Peach Bowl 2016 Preview: #1 Alabama Crimson Tide – #4 Washington Huskies

Morgen ist Silvester und wie schon vor einem Jahr spielt der College Football seine Halbfinals am letzten Tag des Jahres aus. Den Auftakt macht um 21h MEZ, live zu sehen bei SPORT1 US, die Peach Bowl aus dem Georgia Dome von Atlanta, #1 Alabama Crimson Tide (13-0) vs #4 Washington Huskies (12-1), der SEC-Champ gegen den Pac-12 Champ.


Die Favoritenstellung ist klar definiert: Die Wettbüros sehen Alabama mit 14 Punkten vorne. Wir kennen das. Alabama ist in der Ära Nick Saban, die nunmehr auch schon 10 Jahre dauert, annähernd ein Serienmeister mit insgesamt vier Landesmeistertiteln, und eigentlich mehr noch: Alabama spielt jedes Jahr in der Endauswahl um den Titel mit. Im gegenwärtigen College Football gilt das Credo: Wette nicht gegen Saban.

2016 ist vielleicht das dominanteste Jahr von Alabama unter Saban. Crimson Tide ist nicht bloß in der Sieg/Niederlagenbilanz ungeschlagen, sondern hat auch Qualitätssiege en masse auf dem Konto: Vom 52-6 Kantersieg über das in den Top-10 gerankte USC zu Saisonbeginn über einen 43-37 Comeback-Sieg über Ole Miss, als man einfach mal so einen 21-Punkte Rückstand wettmachte hin zum atemberaubenden 10-0 Schlachtfest gegen LSU waren wieder etliche Highlights dabei.

Absolut herausragende Qualität von Alabama 2016 ist mal wieder die Defense, die als #2 gegen den Pass und #1 gegen den Lauf nicht besser sein könnte. Angeführt wird die Defense vom kantigen DT Jonathan Allen, der in den USA als Menschenfresser gefeiert wird und ein hoher Draftpick sein dürfte. Allen gibt im Alleingang den Ankermann und hält dem exzellenten LB Reuben Foster den Rücken frei. Foster kann man kurz so erklären: Vor zwei Jahren schickte Alabama Linebacker CJ Mosley in die NFL und Mosley ist heute einer der besten Verteidiger der NFL. Und jeder, wirklich jeder, Scout stellt Foster noch einmal eine Stufe über Mosley.

Allen und Foster sind die wesentlichen Stützen gegen das Laufspiel, das im Schnitt 64 Yards pro Spiel und 2.0 (in Worten: zweikommanull) Yards pro Laufspielzug kassiert. Diese Run-Defense ist der absolute Schlüssel für Alabama, denn sie macht des Gegners Offense eindimensional, und so können sich die brandgefährlichen Flankenmänner Tim Williams (8.5 Sacks) und Ryan Anderson (7.5 Sacks) in 2nd und 3rd Downs auf den Passrush konzentrieren. Alabams Defense macht 3.5 Sacks pro Spiel für insgesamt 370 (!) Negativ-Yards. Häufig führt das auch gegen gute Offenses schon im zweiten Viertel zu erlahmender gegnerischer Offense.


In der Offense ist Alabama nicht ganz so überragend, aber OffCoord Lane Kiffin hat mal wieder eine Stufe der Entwicklung gezündet und Alabama nach zwei Jahren mit Spread-Offense und Power-Running zu einem Angriff mit mobilem Quarterback und Triple-Head Monster auf Runningback umformiert.

Im Gegensatz zu den letzten Jahren teilen sich nun im Backfield mit RB Harris (132 Carries für 983yds, 2 TD), RB Scarborough (90 für 539yds und 7 TD) und TB Jacobs (83/551/4) drei Backs die Carries (Vergleich: Letztes Jahr hatte Derrick Henry allein fast 400 Rushes). Im Gegensatz zum letzten Jahr ist das Passspiel nicht mehr allein auf deep threat Calvin Ridley fokussiert (nur noch 66 anstelle von 89 Catches, nur noch 11.3yds/Catch).

Dafür hat Kiffin QB Jalen Hurts schneller als alle dachten von der Leine gelassen: Hurts ist ein Freshman-QB, der vom ersten Tag an ins Getümmel geworfen wurde. Hurts spürte die Schmerzen, als er seinen Kinderschuhen entwuchs, ist aber schon heute eine recht coole Socke, der seine Scrambles (162 an der Zahl) effizient einzusetzen weiß und der bei 21 Pass-TD und 12 Rush-TD nur 9 Interceptions geworfen hat.

