NFL Draftvorschauer 2017 – Tight Ends

Tight End ist eine der Positionen, denen seit Jahren eine große Zukunft in der NFL vorausgesagt wird. In Wahrheit ist die Position für die besten der besten bereits jetzt „große Gegenwart“.

Bei allem Hype um die Position galten die letzten Jahrgänge auf Tight End im Draft als jeweils unterwältigend. Wo jedes Team nach dem neuen Gronkowski suchte, gab es nur Flops wie Amaro oder Halb-Flops wie Ebron zu greifen.

2017 ist anders. Erstmals seit vielen Jahren überschlagen sich die Reviews der Scouts über die Klasse.


Als klare Nummer 1 gilt O.J. Howard von den Alabama Crimson Tide. Howard ist ein bisschen Freak-Show, weil er bei Nick Saban in den letzten Jahren vergleichsweise selten im Passspiel eingesetzt wurde (bloß 114 Catches in vier Jahren), nur um in den beiden National Championship Games gegen Clemson über 300 Yards und 3 Touchdowns zu fangen. Allein aufgrund dieser fulminanten Highlight-Reels kennt die halbe Footballwelt Howard als dominante Waffe. Aber er wurde nur in den Finalspielen so prominent eingesetzt.

Howard ist 1.98m groß und wiegt 115 kg. Er ist damit zu groß um von einem klassischen Defensive Back gedeckt zu werden und ist gleichzeitig beweglich und kräftig genug um einen Linebacker aus dem Weg zu räumen. NFL-Teams werden mit ziemlicher Sicherheit einen Safety auf Howard ansetzen, aber es gilt als wahrscheinlich, dass jeder Gegenspieler Howard bereits an der Anspiellinie attackieren und aus dem Rhythmus bringen muss, willst du nicht riskieren, in Off-Coverage ausgespielt zu werden.

Howard hat also bereits fulminante Anlagen um auch in guter Deckung angespielt zu werden. Noch besser: Er hat auch gute Hände. Natürlich ist er nicht allzu oft angespielt worden, aber den 85 Catches in den letzten beiden Jahren stehen auch nur insgesamt 3 Drops gegenüber, was für gute Fangtechnik und Konzentrationsstärke spricht.

Und er gilt als hervorragender Blocker: Technisch versiert, sich nicht zu schade, den Block bis zum Ende des Spielzugs durchzuziehen um dem Gegner auch die kleinste Chance zu nehmen, noch einmal in den Spielzug einzugreifen. Schwächen soll Howard allenfalls in der Pass-Protection haben.

Somit ist Howard der am meisten hochgejazzte Tight End seit Jahren. Viele erwarten, dass er in der NFL besser eingesetzt wird als am College und damit vom ersten Tag an Stammspieler in seiner neuen Mannschaft sein kann. Gemessen an den Vorschusslorbeeren wäre ich verblüfft, wenn Howard nicht in der 1ten Runde vom Tablett geht.


Hinter Howard gehen die Meinungen nach dem nächstbesten Tight End auseinander, je nachdem, welchen Spielertyp du präferierst. Die Kandidaten, gleich nach Howard gezogen zu werden, sind:

  • Evan Engram (Ole Miss)
  • David Njoku (Miami/FL)
  • George Kittle (Iowa)
  • Gerald Everett (Southern Alabama)

Gehen wir mit Mike Mayock, ist Njoku die #2. Njoku gilt als relativ eindimensionaler Spieler: Exzellenter Fänger, aber nur durchschnittlicher Blocker. Er ist mit 1.93m kleiner als Howard, er hat den etwas schlechteren Antritt und die schlechtere Blocktechnik, aber dafür sagt man ihm nach, mit dem Ball in der Hand mehr anzufangen als Howard: Njoku ist schneller und fluider als Howard und kann sich, wenn er erstmal den Ball in den Händen hält, noch schmerzhafter durch eine Defense schleichen. Problem an Njoku: Er lässt zu viele Bälle fangen – sieben Drops 2016.

