NFL 2016: Championship Games Previews

MVP-Kandidat 1 gegen MVP-Kandidat 2 in einem wilden Shootout. Danach ein harter Klassiker im kalten Foxboro, wobei beide Mannschaften die Möglichkeit haben, mit ihrer jeweils neunten Super-Bowl-Teilnahme einen neuen Rekord aufzustellen. Ohne weitere Vorrede gleich hinein:

21.05Uhr: [4] Packers (12-6) @ [2] Falcons (12-5)

Im TV: Pro7Maxx/ran.de ab 20.15Uhr (22.30Uhr steigt auch Sat.1 ein); PULS4, DAZN

Unstoppable Offense versus unstoppable Offense soll hier die Storyline sein, da sind sich alle Auguren einig. Die Pundits sind alle Fans von Kyle Shanahans komplexer Offense, die seine Spieler auch sehr effizient umsetzen. Es beginnt mit dem klassischen Zone Running Game aus dem Hause Shanahan, wobei sich besonders Left Guard Andy Levitre und Center Alex Mack hervortun. Die beiden RBs Freeman und Coleman fühlen sich in diesem System sehr wohl und haben beide noch den Vorteil, daß sie gute Paßempfänger sind und auch mal an der Seitenlinie aufgestellt werden um mismatches zu kreieren. Auch der Zwerg Taylor Gabriel wird von Shanahan als matchup nightmare über’s ganze Feld geschoben; Momo Sanu ist ein guter Nr.2WR und Julio Jones ist Julio Jones.

Was tun, Dom Capers? Capers hat seine Verteidigung gegen Dallas recht ungewöhnlich spielen lassen. Nämlich fast ausnahmslos in Nickel oder Dime – gegen den besten Laufangriff der Liga. Trotzdem hatten die ‚Boys am Ende nur 22 Laufspielzüge bei 40 Pässen.

Es ist gut möglich, daß Capers sich zusammen mit HC Mike McCarthy dafür entscheidet, es heute wieder so zu machen: laß‘ Atlanta den Vorteil im Laufspiel, verhindere das Big Play mit einer tief stehenden Secondary und konzentriere dich darauf, sicher zu tacklen. So wird Atlanta auch 20+ Punkte machen, aber sie müssen es sich kleinteilig erarbeiten und haben mehr Möglichkeiten, Fehler zu machen.

Green Bay selbst wird ja auch 20+ Punkte machen. Die WRs Jordy Nelson und Davante Adams sind zwar hart angeschlagen, aber wenn Aaron Rodgers so spielt wie in den letzten Wochen ist das egal. Zitat korsakoff:

Ich muss über Aaron Rodgers nicht mehr viel schreiben. Jeder, der dieses Blog verfolgt, weiß für wie einzigartig ich Rodgers halte. Brady und Brees sind famose Quarterbacks. Peyton Manning war in seiner Blüte seine eigene Liga. Aber Rodgers gibt mir noch mehr. Manning war so methodisch, dass er das Quarterbackspiel in der NFL revolutionierte. Rodgers revolutioniert nichts – denn Rodgers ist so einzigartig, dass es ihm keiner gleichtun kann.

Man sollte jedes Rodgers einfach nur genießen. Niemand sonst spielt so wie er. So aufregend, so unberechenbar, so viele WOW!-Momente. Manning, Brady, Brees sind dagegen, wie korsakoff schreibt, tatsächlich „langweiliger“, weil sie so methodisch und perfekt sind. Sie sind wie die perfekten Bilderbuchpowerfrauen aus der alten Krönung-Light-Werbung. Rodgers dagegen ist Partygirl Nr.1 á la Katy Perry, die scheinbar total lässig megaerfolgreich ist aber noch mehr anzieht als die „Perfekten“, weil sie auch noch cheeky und sympathisch dreist ist. Also er. Wie auch immer, komischer Vergleich. Aber da fällt dir bei Rodgers eben auch nicht mehr viel gehaltvolles ein.

Rein sportlich gesehen könnte man sagen: Rodgers kann in den Michael-Jordan-Modus schalten. Dieses seltene Level, in das man zu ihren Hochzeiten vielleicht noch Michael Schuhmacher, Tiger Woods, Ronny O’Sullivan und Roger Federer einordnen könnte. Wenn Michael Jordan in den Michael-Jordan-Modus geschaltet hat, konnte man ihn nicht davon abhalten, das Spiel zu gewinnen. Unmöglich. Doof für den Gegner. Als Zuschauer kann man sich immerhin noch freuen, daß man des Weltgeistes Gnade genießen darf, diese grotesk außergewöhnlichen Leistungen – psychisch, physisch und ästhetisch – bewundern zu dürfen. Ich hab zu Studienzeiten oft in einer WG von Philosophiestudenten abgehangen. Die haben mir manchmal in langen Ausführungen versucht zu erklären, was Transzendenz bedeutet.

Ich kann das jetzt in einem Satz erklären: Transzendenz ist, wenn Aaron Rodgers Feuer fängt.

