Preview: Divisional Playoffs 2019 – Saturday

Hier und auch anderswo wurde in den letzten Tagen (mal wieder) sehr viel über die Bedeutung des Laufspiels diskutiert. Die vier “besten” Running Games der NFL spielen dieses Wochenende. Ist das nicht ein Beweis für die Wichtigkeit desselben? Derrick Henry ist letzte Woche einmal die A1 hoch und runter gelaufen zum Sieg! Take that, “Analytics Community”. Man kann das von vielen verschiedenen Perspektiven her analysieren und auseinandernehmen; man kann da sehr schnell vom Hölzchen auf’s Stöckchen kommen, wenn man in die Details geht. Aber im Grunde ist das ganze Thema gar nicht so kompliziert.

[6] Minnesota Vikings (11-6) @ [1] San Francisco 49ers (13-3)

Kyle Shanahan hat die ganze Diskussion auf ganz simple Weise zusammengefaßt.

“Players laugh at me a lot because I always say, ‘Do you guys want to run the ball?’ Yeah. You better be able to throw it then.”

 

And that’s it: You better be able to throw it then.

Wenn Du kein gutes Paßspiel hast, wirst Du nicht erfolgreich sein. Außer mal ein Spiel hier und da, wenn der Gegner nur 13 Punkte macht (Grüße nach New England!). Wenn Du dagegen ein gutes Paßspiel hast – und das Laufspiel auch gut ist: magic will happen.

Vereinfachte Darstellung:

  • Paßspiel schlecht, Laufspiel schlecht: nie Erfolg.
  • Paßspiel schlecht, Laufspiel gut: selten Erfolg.
  • Paßspiel gut, Laufspiel schlecht: öfter Mal Erfolg.
  • Paßspiel gut,Laufspiel gut: BOOM!

Die Voraussetzung für dauerhaften Erfolg in der NFL ist das Paßspiel. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist das Laufspiel weitesgehend egal.

Das Paßspiel ist das Benzin in deinem Auto, das Laufspiel ist der sechste Gang. Ohne Benzin im Auto kannst du nicht in den sechsten Gang schalten.

San Francisco ist das beste Beispiel. Es wird so viel geredet über das tolle Running Game, das Kyle Shanahan von Vati und Gary Kubiak gelernt hat. Und das ist auch wichtig. Aber nach NY/A sind nur zwei Mannschaften im Paßspiel besser gewesen. Das ist der Motor, auch wenn es im Game Plan anders aussieht.

Es ist auf den ersten Blick so wichtig: Zone Running Game, früh viel laufen, viel mit zwei oder drei Tight Ends spielen. Drei Running Backs mit mindestens 500 Yards (Raheem Mostert 772 Yards, 5,6 YPA; Matt Breida 623 Yards, 5,1 YPA; Tevin Coleman 544 Yards, 4,0 YPA). Ja, cool. Aber wenn Jimmy G nicht 69 % seiner Pässe für 8,3 AY/A anbringen würde, wäre das für die Katz.


Eher ist es so, daß zu viele Defensive Coordinators zu viel Aufmerksamkeit auf das Laufspiel legen. Ja, du willst nicht deinem Owner und deinen Fans erklären müssen, warum Raheem Mostert (wer?!?) für 130 Yards gelaufen ist. Aber das ist dein persönliches Problem, das ist eher Stakeholder Management als vernünftiges Game Planning.

Komischerweise ist erfolgreiches gegnerisches Laufspiel für einen Coach schwieriger zu erklären als ein Quarterback, der gegen dich für 350 Yards wirft. Da sagt man dann eher: ja klar, Jimmy G oder Aaron Rodgers oder Russell Wilson hat für 350 Yards geworfen – was sollen wir tun? Die sind ja MVP-würdig, die machen das gegen jeden.

Man kann aber auch Quarterbacks bremsen, wenn man den Fokus ändert. Lauf doch für 200 Yards, dann machst du 14 Punkte. Aber dein Paßspiel nehmen wir weg. Aber wenn man gesehen hat, wie in der vergangenen Woche sogar über Bill Belichick der Hämekübel ausgeschüttet wurde, versteht man ein klein wenig besser, warum andere Coaches das nur selten machen. Es ist persönlich ja auch verständlich: Wenn (beispielsweise) Russell Wilson mich schlägt, sagt jeder: WOW Russel Wilson. Wenn ich Russel Wilson aus dem Spiel nehme, aber der andere Running Back macht 150 Yards, schreiben alle ESPN- und andere Pundits ins Internet: was ein Idiot!

