Buchrezension: Football Hackers – The Sciene and Art of a Data Revolution

Wir kennen es alle. Fußballspiel plätschert vor sich hin, mal eine Chance hier, ein Schuss dort. Beide Mannschaften optisch auf Augenhöhe, mit ähnlichen Stats. Und dann fällt in der 87. Minute das 1:0 und unsere Wahrnehmung von dieser Partie ist über den Haufen geworfen. Denn das Ergebnis überstrahlt alles. Wir erinnern uns nur noch daran, wie es ausgegangen ist und legen uns die entsprechenden Geschichte zurecht, warum es so kommen musste, und vergessen, dass der Verlierer identisch gleich gut war wie der Sieger.

Kein Schwein weiß heute mehr, dass die Bayern in Barcelona Pfosten und Latte schossen, das Finale der Champions League verdient im Sack hatten. Jeder kennt nur mehr „die Nachspielzeit“. Sheringham und Solskjaer. Das Triple von Manchester United. Football, bloody Hell.

Und das bringt uns zum heutigen Thema.

„Football Hackers“ von Christoph Biermann ist nun ein Buch, das hinter das Ergebnis blickt und Themen wie Advanced-Analytics im Fußball beleuchtet. Es fühlt sich irgendwo in der Tradition von „Soccernomics“ und „Numbers Game“ an – Bücher, die ich hier auch noch irgendwann vorstellen werde.

Football Hackers (Erscheinung 30. Mai 2019) ist ein Buch, das, obwohl weder überaus lang noch besonders in die Tiefe gehend, gar nicht so einfach zusammenzufassen ist, weil es so viele verschiedene Themen und Leute aufgreift – und weil die Welt der Fußball-Analytics im Vergleich z.B. zum US-Sport auffallend heterogen und noch in den Kinderschuhen ist. Trotzdem ist das Buch eine gute Fundgrubeeben weil es so viele Ansätze thematisiert.

Biermann stellt eine Serie von Personen vor, die auf verschiedenen Wegen ihren Weg in die Welt der Fußball-Nerds gefunden haben – und erzählt ihre Geschichten und in diesem Zug gleich auch von ihren Methoden, ihren Metriken, ihren Verbindungen untereinander.

Sie alle stehen in der Tradition des „ersten Fußball-Analysten“ Charlie Reep, dessen Fehlinterpretation von Datenmaterial den britischen Fußball einst um Jahrzehnte zurückwarf („kick and rush“), aber dessen grundlegende Methodik der Datenerfassung nichtsdestotrotz revolutionär war. Reep allerdings analysierte um seinen Glauben mit Zahlen belegen zu können. Heute analysiert man um neue Wahrheiten über das schöne Spiel herauszufinden.

Die Köpfe

Beispiel der Engländer Matthew Benham. Einst als Trader an der Londoner Börse auf Sportwetten gestoßen und mit diesem Geschäft der Wahrscheinlichkeiten reich geworden, kaufte Benham 2012 seinen Lieblingsverein Brentford mit der Idee, ihn zu einem Analytics-getriebenen Unternehmen umzukrempeln, kurzerhand auf.

Benham musste aber schnell erkennen, dass er im herrschenden Ambiente vor der eigenen Haustür keine Bäume ausreißen würde – und so stieg er kurz danach auch als Mehrheitseigentümer beim dänischen Erstligisten Midtjylland ein. Die haben seither mehrmals die Meisterschaft gewonnen und sind in die Champions League eingezogen.

Oder Stefan Reinartz und Jens Hegeler, die Erfinder des in der deutschen Öffentlichkeit seit der EURO 2016 verpönten „Packings“. Reinartz ist ein ex-Fußballprofi, der seine Karriere verletzungsbedingt zu schnell beenden musste und sich danach sofort der Datenaufbereitung und Analytics verschrieb um Fußball besser verstehen zu können.

Oder Colin Trainor, ein nordirischer Bankrevisor, der einst aufzeigte, wie die Tabelle lügt. Oder Ian Graham, der Jürgen Klopp vom Wert der Advanced-Stats überzeugte, ehe er ihn nach Liverpool holte.

