Was mir vom NFL-Spiel in München 2022 hängen bleibt

Ein kurzer Bericht vom gestrigen NFL-München-Spiel Tampa Bay Buccaneers – Seattle Seahawks.

„Unserem“ Heimspiel, wie es Patrick Esume ganz bescheiden und frei von jeglicher Hybris ankündigte. Das kannst du sympathisch finden oder nicht. Es hat aber den Ton der Veranstaltung vorgegeben und letztlich perfekt getroffen.

Ich hatte die Karte in bester Lage – dritter Rang, Mittelliniennähe auf der Gegentribüne – von Maximilian Länge bzw. aus dem Lager der Seahawks zur Verfügung gestellt bekommen, wofür dem Max noch einmal ein herzliches Dankeschön ausgerichtet sei, und Grüße gehen auch an alle Leute, die ich gestern in der relativ kurzen Zeit in München treffen durfte, besonders natürlich dem GOAT Jan Weckwerth, dessen imposanter physischer Präsenz ich zum ersten Mal persönlich gegenübertreten durfte und neben dem meine 1,93m verblassen:

Das Drumherum

Esume hatte es schon perfekt zusammengefasst: Das Spiel selbst war nur der Aufhänger für einen MassenauflaufOktoberfest 2.0 wäre meine zwei-Wort-Synthese, weswegen ich es für richtig halte, mit dem Drumherum zu beginnen.

Ich konnte aus zeitlichen Gründen leider erst zum Spiel anreisen, aber zuverlässige Quellen berichteten mir von einem fassungslosen Auflauf an NFL-Fans am Samstag in der ganzen Stadt und gesteckt vollen Partys in diversen Clubs und Brauereien.

Am Sonntag offenbarte sich das in einem schon relativ langen Stau nach der Ausfahrt von der A99. Das hatte ich von Bayern-Spielen so nicht in Erinnerung, dass schon über drei Stunden vor Kickoff eine gute Stunde nur fürs Einparken draufgeht. Einmal auf dem Parkhaus-Deck, der endgültige Flash:

Ich traf mich kurz mit den Lesern Mirko, Flo und Markus (liebe Grüße), aber viel Zeit blieb uns nicht. Den Andrang aufs Stadion war schon weit vor Kickoff enorm, und schon ganz kurz nach Öffnung der Tore um 13:30 (zwei Stunde vor Kickoff) war klar: Das würde jetzt dauern.

Und es dauerte dann auch – über eine Stunde, bis wir durch die Ticketkontrolle kamen, die überraschend unorganisiert war. Als ich schließlich dran war, hatten die Verantwortlichen längst die Metalldetektoren abgebaut um die Leute im Eiltempo durchzuschleusen. Weil zumindest mein Handynetz überlastet war, war ich froh, mein Ticket gedruckt zu haben. Der Kollege vor mir hatte bloß einen Handy-Screenshot, der vom QR-Code Reader nicht akzeptiert wurde. Ich selbst wurde kontrolliert: Nicht. Da war längst nur noch „alle reinlassen“ die Devise.

Fazit: Für ein Stadion, das quasi in jedem Spiel ausverkauft ist, war bei der Einlasskontrolle erstaunlich viel Sand im Getriebe. Aber vielleicht hab ich auch zu trübe Erinnerungen an die letzten Male, die ich dort Fußball geschaut habe (ca. Ende Pep-Ära). Sehr positiv aber: Kein Raunzen in der Menge. Ich hab nicht einen einzigen schlecht gelaunten Menschen gesehen.

Das Problem mit dem Tempo setzte sich dann im Stadion fort. Zu Verpflegung zu kommen, war in den Pausen mit endlosen Schlangen undenkbar – aber interessanterweise auch im laufenden Spiel. Kollege Weckwerth verpasste fast das komplette zweite Viertel, weil wie er Dutzende andere im laufenden Spiel auf frisches Bier und Hotdog warteten.

Die Preise: Ich war positiv überrascht. Die Mass 11 Euro, eine Halbe 6,50, Bratwurst gabs für 5 Euro, und im untersten Stock Pizza für 8 Euro. Ich hatte es schlimmer erwartet, ist schließlich NFL, und die Ticket-Preise waren gesalzen.

Vom Stadionerlebnis bleibt mir vor allem eins: Dauerbeschallung. Ich brauche in keine Disco mehr zu gehen – Allianz Arena beim Football reicht mir völlig. Auch wenn sie während dem Spiel den Pegel etwas runterdrehten: Ich hab kein Ohrenschmalz mehr, weil vor und nach dem Spiel haben sie mir die Ohren rausgeblasen, und dabei wirklich keinen Gassenschlager außer vielleicht unsere Freundin Layla ausgelassen. Da ist auch wurscht, dass DJ Ötzi eher an Apres-Ski am Neujahrstag erinnert als an eine US-Sportart, da wurde alles reingeheizt was die Meute in Wallung bringt.