Wenn es Aaron Rodgers nicht gäbe, wären Leistungen wie gegen die Giants und Cowboys im Sinne des Wortes „unvorstellbar“, weil außerhalb dessen, was wir qua unseres Erfahrungswissens als „realistisch“ oder „von Menschen machbar“ ansehen. Sehen wir Rodgers so spielen, verlassen wir unsere bekannte Welt und „erfahren“ eine andere.

Theatersuperstar Anton Tschechow hat mal so lakonisch dahingeschrieben, daß den Menschen ja doch Möglicheiten offenstünden, „unvorstellbare“ Erfahrungen zu machen. Menschen könnten sogar zum Nordpol gehen. Aber „die Menschen gehen nicht zum Nordpol. Sie gehen ins Büro, essen Suppe und streiten mit ihrer Frau.“ Das sind die gewöhnlichen Menschen. Wir machen den Fernseher an, schauen Brock Osweiler zu und streiten über Cam Newton. Oder aus der QB-Perspektive: QBs gehen zum Training, gucken Tape und streiten mit ihrem Offensive Coordinator. Aaron Rodgers geht zum Nordpol.

Puh. Wie kommen wir von da jetzt wieder runter? Also aus dem Reich der schiefen Vergleiche zurück in den Georgia Dome: Aaron Rodgers darf – aus Falcons-Sicht – nicht Feuer fangen. Wie gesagt, manchmal ist man dagegen schlicht machtlos. Aber man kann immerhin versuchen, Feuerlöscher mitzubringen.

Das Klügste wäre wahrscheinlich, sich wie Green Bays Defense darauf zu konzentrieren, die Big Plays zu verhindern. So gut Rodgers auch ist, er verliert manchmal seinen Rhythmus und dann quietscht und knarzt es rechts und links. Ihm fehlt die uhrwerkgleiche Konstanz, die Peyton oder Brady so auszeichnet und auch unspektakulärer macht als Rodgers. Ist Rodgers aber im Rhythmus, kann er spielen wie noch niemand vor ihm.

Es ist das letzte Spiel im Georgia Dome. Der Georgia Dome hält unter anderem den Rekord für die meisten Zuschauer für ein NBA-Spiel mit 62,046. Es war eines der letzten Spiele von Michael Jordan im Trikot der Chicago Bulls 1998. Dieser legendäre Dome enthält für uns jetzt nur noch eine Frage: muß das Ding nach dem Spiel morgen noch abgerissen werden – oder wird Aaron Rodgers in den Michael-Jordan-Modus schalten und das Ding einfach abfackeln bis es auf die Grundmauern niedergebrannt ist?

00.40 Uhr: [3] Steelers (13-5) @ [1] Patriots (15-2)

Im TV: Sat.1/ran.de, PULS4, DAZN

Im ersten Spiel erwarten alle einen wilden Shootout. Dieses zweite Spiel könnte deutlicher werden. Die Steelers sollten den Patriots sehr recht sein als Gegner.

Das größte Problem für Pittsburgh ist ihre Verteidigung. Diese spielt die große Mehrheit der Snaps in Zone Coverage. Das funktioniert oft auch ganz gut. Die Back-7 ist nicht die spielklügste und intelligenteste, aber eine der schnellsten und aggressivsten. Heute spielen sie leider gegen das Trio Belichick/McDaniels/Brady. Für simple Zonenverteidigungen haben sie simple Antworten, die Brady in Perfektion auf dem Feld umsetzt. Wenn Pittsburgh heute mit dieser Zone ankommt, dann wirft Brady 50 Pässe für 350 Yards, zumal in der Secondary mit Burns und Davis auch noch zwei Rookies spielen.

Im ersten Spiel dieser beiden in Woche 7 ist auch noch LeGarrette Blount 24 Mal für 127 Yards gelaufen, das würde gegen die mittelmäßige Lauf-D der Steelers auch heute noch funktionieren. Denver und Houston haben diese Saison gezeigt, wie man New England bremsen kann: enge man coverage an der Line of Scrimmage plus Druck über die Mitte aus wilden Aufstellungen mit vielen LBs und Edge Players, von denen am Ende nur drei oder vier rushen und die anderen in die kurzen Paßlinien springen um zumindest die hot routes in der Mitte zu eliminieren.

Pittsburgh hat nun aber nur Defensive Backs, die kaum Erfahrung in Mannverteidigung haben und Pass Rushers, die fast immer über außen kommen. Blöde Situation für Pittsburgh. Ich bin gespannt, was für einen Ansatz DC Keith Butler heute auftafelt.

Auf der anderen Seite sieht es auch ganz gut aus für die Patriots. Ihre größte Stärke: Tackling. Zweitgrößte Stärke: verhindern von Big Plays.