Klopps Nachfolger Thomas Tuchel ist ebenso eine prominente Figur im Buch. Tuchel ist kein „Data Nerd“ im eigentlichen Sinne, doch seine Methoden gelten als sehr Analytics-affin. Schon seine Bestellung vom völlig unerfahrenen Jugendtrainer zum Chefcoach in Mainz galt einst als Novum, das später zahlreiche Nachahmer fand.

Tuchel ließ als einer der ersten Coaches in Deutschland exakte, auf den Gegner abgestimmte Game-Plans spielen – immer mit dem einen Ziel: Die offenen sich bietenden Räume damit besser zu finden als mit einem starren, unflexiblen System.

Tuchel ist damit einer der Vorreiter des positionslosen Spiels, wie es auch ein Pep Guardiola praktiziert. Peps „Contribution“ zum Spiel war nicht nur sein radikales Passspiel oder sein hohes Pressing (der Autor erwähnt lobenswerterweise das atemberaubende Barca-Arsenal Spiel von 2010 als eine der Sternstunden), sondern vor allem auch sein auf die Spitze getriebenes Videostudium um jeden Stellhebel zu nutzen.

Video-Analysen sind das, was in den letzten 25 Jahren seit Van Gaal die beste Methode zur Informationsbeschaffung von Fußballverantwortlichen war. Jetzt sollen Daten das Tape ergänzen, an einigen Stellen sogar ersetzen.

Dafür wurden in den letzten 15 Jahren zahlreiche Metriken entwickelt, die alle fancy names haben und verwirrend viele Namen besitzen, aber bei genauem Hinsehen so unterschiedliche nicht sind.

Die Metrics

Expected Goals (xG) ist seit 2012 zu einem Standard geworden. xG gibt den Torschüssen je nach Feldposition einen Erwartungswert. Ein Beispiel: Ein Torschuss von der 5-Meter Linie hat über 50% Erfolgsschance, ein Schuss aus 10m rund 15%, einer von außerhalb des Strafraums unter 5%. Alle Schüsse aufaddiert ergibt einen „theoretischen Tor-Wert“.

Wer auf lange Sicht seine xG-Wert outperformt, ist entweder ein eiskalt im Torabschluss, ein Glückspilz – oder hat Ineffizienzen gefunden um xG auszutricksen.

Eiskalte Torjäger existieren – doch sie sind nicht so viel besser als ihre Erwartung wie der Common-Sense glauben würde. Ein Ronaldo z.B. schießt auf eine ganze Saison aufgerechnet nur etwa 2 (in Worten: zwei) Tore mehr als seine Expected-Goals erwarten ließen. Er schießt vor allem deshalb so viele Tore, weil er

  1. so häufig abzieht, und
  2. häufig aus vielversprechenden Positionen

Einen ganz anderen Weg um xG über Jahre zu schlagen hat Lucien Favre gefunden. xG berücksichtigte in seiner Reinform weder Anzahl noch Position der Gegner. Er coachte seine Spieler in kleinsten Details wie die Haltung des Verteidigers beim Abblocken der Torschüsse oder die Platzierung von möglichst vielen Spielen in der Schussbahn – und fuhr damit auffallend gute Resultate ein.

Die neueren Versionen von xG beginnen jetzt damit, für Anzahl und Position von Verteidigern zu adjusten. Das ist eine Erweiterung von xG.

Andere sind z.B. die Ausweitung des Konzept auf die Pässe vor dem Torabschluss. Expected Assists (xA) misst die Effizienz der letzten Passgeber – und die noch einmal erweiterte Expected Goal-Chain (xGC) auf alle Passgeber in einer Sequenz („Sequenz“ wird lose als Ballbesitz beschrieben – wie lange hat die Mannschaft den Ball kombiniert und welche Pässe haben wie viel % zum Torabschluss beigetragen).

Verwandt mit dem Konzept ist ein anderes Konzept, das mittlerweile Expected Possession-Value (EPV) genannt wird und wie die Metrik mit dem momentan höchsten Potenzial wirkt, weil es auch die Position des ballführenden Spielers zum Ball („Zone“), seine Geschwindigkeit und die des Balls („Control“), Position der Gegner („Pressure“) und Anzahl der Gegner („Density“) auf 2×2 Meter großen Flächen berechnen kann.