I mean: Klaro ist der ganze Event für ein leicht zu aktivierendes Partyvolk gemacht und es war kein Zufall, dass es Stecker nachher auf der Ran-Party so formulierte: Ich bin so unfassbar stolz, auf das, was wir (Hervorhebung meinerseits) erreicht haben. […] aber vor allen Dingen bin ich so stolz auf euch, weil das was wir heute in der Allianz Arena gezeigt haben, das war unmenschlich. […] Wir haben London zerstört.“

Und es war unbestreitbar cool, wenn das komplette Stadion inbrünstig Country Roads zu Ende singt.

Aber: Das kriegst du im Festzelt auch, und leider ist ein solches zusammengewürfeltes Publikum heutzutage nicht mehr der Lage, eigenständig was zu initiieren. Ohne permanente, dreistündige Anpeitschte würde von „NFL in Deutschland wie GEILLLLLL“ bei vielen leider nicht allzu viel hängen bleiben.

Da gelob ich mir meine irischen Freunde, wo es zwar auch nicht mehr ganz ohne Einpeitscher geht, aber die ihre Lieder noch von den Rängen aus sich selbst heraus wachsen lassen. Minimal bitter auch: Als Country Roads zum ersten Mal rausgeballert und die Taschenlampen angemacht wurden, lief noch das Spiel, und die entscheidende 1st-Down-Conversion der Buccs ist mal locker 70% der Stadionbesucher im Gesangsrausch einfach durchgeflutscht (Beweis hier).

Was ebenso auffiel: Die VIP-Ränge waren die komplette zweite Halbzeit über stark gelichtet. Noch Mitte drittes Viertel war sie fast leer, und als sich das Stadion im letzten Drive der Buccs schon die Stimme aus dem Leib grölte, war sie immer noch erst zu knapp drei Viertel besetzt:

Ich hab nachher gelesen, dass die Seahawks-Fans ganz klar in der Überzahl gewesen seien. Das kann ich nicht bestätigen.

Was mir im Stadion gar nicht so aufgefallen ist, aber beim Durchschauen der Highlights auf Youtube umso mehr: Wo in den USA der Pegel beim 3rd Down aus voller Kehle hochgeschraubt wird, kreiert das deutsche NFL-Publikum ganz Fußball-like ein Pfeifkonzert. Live vor Ort fühlte sich das vertraut an. Am TV nachher war es mir völlig fremd.

Auch nach dem Spiel war das ungewohnt. Die Leute blieben noch lange im bzw. vor dem Stadion, während draußen die Allianz Arena schön pathetisch in den Landesfarben Deutschlands und der Vereinigten Staaten leuchtete. Noch eineinhalb Stunden nach Spielende waren Tausende Leute nicht erst drunten an der U-Bahn-Station (wo Redzone live übertragen wurde), sondern noch immer direkt vor der Arena.

All-22

Zum Wesentlichen.

Football schauen im Stadion hat natürlich was. Wir hätten von unserem Platz aus die All-22 Kamera halten können. Der Speed der Spieler ist nicht so schnell wie erwartet, aber das kann auch dran liegen, dass ein DK Metcalf selten tief geschickt wurde und wir ansonsten von einem 33-jährigen Julio Jones frisch von Verletzung beglückt wurden.

Der große Vorteil von All-22 Sicht ist, dass sich sämtliche Coverages relativ einfach lesen lassen – und ohne der große Tape-Guy zu sein, ist der Schwierigkeitsgrad so ein Spiel „comprehensive“ zu schauen, mit dem Stadionblick auch wesentlich niedriger als am TV. Tampa in Single High. Seahawks in two high, auch wenn die Front Seven vorne das ganze Spiel über keinen Zugriff bekam.

Du siehst, wie viele Möglichkeiten die QBs eigentlich auslassen. Ohne das von oben herab kommentieren zu wollen – der QB-Job mag der schwerste im kompletten Weltsport sein – aber: Brady wie Geno haben schon etliche Chancen liegen gelassen, die mir nachher im Highlight gar nicht aufgefallen wären.

Und natürlich die Fournette-INT. Die war im Stadion sowas von durchtelegraphiert. Es war der zweite Snap mit Wildcat-Formation in dem Spiel, und in dem Moment als Fournette vor dem Snap nochmal links rausblickt, ist Jan und mir schon klar, was kommen wird: Der Pick.

