shady McCoy anzusetzen und schließlich die Verteidiger wie ein LaGarette Blount über den Haufen zu trampeln.

Le’veon Bell wird heute endlich das erste Playoffspiel seiner Karriere machen. In seiner Rookiesaison 2013 verpaßte Pittsburgh mit 8-8 die Playoffs. In den letzten beiden Spielzeiten haben die Cincinnati Bengals seine Saison mit Verletzungen beendet.

Für sein erstes Post Season Game wird ihm leichte Kost geboten. Die Run-D der Dolphins ist bestenfalls Mittelmaß; korsakoffs Power Ranking sieht sie gar nur an 27. Kann Ndamukong Suh mit Double Teams kontrolliert werden und die Linebackers um Kiko Alonso nicht plötzlich über sich hinauswachsen, stehen Bells üblichen 160 Yards from Scrimmage nichts entgegen.

Bell hat sich gegenüber der letzten Saison nochmal gesteigert, obwohl er gezwungen ist, mehr Last zu tragen. Markus Wheaton (Schulter) und Martavis Bryant (Suspension), letzte Saison noch Matchup Nightmares für jede Defense fehlen; Heath Miller, auch er hat letztes Jahr noch 60 Bälle gefangen, ist zurückgetreten. Darunter hat vor allem WR Antonio Brown gelitten, der nun mehr Aufmerksamkeit von den Gegnern bekommt als jemals zuvor. Mit 106 hat er so wenige Catches wie seit 2012 nicht mehr.

WR Sammie Coates war quasi die gesamte Saison lang verletzt, stand aber trotzdem ziemlich oft auf dem Feld. In den ersten fünf Spielen hat er mehr als 400 Yards gerissen, seitdem nur noch 14 – bei 18 Targets. Er könnte der X-Faktor sein heute. In den letzten zwei Wochen konnte er sich ausruhen, niemand weiß wie fit oder nicht fit er tatsächlich ist.

X-Factors könnten auch die Tight Ends Jesse James und Ladarius Green werden. Der einzige, der mit einiger Sicherheit eine wichtige Rolle neben Bell/Brown spielen wird, ist Eli Rogers. Rogers UDFA und Zwerg, verbrachte 2015 auf IR und verbrennt nun von Woche zu Woche mehr Defensive Backs aus dem Slot heraus.

Zum Fragezeichen ist Quarterback Ben Roethlisberger geworden. Er schleppt sich ja schon seit Jahren immer mal wieder kleinere Verletzungen mit sich rum. In Woche 6 hat er sich dieses Jahr den Meniskus gerissen (gebrochen?). Ich bin kein Arzt, aber ich hätte ihm eine längere Pause von NFL-Hits als drei Wochen empfohlen. Er wirkt nicht mehr wie der große böse Ben, sondern wie ein alter Quarterback, der auf den letzten Metern seiner Karriere mehr humpelt als antreibt und viele fragwürdige Würfe versucht, weil sein Kopf sich noch nicht auf seine körperlichen Limitierungen eingestellt hat. Das ist zwar Jammern auf hohem Niveau, aber er ist sichtbar schlechter als in den letzten beiden Jahren.

Heute haben Bell/Brown/Ben aber einen dankbaren Gegner. Die Secondary der Dolphins liegt den ganzen Tag beim Arzt und hofft, bis heute fit zu werden. Und auch vorne, in der Front-7 hat man nur zwei Playmaker in Suh und Alonso. Weniger als drei Touchdowns für Pittsburgh wären eine Enttäuschung.


Auch auf der anderen Seite ist der Angriff im Vorteil. Der neue HC Adam Gase, jahrelang gepriesen als Offensive Wunderkind, hat nach sehr rumpeligen Start einen ganz patenten Angriff geschustert. Viel lebt dabei aber zugegebenermaßen von der individuellen Qualität der jungen Wide Receivers. Vor allem der kräftige Jarvis Landry tut sich dabei hervor. Bill Simmons hat ihn ganz passend mit Terrell Owens verglichen. Er fängt Pässe im Vorbeigehen mit einer Hand und auf Verteidiger wirkt er wie eine Gummiwand – sie prallen einfach von ihm ab. Kenny Stills ist der Deep Threat und Davante Parker ist eine gute dritte Option. Landry und Parker sind kräftige Jungs, noch dicker sind die Tight Ends MarQueis Gray (113kg) und Dion Sims (120kg). Gray ist übrigens der einzige der Skill Players, der schon älter als 25 Jahre ist. Wie kann die Back-7 der Steelers mit der Körperlichkeit umgehen?