Immer im Mittelpunkt steht das Konzept des Raumgewinns bzw. der Raumkontrolle. Über die Mitte zu spielen ist erfolgversprechender als über die Flanken, auch wenn die Mitte besser gedeckt ist. Passspiel ist besser als Dribbling. Es gilt also, die bestmögliche Abschlussposition durch Kombinationsspiel zu finden.

In diesem Umfeld scheint auch das Packing eine Chance zur Renaissance zu haben. Einst durch Scholls desaströse Erklärungen in der ARD in der deutschen Öffentlichkeit völlig verbrannt, hier noch einmal ein kurzer Reminder was Packing im Kern ist: Es zählt die Anzahl der überspielten Gegenspieler durch Passspiel – in der Offense wie in der Defense (dort sind es die überspielten eigenen Spieler).

Bei Autor Biermann steht die Packing-Metrik ziemlich hoch im Kurs. Wie stabil sie ist, ist nicht ganz klar. Aber sie zeigt ganz klar, dass nicht nur Elite-Passer wie Kroos wichtig sind, sondern auch Elite-Passempfänger wie Özil. Weil man mit Packing recht gut bestimmen kann, welche Teams und welche Spieler gute Performances abliefern, könnte es ein gutes Multi-Use Instrument sein – „das Schweizer Taschenmesser der Footballmetriken“, wie der Autor schreibt.

Wenn wir das alles kurz mit dem Football vergleichen: Dort haben wir auch Yards/Attempt, EPA/Play, DVOA, Success-Rate, die alle mehr oder weniger das gleiche messen – mit leicht anderen Schwerpunkten, mit Stärken und Schwächen, alle verpackt in anderer Aufmachung. Im Fußball ist es ähnlich: Viele verschiedene Metriken mit vielen verschiedenen Namen, die alle irgendwo das gleiche zu messen versuchen.

Wie im Football ist es auch im Fußball schwierig, defensive Performance zu messen. Schon Maldini wusste, dass ein Tackling schlechter ist als keiner – wenn ich tacklen muss, habe ich schon verloren. Doch es gibt eine vielversprechende Metrik – Pressures per Defensive Actions (PPDA): Wie häufig setzt ein Spieler, vom Stürmer beginnend, gegnerische Ballträger unter Druck?

Dass diese Stats schon recht gut beschreiben, was am Feld vor sich geht – vor allem gemessen an der taktischen Vielfalt der Mannschaften, steht bei allen Verbesserungsmöglichkeiten außer Frage. Was hingegen total unklar bleibt: Ihre „Predictability“. Wie stabil sind solche Metriken? Kann man erwarten, dass PPDA oder EVP oder Packing gut autokorrelieren? Genaue Zahlen bleibt das Buch dort letztlich schuldig.

Analytics und Scouting

Wo die Fußballindustrie schon einen Schritt weiter ist: Scouting. Wie im Football ist auch im Fußball Talent der wichtigste Treiber – und mit der sehr ungleichen Ressourcenverteilung im Spitzenfußball ist das Geld der wichtigste Einflussfaktor. Ohne geht nicht. Doch bei aller Abhängigkeit vom schnöden Mammon gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Hit-Rate auf dem Transfermarkt zu erhöhen – für die Teams mit, aber auch jene ohne Geld.

Mit dem an das Plus/Minus angelehnte „Goalimpact“ hat ein deutscher Ingenieur bereits eine exzellente Vergleichsmetrik geschaffen, die den relativen Wert von einzelnen Spielern ganz gut bestimmen und auch in die Zukunft prognostizieren kann. Goalimpact hat allerdings eine Schwäche: Es beschreibt nur, dass ein Spieler gut ist – und nicht, warum.

Im Detail nutzen ganze Scoutingabteilungen bereits Software-Applikationen, die tausende Spieler erfassen, jedoch in einem Detailgrad, der mich weiter erstaunt: Die Rede ist z.B. von einer App, die 23.000 Spieler aus 51.000 Spielen erfasst. Zwei Spiele pro Prospect als Schnitt? Ist das wirklich schon alles?