CB Woolen war das natürlich auch schon bewusst, aber Woolen hatte die Nerven, nicht sofort in die Wurfbahn für Brady zu springen, sondern die Millisekunde zu warten um sicherzustellen, dass Fournette den Ball auch sicher wirft. Einfachster Pick ever, und einfach zu lesen. Aber der Corner muss seine Aufregung unter Kontrolle halten, weil ich wäre schon davor reingegrätscht und dann hätte Fournette vielleicht doch nicht geworfen.

Was auch auffiel: Ich kann verstehen, was der Stadionbesucher an Runningbacks findet, und warum der Runningback noch heute, viele, viele Jahre nachdem sein effektiver Wert für die Mannschaft entmystifiziert ist, eine so populäre Figur unter casual fans ist: Ein Kenneth Walker ist so beweglich, und jeder halbwegs vernünftige Run, der nicht schon im Menschenberg an der LOS gefressen wird, fühlt sich im Stadion einfach spektakulärer an als am TV.

Die Sicht vom ganzen Spielfeld macht eine immediate Einschätzung des Spielgeschehen also zweifellos viel leichter als von zuhause. Insofern: Punktsieg für die „du-kriegst-die-ganze-Sicht-nur-im-Stadion“-Fraktion.

Und noch was: Spiel kann Gurke sein wie die komplette erste Halbzeit über (gefühlte Zwischennote 2,5/10), aber weil es so viel gleichzeitig zum Sehen gibt, fühlt es sich nie langweilig an. Wumpe, dass das Spiel nicht so prickelnd war: In Erinnerung bleibt es als Erlebnis viel länger als das verrückte Bills-Vikings-Spiel, das ich mir nach Heimkehr am Laptop gegeben hab.

Das ist ähnlich wie beim Fußball. Wenn der Mensch unter anderen Menschen ist, dann fühlt sich dieses Herdentier gleich viel behüteter, und dann ist wurscht bzw. fällt gar nicht weiter negativ auf, wenn Pete schon im ersten Drive einen sinnfreien Punt callt, weil seine Mannschaft noch im Tiefschlaf agiert. Schon zwei Sekunden nach dem Call passiert irgendwo dort drunten etwas, das deine Aufmerksamkeit auf sich zieht und den Bullshit von davor vergessen macht.

An der Seitenlinie fiel auf, wie wenig Pete Carroll Face-to-Face kommuniziert. Entweder spricht sich Pete 100% der Zeit über sein Headset mit den Leuten ab, oder er spricht mit sich selbst. Denn das war das ganze Spiel über ein Auf- und Ablaufen der Sideline – Pete wie in Trance.

Und sonst so: Der Rasen schien nicht gut zu halten. Schon beim Aufwärmen hatten die Seahawks-DBs Probleme mit dem Grip, und das setzte sich vom Opening-Kickoff durch. Wahrscheinlich ist das so wie damals in London, als es auch Jahre brauchte, bis Wembley und Tottenham gemeinsam ein NFL-taugliches Spielfeld entwickelten. Schwerer verletzt hat sich in München aber wohl zum Glück niemand.

Das Spiel

Die Seahawks wirkten in der kompletten ersten Halbzeit so wie in der Preview befürchtet: Noch nicht ausgeschlafen. Für die Hawks war das bekanntlich Body-Clock Time von 6:30, und so spielten und coachten sie auch.

Geno war langsam in seinen Reads, unentschlossen, und kassierte unnötige Sacks. Walker verpasste einen Blitz-Pickup, weil er zu früh die Möglichkeit ausschloss, dass White noch als Blitzer kommen könnte, und die komplette Coverage bustete, als Julio Jones den Crosser über die Mitte lief, bei dem aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Übergabe der Deckung scheiterte.

Auch die Seahawks-Offense hatte nicht einen einzigen vernünftigen Drive, der seinen Namen verdient hätte, und beim Blick auf die Coaches hatte ich das Gefühl, dass sie die Partie wegen der ungewohnten Kickoff-Zeit früh abgehakt hatten.

Aber nach der Pause merkte man förmlich, dass es für die Hawks 8:00 und damit langsam Tag wurde. Auch ich bin wäre erst nach dem Morgentee präsent. Schon der erste Drive hatte ganz neue Substanz, auch wenn er nur im Fieldgoal endete, und die Offense schnurrte ab dem Moment, Punter blieb an der Seitenlinie und nur ein Turnover verhinderte vier Scoring-Drives en suite. Seahawks in der zweiten Hälfte: 37, 71, 77 (TD) und 45 (TD) Yards.

Am Ende aber gibt es keine Frage, welche Mannschaft in dem Spiel die insgesamt bessere war. Tampa Bay hatte deutlich mehr 1st Downs (26 zu 19) und bei gleicher Yards/Play Zahl wesentlich mehr Plays und mehr Yards (74 Plays, 419 Yards / Hawks: 50 Plays, 283 Yards).