Der unkaputtbare James Harrison, er hat bald seinen 39. Geburtstag, scheint immer noch der beste Pass Rusher der Steelers zu sein. Was aber ein bißchen mehr gegen die anderen Quarterbackjäger als für ihn spricht. Er ist auch der härteste Verteidiger; neben ihm müssen gegnerische Angreifer nur noch vor Kontakt mit Safety Mike Mitchell und Linebacker Lawrence Timmons Respekt haben. Die andere Verteidiger leben von ihrer Quickness und Schnelligkeit, lassen sich aber zu oft rumschubsen. Hier sollte man ein großes Auge draufwerfen: wie sicher tacklen die Rookies-DBs Sean Davis und Artie Burns sowie die LBs Shazier/Dupree die Brocken Landry, Parker und Sims? Shazier und Dupree könnten wahrscheinlich bei der Leichtathletik-EM mitmachen, aber Footballtechnik ist nicht ihre größte Stärke.

Auf gar keinen Fall dürfen sich die Steelers von RB Jay Ajayi so überrennen lassen wie im ersten Aufeinandertreffen, als er für 204 Yards gepflügt ist. Ajayi macht im vierten Viertel als 1,5 YPC mehr als in den ersten dreien, wenn die Verteidiger schon viele blaue Flecken haben. Das wird ein ganz harter, köperlich harter Job für Pittsburgh. Können die Sunnyboys aus Florida tatsächlich im Januar nach Pittsburgh fahren und härter sein als die Steelers? Wir werden sehen. Schönes Match-up jedenfalls.

Die Buchmacher favorisieren Pitt mit 10,5 Punkten – es sollte knapper sein.

[5] Giants (11-5) @ [3] Packers (10-6)

22.40Uhr; ab 22.30Uhr bei Sat.1, ran.de, PULS4; ab 22.35 bei DAZN

What’s-Wrong-With-Aaron Rodgers hat in den letzten Wochen allen gezeigt, daß mit ihm gar nichts mehr wrong ist. Er schreddert Defenses wie eh und je. Er bekommt dabei aber auch endlich Hilfe. Davante Adams entwickelt sich immer mehr zu einem No.1 Wideout. Das führt dazu, daß man Jordy Nelson wie eine Schachfigur über das gesamte Spielfeld schieben kann, besonders gut macht er sich derzeit aus dem Slot. Tight End Jared Cook ist kein ganz Großer, aber er ist athletisch genug, um ihn ebenfalls überall aufstellen zu können. Zur Not kann Rodgers auch noch zum anderen Rodgers, Tight End Richard, werfen. Und Randall Cobb ist nach zwei Wochen Pause auch wieder dabei, wenn auch angeschlagen (Knöchel).

Das Running-Back-Problem scheint man jetzt auch gelöst zu haben: Mike McCarthy läßt dort einfach Wide Receiver Ty Montgomery spielen. Das ist für Verteidigungen sehr gefährlich, weil er eben auch Routen laufen kann wie ein Wide Receiver.

Es ist aber auch gefährlich, weil Montgomery Blitz Pick-up nur aus Bilderbüchern kennt. Und damit kommen wir zum interssanten Teil: mit welcher Strategie kreuzt New Yorks Defensive Coordinator Steve Spagnuolo auf? Green Bay hat zwei sehr gute Tackles in David Bakthiari und Bryan Bulaga. In Olivier Vernon hat NYG nur einen starken Pass Rusher. Und Zeit ist das letzte, was man Nothing’s-Wrong-With-Aaron Rodgers geben sollte.