Am Ende geht es immer um Menschen, die einen Job haben und behalten wollen und dafür eher persönliches “In-house Reputation Management” betreiben, als das zu tun, was das beste für die Mannschaft (bzw. Unternehmen) ist. Jeder, der mal in einem Büro gearbeitet hat, kennt unzählige Varianten dieser Verhaltensweise: CMA for a living (“Cover My Ass”). Belichick muß sich darum keine Gedanken machen; aber die meisten anderen Coaches haben diesen Luxus nicht. Wer trotzdem das richtige macht: Chapeau! Wer nicht: du bist nicht besser als hundert andere, aber Glückwunsch zur Vertragsverlängerung.


Puh. Wie kommen wir denn jetzt zurück zum Spiel?

Was ich ganz groß in meinen Notizen zu den 49ers haben ist dies: schnelle Spieler, die Tackles brechen. Vor allem WR Deebo Samuel, RB Raheem Mostert und TE George Kittle. Die älteste Strategie der Welt: bring den Ball in die Hände deiner gefährlichsten Spieler.

So simpel (und richtig!) der Ansatz ist, so komplex führt Shanahan das aus. Es gibt sehr viel Play-action, viel Running Game, viele kurze Pässe. Klar gibt es deep shots. Aber vor allem lullt man die Verteidigung ein in ihre Base-Defense. Es sieht aus, als wäre der Fokus das Laufspiel – aber in Wirklichkeit ist es der Paß.

Jimmy G macht das insgesamt richtig gut. Ich behaupte immer, gute Quarterbacks müssen in drei Dingen gut sein: Pocket Awareness, Decision Making, Accuracy. Die ersten beiden Dinge macht Garoppolo richtig gut; Accuracy ist meistens gut, aber er hat auch immer wieder Spiele dabei, in denen er viel daneben wirft.


Auf der anderen Seite ist es ganz ähnlich: Kirk Cousins ist ein ähnlich solider Quarterback, hat aber Schwächen in der Pocket Awareness. Zu schnell verliert er oft die Nerven under pressure.

Sie sind beide nicht “elite”, Cousins wie Garoppolo, aber sie sind in der Klasse direkt darunter.

Schlüssel für Minnys-D: sicher tacklen und aufmerksam sein in der Mitte. Und da haben sie mit den Safeties Anthony Harris, Harrison Smith und Linebacker Eric Kendricks drei hervorragende Verteidiger. Die Mitte wird ein Leckerbissen für Tape Watchers. (Bei DAZN diese Woche leider nicht: Adrian Franke. Aber hoffenelich danach.)

Und Schlüssel auf der anderen Seite: Cousins Streß machen und ihn zu dummen Entscheidungen zwingen. Die DLine der 49ers ist dafür auf dem Papier prädestiniert, aber in realiter haben sie in den letzten Wochen doch sehr geschwächelt. Weil Dee Ford verletzt war, weil Rookie Nick Bosa sein Tempo von Saisonbeginn nicht halten konnte, kam da nicht mehr so viel Druck wie noch bis Mitte November.

Das ist für mich ein ganz offenes Spiel, vor allem, wenn Vikings-D die Mitte gut verteidigt mit sicheren Tackles und die Playmakers der 49ers keine großen Yards-after-Catch erlaubt.

[5] Tennessee Titans (10-7) @ [1] Baltimore Ravens (14-2)

Das hier ist seit vielen Jahren ein Greg-Roman-Fanboy-Account. Wir haben hier während Romans Zeit bei den 49ers 2011-14 viel über ihn geschrieben und ihn abgefeiert. Auch danach noch, als er unter Rex Ryan bei den Bills war. Seine eigenen Gedanken Jahre später wiederzulesen ist manchmal so peinlich, wie seine eigene Stimme als Tonaufnahme zu hören. Folgendes Zitat gibt aber einen guten Eindruck:

Das paßt vor allem zu Buffalos Offense unter OC Greg Roman sehr gut. Greg Romans Offense ist wie die moderne Frau, die auch im Jahre 2016 jeden Tag Kleid trägt: auf den ersten Blick wirkt es aus der Zeit gefallen, auf den zweiten denkt man: picture perfect! Warum sieht man das nicht viel öfter? Wie in den 60er Jahren wird der Ball gelaufen: mit Power durch die Mitte; mit vielen „pulling“ Guards und auch Tackles; mit weit ausgreifenden Sweep Plays à la Vince Lombardi und das Ganze durchsetzt mit Option Plays. Wenn Roman das Spotlight hätte, das er verdient, und einen PR-Berater, der ihm dicke Verträge verschafft, würde man seine Offense schon seit vielen Jahren als exotic smashmouth bezeichnen.