Am liebsten spielen sie mit zwei Safeties, die sehr viel Raum abdecken können: Duron Harmon und DPOY-Kandidat Devin McCourty. McCourty ist in dieser Saison auch ein richtiger Playmaker geworden, der in mehreren Spielen mit Hits oder Interceptions im vierten Viertel den Deckel drauf gemacht hat. Slot-CB Logan Ryan und LB/Safety Pat Chung sind sehr physische Typen, die in der Regel nah an der LOS spielen. Malcom Butler hat sich mittlerweile zu einem echten Nr.1-CB entwickelt und wird auch heute wieder viele Snaps Antonio Brown im 1-on-1 verteidigen (wenn auch mit Harmon oder McCourty over the top).

Alle Defensive Backs sind sehr sichere Tackler. Ein 5-Yard-Paß ist gegen New England meistens auch nur ein 5-Yard-Raumgewinn; läuft dein RB über die Außen kommt er an Chung, Ryan und Butler nicht vorbei – außer vielleicht Le’veon Bell?

Die Steelers-Offense ist mittlerweile um Le’veon Bell herum gebaut, nicht mehr um Roethlisberger/Brown. Ich denke trotzdem, daß Belichicks oberstes Ziel sein wird, Brown so weit wie möglich aus dem Spiel zu nehmen. Um Bell kümmert man sich nicht schematisch, sondern mit foundamentals: gap integrity, setting the edge, tackling.

Das schmematische Markenzeichen der Pats-D in dieser Saison war ihr Pass Rush mit nur drei Spielern. Dabei spielen sie teilweise sogar eine 3-7-1 Verteidigung, also nur mit einem tiefen Safety und zwischen diesem und der Linie sieben (!) Zonenverteidiger. Das hat manchmal ganz gut funktioniert, ging aber auch schon in die Hose, zum Beispiel gegen Seattle, als manche Snaps sogar in 2-7-2 gespielt wurden. Sehr ungewöhnlich. Aber gegen Pittsburgh könnte das ein sehr probates Mittel. So könnte man mehrere Leute für Brown abstellen, die mittleren Routen einfach durch Masse eliminieren und vielleicht auch Roethlisberger in dumme Entscheidungen locken. Und Roethlisberger hat in den letzten Wochen einige dumme Entscheidungen getroffen. Irgendwas ist mit ihm nicht ganz richtig. Abgesehen davon, daß er natürlich auch wieder körperlich angeschlagen ist.

Also: der Knackpunkt ist Pittsburghs Verteidigung. Spielen sie heute mit ihrer gewöhnlichen Zonenverteidiung und Pass Rush nur über Außen mit Harrison/Dupree, dann dreht Brady sie in zügigen, gleichmäßigen Handbewegungen durch den Fleischwolf. Auf der anderen Seite braucht die gesamte Offense der Steelers soviel Geduld wie Bell beim Laufen. Im Paßspiel werden sie immer mal wieder die Pässe zwischen drei und zwölf Yards bekommen, die müssen sie werfen (Roethlisberger) und sicher festhalten (die WRs). Hero Ball sollten sie hier nicht versuchen zu spielen. Roethlisberger muß hier mit der Brady’schen Methodik ans Werk gehen, auch wenn es mühsam und ein bißchen langweilig ist; Hero Ball spielen wie Rodgers kann eben nur Rodgers.

11 Kommentare zu “NFL 2016: Championship Games Previews

  1. Ich bin ja überrascht, wie wenig credit die Steelers D hier immer noch bekommt. Schade, dass es heute ausgerechnet gegen Brady und die Patriots geht, da muss die Diskussion wahrscheinlich in die nächste Saison verschoben werden…

  2. Was ich persönlich der Steelers D wirklich zugute halten muss, ist der Charakter. Der kann, wie in den Jahren zuvor in Seattle gesehen, ja auch zu einem unberechenbaren X-Faktor heranwachsen. Da kämpft jeder für den anderen und gerade Shazier und Dupree sind bei jedem Spiel geladen bis in die Haarspitzen…Naja zumindest Dupree.

  3. Nunja die Steelers D hat sich stark verbessert und zuletzt auch gut gespielt, ich stimme aber zu, dass die Patriots die Möglichkeiten haben, sie ganz blöd aussehen zu lassen. Für die Steelers wird es sehr wichtig sein, die Patriots Offense vom Feld zu bekommen. Wenn jeder Drive 5-6 Minuten frisst und in einem Score endet wird es eine klare Sache

  4. Ich finde Herrmann hat es ganz gut beschrieben. Rein kadertechnisch sehe ich zwischen New England und Pittsburgh kaum Qualitätsunterschied, aber die Patriots haben den Vorteil, für sie sehr günstige Match-Ups zu haben. Spannend wird es eben, wie die Pittsburgh D heute spielt. Sie waren sehr stark in der zweiten Saisonhälfte, aber gegen Brady hat Pittsburgh bisher immer Probleme gehabt.

  5. Weltklasse! Eine der besten Preview die ich bislang auf diesem Blog lesen durfte. Danke dafür! Das hat die Vorfreude auf gleich gerade nochmal nach oben gehievt.

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