Aber blitzen will man ihn eigentlich auch nicht, denn dann hat man zu wenig Leute in Coverage, Rodgers befreit sich und macht irgendwas verrücktes im Scramble Drill. In Woche 5 gegen die Packers hat Spags bei 50 Dropbacks nur 8 Mal blitzen lassen. Das war einigermaßen erfolgreich, aber damals hatte Rodgers auch weniger Vertrauen in seine Receivers als ich in den Wetterbericht. Blitzen oder nicht?, das ist hier die Frage. So stark die Secondary mit DRC, Eli Apple und Safety Collins auch ist, Green Bay hat einfach zu viele starke Waffen, als daß man sie alle für mehr als 2,5 Sekunden decken könnte. Wir erwarten hier höchstes Niveau bei beiden Teams.


Auf der anderen Seite, wenn New York den Ball hat, gibt es nur eine Frage: hat der Wackelpudding in Ben McAdoos Kopf Himbeer- oder Waldmeistergeschmack?

Ich habe sehr lange viel Potential in der Giants Offense gesehen. Superstar Odell Beckham, der gefährliche Victor Cruz und der talentierte Rookie Sterling Shepard können jede Secondary schreddern, wenn sie in einer klug designten Offense Bälle von Eli Manning fangen. Zu allem Überfluß hat man auch zwei Tight Ends, die im Paßspiel unterstützen: den riesigen Larry Donell und den vielseitigen Will Tye, der an Delanie Walker erinnert. Das quicke, rhythmische Passing Game aus der vergangenen Saison entwickelt McAdoo jetzt noch weiter. Das hat doch massig Potential!

Aber sie haben dieses Potential nicht gezeigt. Und irgendwann wurde dann auch klar, daß McAdoos Playcalling sie zurückhält. Er muß aus irgendeinem Grund kein Vertrauen in die vielen, auf dem Papier sehr potenten Waffen haben. Ja: Cruz ist nicht mehr der Knöchelbrecher, der er vor seiner Verletzung war. Ja, mit Shane Vereen fehlt der gefährliche Space Player. Ja, Larry Donell hat vielleicht noch mehr Masse als Talent. Ja, diese Offensive Line ist schwächer als man glauben mag. Aber irgendwie müßte doch da mehr rauskommen. Würde ein Adam Gase, Kyle Shanahan oder Josh McDaniels da nicht viel mehr rausholen? Was vor allem so schockiert hat in den letzten Wochen: der Mangel an Kreativität.

Ich habe meinen Glauben an ein Steigerung mittlerweile verloren. Meine Notizen zu New Yorks Offense kann man sehr knapp zusammenfassen.

  1. 11
  2. OBJ
  3. WTF

Jede Aufstellung ist 11 personnel, also 1 Running Back, 1 Tight End und 3 Wide Receivers. Jeder 3rd Down ist scheinbar ein Slant zu OBJ. Wie kann man so eintönig sein? Zumal es ja auch nicht funktioniert!?

Diese Offense hat nicht einmal mehr als 30 Punkte gemacht. Das letzte Mail hat dieser Angriff im November mehr als 20 Punkte gemacht – 27 gegen die Browns. In den fünf Spielen seitdem hat Small Blue 79 Punkte gemacht, 15,8 pro Spiel – gegen mittelmäßig bis schwache Defenses.

Also: Don’t-Doubt-Aaron Rodgers gegen What’s-Wrong-with-Ben McAdoo. Es könnte trotzdem spannend werden. Die Defensive Backs der Packers sind allesamt angeschlagen, vier (!) Cornerbacks werden ganz sicher nicht spielen können: Sam Shields (schon lange auf IR), plus Back-up Dorleant, Demetri Goodson und Quinten Rollins werden fehlen; Damarious Randall mußte im letzten Spiel vom Feld. Im letzten Spiel, dem NFC North Championship Game gegen Detroit, haben reihenweise Safeties als Cornerback gespielt.