Wie kann Washington gegen diese Macht bestehen?

Die Washington Huskies sind ein etwas überraschender Playoff-Teilnehmer. Alle hatten erwartet, dass Washington im dritten Jahr von Head Coach Chris Petersen den Durchbruch schafft, aber so richtig als Playoff-Team und Pac-12 Champ hatte man die Huskies im Sommer noch nicht erwartet. Die Huskies haben vier große Erfolgsrezepte: Ein erfahrenes Team, das seit nunmehr zwei Jahren in fast genau der Aufstellung miteinander spielt, eine extrem gut funktionierende Pass-Defense, eine ausbalancierte Offense und einen Coach, der wie kein zweiter eine Underdog-Strategie entwickeln kann.

Chris Petersen war jahrelang der Headcoach der Boise State Broncos, jener kleinen Uni aus den Wäldern von Idaho, die in schöner Regelmäßigkeit dem Establishment das Fürchten lehrte. Mit Boise schaffte Petersen Gameplans, die haarklein Topmannschaften wie Oklahoma, Oregon, Virginia Tech oder Georgia auseinandernahmen. Petersen machte Boise zu einer landesweiten Marke, aber er sah mit den Broncos keine Chance, jemals um den Landesmeistertitel zu spielen. Deshalb 2013 der Wechsel nach Seattle, wo er nun tatsächlich schneller als erwartet die Chance darauf bekommt.

Petersen muss einen punktgenauen Matchplan erarbeiten, will er den Giganten Alabama stürzen. Das beginnt mit dem Einbremsen von Alabamas Offense, die zwar in den Top-10 geführt wird, aber bei genauem Hinsehen findest zu Schwächen. Zum Beispiel sind die Yards/Carry mit 6.4 zwar imposant, aber da sind viele lange Runs mit dabei, die kaschieren, dass 21% der Läufe bereits hinter der Anspiellinie zu Fall gebracht werden. Das ist jeder fünfte Lauf. Das ist gleichzeitig ca. jedes fünfte 2nd oder 3rd Down, das relativ „lang“ zu werden droht.

Jeder Footballfan weiß: Lange zweite und dritte Versuche sind ein gefundenes Fressen für die Defense, insbesondere eine Defense wie jene der Huskies, wo DefCoord Pete Kwiatkowski einen fulminanten Pass Rush zu entzünden imstande ist, der umso gefährlicher wird, je länger die mit künftigen NFL-Prospects gespickte Secondary ihre Deckung halten kann. Washington hat nach den Ausfällen der Edge Rusher Victor und Mathis nicht den herausragenden Individualisten. Dafür gibt es sieben Mann mit mindestens drei Sacks, und der Druck kann von allen Seiten einschlagen.

Pro Football Focus hat die entscheidende Statistik gebracht: Wird QB Hurts unter Druck gesetzt, mutiert er quasi wie von Geisterhand von einem tödlich effizienten zu einem relativ durchschnittlichen QB. Die Frage ist, wie Petersen und Kwiatkowski die langen 3rd Downs erzwingen wollen, nachdem Washingtons unterdurchschnittliche Rushing-Defense nur auf #80 in Stuff-Rate gereiht wird, sprich im Stoppen von Laufspielzügen hinter an oder hinter der Anspiellinie. Setzt sich die Unit nicht gegen Alabamas traditionell erstklassige Offense Line durch, geht der Matchplan in Schall und Rauch auf.


Nehmen wir spaßeshalber an, dass Washington (das u.a. Stanfords RB McCaffrey und die starken Laufspiele von USC und Colorado stoppen konnte) in der Run-Defense nicht komplett untergeht: In diesem Fall bleibt noch immer die Herkules-Aufgabe, gegen Alabamas Monster-Defense ausreichend zu scoren.

Washington hat theoretisch ein gutes Laufspiel um RB Myles Gaskin, der 5.9yds pro Lauf macht. Ich betone: „theoretisch“, denn es wäre nicht das erste Mal, dass ein an sich passables Laufspiel gegen Alabama gegen eine Wand läuft. Es ist schon besseren Backs als Gaskin passiert. Vorteil Washington: Die Huskies haben Waffen im Passspiel um mehr Dimensionen ins Spiel zu bringen als z.B. LSU, dessen Weltklasse-Runningback Fournette ohne Entlastung durch Passspiel schlicht kein Land sah.