Tampa hatte drei brutal lange TD-Drives über 85 Yards, und hätte das Spiel locker gewonnen, wären da nicht die beiden krassen, quasi „unforced“ Turnover gewesen. Der Fournette-Playcall zur INT war komplett hirntot, und es erstaunt mich, dass ein Team nur aus der Motivation heraus, Brady in fernen Ländern ein weiteres Highlight zu seiner Liste an endlosen Highlights hinzuzufügen, einen wichtigen Sieg im Playoffrennen riskiert.

Hätten die Hawks nicht im folgenden Drive den Ball weggefumbelt, das Spiel wäre viel schneller gekippt. So blieb Tampa am Drücker, erhöhte auf 21:3, ehe Brady dachte den JimmyG geben zu müssen und den Linebacker in Coverage einfach ausblendete. INT #2, Hawks verkürzten vier Minuten vor Schluss auf 16:21, aber bekamen nie mehr den Ball zurück, weil ihre D-Line wie schon das ganze Spiel einfach physisch nicht präsent war.

So war es möglich, dass die Bucs mit small ball und trotz eines der bislang schwächsten Laufspiele über 160 Yards Rushing hatten und zum Ende raus die Uhr melkten.

Aus Sicht des neutralen Zuschauers waren die Turnover natürlich Gold wert, denn so bekamen wir die Chance, noch ein paar richtig geile Geno-Plays wie die beiden 4th-Down Conversions für #16 Lockett zu sehen, einen davon zu einem ästhetisch ansprechenden Touchdown.

Die Buccs waren also klar besser – ohne zu begeistern. Brady meh, Fournette meh – aber der Backup-Runningback Rashad White war ganz gut drauf, und dann freut es mich natürlich, dass Chris Godwin Woche für Woche spritziger aussieht. Godwin fühlte sich an wie der beste Buccs-Angreifer – die O-Liner kriegen ein „nicht bewertet“ dafür, gegen einen inexistenten Gegner keine Fehler gemacht zu haben.

Also zusammengefasst

Ein Erlebnis, das es wert war. Ich weiß nicht, ob ich dafür gemacht bin, häufiger Football in solcher Atmosphäre im Stadion zu schauen (eher nicht), aber ich will den Leuten nicht den Spaß an der Sache absprechen, den sie unbestritten hatten. Dass der Sport mit solcher Aufmachung zur Nebensache wird, lass ich den Verantwortlichen durchgehen, denn ehrlicherweise funktioniert kaum mehr eins dieser Top-Sport-Events ohne die Party drumherum bzw. verkommt dann zum Nischenprodukt.

Die NFL in München dagegen fühlte sich wie das Gegenteil von Nischenprodukt an. Das war eine Demonstration einer fest angekommenen „Marke“ – mit all ihren schönen und naja, anderen – Nebenerscheinungen.

RTL kriegt hier ein etabliertes Produkt in den Schoß gedrückt, und da darf der Beobachter gespannt sein, in welche Richtung der Sender es weiterentwickeln wird. Gemessen an der Aufmachung in München wäre ich nicht überrascht, wenn die Aufmachung same procedure as now ist – ob man das nun gut oder schlecht findet.

15 Kommentare zu “Was mir vom NFL-Spiel in München 2022 hängen bleibt

  1. Also zum Thema Stadion, ich hatte bei Bayern Spielen immer erst danach das Problem, in die Bahn zu kommen, weil da alles verstopft ist. Mit dem Einlass eigentlich nie.

  2. @Calle-Jon: Auf der Straße war ca. eineinhalb Stunden nach Spielende *relativ* smooth, aber an der U-Bahn-Station wars noch gerammelt voll mit Menschen.

    Sie haben aber im Stadion schon angekündigt, dass die Leute besser im Stadion bleiben sollen, wegen der Verzögerungen beim Abtransport.

  3. Man mag von den Pro7maxxx- Kollegen halten was man will. Aber ich denke schon, dass sie einen ziemlich großen Anteil haben, dass die NFL ein echtes Ding in Deutschland geworden ist und das Spiel gestern war eine Konsequenz daraus. Dass die das auf ihre Fahnen schreiben, kann ich schon nachvollziehen

  4. War auch vor Ort und hatte den Eindruck, dass man ein bisschen bestraft wurde, wenn man sich zu früh an den Einlass gestellt hat. Wir haben uns um kurz nach 14 Uhr angestellt und waren nach ca. einer halben Stunde drin, weil sie dann die Kontrollen ja scheinbar „vereinfacht“ haben. Das habe ich aus London aber auch etwas smoother in Erinnerung.

