Green By Packers in der Sezierstunde

Die Green Bay Packers waren eine der ganz großen Enttäuschungen der letzten Saison, als sie mit 7-8-1 Bilanz die Playoffs verpassten. Doch die sportliche Bilanz war nur der Endpunkt einer mehrere Jahre andauernden, mittlerweile in allen Facetten exzellent dokumentierten, Streiterei zwischen Head Coach Mike McCarthy und QB Aaron Rodgers. Letztendlich kostete das McCarthy noch vor Saisonende den Kopf.

McCarthy war satte 13 Jahre lang Cheftrainer in Green Bay gewesen. Er hatte 2010 die Superbowl gewonnen, zwei weitere NFC Championships und eine 15-1 Saison erreicht, und doch bleibt bei ihm am Ende ein wenig das Bild des Unvollendeten hängen: Es hätte einfach mehr sein können. Manche sagen: Es hätte mehr sein müssen, vor allem mit einem Quarterback wie Rodgers.

Jener Rodgers befindet sich dabei allerdings seit Jahren auf dem absteigenden Ast. Seit 2014 hatte er keine Elite-Saison mehr – auch wenn diverse Verletzungen und ein erstarrtes Offensiv-Scheme dabei gewiss nicht ganz unschuldig waren.

Es ist einfach – und ich selbst ertappe mich noch immer dabei – Rodgers aufgrund seines fassungslosen Potenzials und seiner einst gezeigten Leistungen noch immer als Elite-QB und einen der wertvollsten Spieler der NFL anzupreisen, aber der Punkt ist klar: Potenzial und Performance sprechen zwei unterschiedliche Sprachen.

Ist Rodgers‘ nachlassende Performance mit seinem Zwist mit McCarthy zu erklären? Immerhin soll Rodgers vor allem in der letzten Saison mit voller Absicht gegen McCarthys Gameplanning und Play-Calling gearbeitet haben. Andererseits begann Rodgers‘ Abstieg schon nach dem Abpfiff des grotesk verspielten NFC-Finals 2014/15 und wurde nur von einer kurzen R-E-L-A-X Phase zwischendurch unterbrochen.

Welchem Erklärungsansatz man immer glauben mag: McCarthy ist nun weg und Rodgers gehen damit die Ausreden aus. Der neue Cheftrainer ist Matt LaFleur, ein junger Kopf, der in den letzten Jahren unter Kyle Shanahan und Sean McVay gearbeitet hat. Man möchte meinen, dass LaFleur dabei das Maximum dessen, was in so kurzer Zeit möglich ist, gelernt hat.

Positiv: Zahlreiche Twitter-Studien ob seines Play-Designs stimmen hoffnungsfroh und verlangen vertiefte Analyse in den nächsten Wochen.

Doch auf der anderen Seite fiel LaFleur als „Repeat Offender“ im Play-Calling auf, als er letzte Saison in Tennessee über viele Wochen eine absurde Run/Pass-Ratio im 1st Down ansagte: 7t-höchste Lauf-Quote im 1st Down, und auch wenn er sich im Laufe der Saison etwas in die richtige Richtung bewegte (seine erste Saisonhälfte war diesbezüglich abmahnpflichtig gewesen), bleibt seines Herangehensweise ein ernsthaftes Fragezeichen ob seiner Highend-Tauglichkeit im Play-Calling.

Anders: Du kannst den besten QB haben und die schönsten Plays designen. Aber wenn du in 6 von 10 First-Downs in die Mauer läuft, verschenkst du all diese Vorteile mit einem Schlag.

Dabei muss LaFleur liefern. Denn die Packers verfolgten in der Offseason 2019 eine so eindeutige Linie, dass sie nicht falsch interpretiert werden kann:

  1. Stopfe alle personellen Ressourcen in die Aufbolsterung der Defense
  2. In der Offense muss das Play-Design allein für den Aufschwung sorgen

Was Green Bays GM Brian Gutekunst so alles an Verteidigern verpflichtete, ist schon massiv. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie die Packers unter Gutekunsts Vorgänger operiert hatten: Ted Thompson (Lebensweisheit: „Draft and develop“) hatte die Free-Agency noch gescheut wie der Teufel das Weihwasser.