Engram ist bei Mayock die Nummer 3. Engram ist mit 1.91m um einiges kleiner als Howard, aber dafür etwas antrittsschneller und gilt als bessere Waffe downfield (u.a. 10 Catches über 20yds in den letzten zwei Jahren). Engram ist eher der TE-Typ „Jimmy Graham“: Gut gebräuchlich im Passspiel, aber ein völlig inkompetenter Blocker – bloß ist Graham auch ein sicherer Fänger, während Engram allein letztes Jahr sieben Drops hatte.

Kittle gilt dagegen wie viele Abgänger von Iowa als besserer Blocker denn Fänger. Er reißt athletisch niemanden vom Hocker und strahlt als #1-TE bei weitem nicht die Gefahr eines O.J. Howard aus, aber man bescheinigt ihm einen hohen „Football-IQ“, exzellente Blocker-Eigenschaften und die Skills, als Komplementärwaffe großen Schaden in gegnerischen Abwehrreihen anrichten zu können. Kittle ist sicher kein Kandidat für die 1te Runde, soll aber bis irgendwann Ende 3te Runde vom Tablett sein.

Der vierte im Bunde, Everett, ist die Wildcard: Ein athletisches Wunder, das bei der Combine begeisterte und auf dem Spielfeld so manchen Gegner aussteigen ließ, aber dafür als ehemaliger Basketballspieler sehr ungeschliffen und noch sehr wenig eingeschult in die Feinheiten des Vorblockings. Und: Everett spielte in einer kleinen Conference selten gegen ernsthafte Gegner.

Everett bescheinigen alle das Potenzial eines Antonio Gates, der auch vor allem über das Fangen eine grandiose Karriere hinlegte, ohne jemals ein ernsthafter Blocker gewesen zu sein. Die Sachen hörte ich aber auch bei einem Eric Ebron, 2014 als #10 nach Detroit gedraftet, und Ebron brauchte über zwei Jahre um sich an die NFL zu gewöhnen und ist heute noch kein wirklich zuverlässiger Kollege.


Für die mittleren Runden bietet die Tight End Position noch einige bekannte Namen an, die wir von großen College-Spielen kennen.

Michigans Jake Butt (1.98m) ist so einer. Butt lädt schon allein aufgrund seines Namens zu Frotzeleien auf Twitter ein und gilt als cooler Typ, aber ihm fehlt die Beweglichkeit um konstant NFL-Defenses auf sich zu ziehen. Er ist ein horrender Blocker und als reiner Big-Play König am College für die NFL zu wenig versiert, aber man sagt ihm gute Kämpferqualitäten, sichere Fanghände und somit eine mögliche Karriere als Redzone-Target nach.

Oder Jordan Leggett, den Slot-Star vom Landesmeister Clemson, der u.a. den entscheidenden Touchdown zum Sieg gegen Alabama gefangen hat. Leggett war einer der auffälligsten Offensivspieler am College, aber ich konnte mich nie entscheiden ob es wegen seiner individuellen Klasse oder wegen des Offense-Systems von Clemson war. Die Scouts schreiben seine guten Stats zwar in weiten Teilen wirklich Leggett selbst zu, haben in ihren Notizblöcken aber „katastrophaler Blocker“ notiert.

Ich würde mich schon allein wegen Leggetts grandioser Finalvorstellungen gegen Alabama freuen, den Mann in der NFL in einer signifikanten Rolle wiederzusehen.


Der Mann mit dem besten Namen macht den Abschluss: Pharaoh Brown, nach Pharao Cooper schon der zweite Altägypter in der NFL. Brown ist dabei der bekanntere der beiden Gottkönige, was daran liegt, dass er am größeren College (Clemson) spielte, und daran, dass er 2014 mitten in einer hervorragenden Saison eine fürchterliche Beinverletzung erlitt, die fast zu einer Amputation geführt hätte.