Doch wichtiger: Der erste Schritt ist gemacht. Der Eigenbrötler-Scout ist nicht mehr und die lange Zeit undurchdringlichen Agenten-Netzwerke werden zunehmend aufgebrochen.  Erstligamannschaften beschäftigen bereits ganze Scouting-Abteilungen und konsultieren diese Software-Anbieter um ihre Daten. Der allererste Schritt – die Pre-Selektion von Prospects – ist anhand dieser Tools wesentlich einfacher geworden und hat den Zufall beträchtlich gemindert.

Eine der spannenden offenen Fragen bleibt, wie man Spieler von einer Liga in die andere projizieren kann. Der Level verschiedener Ligen kann anhand einer ELO-Zahl geschätzt werden, doch die führenden Scouts im Business verzichten auf solche „Downgrades“ und lassen nach der Erstauswahl der Spieler ihre eigenen Eindrücke walten um Rohdiamanten aus kleinen Ligen nicht a priori zu übersehen.

Ziemlich cool: Das Buch ist aus dem Frühjahr 2019. Der Erfinder von Goalimpact nannte damals schon wie aus der Kanone geschossen Alphonso Davies von den Bayern als den nächsten Weltstar – eine Woche nach Chelsea ein wie bestellter Geheimtipp!

Zum Schluss…

Das Buch bietet noch mehr – es gibt eine Abhandlung zu den (einst auch von Jogi Löw) massiv unterschätzten Standardsituationen, es gibt eigene Kapitel über Julian Nagelsmann, der Handlungsschnelligkeit seiner Spieler mit mental anspruchsvollem Gehirntraining fördern will und über das Zusammenspiel von Persönlichkeitstests und Mannschaftsgefüge und noch einiges mehr.

Hier drauf einzugehen wird zu viel, und das Buch sollte schließlich auch noch von möglichst vielen gelesen werden – es ist es mit seinen zahlreichen Themenpunkten wert!

In Summe scheint Analytics im Fußball noch deutlich weiter in den Kinderschuhen zu stecken als z.B. in der NFL. Ich würde sagen, die NFL war um 2010 auf diesem Punkt: Wissen, was wichtig ist und zu Siegen führt, Erstansatz für sinnvolle Spielereinordnung und Quantifizierbarkeit von einzelnen Aktionen.

Eine der massiven Schwierigkeiten scheint zu sein, dass es im weit verstreuten Fußball trotz einiger Zusammenschlüsse von großen Stats-Anbietern noch keine zentrale „Play-by-Play“ Stelle für die Datenaufbereitung gibt. Jeder kocht noch sein eigenes Süppchen – auch weil die Einordnung von Spielsituationen noch auf Standardisierung wartet (was ist ein Tackle, was ist ein Zweikampf usw.).

Das Grading der Spielsituationen scheint noch etwas komplexer zu sein als im Football, und Trackingdaten stoßen noch bei vielen Aktionen an ihre Grenzen. Aus Kostengründen beginnt man, die Aufbereitung nach Südostasien auszulagern, wo Horden an jungen Leuten auf Arbeit warten.

Das andere große Problem scheint die Zusammenarbeit unter den Clubs zu sein: Sie wirkt eher non-existent. Der einzige FC Barcelona gilt als treibende Kraft für länderübergreifende Kooperationen. Doch Big-Player wie Bayern oder Liverpool schotten ihre Analytics-Abteilungen bereits von der Außenwelt ab. Das klingt eher wenig nach Symbiosen, mehr wie Geheimniskrämerei und künftig zahlreiche proprietäre Daten.

Viel wichtiger aber: Die zwischendurch aufgekommene Datenmüdigkeit scheint überwunden. Der Glaube an „Big-Data“ im Fußball ist zurückgekehrt. Die Zukunft soll ziemlich prickelnd sein. Die Grundsteine sind gelegt – und man steht in den Startlöchern um per Algorithmen „Ghosting“ á la Basketball zu errechnen. Obwohl das im Fußball mit seinen 11-vs-11 Matchups wesentlich schwieriger ist als in der NBA (5-vs-5), wird es bald die notwendige Rechenleistung dafür geben.