Diese Safeties sind auch ganz gut. Morgan Burnett ist so etwas wie ein Kam Chancellor eine Gewichtsklasse tiefer; Ha-Ha Clinton Dix ist ein vielseitiger, kluger Mann für die Mitte auf allen Levels und Micah Hyde würde auch in vielen Nickel- und Dime Packages spielen, wenn nicht so viele Cornerbacks verletzt wären.

Also: Cornerbacks mit Wide Receivers attackieren, die Safeties mit Nebelkerzenerouten beschäftigen. Aufgabe für Green Bay: mit den Linebackers die Slant-Routen zu machen.

Knackpunkt auch hier der Pass Rush. Vor allem New Yorks Left Tackle Ereck Flowers, 1st-rd pick 2015, ist hier die Sollbruchstelle. In manchen Spielen hätte man ihn zu seinem eigenen Wohl am liebsten ausgewechselt. In anderen Spielen machte er seinen Job ordentlich. Packers-DC Dom Capers sollte Flowers ein Fadenkreuz aufs Trikot malen und abwechselnd Clay Matthews und Nick Perry auf ihn loslassen. Perry wird wohl mit Gips spielen, aber wenn Flowers erst zwei, drei Mal vernascht wurde, sinkt sein Selbstbewußtsein ins Bodenslose. Matthews und Perry müssen ihn dann aber auch erstmal vernaschen. Mit Selbstbewußtsein bleibt Flowers ziemlich lange stehen.

Die Frage ist dann noch das Laufspiel New Yorks. In den letzten Wochen hat Rookie Paul Perkins ein paar Big Plays rausgehauen, aber das ist nicht konsistent und der Kollege Rashad Jennings stolpert für 3,3 YPC durch die Saison, Tendenz: fallend.

Also nochmal: am 27. November hat NYG das letzte Mal mehr als 20 Punkte gemacht. McAdoo und Eli müssen sich mehr trauen als Slant-zu-OBJ-und-hoffen-daß-er-drei-Verteidiger-aussteigen-läßt. Diese Woche war ich in einer Kantine, in der ich zum ersten Mal eine dritte Geschmacksrichtung für Wackelpudding gefunden habe: Ananas. Bringt McAdoo genauso überraschend mal etwas neues mit, könnte Big Blue hier mehr als 20 Punkte machen. Aaron Rodgers wird auch gegen diese bockstarke Defense mehr als 20 machen.

5 Kommentare zu “NFL 2016, Wildcard-Playoffs: der Sonntag

  1. Wie immer eine sehr gute und kurzweilig zu lesende Vorschau, bzw zwei Vorschauen, ein Aspekt bei den Packers fehlt mir allerdings noch: Die ingame-Entscheidungen von Mike McCarthy. Ich erinnere mich mit Grauen an das Spiel der Packers ggn die Seahawks vor 2 Jahren, das MM fast im Alleingang weggeworfen hat, natürlich hat er sich seitdem etwas weiterentwickelt, aber ich würde trotzdem nicht darauf setzen, dass die Packers auf Fieldgoals von unter 20 Yards verzichten

  2. Diese Season hat McCarthy allerdings sehr oft 4th down ausspielen lassen und nicht das FG mitgenommen (bei Gleichstand bzw. knappem Vorsprung. Ich glaub sogar gegen die Falcons, was dann mit 1 Punkt verloren ging.

  3. McCarthy wird es wieder vergeigen, wenn er die Chance dazu kriegt. Die Frage gegen die Giants ist, ob die Packers-Offense nicht zu dominant sein wird, dass McCarthy die Chance auf eine kritische Situation bekommt.

  4. Pingback: AFC-Wildcard Playoffs: Pittsburgh Steelers – Miami Dolphins live | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  5. Zitat „Der unkaputtbare James Harrison, er hat bald seinen 39. Geburtstag,…“
    Einfach fantastisch seine Einstellung auf dem Feld, auch heute.
    Erfahren, Aufmerksam, riecht was kommt und takelt ausgesprochen fair gegen die Dolphins.
    Respekt meinerseits auf diesen großen Sportsmann, der mit seinem positiven Vorbild eine leistungsorientierte Sonderstellung einnimmt.

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