Defense

Gutekunst hat offensichtlich keine Probleme damit, fette Verträge oder hohe Draftpicks in die Defense zu stopfen. Er scheint dabei auch eine Präferenz für einen bestimmten Spielertyp zu haben – den hoch aufgeschossenen, langarmigen Edge-Rusher:

  • EDGE Za’Darius Smith (6’5 / 4 Jahre, 16.5 Mio APY, 20 Mio guaranteed)
  • EDGE Preston Smith (6’4 / 4 Jahre, 13 Mio. APY, 16 Mio guaranteed)
  • EDGE Rashan Gary (6’5 / #12 Overall Draftpick)

In Punkto Secondary holte Gutekunst die Safety-Schachfigur Adrian Amos für 9 Mio/Jahr aus Chicago und draftete nach Trade-Up an #21 mit einem weiteren 1st Rounder den Safety/Linebacker Hybrid Darnell Savage aus Maryland.

In Kombination mit dem letztes Jahr in 1st und 2nd Round gedrafteten Cornerback-Pärchen CB Jaire Alexander und CB Josh Jackson sowie dem heuer zurück geholten Beinahe-Rentner CB Tramon Williams haben die Packers damit innerhalb von zwei Offseasons personell in Edge-Rush und Secondary maximalst aggressiv nachgebessert.

DefCoord Mike Pettine hat damit für 2019 theoretisch erstklassiges Personal – doch die vielen fetten Verträge eröffnen die Frage, wie es z.B. mit Leuten wie dem DT Mike Daniels weitergehen soll. Daniels gilt als verschiebbare Figur in der Defense Line, doch mit 30 Lenzen ist er nicht mehr der Jüngste, und nächstes Jahr läuft sein Vertrag aus. Schielen wir auf den Typ Spieler, den Gutekunst offensichtlich bevorzugt, ist der etwas untersetzte, dickliche Daniels mutmaßlich keine Langzeitlösung in Green Bay.

Offense

Offensiv wurde nicht viel gemacht: TE Jace Sternberger als Rookie in der 3ten Runde war noch das höchste der Gefühle. Man erinnerte sich in Green Bay offensichtlich daran, dass in den ersten Jahren der Rodgers-Blüte ein ähnlich hoch aufgeschossener, dynamischer Tight End wie Sternberger die Packers-Fans verzückte: Jermichael Finley. Dennoch überraschte der Sternberger-Pick, denn auch wenn alle Verfolger mit einem Tight End in Green Bay gerechnet hatten, so war man doch von einem flexibleren Spieler als dem one trick pony Sternberger (nur fangen, nicht blocken) ausgegangen. Schließlich steht LaFleur darauf, im Moment des Snaps keinerlei Intention preiszugeben, was denn folgen wird: Lauf oder Pass.

Das andere Fragezeichen ist auf Wide Receiver, wo der Corps eher dünn ist: WR Devante Adams ist eine bekannte Größe, doch dahinter ist mit Geronimo Allison, Valdez-Scantling und dem Halb-Deuschen Equanimeous Brown (von dem es übrigens ein durchaus interessantes Interview im Sportstudio gibt) nur relativ unerfahrenes Personal im Kader. Rodgers hatte in ferner Vergangenheit nur selten Probleme mit Grünschnäbeln auf WR. Dennoch überraschte es viele Beobachter, dass Green Bay zumindest bisher keinen erfahreneren Receiver als Sicherheitslösung geholt – es wären durchaus noch einige Veteran-WRs am Markt, die man für billige Kohle für ein Jahr verpflichten kann.

Ausblick

Die Packers sind wie immer eine der interessantesten Mannschaften der NFL – diesmal sogar wieder aus den richtigen Gründen. Aus „schauen wir mal, ob Rodgers aus dem versteiften Play-Design etwas machen kann“ wird nun die große Frage, ob die Packers mit ihren Offseason-Moves das Notwendige getan haben um Rodgers‘ letzte Jahre als Profi-QB (er wird im Dezember 36) optimal nutzen zu können und einen letzten Superbowl-Ansturm unternehmen können.

Defense innerhalb von zwei Offseasons personell auf Trab gebracht, wenn auch nur durch überbezahlte Free-Agents und Ausgabe mehrerer hoher Draftpicks (inklusive teurer Trade-Ups). In der Offense die „Sollbruch-Schnittstelle“ McCarthy/Rodgers aufgebrochen und in LaFleur einen jungen, modern denkenden Play-Designer geholt, wenn auch mit Fragezeichen im 1st-Down Playcalling.

Das alles mischt sich in eine unvorhersehbare NFC North, wo die Bears (letzte Saison 12-4) einen der klaren Regressionskandidaten der NFL-Saison stellen, die Vikings mit dem merkwürdigen Gebilde um den Wunsch einer lauflastigen (also ineffizienten) Offense, aber Ausschüttung millionenschwerer Wide-Receiver Verträge eine Black-Box sind und sich die Detroit Lions näher als letztes Jahr an Liga-Durchschnitt bewegen.