Zum Buch selber noch

Das Buch ist zwar sprachlich auch für Nicht-Muttersprachler locker verständlich, doch mit so vielen (kaum bekannten) Charakteren und ineinandergreifenden und später rekurrierenden Themen nicht ganz einfach zu lesen. (Ich hoffe, ich habe das ganze halbwegs fehlerfrei zusammengefasst.)

Die Grafiken sind etwas spärlich beschrieben und verlangen vom Leser doch einige Anstrengung um ihre Aussagen zu verstehen (nicht aber die Tabellen). Aber wie schon gesagt: Auf nicht einmal 290 Seiten eine fassungslose Themenbandbreite.

Pluspunkte gibt es für mehrere Reminiszenzen an „my boy“ Dan Kahneman, die Erwähnung von Cris Collinsworth (aber nicht von PFF) auf der SLOAN (alljährliche Sport-Analytics Konferenz in Boston) und zahlreiche US-Sportverweise (gerade wenn man sich die elendigen Analytics-Diskussionen auf Twitter anschaut, mutet es schon etwas bizarr an, dass immer wieder der US-Sport als Vorbild für Fußball-Analytics genannt wird).

Das wichtigste hat das Buch aber schon geschafft: Mein Interesse am Fußball ist wieder geweckt. Ich habe in den letzten Monaten verstärkt auf das Raumspiel der Teams und weniger die Formationen geachtet. Ich habe zum ersten Mal wirklich den Pass-Empfänger registriert anstatt ausschließlich auf den Passgeber zu achten. Und ich habe ein mittlerweile ganz anderes Gefühl dafür bekommen, von wo aus es sich lohnt aufs Tor zu schießen und wann man besser noch einmal querspielen sollte um näher heranzukommen und den siebenunddrölfzig Beinen aus dem Weg zu gehen.

Klingt alles logisch? Ist es irgendwie auch – aber interessant wird’s erst, wenn’s einem bewusst wird.

Vom Ergebnis werde ich mich wie jeder andere so schnell trotzdem nicht lösen können. Doch vielleicht kriegen wir ja bald noch ein paar Zahlen mehr, um den Endstand und die Tabellensituation und alle weiteren Facetten des Spiels in besseren Kontext zu setzen. Das ist eigentlich alles, was ich will.


Football Hackers: The Science and Art of a Data Revolution (Englisch)
von Christoph Biermann
Taschenbuch – 30. Mai 2019
Amazon-Link

34 Kommentare zu “Buchrezension: Football Hackers – The Sciene and Art of a Data Revolution

  1. Danke für die Rezension, habe mir das Buch direkt bestellt! Da mein Interesse am Fußball in den letzten Jahren (leider) immer weiter zurückgegangen ist, hoffe ich damit den Spaß daran wieder zu wecken.
    Bezüglich den Scoutingabteilungen: Wenn man 23.000 Spieler aus 51.000 Spielen beobachtet hat, heißt ja nicht zwangsläufig, dass ich pro Spiel nur einen Spieler scoute, oder? Sprich, wenn ich pro Spiel im Schnitt 4 Spieler scoute, komme ich durchschnittlich schon auf 10 Spiele pro Prospect. Ist immer noch nicht sehr viel und vielleicht sind 4 Prospects/Spiel zu viel, jedoch wollte ich nur darauf hinweisen 😉
    Außer es steht im Buch explizit wie von dir beschrieben, dann ist mein Einwurf natürlich hinfällig.

  2. mein geliebter Fußball, den ich zuletzt auch nicht mehr verfolgt habe, weil andere Sportarten / Ligen (NFL, CFB, NHL, Rugby) mich in ihren Bann gezogen haben. Analytics im Fußball, dazu hat Timo Rieke in seinem Zeit-Interview interessantes gesagt.
    https://www.zeit.de/sport/2020-01/super-bowl-mathematiker-timo-riske-siegchancen
    gerade weil es aufgrund des Spieles schwierig ist, Daten zu evaluieren steht Fußball gerade mal am Anfang der Entwicklung. Wenn wir uns vor Augen halten wie langsam die Mühlen bei den Verbänden und Funktionären mahlen, dann dürfte es noch eine ganze Zeit dauern bis Analytics sich dort auch seinen Weg bahnt.
    Bei der Rechnung wäre es besser die Anzahl der Spiele mit der Anzahl der dabei beobachteten Vereine zu ergänzen, dann sollte ein differenzierteres Bild entstehen. und ja, Buch ist bestellt.