Washington hat QB Jake Browning, der 41 TD bei nur 7 INT fabrizierte und der immer mal wieder eine tiefe Bombe auszupacken imstande ist. Browning für den Klassesprinter und WR John Ross, das hat in dieser Saison bereits 76 Mal für 1122 Yards und 17 Touchdowns funktioniert. Ross macht fast 15yds/Catch und wird häufig dazu eingesetzt, die Defense in die Länge zu ziehen. Das ist etwas, das Alabama nicht wirklich schmeckt. Insbesondere Star-CB Humphrey gilt als anfällig gegen tiefe Bälle. Humphrey ist ein Abfangjäger, lässt sich aber in der tiefen Cover-3 Zone immer mal wieder verbrennen. Und Ross ist nicht der einzige Speedster. Washington kann in WR Pettis (mit 14 TD eine Redzone-Waffe) und RB/WR McCatcher zwei weitere wuselige Optionen aufbieten.

Hoffnungsschimmer für Washington: Ole Miss oder Arkansas hatten durchaus Erfolg mit tiefen Bomben und brachten Alabama damit in Bedrängnis. Weniger gut: Tiefes Passspiel ist natürlich riskanter und anfälliger gegen Turnovers, und was du gegen Alabama am wenigsten gebrauchen kannst, sind Ballverluste und kurze Felder mit Gratispunkten für Alabama. Und: Browning mag wie ein Heisman-Kandidat aussehen, wenn ihm die Offense Line die Zeit für längere Routen geben kann, aber gegen die beiden stärksten Defenses im Schedule, USC und Colorado, sah Browning mit nur 43% Completion-Rate und 6.2yds/Pass nicht gut aus (über die Saison hatte er 9.9yds/Pass und 68% Completion-Rate).

Die X-Faktoren

Washingtons Defense ist mit ihrer aggressiven Spielweise nicht nur aufregend anzuschauen, sondern durchaus eine Gefahr für den Gegner: Nicht nur führen die vielfältigen Schemen zu Sacks. Sie führen auch zu vielen Interceptions. Washington Defense machte 2016 sagenhafte 33 Turnovers, was in Kombination mit der fehlerarmen Offense zu einer Turnover-Ratio von sagenhaften +19 führt. Nun ist die Turnover-Ratio eine eher volatile Statistik, aber grundsätzlich spielt Washingtons Defense-Style einer Strategie, mit Turnovers für gute Feldpositionen zu sorgen, durchaus in die Hände.

Und dann hätten wir die Finisher-Qualitäten der Washington-Offense: 54 Drives der Huskies führten in die gegnerische Redzone. 53 von ihnen endeten mit Punkten. Das sind mehr als 95% Trefferquote. Gegen Alabama wird beides gefragt sein: Turnover-Duell gewinnen und jede Scoring-Chance zu Punkten nutzen. Nur dann wird der David gegen Goliath eine reelle Siegchance haben.


Und noch einen hätte ich rauszuhauen: Der ESPN Football Power Index sieht die Partie mit einem Favoritenstatus von „nur“ 5.5 Punkten pro Alabama nicht ganz so klar wie der common sense oder die Wettbüros. Der Fakt, dass Washington 2016 noch keinen wirklichen Giganten geschlagen hat, mag überstrahlen, dass die Huskies über gute Teams wie Stanford oder Colorado drübergefahren ist und mit der Pac-12 Conference die vielleicht beste Liga des Jahres gewonnen hat.

Wirf den von mir vergötterten Head Coach Petersen mit rein, und wir kriegen vielleicht gegen alle Erwartungen ein knapperes Spiel als erwartet. Eine Finalqualifikation der Washington Huskies wäre natürlich eine Sensation, aber es sprechen zumindest einige Faktoren dafür, dass Alabama in diesem Spiel nicht mit der gewohnten Kälte drüberfahren wird.

6 Kommentare zu “Peach Bowl 2016 Preview: #1 Alabama Crimson Tide – #4 Washington Huskies

  1. Hab bisher kein College-Football geschaut und bin nicht so drin. Wo und Wann kann man sich das Spiel denn anschauen?

  2. Ah, grad gesucht:
    Bei uns um 21:00 Uhr (3:00 P.M. ET), und zu schauen auf espn. gibts auch als livestream (wobei ich grad nicht sehen kann, ob der Livestream auch hier verfügbar ist, oder ob es da ein Geoblocking gibt).

  3. Pingback: Orange Bowl 2016 Preview: #6 Michigan Wolverines – #11 Florida State Seminoles | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  4. Klingt so, als ob Reuben und Allen nächstes Jahr nach San Francisco und oder Cleveland wandern würden. Zumal die Browns 2 picks in der ersten Runde haben.

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