Der Hype um die Packers ist also durchaus verständlich. Doch um wirklich wieder an der NFC-Spitze mitzuspielen, ist neben einem schnellen Klicken des neuen Defense-Personals vor allem ein Comeback von Aaron Rodgers in der Riege der Elite-Quarterbacks notwendig.

7 Kommentare zu “Green By Packers in der Sezierstunde

  1. Ich versuche es mal unter dem hohen Risiko, dass das nun spanisch wird, zu quantifizieren:

    ca. 7.2 NY/A (Netto-Yards pro Passspielzug) oder 0.22 EPA/Pass (Zugewinn an Expected Points pro Passspielzug) aufwärts.

    In diesen Sphären bewegt sich die NFL-Spitzenklasse (Top 5) momentan.

    Zum Vergleich Rodgers 2018:
    6.3 NY/A
    0.15 EPA/Pass

    Das Delta kann man sich in etwa so vorstellen: Der durchschnittliche QB hatte 34.5 Pässe und 2.5 Sacks pro Spiel, also 37 Passspielzüge.
    37 x 16 Spiele = 592

    592 x 0.9 NY/A = ca. 530 Yards Raumgewinn gewonnen allein durch effizienteres Passspiel (durchschnittlicher Drive in der NFL ist ca. 30-35 Yards lang)
    592 x 0.07 EPA/Pass = ca. 40 Punkte pro Spiel allein durch Passspiel gewonnen

    In einer Liga, in der rund die Hälfte der Spiele innerhalb von 7 Punkten Unterschied ist, machen solche Differenzen einen massiven Unterschied.

    Anzumerken bleibt: Das ist eine sehr schematische Rechnung. Der QB beeinflusst diese Zahlen auch nicht ganz allein. Aber er hat den größten Einfluss aller Protagonisten (Spieler und Coaches) darauf.

    Hoffe, das hilft einigermaßen als Verständnis.

  2. Bzgl. Rodgers: Ich halte ihn nach wie vor für einen der besten QBs der Liga. Wer 3rd and 20 mit einem zentimetergenauen 36yd-Pass knapp außerhalb der Seitenlinie anbringt (mit 3sec auf der Uhr), der kann sich vielleicht sogar leisten, das erste Down in die Mauer zu rennen. 😉

    Bzgl. „Bears“: https://twitter.com/br_betting/status/1133872216595152896
    Ich weiss nicht, wie diese Liste zustandekommt, aber finde sie überraschend.

  3. Die Bears sind keine gute Wette auf den Super Bowl. Vielmehr deuten auffällig viele Indizien in Richtung Regression, u.a.

    Abgang von DefCoord Fangio
    Abgänge von FS Amos & CB Callahan
    Turnover-Bilanz von +12, #3 der NFL
    Adjusted Games Lost war man #3 (2017: #31)
    Rodgers ist fit und zurück
    1st Place Schedule in 2019

    Was dagegen positiv stimmt: Pythagorean (11.6 Siege) spricht dafür, dass die Bears auch ein „legit“ starkes Team hatten. Trubisky ist nur Durchschnitt, aber in Jahr 3 evtl. noch entwicklungsfähig, Jahr 2 von HC Nagy könnte Konsolidierung einiger Offense-Ideen bringen.

  4. Mir fehlt da direkt zu Beginn der Hinweis, dass der Artikel von Tyler Dunne aber auch massiv kritisiert wurde, Aaron Rodgers ihm auch widersprochen hat. Wir werden zwar nie die ganze Wahrheit erfahren, aber zur Einordnung hätte man es erwähnen können in meinen Augen.

  5. Möglicherweise berechtigter Einwand.

    Dass ein derartiges Dokument unwidersprochen bleibt, ist allerdings alles andere als eine Überraschung. Wie auch nicht, dass Rodgers dementiert.

  6. Mike Daniels wurde mitlerweile entlassen , RB Corey Grant wurde noch verpflichtet ! gehen wir mal davon aus , das Rogers durch das Laufspiel entlastet wird , das die Chemie zwischen neuen Coach und Team stimmen wird (ist ja auch immer so eine Sache, ich erinnere mich an Rhodes (1999) der ja leider nicht überzeugen konnte), die Defens einen guten Job macht, ja , dann muß man wieder mit den Packers rechnen !

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