  3. Der vollständigkei halber: das Buch ist 2018 schon auf Deutsch erschienen unter dem Namen „Matchplan: Die neue Fußballmatrix“.

  4. Ich hab beide Versionen gelesen wie auch den Vorgänger aus 2010.
    Ich fand die unterschiede zwischen 2018 und 2019 vernachlässigbar.
    Aber ich stecke auch tiefer in der Materie drin.

  5. Ein paar Bemerkungen zum Fussball, da fühle ich mich sowieso kompetenter als beim Football :-)):
    a) Fussball soll deshalb beliebter sein als z.B. Basketball, weil aufgrund der wenigen Tore die Ergebnisse zufälliger sind. Wird aktuell durch die krassen UNterschiede in den Gehaltsetats überdeckt.
    b) Sind 51 000 Spiele Spieler viel oder wenig? Wenn wir von etwa 300 Spielen pro Saison ausgehen (etwa BUndesliga) und einem Zeitraum von 3 Jahren, der für einen Scout interessant ist, komme ich auf 57 beobachtete Ligen. Das finde ich eine Menge. Wenn ich eine 57er Liste aufstelle, dann sind da schon die bulgarische Liga, die dritte englische und die B-Jugend-BUndesliga dabei. Da wundere ich mich eher, dass es von 57 Ligen verwertbare Daten (Tracking? Höchstgeschwindigkeit? % erfolgreiche Zweikämpfe) gibt. Qualität der Daten pro Spiel dürfte wichtiger sein als Anzahl Spiele.
    c) 23 000 Spieler sind auch ziemlich viel. Wir reden vom extremen Ende der Gauss-Verteilung. Da dürfte bei vielen A-Jugend-Bundesliga-Spielen schnell klar sein, welche 6 Spieler auch nur annähernd eine Chance auf Bundesliga-Einsätze haben.
    d) NFL-Datenbasis: OBJ hatte in der Saison 19/20 genau 133 Targets mit 74 Receiptions. Jimmy Graham 60/38, Jake Kumerow 21/12. Da ist eigentlich z.T. keine Statistik mehr erlaubt 🙂 bzw extrem hohe Unsicherheit zu erwarten…

  6. Datenpunkte für „Goalimpact“ sind nur die Spielberichtsbögen 8-0 ???? Da kommen vernünftige Ergebnisse raus?

  7. ja. Die Daten sind Spielerwechsel und Tor Zeitpunkte. man adjusted für Mit, Gegenspieler, Rote Karten Heimvorteil und ein paar kleinere Sachen. Gerade weil das so wenig Daten sind kann man einen riesigen Datensatz anlegen und da kommen überraschend zuverlässige Ergebnisse raus.

  8. @blub ok, danke für die Info. Es gibt halt ein paar Infos mit Bezug WM 2018 und später. Und das war definitiv nach Erscheinung des dt. Buchs (12.04.18).

  9. @ Ahmser
    Wie zufällig sind den die Ergebnis im Vergleich zu Eishockey, Baseball, Basketball, Football und Fußball?
    Müsste ja für alles zahlen geben.

  10. @Klappflügel: Viel zufälliger. Nach Numbers Game hebt sich Fußball in den Spitzenligen massiv von den anderen Sportarten ab.

    Ich werde die Zahlen hier auch mal diskutieren.

  11. @korsakoff
    Danke.
    Ich hab die 50% die es in der NFL waren schon für hoch gehalten, aber dann sind sie doch nicht so viel.
    Zweifle nur das der Grund dafür die wenigen Tore sind.

  12. Ein einzelnes Fußballspiel enthält relativ viel Glück, aber das wird besser je systematischer Fußball gespielt wird, der Fußball steht da gerade erst aus den Sartblöcken gekommen. Im Fußball hat die Talentkonzenration auch erst in jüngster vergangenheit irre zugenommen, d.h. gute und schlechte Teams waren garnicht unfassbar weit auseinander.