[LINK]

Ja, der Vergleich ist fragwürdig, vielleicht hatte ich da ein, zwei Gläser Schampus inne. Aber das war im September 2016 inhaltlich richtig – und auch im Januar 2020 kann “exotic smashmouth” ein gut funktionierender Ansatz in der NFL sein. Leider wurde der Begriff “Exotic Smahsmouth” dann verbrannt von anderen Menschen – aber nichts anderes  ist Baltimores Offense.

Wobei “gut funktionieren” natürlich untertrieben ist, wenn der QB nicht Tyrod Taylor oder Colin Kaepernick ist. (Trigger-Warnung: wenn man 49ers und Kapernick hier auf dem Blog mal nachlesen will, findet sich viel negativer Content von mir).

Ich will hier auf keinen Fall die Kaepernick-Pandora-Büchse aufmachen, sondern stattdessen nur festhalten: Lamar Jacksons Arsch paßt auf Greg Romans Eimer besser als alle vorherigen, äh, Quarterbacks:

  • QB 1: 3035 Yards, 8,3 AY/A, 20 TDs, 6 INT, 568 Rushing Yards
  • QB 2: 3197 Yards, 7,8 AY/A, 21 TDs, 8 INT, 524 Rushing Yards
  • QB 3: 3127 Yards, 8,9 AY/A, 36 TDs, 6 INT, 1206 Rushing Yards

QB3: klar, Jackson. QB2: Kaepernicks beste Saison 2013. QB1: Tyrod Taylor unter Roman 2015.

Aber bevor wir zu Jackson kommen, noch kurz die anderen. Zuerst: die Offensive Line. Right Guard Marshall Yanda wird hier auch seit Jahre gefeiert, er ist keine Überraschung. Die jungen riesigen Tackles Ronnie Stanley und Orlando Brown sind wahrscheinlich Romans Lieblingsschüler; Left Guard Bradley Bozeman und Ersatz-Center Patrick Mekari machen richtig gut mit, aber sie sind auch lange nicht über jeden Zweifel erhaben. Über die können wir aber auch nächste Woche noch schreiben.


Wie funktioniert diese Offense?

Erstmal grundlegendes: 42 % aller Paßversuche zielen auf Tight Ends. Der höchste Wert der NFL. Dahinter: Caron Wentz: 38 %, Derek Carr 31 %. Jimmy Garoppolo 28 %, Patrick Mahomes 27 %. (Garoppolo und Mahomes haben wir dieses Wochenende auch unter den letzten 8, das ist vielleicht kein Zufall.)

Wichtig für die Defense: Cornerback Logan Ryan und Safety Kevin Byard. Mark Andrews und Hayden Hurst müssen limitiert werden. Vor den Wide Receivers muß man keine große Angst haben. Der Verlust von CB Malcolm Butler schmerzt hier kaum. Aufpassen vor dem Deep Ball muß man in der NFL immer, aber hier und heute ist keine besondere Anpassung nötig.

Baltimores Hollywood Brown ist ganz stark in die Saison gestartet, wurde aber auch schnell eingebremst. In den ersten beiden Spielen hat er Bälle für 233 Yards gefangen, danach wurde er immer wieder aus dem Spiel genommen. Die letzten fünf Spiele nach Yards

  • 1 Yard
  • -2 Yards
  • 45 Yards
  • 6 Yards
  • 15 Yards

Er ist gefährlich, wenn sein Verteidiger dumm ist. Ist sein Verteidiger nicht dumm, spielt er kaum eine Rolle. Auch die anderen WRs machen niemandem Angst. WR2 Willie Snead hat seit Anfang Oktober nur einmal mehr als 20 Receiving Yards gebracht: 22 in Woche 17 gegen Pittsburgh. Der dritte, Seth Roberts, hat nur einmal in der gesamten Saison überhaupt einmal mehr als drei Targets gesehen. Klar: Auge auf Brown ist wichtig; aber aber die Receivers sind als Faktor vernachlässigbar gegenüber den Tight Ends. Auch RBs spielen hier keine große Rolle: Mark Ingram hat als bester RB nur 29 Targets gesehen.

Es ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise will man in der “modernen NFL” gefährliche Space Players als RB und WRs, die entweder tief eine Gefahr sind oder konstant kurze Bälle fangen (der berühmte “Possession Receiver”), all das hat Baltimore nicht (höchstens Hollywood Brown tief mit großen Abstrichen).


Was sie haben, sind Greg-Roman-Laufspiel und extrem gefährliche Tight Ends. Mark Andrews, Hayden Hurst und Nick Boyle haben zusammen 180 Targets gesehen diese Saison. Ich hab’s nicht nachgeschaut, aber wahrscheinlich hat keine andere Mannschaft ihren Tight Ends so klar den Vorzug gegenüber den WRs gegeben.

