Indianapolis Colts in der Sezierstunde

Die Indianapolis Colts bestätigten in der abgelaufenen Saison ihren Ruf als Ross, das nur so hoch springt wie es springen muss, und zog schon wieder mit einer ganzen Latte an knappen Siegen in die Playoffs ein: 11-5 Bilanz und Divisionsgewinn, Einpunktesieg über Kansas City in den Playoffs nach furiosem Comeback, ehe schließlich das Aus gegen die zu abgewichsten Patriots folgte. Trotzdem kann man eine weitere positive Saison in Indianapolis zufrieden abhaken. Weil es jedoch für einen Divisionssieger überdurchschnittlich viele Unsicherheitsmomente gibt, bleibt dieser Laden einer, auf den man achten muss.

Die haarsträubendste Geschichte der Offseason war die Einlieferung von Owner Jim Irsay in die Klapse. Irsay ist der Mann, der seit Jahren mit seinen amüsanten Tweets einen angenehmen Kontrast zum langweiligen Krawattlträger stellte, der heutzutage so den NFL-Besitzer spielt, aber es besteht mittlerweile der Verdacht, dass Irsay nicht ganz nüchtern twischterte, um es vorsichtig zu formulieren. Die aggressiveren Quellen sprechen von Drogenproblemen und instabiler nervlicher Verfassung beim Owner der Colts.

Irsay ist somit fürs erste raus aus dem Tagesgeschäft, das nun verstärkt in die Hände von GM Ryan Grigson und Head Coach Chuck Pagano gelegt wird. Sie müssen einen recht unaufgeräumten Kader bearbeiten, denn gefühlt ist bei den Colts noch immer mehr im Fluss als das, was fest ist.

Überblick 2013

Record        11-5    DP
Enge Spiele    6-1
Pythagorean    9.5    10
Power Ranking  0.511  16
Pass-Offense   6.4    14
Pass-Defense   6.5    19
Turnovers      +13

Management

Salary Cap 2014.

Allein: Die wichtigste Position schaut sehr sicher aus – Quarterback. Dort absolvierte Andrew Luck zum Einstand zwei sehr vielversprechende Jahre. Luck ist bei Gott kein fertiges Produkt, wie man zu sagen pflegt. Luck ist vielmehr eine Diva, die immer wieder Momente spielerischer Brillanz einstreut um dann wieder so durchschnittlich auszusehen wie ein Allerwelts-QB. Einen Teil des Problems mag OffCoord Pep Hamilton mit seinem viel zu konservativen Spielsystem verantworten. Ein Teil ist sicher auch Lucks geringer Erfahrung und dem stets im Wandel befindlichen Kader geschuldet.

Das summiert sich zu einer komplett durchschnittlichen QB-Saison: 6.4 NY/A (#14), 2.5% INT-Quote (#14), nur 59.9% Completions trotz nur 22% tiefer Passspielversuche, und das alles gegen einen nicht weltbewegenden Schedule.

Trotzdem hast du beim Anblick Lucks nie das Gefühl, es mit einem Schönwetterspieler zu tun zu haben. „Diva“ mag aktuell die richtige Beschreibung des Spielers Luck sein, aber man wird das Gefühl nicht los, dass hier Großes heranwächst. Es gibt bis auf Rodgers zum Beispiel keinen QB, der seine Scrambles so sensationell richtig dosiert einsetzt. Luck strahlt die schon vom College gewohnte unheimliche Souveränität, diese totale Kontrolle aus. Sie kommt noch nicht in beständig großartigen Zahlen zum Tragen, aber es sind sich alle (auch ich) sicher: Es wird der Tag kommen, an dem es soweit ist.

Zumal Luck irgendwann einen WR-Corp besitzen wird, der nicht jede Woche anders aussieht mit der einen Konstante, dass er aus einer Handvoll third stringer besteht. In der Offseason wurde nur wenig getan: Heyward-Bey wurde rausgeschmissen, dafür der verletzungsgeplagte Hakeem Nicks aus New York für billiges Geld eingekauft. Der Depth-Chart liest sich nun wie folgend:

  • Reggie Wayne (27% tiefe Anspiele, 39 Catches, 508yds in 7 Spielen)
  • T.Y. Hilton (32% tiefe Anspiele, 100 Catches, 1413yds, 7 TD)
  • Hakeem Nicks
  • Lavonn Brazill (18 Catches, 288yds, 4 TD in 10 Spielen)
  • Darick Rogers (15 Catches, 238yds in 5 Spielen)

Den Platz sollte man vielleicht auch nicht so sehr aufräumen: Wayne ist Mitte 30 und es ist keine gute Idee darauf zu wetten, dass er seinen Leistungseinbruch noch sehr lange wird aufschieben können; nicht falsch verstehen: Wayne war ein Superspieler, aber die Historie zeigt, dass alle Wide Receiver mit Ausnahme von Jerry Rice um die Mitte 30 einen Einbruch erlebten, der heftig und schnell war. Hast du als Receiver nicht mehr zumindest 95%ige körperliche Fähigkeit, bist du draußen. Insofern ist Nicks eine Versicherung gegen einen Einbruch bei Wayne.

