Date am Donnerstag – Woche 14: Hausgemachtes Versagen auf dem Präsentierteller

Auftakt zu Woche 14 mit dem heutigen Donnerstagsspiel Tennessee Titans (6-6) vs. Jacksonville Jaguars (4-8), das in den USA niedrige TV-Quoten einfahren dürfte. Zum einen, weil es sich um zwei relativ anonyme Teams ohne große Anhängerscharen handelt, zum anderen, weil beide sportlich nur Mittelmaß sind – um zum dritten, weil beide Grützen-Offense spielen. Eine Analyse des Versagens.

Tristesse I

Wie sagenhaft kläglich die Titans-Offense ist, habe ich oft dokumentiert. Man macht QB Marcus Mariota oft Vorwürfe, die schlechteste Saison seiner vierjährigen Profikarriere zu spielen – und beim Blick auf die Statistiken stimmt das: Mariota komplettiert zwar 68% seiner Pässe, aber für nur 6.2 NY/A (Karriere-Bodensatz) und kassiert unfassbarerweise in jedem achten Dropback einen Sack. 12.2% Sack-Quote! Das musst du dir mal auf der Zunge zergehen lassen.

Solche Zahlen machen sich kurz dem Aufeinandertreffen mit der „Sacksonville“-Defense nicht gut. Und so rotierten die Titans letzte Woche gegen die Jets in der O-Line mächtig durch, nahmen OG Spain aus der Startformation und ersetzten ihn durch den bisherigen C #60 Ben Jones. Dessen Platz in der Mitte der Line wird ab sofort vom recht athletischen #62 Corey Levin eingenommen.

Doch wir können oft über Mariota, Offense Line und fehlende Entwicklung diskutieren. Fakt in Tennessee bleibt auch das unterirdische Play-Calling – und ich meine unterirdisch. Titans-OffCoord Matt LaFleur, im Sommer einer der Hoffnungsträger der jungen Offense-Bewegung, ist ein komplettes Wrack im 1st-Down Playcalling vor der Halbzeit:

  • 44% Pass-Quote, 47% Pass-SR, 6.7 NY/A, 0.03 EPA/Pass
  • 56% Run-Quote, 21% Run-SR, 3.0 YPC, -0.22 EPA/Run

Tennessee spielt etablish the run anstelle von establish the lead trotz miserablem Rücklauf. Es ist unbegreiflich, dass Offensiv-Coaches im Jahr 2018, wo ein einfacher Blick in die Excel-Sheets genügt um eine solche Schwachstelle offenzulegen, noch ein dermaßen rückständiges Playcalling betreiben können.

Wir können noch eintausendmal über Mariota diskutieren – weder wird es Mariota besser machen noch kann man wegdiskutieren, dass die Titans-Offense so viel besser wäre, wenn LaFleur die Pass-Quote nach oben treiben würde. So durchschnittlich Mariota 2018 sein mag: Ihm mehr Verantwortung aufzubürden, würde nicht bloß massiv helfen.

Es wäre auch trotz aller möglichen Vorbehalte seinem Quarterbacking gegenüber („wir trauen ihm nicht, daher laufen wir so oft“) die eindeutig richtige Entscheidung und würde den kränkelnden Angriff ohne eine einzige bessere Spielerleistung auf Vordermann bringen. Allein durch optimiertes Play-Calling. Kannste von einem NFL-Offense Coordinator aber nicht erwarten…

Tristesse II

Mit inkompetenten Entscheidungsträgern hat auch der heutiger Gegner zu tun – wenn auch weniger im Trainerstab, mehr auf Ebene GM: Jacksonvilles Führungsduo Coughlin/GM Dave Caldwell meinte nach Ablauf der letzten Saison, dass sie mit ihrer Top-Defense und QB Blake Bortles an der Front in der AFC vorne angreifen können.

Missachtend, dass mit Bridgewater oder dem Unaussprechlichen wesentlich (!) bessere Optionen am Markt gewesen wären.

Missachtend auch den Wert von Passing-Offenses im Jahr 2018 und vom allgemeinen starken Regressions-Trend unter Defenses (kaum Top-Defenses können sich über ein einzelnes Jahr hinaus halten).

