DeFilippo in Minnesota raus – Vorwurf: Zu wenig Laufspiel

Es hatte sich abgezeichnet: Minnesota trennt sich nach dem erneuten Offense-Debakel von OffCoord John DeFilippo. Es ist einer der erstaunlichsten Moves der Saison.


In short: DeFilippo wurde von Vikes-Headcoach Mike Zimmer vorgeworfen, sein Gameplanning und Play-Calling zu passlastig zu gestalten. Weil Minnesotas Offense in den letzten Wochen immer mickriger wurde, zog Zimmer nun die Reißleine, obwohl sich seine Vikings noch mitten im Playoff-Rennen befinden. Spürt hier ein Headcoach, dass er der Überraschungskandidat auf der NFL-Streichliste am Black Monday sein könnte?

Ich hatte schon im Sommer davor gewarnt, dass Minnesota ein Jahr nach der nicht zu haltenden 13-3 Bilanz ein Regressionskandidat sein dürfte. Der teuer eingekaufte QB Cousins konnte von Anfang an allenfalls das völlig Ausreißerjahr von QB Keenum halten, nicht übertrumpfen. Und das Laufspiel würde hinter einer unterirdischen Offense Line kein Land sehen.

DeFilippo war passlastiger als andere Coaches. Aber das konnte man erahnen. Schließlich ist DeFilippo seit Jahren QB-Coach und lernte unter pass-affinen Coaches wie Pederson/Reich letztes Jahr in Philadelphia. Zimmer schmeckte das offensichtlich nicht. Er wollte mehr Laufspiel, obwohl die Vikes-Run-SR% die schlechteste der Liga ist.

DeFilippos Pass-Quote in den einzelnen Spielvierteln?

  • Q1: 58% Passquote | EPA/Pass: 0.15 | EPA/Run: -0.11
  • Q2: 75% Passquote | EPA/Pass: -0.03 | EPA/Run: -0.10
  • Q3: 66% Passquote | EPA/Pass: 0.02 | EPA/Run: -0.25
  • Q4: 69% Passquote | EPA/Pass: 0.06 | EPA/Run: -0.36

Doch wir wissen, dass vor allem in der zweiten Halbzeit vor allem das Game-Script das Play-Calling diktiert – und so müssen wir unbedingt unterscheiden, ob DeFilippo mit einem Vorsprung im Rücken seine Plays ansagte oder einem Rückstand nachlaufend. Mit Vorsprung:

  • Q1: 58% Passquote | EPA/Pass: -0.12 | EPA/Run: -0.56
  • Q2: 73% Passquote | EPA/Pass: -0.22 | EPA/Run: -0.17
  • Q3: 57% Passquote | EPA/Pass: 0.42 | EPA/Run: -0.09
  • Q4: 39% Passquote | EPA/Pass: -0.02 | EPA/Run: -0.38

Und einem Rückstand nachlaufend:

  • Q1: 58% Passquote | EPA/Pass: 0.19 | EPA/Run: -0.05
  • Q2: 77% Passquote | EPA/Pass: 0.10 | EPA/Run: -0.03
  • Q3: 72% Passquote | EPA/Pass: -0.18 | EPA/Run: -0.40
  • Q4: 88% Passquote | EPA/Pass: 0.09 | EPA/Run: -0.28

Aus diesem Zahlenmaterial kann man mehrere Schlussfolgerungen ziehen: Zum einen war DeFilippo zu Beginn des Spiels weniger passgewaltig als man annehmen würde: 58% Pass-Quote ist keine überwältigende Sache. Im zweiten Viertel war er natürlich aggressiver als der durchschnittliche Play-Caller, aber mit mauem Erfolg. Nach der Pause richtete sich DeFilippo wie jeder OffCoord vor allem nach dem Spielstand: Musste Minnesota aufholen, ließ er brutal viel werfen. Lagen die Vikes dagegen vorn, setzte er durchaus viel auf Laufspiel (43% Run-Quote im dritten und 61% Run-Quote im vierten Viertel).

Was wir auch sehen: Laufspiel ist generell unterirdisch in Minnesota. Daher ist DeFilippos Strategie auch ohne Wissen um seinen Hintergrund nachvollziehbar und man fragt sich ernsthaft, wie Zimmer noch mehr Ground-Game fordern kann.

