All-32: Indianapolis Colts 2020 Preview

Die Colts haben das erste Jahr „nach Andrew Luck“ mit 7-9 Bilanz recht passabel über die Runden gebracht. Wo es hakte, war dennoch klar: Quarterback. Jetzt hat man Oldie Philip Rivers von den Chargers geholt.

Die Colts waren wohl das mittelmäßigste Team in der ganzen NFL:

  • Bilanz 2019: 7-9
  • Pythagorean: 7.7 Siege (#17)
  • Close Games: 5-6
  • Offense EPA/Play: +0.01 (#16)
  • Defense EPA/Play: +0.01 (#18)
  • Turnovers: +2
  • Adjusted Games Lost: #12

In der Offseason hat der bislang extrem bedächtig agierende GM Chris Ballard plötzlich einen Big-Move nach dem anderen ausgepackt:

  • 1st Rounder für DT DeForest Buckner verkauft
  • Neuen QB in Rivers geholt
  • WR Michael Pittman gedraftet

Die Colts, deren Kern (WR Hilton, EDGE Houston, OT Castonzo, Rivers) schön langsam in die Jahre kommt, haben jetzt auch eine ganze Menge an jungen Spielern, die nachrücken. Sind sie noch reif? Sind sie schon reif???

Offense

Natürlich ist der Rivers die Schlüsselperson. Quarterback war 2019 der große Knackpunkt, der die komplette Colts-Saison torpedierte: Jacoby Brissett ist ein guter Backup, aber kein valider Starter. Unter ihm gab es quasi keine Big-Plays, und ohne solche ist eine Offense extrem limitiert.

Rivers kommt nach 13 Spielzeiten als Starter von den Chargers, und auch wenn er hie und da als „washed“ abgestempelt wird, sehe ich einiges Potenzial in dem Move:

  1. Rivers kennt den Trainerstab. Headcoach Frank Reich war in San Diego schonmal Rivers‘ OffCoord. Der damalige QB-Coach Nick Sirianni ist jetzt OffCoord.
  2. In Rivers‘ 2019 stechen die 20 INTs heraus, aber fast die Hälfte davon kamen kurz vor Spielende bei Rückstand (H/T @suuma). Dann gibt es sowieso nur mehr zwei akzeptable Resultatet: Touchdown oder Interception. (aber psssst, erzähl das nicht Derek Carr…)
  3. Rivers war schon mehr als einmal totgesagt und er kam immer wieder zurück.
  4. Er war #8 nach CPOE.
  5. Er hat nun zwar schwächere Receiver als in L.A., dafür aber auch eine viel bessere Offense Line (PFF rankt sie als #1 der Liga, nach PBWR war sie #3).

Du stehst auch noch mehr Beweihräucherung für Philip Rivers? Hier entlang.

Bissl fragwürdig ist die generelle Ausrichtung der Offense (RB Jonathan Taylors Einberufung mit dem #41 Pick wurde als Move zu Establish-the-Run gefeiert) und die Qualität im Receiving-Corps. Dort kehrt Hilton nach vielen Verletzungsproblemen 2019 zurück.

Rookie Pittman wird schnell ein entscheidender Mann: Liefert er und schafft schnell den Sprung zu einer validen #2, kann man Parris Campbell genau als das einsetzen, wofür er 2019 gedraftet wurde: Im Slot, als #3. In Nyheim Hines hat man eine Art „neuen Ekeler“ für Rivers‘ Checkdown-Game – es ist kein überragender Receiving-Corps, aber ein brauchbarer.

Thema Play-Calling ist auch interessant: Mit QB Luck war Frank Reich 2018 der viert-aggressivste Early-Down Play-Caller (Pass-Quote!), mit Brissett sagte er 2019 die zweitmeisten Runs an.

Defense

Die Colts-Defense ist eine Mehltau-Defense: Viel Cover-2 (30% der Snaps und mehr) und 4-Mann Passrush. Es ist eine eher statische Defense.