Und so bekommst du eine 4-8 Bilanz in einer relativ schwachen AFC South. Angesichts so viel Inkompetenz kann man nicht anders als zu höhnen über das miserable Abschneiden der Jacksonville Jaguars: Wenn millionenschwere Entscheidungsträger wie Coughlin oder Caldwell nichts Besseres zu bieten haben als Bauernopfer wie OffCoord Nathaniel Hackett (der am besten dann war, als er nicht den Druck verspürte, den unsäglichen RB Fournette in eine Mauer zu jagen) zu erbringen, kommt zurecht nur Scheiße hinten raus.

Und so wird das heute kein Offense-Augenschmaus: Sack-König Mariota gegen die Sack-Master Campbell/Ngokue. Cody Kessler gegen die Titans-Defense. Fournette bei seinem Comeback im Privatduell mit den Titans-Backs „wer rennt häufiger gegen die Wand?“.

Ergebnis offen. Beide sind Wundertüten, die sich kaum prognostizieren lassen. Im Zweifelsfall würde ich aber gerade donnerstags mit dem Heimteam gehen.

6 Kommentare zu “Date am Donnerstag – Woche 14: Hausgemachtes Versagen auf dem Präsentierteller

  1. Das hast du jetzt richtig schmackhaft gemacht das Spiel… Haha… 🙂

    Aber echt irrwitzig das Playcalling der Titans, wie gibts sowas?
    Da sind „Profis“ am Werk… *kopfschüttel*

    Und zu den Jags kann man einfach nix mehr sagen… Voriges Jahr fast SB in einem fantastischen Spiel knapp gescheitert und heuer sowas? Ich würd sie so gerne mal mit einem ordentlichen QB sehen… Seufz…

  2. Bis zur Halbzeit schreiben zwei Schlagzeilen das Geschehen:
    4 erfolglose Versuche der Jaguars an der 7 Yard Line zum TD.
    Die Retourkutsche der Titans mit einem 99 Yard TD Lauf von Derrick Henry.

    Nebenbei eine unachtsame Interseption von Marriota, dazu noch ein dummer Saftey.
    Außer diesen 2 Punkten sprang nichts heraus für Jacksonville. Fantasieloses anrennen durch RB Fournette wie gehabt. An QB Kessler liegt es nicht, spielt eigentlich sicher mit genauen Würfen. Irgendwie wirken die Jaguars unmotiviert.
    Es ist und bleibt trotzdem ein NFL Game und wegen leichter Symphatien zu den Tennessee Titans mit HC Mike Vrabel seinen Jungs gucke ich mir auch ein solches Spiel an. Sie führen auch zurecht mit 2 Scores Vorsprung.

  3. Mein Gott, wie frustriert muss sich Jaguars RB Fournette fühlen, wenn er zusehen muss, wie sein gegenüber Derrick Henry die Story schreibt mit seine bisherigen 4 TD läufen bis ins 3 Viertel.
    Kann hier nur @korsakoff zustimmen, ob so viel Inkompetenz von Jacksonvilles Führungsduo kommt wirklich nichts gescheites raus auf dem Spielfeld.

  4. Dieser methodische Blick aufs Playcalling, den du seit dieser Saison bei deinen NFL Texten einfließen lässt, gibt dem ganzen eine zusätzliche, sehr interessante und genau quantifizierte Dimension, das untermauert die Diskussion schön mit Fakten, vielen Dank dafür!

    Dennoch komme ich nicht über die teils großen Diskrepanzen zwischen dem laut Modell optimalem Playcalling und dem tatsächlichen hinweg. Nutzen die Teams andere Modelle um die EPA zu bestimmen? Stützen sie sich auf ganz andere Daten? Oder ist das wirklich einfach nur Starrköpfigkeit bzw Scheuklappendenken mit einer Spur der Arroganz ggnüber den Analyticsnerds? Mir fällt kein anderer Sport ein, bei dem sich Verantwortliche erlauben können, so lange eine eklatante Schwachstelle unbeackert zu lassen, weil sie sich nicht von ihrem althergebrachten Spiel abbringen lassen wollen, deshalb will ich fast glauben dass es auch unter den NFL-Coaches Faktoren gibt die uns verborgen bleiben.

  5. @cashman5: Es gibt natürlich mehrere Interpretationen von EPA, doch im Kern sind die Ergebnisse alle ähnlich. Auch DVOA liefert fast identische Resultate.

    Falls die NFL Analysen hat, die Tennessees Play-Calling stützt, möchte ich sie sehen. Ich bin sehr sicher, dass die hier gelisteten Success-Rates und EPA eine gute Grundlage zur Diskussion liefern, und dass Tennessees Play-Calling so horrend wie beschrieben ist.

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