    Haben für die Tickets jeweils 70 Euro gezahlt. War dann aber auch erste Reihe mit „eingeschränkter Sicht“ durch den Winkel und die Spieler, die öfters die Sicht versperrt haben. Dadurch hat man vom Spiel nicht immer alles gut mitbekommen – habe bei dem Brady-Trickplay mit der INT auch erst nach dem Spiel gemerkt, dass Brady der Receiver war. Die erste Reihe war aber insofern klasse, weil man sehr nah am Geschehen war und wir z.B. die NFL Network-Leute direkt vor uns hatten. Joe Thomas wirkt ziemlich „intense“ – auch in den Sendepausen. Als Patriots-Fan hat es mich auch gefreut, Willie McGinest so aus der Nähe zu sehen. Das Highlight schlechthin war aber natürlich, es geschafft zu haben, Brady mal live zu erleben. Das ist für mich schon ein Lifetime-Achievement.

    Fands auch spannend, dass das eigentliche Spiel im Stadion irgendwie „kleiner“ wirkt. Im Fernsehen erscheint das manchmal so groß und abstrakt und im Stadion selber merkt man dann, dass da halt eigentlich doch nur 22 Typen auf dem Feld stehen und sich um den Ball kloppen.
    Hatte übrigens auch den Eindruck, dass die Seahawks-Fans in der Überzahl waren, aber vielleicht kam der Eindruck einfach dadurch zustande, dass sie die lautere Fanbase waren. Zu sehen waren schon auch viele Bucs-Anhänger.

    Bei der Abreise hatte ich auch das Gefühl, dass es trotz versuchter „Entzerrung“ ganz schön eng zuging. Bei der U-Bahn war aber auch der große Unterschied, ob man stadtauswärts oder stadteinwärts fahren wollte.

    Den Ran-Leuten gönne ich die Selbstbeweihräucherung sogar etwas, weil ich schon denke, dass deren Arbeit ein wichtiger Beitrag war, damit die NFL in Deutschland so groß werden konnte. Und das sage ich als jemand, der schon vor Jahren zum GamePass gewechselt ist.

  5. @Schlabbo: Man sollte aber nicht vergessen, dass die Basis mit einigermaßen etabliertem Vereinswesen, NFL Europe und gar nicht schlechten Zahlen im Pay-TV usw. schon vorher dagewesen ist.

    Ich kann schon verstehen, wenn manche die Nase rümpfen, wenn Esume und Co. sich so inszenieren, als hätten sie Football in Deutschland *erfunden*.

    Zumal der entscheidende Teil des Ran-Konzepts am Sport selbst ja vorbeigeht.

  6. War gestern auch vor Ort und musste bei deinem Bericht nicht nur einmal schmunzeln 😀 ich versuch’s mal der Reihe nach:

    – Samstags definitiv NFL Menschenmassen in der Münchener Innenstadt und Brauhäusern/Kneipen und sogar einige Spieler um die einschlägigen Luxus-Läden unterwegs gewesen (u.a. Michael Dickson, DK Metcalf, Shaq Mason gesehen). Gerade bei den „Nicht-Stars“ dann aber doch sehr schwierig, die Gesichter zuzuordnen.

    – Einparken und Einlass (und Verpflegung) 1-zu-1 dasselbe Erlebnis wie du und bei uns die Frage: ist das die Stammcrew die auch die FCB-Spiele managed oder was ist das Problem?

    – der Rasen war scheinbar eh schon vor dem Spiel hinüber (Quelle FCB intern), jedoch steht sowieso die Winterpause bevor und als FCB hätte ich da jetzt auch keinen neuen Rasen reingelegt, um in mir von Footballern umgraben zu lassen. Ich weiß auch nicht, ob der Rasen in den USA einfach deutlich härter/ weniger tief ist, aber das war schon sehr offensichtlich, wie da viele Spieler mit zu kämpfen hatten.

    – unsere Erwartungshaltung war ebenfalls, dass SEA Fans in der Überzahl wären, allerdings war mein Erlebnis dann eher von Zufall geprägt. Bei SEA Ballbesitz/ 3rd Down war es teilweise lauter wie bei TB Ballbesitz. Das hat sich (vom Gefühl her) aber im Spiel auch wieder gewandelt, wann es lauter war und wann nicht… Und die vom Stadionsprecher anmoderierte „First Down Tampaaa…. BAY“ war besonders in Hälfte 2 dann schon sehr laut. Meine persönliche Vermutung: einfach viele Football-/Tom Brady-Fans ohne Team-Zugehörigkeit. Auch die angestimmten „Sea….Haaawks“-Ruhe waren nicht besonders erfolgreich.