Das sieht sehr ähnlich aus zu der alten 49ers-Offense mit den Tight Ends Vernon Davis und Delanie Walker. Aber die hatten immerhin noch Michael Crabtree und (zeitweise) Anquan Boldin als Possession Receivers. Mark Andrews übernimmt hier viel von der Crabtree-Rolle als “Security Blanket”, aber er ist jetzt auch kein Rob Gronkowski.

Der Angriff lebt vom unglaublich vielfältigen Laufspiel. Es hat so viele verschiedene Facetten und Ideen und Spielzüge und Wrinkles, daß kaum noch Zeit bleibt, um sich besonders tiefgehend mit dem Paßspiel auseinanderzusetzen. Das machen wir dann nächste Woche. Macht ja Baltimore selbst übrigens auch nicht.


 

Theoretisch ist diese Offense relativ dünn aufgestellt.

Aber praktisch hat diese Offense Lamar Jackson.

Man wird ihn nicht eliminieren können, aber man kann wichtige Dinge wegnehmen. Bei jedem Quarterback, der so gut auf den Beinen ist, gibt es eine goldene Regel: Laß ihn nicht außen vorbei. Für den Pass Rush bedeutet das: du darfst nicht “hinter” den QB kommen. Also eher etwas langsamer im Pass Rush, aber dafür: den Quarterback in die Mitte zwingen. In der Mitte ist niemals soviel Platz wie außen. Klar: blöd für dich Mr Edge Rusher, daß es nicht dein Sack ist. Aber in der Mitte bekommt der QB früher oder später auf die Mütze. Außen bekommt er Highlights bei ESPN.

Packers-Fans bekommen heute noch Albträume, wenn sie nachts sehen, wie Kaepernick in den beiden Playoff-Spielen 2012 und ‘13 gegen sie außen für hunderte Yards vorbeigelaufen ist. Das darf hier nicht passieren! Wenn Jackson auch durch die Mitte 100 Yards macht: so be it. Aber nicht und niemals über außen!

Die Chargers haben das ganz berühmt letztes Jahr in den Playoffs mit vielen Defensive Backs gemacht: speed statt power. Wie die Titans das hier machen, ist nicht so wichtig. Aber daß sie außen zumachen, umso sehr.

Interessant wäre noch das Thema: Lamar Jackson muß passen, weil er in Rückstand ist. Jackson ist der front-runner galore. Was macht er aber, wenn mal wegen des Spielstandes der Gegner nur noch das Paßspiel verteidigt, aber das Laufspiel ignoriert? Darüber können wir nächste Woche reden, denn mit einem so konservativen Head Coach wie Mike Vrabel für die Titans wird das hier kein Thema werden. Nächste Woche gegen Patrick Mahomes vielleicht schon.


Wir haben ganz unterschiedliche und sehr kreative Offenses, aber wenn man sich durch das vielfältige Window Dressing durchkämpft, hat jede Defense ein wichtiges Ziel – und da ist nichts revolutionäres dabei, es ist “nur” execution. Wobei das “nur” hier in allen Fällen extrem schwierig sein wird:

  • MIN: Mitte zu und sicher tacklen gegen TEs und horzontale WR-Routen.
  • SF: Über pressure von außen QB zu dummen Entscheidungen verleiten.
  • BAL: Deep Shots aus Play-Action verhindern.
  • TEN: Lamar Jackson nicht über Außen ausbrechen lassen.

Easy auf dem Papier. Aber praktisch extrem anspruchsvoll. Eines steht aber außer Frage: wenn Du kein gutes Paßspiel hast, kommst Du nicht ins Championship Game.

6 Kommentare zu “Preview: Divisional Playoffs 2019 – Saturday

  1. hope dies last, aber ich glaube dass ein Sieg in SF schon eine mörder challenge wird.

    Thielen nicht fit, Diggs war die Woche krank, beide CB’s auf IR und gegenüber bei SF alle am fit werden.

    Eine Chance gibt’s nur dann, wenn Zimmer’s gameplan einen ähnlichen offense shutdown wie gegen NO hinbekommt und Cook+Cousins (vor allem Zweiter) heiß laufen. We’ll see

  2. Wie so oft: Es ist eine Freude, so einen Artikel zu lesen. Man ist wirklich schlauer danach. Danke.

  3. Pingback: NFC-Divisional Playoffs 2019/20: San Francisco 49ers – Minnesota Vikings im Liveblog | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  4. Sehr gut geschrieben. Hab auch das Gefühl jetzt schlauer zu sein, weil gut verständlich aufgeschlüsselt wird worauf die eigenen Aussagen beruhen. Top!

  5. Pingback: AFC Divisional-Playoffs 2019/20: Baltimore Ravens – Tennessee Titans im Liveblog | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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