Hilton ist eine tolle Waffe für das tiefe Spiel, aber kein echter Top-Receiver. Das wäre vielleicht eher Rogers, 2013 ein ungedrafteter Rookie: Rogers hat zumindest spielerisch alle Tools drauf, gilt aber als sehr schwieriger Mensch – so schwierig, dass er schon am College aus dem Team flog und danach nicht gedraftet wurde.

Ein sehr großer Pluspunkt für die Pass-Offense: TE Dwayne Allen wird wieder fit sein und kann als quasi-Neuzugang gefeiert werden. Allen war 2012 als Rookie eine Offenbarung, verpasste aber danach einen Großteil seiner zweiten Saison. Allens Positionskollege TE Fleener konnte ihn trotz 63 Catches für 728yds nicht annähernd ersetzen.

Um die Skill-Players abzuschließen: Running Back. Wie viel Häme kann ein Mann eigentlich einstecken? Die Rede ist von RB Trent Richardson, der letzten September für einen Erstrundenpick aus Cleveland geholt wurde – eine schon zum Zeitpunkt des Trades erstaunlich beschissene Aktion des Front-Office, aber die Entscheidung sah dann Woche für Woche mit jedem Carry Richardsons noch schlechter aus. „T-Rich“ beendete die Saison mit 2.9yds/Carry und einem viel beachteten Fumble in seinem ersten oder zweiten Carry in den Playoffs. Viel tiefer kann ein Mann eigentlich nicht sinken, der erst vor zwei Jahren als Megatalent aus dem College kam und als so sicherer Pick gehandelt wurde… oh, wait: Dann geisterten angeblich Pornovideos mit Richardson durch die Lande… so oder so bleibt festzuhalten: Hohe Draftpicks für Running Backs, davon ist abzuraten.

Was nicht heißt, dass Richardson nicht doch noch was wird. Das Talent ist da. Der Spieler ist komplett, nur nicht allzu explosiv. Er sollte sich zumindest soweit entwickeln können, nicht in jedem Spielzug die eigene Offense abzuschießen.

Als sein Backup wurde Bradshaw trotz Verletzungsanfälligkeit gehalten, während Brown (mit 49% Success-Rate einer der effizientesten Backs des Jahres) nach San Diego abgeschoben wurde.

In Sachen Offensive Line konnte man die Entlassung des Centers Setele vernehmen, während der vielversprechende Youngster Reitz erstmal mit einer der Vertragsklauseln (Fachjargon: „Tag für Restricted Free Agency“) gehalten werden konnte. Der RT Cherilus entwickelte sich völlig überraschend zu einem grundsoliden Fels in der Brandung, während auf der linken Seite der LT Castonzo auch nach drei Jahren noch Fragen aufgibt. Zumindest einen Center oder einen Guard dürften die Colts dieses Jahr auch noch draften müssen (es sei denn, der aus Dallas geholte Costa wird als würdiger Stamm-Center gesehen).

Die Defense galt abseits von OLB Robert Mathis (mit 19 Sacks ein Kandidat auf den DPOY-Award) relativ mickrig besetzt. Der deutsche Rookie-OLB Björn Werner konnte zu seinem Einstand nur wenige Akzente setzen, aber einen Erstrundenpick schreibst du nicht schon nach 12 Monaten ab.

Was die Colts dort diese Offseason besser machten als in der letzten (2013): Sie machten mit ihren Neueinkäufen bessere Verträge. Besonders überzeugende Verstärkungen sind die anvisierten Spieler aber auch diesmal nicht. Die Colts scheinen darauf hinsteuern zu wollen, in 1-2 Jahren eine durchschnittliche Defense beisammen zu haben.

Der aus Baltimore geholte DT/DE Arthur Jones bietet durchaus Stammspieler-Potenzial, im schlimmsten Fall ist er eine wertvolle Ergänzung für die Tiefe in einer Rotation mit Jean-Francois, Redding, Chapman und Moala, die zuletzt nicht immer den notwendigen Punch auf das Spielfeld brachte. Jones ist mit seinen 28 Lenzen im besten Sportleralter, aber er ist eine Workload von 800-1000 Snaps nicht gewohnt, insofern würde man eher zur Variante „Ergänzungsspieler“ tendieren.