    Auf der anderen Seite sind Fußballligen viel verlässlicher weil man auf die Varianz von Playoffs verzichtet.

  13. Ob der Basketball vom Ring in den Korb springt oder raus: egal. Passiert 30 mal pro Spiel, also whrschl Ausgleich von Glück / Pech. Beim fussball entscheidet gerne ein Treffer an den Innenpfosten das Spiel. Oder der Klassiker „wembley“ 🙂

  14. @korsakoff
    Ich lag bei den Runs im Baseball so um den Faktor 2-3 daneben, sind doch knapp 10 Runs pro Spiel.
    Dann passt das mit den wenigen Toren, ca. 3 pro Spiel doch als Grund.

  15. Man darf auch nicht vergessen, dass in den großen Ligen 34 bis 38 Spiele stattfinden, in der NFL nur 16, also nicht einmal die Hälfte. Auch wenn das einzelne Spiel knapper ist, so gleicht sich Glück und Pech im Fußball auf lange Sicht besser aus.

    Man müsste die Ligen mal mit den Cup Bewerben vergleichen. Wie viel gibt es dort Glück? Die meisten Top Teams haben ja häufiger die Meisterschaft als den Pokal gewonnen, das spricht schon für blubs These.

  16. Die Bundesliga hat hauseigene Trackingdaten in denen alles erfasst wird. Zweikämpfe, gelaufene Kilometer, Heatmap etc… Diese Daten hat jeder Verein und ausgewählte Partner der Liga, sie sind aber leider nicht öffentlich zugänglich. Was die Vereine selber damit anstellen im Hinterzimmer ist ihr Ding. In der Premier League macht alles Opta, aber auch hier nicht öffentlich zugänglich.

  17. Persönliche theorie: Goal impact misst eher die Meinung des Trainers. Annahme: er ist kompetent. Meiner Wahrnehmung nach gibt es nur eine Handvoll Spieler, die nach Einwechslung in der Bundesliga einen Unterschied machen. Lewandowski, Petersen, … wer bei guten Vereinen von Anfang an spielt, ist gut. Wer bei Rückstand eingewechselt wird, ist gut.

  18. Analog nfl: Anzahl targets ist nur kleiner Teil Leistung im Spiel. Mehr: setzt Trainer mich als wr1 oder wr4 wg trainingsleistung ein? Hat qb wg trainingsleistung Vertrauen in mich? Natürlich auch: freigelaufen? Aber das könnte kleinster Teil sein 😉

  19. @alexanderbrink: Jein. In speziellen Situationen vielleicht ist es der Read, aber auf lange Sicht sind Targets schon ein exzellenter Indikator. Beziehungsweise: Targets/Route.

    PFF ist da schon letzten Sommer einen Schritt weiter gegangen und hat verglichen, welche Routen wann angespielt werden (Expected Targets) und welche Receiver diese Erwartung am besten schlagen:

    https://www.pff.com/news/pro-pff-data-study-examining-the-passing-game-with-route-heat-maps

    @Ahmser: Auch hier jein. Einwechslungen sind ein ganz eigenes Thema, über das ich noch schreiben werde.

  20. Ich habe Probleme mit den Aussagen aufgrund von wenig Daten. Bsp. Prognose nur auf Basis von Spielberichtsbögen (!). Findet man da nicht zu jeder korrekten Vorhersage eine Pseudo-KOrrelation? Bsp Einwechslungen: Spieler A spielt 3 Jahre als Super-Joker unter Trainer B. Liegt aber daran, dass Trainer B eine Konditionsmonster-Mannschaft produziert, die in der 70. Minute, wenn A eingewechselt wird, alle Gegner schon müde gespielt hat. Dann müsste das Modell Spieler A aus „falschen“ Gründen super finden.
    Wenn ich die Probleme bei wissenschaftlichen Versuchen sehe, verwertbare Daten zu generieren, dann bin ich bei solchen Rohdaten wie Spielberichtsbögen SEHR skeptisch. Da wird so viel Rauschen dabei sein…