Was man dem Material letztens noch an Allgemeinem entnehmen kann: Seine 1ten Viertel waren die erfolgreichsten – mit Abstand. Das riecht nach einem Coach, der sehr gut in der Vorbereitung war, was sich in hohen EPA-Zahlen bei den geskripteten Plays niederschlägt, aber mit zunehmendem Spielverlauf wurden seine Offenses immer ineffizienter – was man vielleicht als Schwäche im Adjusten auslegen könnte.

Könnte.

Doch DeFilippo wurde vor allem wegen der zu hohen Run-Quote angeschossen und letztlich entbehrlich. Und so kann man sich den Diskurs gestern Früh in Minneapolis wohl so vorstellen:

Zimmer: Du bist zu passlastig.
DeFilippo: Aber das Lauf bringt nichts. Entweder du lässt mich callen, wie ich es für richtig halte, oder wir müssen uns trennen.
Zimmer: Tschüss, Pudding.
DeFilippo: Danke.

Ob Minnesota mit einem Ja-Sager wie dem Interim Kevin Stefanski auf der OC-Position besser dran sein wird – abwarten. DeFilippo genießt weiterhin einen exzellenten Ruf unter Leuten wie zum Beispiel den bei mir hoch verehrten Mike Tanier als ein Coach, dessen Trainingsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit vorbildlich sind.

DeFilippo war in seiner NFL-Zeit bislang vornehmlich QB-Coach und OffCoord. Als QB-Coach hatte er es viele Jahre mit Schwachmaten wie den ständig besoffenen Manziel oder Jamarcus Russell zu tun, oder mit Graupen wie Derek Carr oder Josh McCown, ehe er letztens in Philadelphia dem jungen QB Carson Wentz fast zu MVP-Ehren und dessen Backup Nick Foles zu Superbowl-MVP Ehren verhalf – wie fast alle Eagles-Fans würden ihn beide mit Kusshand willkommen zurück bei den Eagles heißen.

Dagegen hat DeFilippo in zwei Jahren als OffCoord in Cleveland und nun Minnesota wenig aufgesteckt. Man kann sicherlich behaupten: Die Gameplans der letzten Wochen blieben wirkungslos und Minnesota enttäuschte. Man kann auch mutmaßen, dass DeFilippo ein besserer Positionscoach als Coordinator/Spielstratege ist, doch die Sample-Size an Coordinator-„Versagen“ ist etwas klein für einen Coach, dessen Sachverstand im Fachlichen unbestritten ist.

Wenn der Hauptvorwurf an DeFilippo ist, zu wenig auf Laufspiel gesetzt zu haben, würde ich als Verantwortlicher so einiger NFL-Offenses meinen derzeitigen Offensive Coordinator hinterfragen und eventuell versuchen, ihn durch DeFilippo zu ersetzen versuchen.

4 Kommentare zu “DeFilippo in Minnesota raus – Vorwurf: Zu wenig Laufspiel

  1. Sehr schwierig zu sagen. Sein QB-Fokus könnte natürlich helfen. Fachlich gilt er als unbestritten gut.

    Komplizierter wird es, wenn wir seine strategischen Fähigkeit mit einrechnen. 2x Scheitern in 2 Anstellungen als OC sprechen nicht unbedingt dafür, dass er sofort zum Head Coach befördert werden sollte.

    Andererseits: Mike McCarthy hatte gerade die schlimmste Offense seit Menschengedenken (Rookie-Alex Smith 2005 in San Francisco) unter seinen Fittichen gehabt, als er 2006 in Green Bay Headcoach wurde und einige sehr erfolgreiche Jahre hatte. Ergebnisse sind also nicht immer alles.

    Green Bay sieht mit Aaron Rodgers momentan nicht wie das einfachste Pflaster aus. Vielleicht passt DeFilippo dorthin. Aber wie schon vor einigen Wochen geschrieben: Eher sähe ich einen Typ wie McDaniels zu Rodgers passend.

  2. Kommt genauso überraschend, wie die Meldung das Hue Jackson wohl der Nachfolger von Marvin Lewis bei den Bengals werden soll.
    Liegt wohl auch daran das der Owner ihn kennt, aber seitdem Jackson bei den Bengals sind sie 0-4.
    Klingt in meinen Ohren so sinnvoll, wie Jeff Fisher als nächster Coach bei den Packers.

  3. Pingback: Hoffnungsschimmer für die Minnesota Vikings 2019 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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