    – Dass man bei Ballbesitz Gegner grundsätzlich Krach macht – und bei 3rd Down dann nochmal mehr – (ob Pfeifen/“Defense“ schreien oder Buhen), hat sich in der Footballnische eigentlich schon etabliert, jedoch haben mich ahnungslose Fans in der Nähe komplett getriggert. „Wieso buhen denn alle beim FG Versuch? Tampa Bay hat doch Heimspiel!“ wurde hinter uns diskutiert. Zugegeben, bei einem FG Versuch gibt es nicht besonders viel Kommunikation, die gestört werden könnte, aber ein False Start nimmt man auch da gerne mit.

    – nochmal zu ahnungslosen „Fans“: Dass die Buccs dann im dritten Quarter bei Stand 14:3 viel gelaufen sind (was anhand der windelweichen Seahawks Front und bei dem Spielstand ja wohl absolut das Mittel der Wahl war), wurde von einer US-Amerikanerin (die nach eigener Aussage super happy ist, in München zu leben) mit „Let Brady throw the football!“ quittiert. LB Cody Barton war sicherlich dankbar, als ihr Wunsch erhört wurde. Lerneffekt darf man der Dame dann aber doch nicht absprechen, weil beim nächsten Buccs-Drive forderte sie vehement „Run the damn ball“.

    – Als während White’s Game-Clinching-1st-Down noch weiter „Country-Roads“ gesungen wurde, fand ich das aber dann schon sehr witzig 😀 auch, weil SEA DE Bruce Irvin scheinbar ne richtig gute Zeit hatte – obwohl sein Team gerade am verlieren war.

    – den CB Woolen-Pick hat man in live absolut kommen sehen. Wie Woolen pre-snap auch noch so „hämisch“ zu Brady rüberguckt – als würde er diesen da eh nicht respektieren – das Play war schon gute Unterhaltung.

    – bzgl. „Speed der Spieler ist nicht so schnell wie erwartet“ hatten wir genau denselben Eindruck. Gerade der Julio-TD ging in die Endzone rein, hinter der wir saßen und das sieht im TV einfach deutlich explosiver aus als live.

    – zum Sportlichen: SEA Offense in Hälfte 1 ja quasi komplett abgemeldet mit 57 total yards. Player of the Game für mich Buccs-O-Line, die die LOS den ganzen Tag dominierten sowohl für Laufspiel wie auch im Pass-Blocking, damit Brady kaum in Bedrängnis kam…

    – alles in allem war ich ziemlich stolz, dass die München-Crowd so viel Stimmung gemacht hat. Ob das jetzt immer zum richtigen Zeitpunkt war oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber als Bewerbung für weitere NFL Spiele in Deutschland war das schonmal sehr in Ordnung. Dass bei 69k Menschen nicht nur eingefleischte Football-Fans da sind, sondern auch ein Haufen Touristen, ist wohl auch nicht zu verhindern, das tut mir dann aber Leid für alle, die seit Jahren (nicht erst seit Icke, Esume & Co.) Football schauen, und keine Tickets bekommen haben oder keine Lust hatten, halbe Monatsgehälter am Zweitmarkt zu zahlen.

  7. Meine Erkenntnisse zu München

    Ich hatte das Glück 4 Tickets zum Originalpreis zu bekommen. Wir haben ein langes WE draus gemacht, mit 2 Übernachtungen im Hotel und unkomplizierter Anreise mit dem ICE.

    Vor dem Spiel:
    München war vollkommen überlaufen. Die Gimmicks auf dem Odeonsplatz waren nett, aber sich für ein Foto in eine Schlange von ca 300 Menschen einzureihen, nein danke. Alle Brauhäuser und/oder Sportsbars waren hoffnungslos überfüllt.
    Sehr blauäugig von uns!
    Am Samstag hatten wir Glück und konnten einen Platz in einem Brauhaus mit Sky ergattern und Fußball gucken.
    Am Sonntag war das absolut unmöglich. Da blieb uns nur Fastfood und TV auf dem Hotelzimmer

    Anreise zum Stadion
    Gegen 12.00h waren die Bahnen schon überfüllt. Ich komme aus Köln und bin Kummer mit den Öffis gewohnt, aber das war echt nicht schön.

    Das Drumherum
    Ein bisschen NFL Flair vor dem Stadion, ein bisschen Merch, und 2,3 Mitmachspiele. Das war es. Um kurz nach 12.00h Merch-Stände hoffnungslos überfüllt. Bier? Fehlanzeige.
    Also sind wir nach vorne gegangen. Die Eingänge sollten um 13.30h öffnen. Es gab aber Gedränge und lauten Unmut, so dass um 13.05h die Tore geöffnet wurden. Ich schätze mal wegen Sicherheitsbedenken.

    Im Stadion
    Knapp 12 Euro für einen Liter Bier finde ich echt happig, bin aber auch den 1.FC und die Cologne Crocodiles Preise gewohnt.
    Bei uns gab es auch ab der 2.HZ keine großen Becher mehr.
    In der Pause an ein Getränk zu kommen – unmöglich. Jeweils die 2 Minute Warning auszunutzen war genau richtig.

