Miami Hurricanes | 2016/17 Vorschau

Die Miami Hurricanes sind eines der bekanntesten Programme im College Football, was weniger an epochaler Tradition liegt, sondern an den gigantischen Erfolgen seit den 1980er Jahren – und noch mehr am revolutionären Stil des Programms. „The U“ war nicht bloß erfolgreich; „The U“ war laut und erfolgreich.


Gleich fünf Landesmeistertitel holte man zwischen 1983 und 2001, aber im letzten Jahrzehnt hat sich das Programm der Hurricanes ins Mittelmaß zurückentwickelt. Das liegt nur zum Teil am verfügbaren Spielermaterial, denn Südflorida ist eine der besten Gegenden für Highschool-Football und entsprechend viele Footballtalente schmücken auch jahrein, jahraus das Team von Miami.

Vielmehr liegt es am nicht 100%igen Committment der Universitätsleitung. Miami ist keine große landesweite Universität, sondern eine relativ kleine, elitäre Privat-Uni mit ca. 15.000 Studenten, aber ohne eigenes Stadion. Die Spiele der Hurricanes ziehen zwar landesweit bis heute mit die meisten TV-Zuschauer an, aber die Heimspiele im seelenlosen Dolphins-Stadion sind meistens von leeren Tribünen dominiert.

Die Identitätskrise des Hurricanes-Programms kann man gut ablesen an den zuletzt eingestellten Head Coaches, die von Randy Shannon über Al Golden allesamt vor allem mit dem Ziel geholt wurden, den Kader zu befrieden und Skandale (Stichwort: Bestechung, Partys und Nutten) vom Programm fernzuhalten. Aber zahme Hurricanes sind kein Sturm, sie sind eher ein lauwarmes Lüftchen, und so gurkt man sich trotz guter Ansätze seit Jahren von einer 7-6 Saison zur nächsten.

Der Tiefpunkt war letztes Jahr ein fulminantes 0-59 gegen Clemson, das Golden schlussendlich den Kopf kostete.


Goldens Nachfolger ist aber ein Mann, der nun urplötzlich wieder für gehobene Erwartungen an die Miami Hurricanes sorgt: Mark Richt. Als Richt im Jänner völlig überraschend von den Georgia Bulldogs gefeuert wurde, griff Miami zu. Richt kennt das Programm als ehemaliger Hurricanes-QB nur zu gut.

Richt gilt als moralisch relativ integre Figur im oftmals verkommenen College-Football. Bei Georgia sagte man ihm nach, im Falle von Fehlverhalten einen Spieler eher zu schnell als zu spät zu suspendieren, was ihm die Fans oftmals nach schweren Niederlagen vorwarfen. (!)

Richt gilt im Gegensatz zu seinen Vorgängern Shannon und Golden aber auch als guter Recruiter und sehr guter Coach. Georgia gewann unter seine Ägide zwar keinen Landesmeistertitel, war aber mehrfach nahe dran, zuletzt 2012 als man das famoseste SEC-Finale der letzten Jahre knapp verlor. Seine Mannschaften spielten nicht innovativ, aber sie spielten sauber. Zahllose seiner Spieler gingen als hohe 1st-Rounder in die NFL.


Bei Miami kann Richt von Tag 1 an mit einem brauchbaren Kader arbeiten. Star des Teams ist der QB Brad Kaaya, der letztes Jahr trotz inexistenter Entlastung des Laufspiels 62% der Pässe für 3200yds, 16 TD und nur 5 INT an den Mann brachte. Kaaya gilt als Kandidat für einen hohen Draftpick. Er muss allerdings eine extrem dünne Personaldecke in Offense Line, Wide Receiver und Runningback durchschleppen und gilt als einziger Ankermann der Offense.

Richt soll die konzeptionellen Arbeiten an der Offense an seinen erst 30-jährigen OffCoord Thomas Brown übertragen haben, der mit der Installation einer ausbalancierten Offense betraut wurde. Brown war bisher vor allem bekannt für effiziente Rush-Offenses. Sollte er Miamis Laufspiel schon in diesem Jahr hinbiegen können, wäre das eine Sensation – und es würde gleichzeitig Kaaya, den Mann mit dem extrem akkuraten Wurfarm massiv entlasten.


Ähnliches Bild in der Defense: Miami hatte eine gute Pass-Defense, aber eine teilweise horrende Run-Defense. Auch hier bringt Richt einen neuen Coordinator mit, Manny Diaz. Diaz ist einer der bekannteren DefCoords im College Football – und einer, dessen Philosophie sich darauf fokussiert, dem Gegner seine Stärken wegzunehmen:

„We want you to beat us left-handed because we’re going to stop the one thing you do best. There’s not enough time to practice all of your running plays against all of the stuff we have.“

Wenn Diaz die richtigen Spieler hatte, waren seine Ergebnisse phänomenal. Aber sein sehr aggressives Schema, bei dem oft mehr als ein Blitzer im gegnerischen Backfield steht, ging an manchen Stellen auch nach hinten los, zum Beispiel bei den Texas Longhorns, wo er nach einigen krassen Debakeln in hohem Bogen gefeuert wurde. Miamis Spielermaterial gilt in der Front Seven vor allem im Pass Rush als kompatibel. Das Defensive Backfield ist teilweise sehr unerfahren und kann kaum Tiefe nachweisen.


Es wird also ein spannendes erstes Jahr mit Mark Richt bei den Miami Hurricanes. Niemand erwartet einen sofortigen Angriff auf Clemson oder FSU, aber ein deutlicher Schritt nach vorn sollte es dann schon sein – manch einer träumt schon von der Qualifikation für das ACC-Finale.

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