DT Buckner ist ein ziemlich logischer Einkauf für das, wie die Colts ihre Defense bauen wollen, aber er wirkt sowohl in Trade-Preis als auch im 21 Mio/Jahr Gehalt überbezahlt; was jetzt noch fehlt, ist mehr Dampf im Edge-Rush: Justin Houston wird langsam alt, Turay ist jung und extrem produktiv aber ständig verletzt, Ben Banogu ist als Zwitter Edge/Linebacker bis jetzt nicht Fisch, nicht Fleisch.

Linebacker ist um Darius Leonard herum sehr gut besetzt, aber im Defensive Backfield tun sich ein paar Fragen auf, nachdem der vielversprechende Marvell Tell Corona-bedingt aussetzt. FS Malik Hooker bekam überraschenderweise nicht die 5th-Year Tag; er gilt schematisch nicht als idealer „Fit“ (Hooker ist eher gemacht für eine Cover-1 oder Cover-3 Patrouille).

Auf Cornerback ist man jung und eher unsicher besetzt: Rock Ya-Sin und Khari Willis sind Draftjahrgang 2019, Isaiah Rodgers 2020. Nur Kenny Moore und der neu von den Vikes geholte ex-Pro Bowler Xavier Rhodes haben schon ein paar Jahre Erfahrung auf NFL-Niveau. Rhodes gilt überdies als „Name over Production“.

Die ganze Defense setzte in den letzten Jahren auf einen sehr speziellen Typ Coverage-Defender: Groß gewachsen, lange Arme, physisch. In den letzten Jahren war man damit nur im Liga-Mittelmaß nach Effizienz, doch DefCoord Matt Eberflus hat dem Vernehmen nach recht viel aus dem Spielermaterial herausgeholt. Jetzt muss man halt hoffen, dass die Spieler nach 1-2 Jahren Profi-Erfahrung langsam reif für den Durchbruch sind.

Ausblick

Für mich sind die Colts recht klarer Favorit in der AFC South. Das liegt vor allem an Headcoach und Quarterback. Reich und Rivers sind nominell das beste Duo der Division – auch wenn Rivers 38 ist und sein erstes Jahr außerhalb der Chargers-Organisation spielt.

Die Offense Line ist die beste der NFL. Der Receiving-Corps ist nicht ideal, aber wenn Pittman halbwegs gut in die Gänge kommt längst nicht so schlecht wie er gemacht wird. Die Defense ist okay, nicht katastrophal. Wenn die Colts wie 2018 stark auf den Pass setzen und Rivers noch nicht komplett shot ist, dann sehe ich kein annähernd so komplettes Team in der Division.

3 Kommentare zu “All-32: Indianapolis Colts 2020 Preview

  1. Vielen Dank für diesen überragenden Blog. Ich lese seit 7 Jahren hier täglich mit und mir ist es schon sehr sehr unangenehm diesen Dank nicht schon vor langer Zeit ausgesprochen zu haben.

    Der sidelinereporter ist jeden Morgen die erste Anlaufstelle, während der Rechner auf der Arbeit startet.

    Als Fan der Texans; hältst du die Colts für so viel stärker? Der Spielplan spricht natürlich klar für die Colts. Die potentiell stärkere Offense würde ich aber bei den Texans sehen – bei allem Respekt für P.Rivers. Und erstmals seit 2016 wird nicht BOB das Playcalling übernehmen.

    Und noch einmal. Vielen Dank für deine Arbeit!

  2. Danke!
    Man sollte die absurde Defense bei den Texans nicht vergessen. Offense gibt es ein paar Fragezeichen nach dem Nuk-Abgang, O‘Brien als Playcaller fand ich längst nicht so schlecht wie als GM.

    Texans-Pythagorean 2019 war übrigens nur 8.3 Siege, impliziert eine mit 10-6 deutlich überschätzte Mannschaft, und Colts haben den wesentlich einfacheren Spielplan und für heuer ein deutliches Upgrade auf QB.

  3. Pingback: Furchtlose NFL-Vorschau 2020/21: Die Kronprinzen | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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