    Stimmung
    Unfassbar! Grandios. G E I L. Wenn knapp 70.000 Fans ausrasten, dann ist das genial.
    London, wer oder was ist London? Es war sehr laut. Immer. Man wusste nicht wer hier Heimrecht hat!

    Plätze
    In London hatte ich vergleichbare Plätze. Zweite Galerie, ganz oben, vor den Logen, in der Kurve. Absolut genial zum gucken. Gefühlt sitzt du in Wembley aber doppelt so weit weg. Man konnte also in München viel besser sehen.

    Preise
    Meine Sitznachbarn haben 450 pro Karte gezahlt. Ihnen war es egal, sie würden es wieder tun. Ich habe mich über den Verkäufer aufgeregt, aber was solls. Es gab genug, die gezahlt hätten. Ich habe an dem WE von weit höheren Preisen gehört, die auch bezahlt wurden.

    Das Spiel
    Ich war völlig geflashed von den Eindrücken. Das Spiel wurde somit für mich zum Nebenereigniss. Einiges hab ich erst am Bildschirm wahrgenommen. Die Fans haben sich, das Spiel und das Event gefeiert. Das war unfassbar. Was für eine Athmosphäre. Football wurde auch gespielt, die Qualität war völlig egal. Das ganze Munich Game wurde abgefeiert. Ich habe noch nie so wenig von einem Spiel bewusst wahrgenommen. Ich schätze das lag an der völligen Reizüberflutung

    Fazit
    Glück gehabt dabei zu sein. Geiles WE, unfassbare Stimmung, jederzeit wieder!

  8. Ich bin selbst 3 km vom Frankfurter waldstadion groß geworden und mit der galaxy groß geworden.

    Aber wenn ich montags nach SB 42 erzählt habe, was für ein unglaubliches ende das war, hab ich auch bei sportfans in ziemlich verständnislose gesichter geschaut. Inzwischen muss mein 71jähriger Vater erstmal seine 6 aufgezeichneten Spiel schauen, wenn er aus dem Urlaub zurückkommt.

    Ein teil davon ist mit Sicherheit schlicht Verfügbarkeit. Aber wieviele Randsport haben Versuche mit regelmäßigen Übertragungen gestartet und fast alle (außer vielleicht dart und snooker) sind mehr oder weniger krachend gescheitert. Selbst in traditionsreichen deutschen vereinssportarten

    Ich schaue selbst auch über dem Gamepass, aber trotzdem denke ich, dass ran viel richtig gemacht hat. Relativ niedrigere Einstiegshürden und ein nicht unerheblicher teil der zuschauer, der sich anscheinend als teil einer Community begreift. Ob die Entwicklung auch mit einem Sportschau-konzept so rasant stattgefunden hätte, bezweifle ich zumindest ein bisschen.

    Das schöne in 2022 ist ja, dass jeder sich genau raussuchen kann, was für ihn das richtige ist

  9. Die Ran crew hat sicher viele Leute motiviert und insbesondere das Partylastige klientel aber ich bin mir sicher das Stadion hätte man auch ohne die locker voll bekommen. Frankfurt Galaxy hatte früher regelmäßig 30k Zuschauer gezogen da kriegt die NFL mit 1 Woche zuruf auch jedes Stadion voll.
    Ich kann aber verstehen das die auf ihrer Abschiedstour nochmal die Bude rocken wollten.

    Das Park und Einlasschaos hatte ich nicht erwartet, ich erkläre mir das so: Bayern hat ~40k Dauerkarten das sind alles Leute die sich auskennen und automatisch zu richtigen Parkplatz&Eingang laufen und von den Ordnern am Gesicht erkannt werden. Zu Allianz Arena kommt ja sonst keiner raus nur für die Party. Der Andrang kam da unerwartet.

  10. Ich bin da bei Thomas, den Anteil am Erfolgskuchen kann man Ran nicht absprechen, aber die Selbstbeweihräucherung nimmt überhand, es gab schon lange vor Ran gutes Interesse am Football in DE siehe NFL Europe, die in keinem anderen Land in Europa annähernd auf so großes Interesse gestoßen ist wie in DE.

    Es gab schon vorher gute Übertragungen, nur bloß nicht im Free TV sondern im Pay TV. Ran hat mit seinem Konzept ein neues Publikum für Football begeistert, und das muß man ihnen zugestehen, aber nicht ohne Wenn und Aber.
    Weil es ist lange nicht Football allein, für das sie die Massen begeistert haben, sondern Football _in Kombination mit_ Party, Community, Bromance usw.