  21. das problem bei vielen Datensätzen ist a) genug davon zu haben und b) das die Daten an sich nicht sehr verlässlich sind. bei Zeitpunkten kann man echt nicht so viel falsch machen, die Frage was ein tackle ist ist viel kontroverser.
    Trainereffekte sind nicht drin. Spieler vor/mit/nach Klopp sind immer ein super Beispiel was das bedeutet. aber trainerqualität ist auch normalverteilt, die allermeisten sind total egal, nur ganz wenige stechen heraus gut wie schlecht.
    Der dude hat ein Blog und nen Twitteraccount. Frag ihn.

  22. @korskoff:
    Finde ich spannend- mal wieder ein Argument für Bigdata – über die Dauer setzen sich gute Receiver durch, egal was.
    Spricht total gegen mein Bauchgefühl.
    Fände hier eigentlich einen Ansatz mit win rate ganz sinnvoll- ist aber natürlich schwer auszulesen Indies Frage wie viel Mehrwert dadurch entsteht.

    Bleibt für mich die Frage, ob es Teams gibt, die das verbocken, also einen Receiver mit guter winrate grundsätzlich als späten read festlegen.

    Ansonsten bin ich zur Überzeugung gekommen, das es schon eine Rolle spielt, ob predictability oder evaluation das Ziel der Analyse sind.

  23. @Ahmser: Zwei Anmerkungen dazu:
    1. Das Rauschen versucht man durch die Masse an Spielen etwas rauszubekommen.
    2. Das Tool ist recht gut im Prognostizieren von Karrieren.

    @alexanderbrink: Es ist immer wichtig zu wissen, was man eigentlich untersuchen will.

  24. Edit – am 05.03. im Spamfilter gelandet und erst heute bemerkt. Sorry.

    @blub
    Da du sagst, du steckst tiefer in der Materie drin – bist du eigentlich derselbe blub, der auch auf Spielverlagerung.de aktiv war/ist(?)?
    Sorry wegen der persönlichen Frage, mir ist nur die Namensgleichheit schon öfter aufgefallen und da du jetzt schreibst, du beschäftigst dich intensiver mit Fußball, dachte ich mir, es könnte ja tatsächlich sein, dass man auf dieser Seite auf dieselben Leute stößt 🙂
    War nämlich früher auch sehr oft auf Spielverlagerung und habe die Herangehensweise immer sehr gefeiert.

  25. Danke nochmal für die Empfehlung, hab das Buch äußerst gern gelesen!

    Eine Frage die ich mir schon länger stelle und mit der ganzen Diskussion um positional value in der NFL immer wieder hoch kommt: Gibt es im Fußball eigentlich auch Untersuchungen betreffend dem Wert verschiedener Positionen? Ähnlich WAR von PFF zum Beispiel.
    Am teuersten sind ja meist offensive Mittelfeldspieler und Außenstürmer, was jedoch aufgrund des freien Marktes und fehlender Gehaltsobergrenze im Fußball nur wenig aussagekräftig über den Wert der Position ist.
    Würde mich interessieren ob bei etwaiger Untersuchungen überraschende Ergebnisse rauskommen würden…

    Weiß da jemand was dazu?
    Wobei mir während dem Schreiben gerade aufffällt, dass Goalimpact wohl in die Richtung gehen müsste…

  26. Goalimpact geht in die Richtung.

    In „Numbers Game“ wird impliziert, dass Defense wichtiger ist als Offense und damit Offensivspieler überbewertet, und allgemein „Stars“ überbewertet, da Fußball ein „weakest link“ Spiel sei.

  27. Danke!
    Dass Stars überbewertet sind, konnte man fast schon ahnen.
    Werde mir vielleicht „Numbers Game“ doch mal anschauen..

  28. Das Buch ist noch erhellender und eigentlich neben „Soccernomics“ die Basis um Football-Analytics zu verstehen.

    Ich hätte die Reihenfolge der Rezensionen lieber umgekehrt geschrieben, aber Numbers Game ist noch vielschichtiger und ich hatte keine Zeit dafür.

  29. Pingback: Der EURO-2021-Abschlusseintrag | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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