Von den Ecken hast du Mathis, der aber nicht jünger wird, das unbeschriebene Blatt Werner und das beschriebene Blatt Erik Walden – Walden gilt als Starter der eher untersten Schublade, aber einer, der letztes Jahr bezahlt wurde wie ein Weltmeister.

Das Linebacker-Problem wird die Colts allerdings bis in den Draft verfolgen: Nach mehreren Entlassungen waren mit Jerell Freeman und dem jungen Kelvin Sheppard zwei Optionen geblieben, aber keiner gilt als sichere Tüte. Also wurde Da’Qwell Jackson aus Cleveland geholt – kein ganz übler Mann, aber halt auch kein Superstar.

Der einzige weitere Neuzugang ist Henoc Muamba aus der Canadian Football League, ein Kongolese, der dort bei den Winnipeg Blue Bombers eine fantastische Waffe war und immer wieder positiv auffiel – aber es ist eben „nur“ die CFL und daher ein bissl Wundertüte. Hier stehen die Wetten gut, dass Indianapolis sich noch ein Talent im Draft holt – vielleicht nicht in den frühen Runden, sondern eher einen Mann mit mittelfristigem Fokus.

Die Secondary ist auch so ein Ding. CB Vontae Davis wurde für einen Vierjahresvertrag mit 10 Mio/Jahr gehalten, ein massiver Vertrag, den die Colts angesichts der später auf dem Markt für bessere Spieler gezahlten Preise vielleicht schon bereuen. Weil der Cap-Druck in Indianapolis nicht der höchste ist, vielleicht ein zu vernachlässigendes Thema.

Die weiteren Cornerbacks sind Josh Gordy (spielt unter einer Restriction-Tag), der letztes Jahr für *pling* einen überteuerten Vertrag geholte Zottelbock Greg Toler sowie CB Butler, schon in New England und Carolina eher ein Mann, den man dauerhaft zu ersetzen versuchte. Angesichts anderer Lücken ist es vorstellbar, dass die Colts hoffen, mit dem okay besetzten CB-Quartett durchzukommen.

Auf Safety musste man Antoine Bethea nach San Francisco ziehen lassen, und besitzt in Laron Landry und Sergio Brown nur noch zwei – nicht koschere – Alternativen. Eigentlich ist auch Safety eine Position, die es anzugehen ginge.

Wie genau das Regime in Indianapolis die Kadersituation bewertet, ist schwer zu sagen, aber persönlich würde ich in dieser Offseason versuchen so vorzugehen:

  • Offensive Line: Außer RG Thomas sieht das „innen“ doch sehr suspekt aus. Und ob ein Center Phil Costa so vielversprechend ist?
  • Linebacker
  • Safety

Auf Runningback kannst du eh nur hoffen, dass Richardson seine PS doch noch auf den Boden kriegt. Auf Wide Receiver hast du eintausend Jungspunde und zwei Routiniers. Du kannst hoffen, dass der Trupp gesund bleibt und dann in einem Jahr ein Urteil fällen – dort sind die richtigen Moves schon gemacht. Auf Tight End kriegst du in Allen einen erstklassigen quasi-Neuzugang in Allen.

In der Defense wäre es eigentlich angebracht, schon einmal auf die Zeit post-Mathis zu denken, aber da kein 1st-Round Draftpick da ist, gilt es andere Lücken zu schließen. Innen könnte man noch ein Boom/Bust-Talent ergänzen. Auf Safety würde ich ungern mit Landry/Brown und einem Haufen Unbekannter in die Saison gehen.

Generell sehe ich in der Colts-Defense das Mittelmaß grassieren. Hier wurde ein Haufen an Durchschnittsspielern eingekauft, die in spätestens 1-2 Jahren das Potenzial der Abwehr begrenzen könnten. Dazu der dumme Move, seinen 1st-Rounder für einen Runningback wegzugeben, der den Handungsspielraum einschränkt. Dazu kannst du dich nicht auf erneutes Turnoverglück verlassen (2012 hatten die Colts -12 Turnovers, ein Jahr später +13).

Es ist nicht alles schlecht in Indianapolis, weil man den Quarterback hat und in der einfachsten Division der Liga spielt, aber zur AFC-Spitze fehlt trotz teilweise guter Ansätze noch ein ganzes Stück.