    Weil das Publikum kommt natürlich zuerst über die Party zum Sport, wenn wir NFL durch NBA bei Ran austauschen mit dem gleichen Konzept wie viel anders wären die Zahlen? Wie viele Leute haben tatsächlich mehr begonnen Football zu _spielen_ seit Ran eingestiegen ist? Wie nachhaltig ist die Entwicklung also?

    Ich habe nun einige Berichte aus dieser Bubble und aus anderen Bubbles gelesen zum Game in München, und da sind einfach ganz unterschiedliche Sichtweisen. Mein Fazit ist: Die NFL oder wer auch immer _das Spiel mit allen Nebenerscheinungen_ organisiert hat vertraut / vertrauen dem Spiel selbst noch lange nicht, auch ohne den ganzen Zirkus nebenher zu funktionieren.

    Will das natürlich alles nicht schlecht reden und auch ich gönne Ran die paar Tage im Erfolg, aber Esume und Stecker (weniger Icke, der ist kein solcher Selbstdarsteller) halten sich für die Lichtgestalten bei der Entwicklung einer ganzen Sportart, und das ist nach meiner bescheidenen Meinung deutlich überzogen.

    Cheers

  11. Danke für das Teilen deiner Eindrücke!

    Interessant finde ich auch den Thread von Jan Weckwerth:

  12. ich war auch dort und wir sind ca. 13 Uhr am Eingang gestanden und es ging relativ schnell, weil schon offen war.
    Der Unterschied zu einem Fussballspiel ist m.E. gewesen, dass die 68.911 Fans schon alle Stunden vorher da waren. Beim Fussball kommen sie und gehen U-Bahn-weise rein. Da sind nicht alle 75.000 zur gleichen Zeit da.

    Wo ich dir recht gebe, war die Versorgung. Sowohl vor, als auch im Stadion, war es schwierig. Ich bin während Q1 mal vom Mittelrand runter und da waren doch glatt nur 4 Leute vor mir. Bin aber ca. 45 Minuten vor dem Spiel wieder umgedreht, weil es uferlos war.
    Vor dem Stadion hat man nicht gesehen, wo die Leute eigentlich anstehen, so lang war die Schlange.
    Wobei es sich angefühlt hat, als wären alle Fans – ob Stadion oder Public Viewing in der Stadt – da gewesen. Ich bin schlecht im schätzen, aber ich denke dass das schon an die 100k ging.

    Bei den Ticketpreisen (Normalpreis) war ich überrrascht, dass die recht niedrig waren (65-155 EUR – ausser Hospitality). Da hatte mit wesentlich mehr gerechnet.

    Alles in allem, alles egal. Es war ein mega Erlebnis. Und so schön typisch Football – kein Gemecker, nur nette Leute.

    Ach ja:
    Am Samstag Abend gab es im Rathaus einen Empfang. Vertreter der beiden Münchner Football-Clubs Munich Cowboys und München Rangers waren eingeladen und der US Generalkonsul sowie Roger Goodell waren vorher auch schon im Dantestadion, als die Bavarian Warriors gegen die Londoner NFL Academy (U19) gespielt haben. Das war Goodell zum Anfassen. Die Generalkonsulen der letzten Jahre kommen sowieso immer wieder zu uns zu den GFL-Spielen.

  13. Danke Korsakov für deine Eindrücke.
    Zum Thema Esume & Co. und der Deutschen Footballbegeisterung.
    https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2022/11/american-football-nfl-berlin-stars-joe-montana-tom-brady-bowl.html
    Ich war damals, Anfang der 90er bei jedem Spiel dabei. Ich war mit meiner Familie ab 12 Uhr, glaube ich, am Olympiastadion. Mein Sohn war 6 Jahre alt und wir hatten alle, selbst meine Frau, viel Spass. Das Spiel begann dann irgendwann am Abend… Viele Amerikaner aus den US Stützpunkten und viele Deutsche, Tailgate Parties auf dem Partkplatz und viele Events rund um den American Football. Und auch gerammelt voll. So erinnere ich es jedenfalls. Die Spiele waren der Grund, warum ich vom Fussball zu Football gewechselt habe. Wirklich coole Events und ich habe Joe Montana live spielen sehen. Jo baby!
    Die KollegInnen von Pro7 haben sicherlich die Fanbase deutlich erweitert und einiges für das weitere Bekanntwerden des Spiels in D getan, aber die ersten waren oder sind sie nicht. ich habe zwar auch geschaut, mein Format war es aber auch nicht. Vielleicht bin ich auch etwas zu alt für das ganze socMedia Zeugs. Da finde ich das Ran Rugby Format viel besser. Auch kompetente Leute, aber völlig ohne Klamauk. Sehr cool.
    sy

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