Ich kann mich an die Verletzung gut erinnern, sie passierte in einem – in diesem – Spiel gegen Utah, als Brown unglücklich auf den Fuß eines Mitspielers trat und in die Endzone strauchelte. Ich kann nicht vergessen, wie sich der andere Fuß dadurch durchbog. „Biegen“ ist eigentlich der falsche Ausdruck. Es war mehr… „komplett verdreht“, 180° in die falsche Richtung. Ein Wunder, dass das Bein nicht auf der Stelle abgetrennt wurde. Es rissen mehrere Bänder und eine Arterie verdrehte so ungeschickt, dass die Blutzufuhr in die unteren Regionen des Beins abgetrennt wurde. ESPN zeigte damals keine Wiederholung, wofür ich dem Broadcaster bis heute dankbar bin.

Auf alle Fälle ist Brown jetzt wieder fit. Er war zwar nach seiner schweren Verletzung nie mehr die gleiche dynamische Waffe wie vorher, aber trotzdem gilt er als durchaus sinnvoll investierter Draftpick in den mittleren Runden.

8 Kommentare zu “NFL Draftvorschauer 2017 – Tight Ends

  1. Adam Shaheen von Ashland ist auch noch einer der in der 2.Runde gehandelt wird. Ziemlich raw aber auch sehr athletisch. Kittle hat beim Combine einge überrascht (3. im 40 yard dash und broad Jump bei den TE) und ist vielleicht athletischer als gedacht.

  2. „Die Sachen hörte ich aber auch bei …“ In der Tat. Bei derart hypenden „Draft-Experten“ wäre es eigentlich mal spannend, zu schauen, was genau diese Schreiberlinge damals über Jamarcus Russell, Johnny Manziel und Co. geschrieben haben. 😀

  3. Auch die hatten sicher die Ansätze, sind aber an verschiedenen Dingen gescheitert. Man kann es halt nicht vorhersehen, ob jemand den großen Sprung in die NFL schafft.

  4. Ich finde Engram im Blocking ehrlich gesagt gar nicht so schlecht. Für einen TE seiner Statur kann er mMn ordentlich blocken. Ich denke, dass viele Experten einfach die Formel „kleinerer/leichterer TE = schlechter Blocker“ anwenden, was aber nicht immer stimmen muss.

  5. @JoffreyG: Ich habe eine Statistik vorliegen, dass Engram in 78 Pass-Blocks 5 QB-Pressures aufgegeben hat. Kleine Stichprobe, aber fulminant schlechte Quote, die eher die These vom schlechten Blocker stützt.

  6. @korsakoff: Gut, diese Quote kannte ich nicht. Ist natürlich nicht gerade das Gelbe vom Ei. Ich hab mir zur Draftvorbereitung halt 4 Spiele von ihm angesehen und da ist er nicht besonders negativ auffällig geworden als Blocker.

  7. @RamsFan: Eben, man KANN es nicht genau wissen. Und Vögel wie Mel Kiper sagen halt Unsinn mit einer Gewissheit als wären sie Gott. O-ton:
    „Drafting Matt Hasselbeck in the 1998 6th round was a waste of a pick.“
    „2005 10th overall pick Mike Williams will be a Hall of Famer.“
    “If Jimmy Clausen is not a successful quarterback in the NFL, I’m done. That’s it. I’m out.”
    Mel Kiper gave Seahawks’ 2012 draft a C- grade after they picked Bruce Irvin, Bobby Wagner and Russell Wilson
    Wenn sie es vernünftig formulieren, lese ich die Spekulationen sehr sehr gern. Aber einige dieser „Experten“ halten sich und ihre Frisur für unfehlbar. Da sollte man sie hin und wieder daran erinnern, dass auch sie sterblich sind… 😉

  8. Pingback: Vor dem NFL Draft 2017 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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