NFL-Franchises im Kurzporträt, #7: Washington Redskins

Rückständig, stolz, gesichtslos, profitabel: Die Redskins waren und sind ein Team der Widersprüche und die Widersprüchlichkeit hat noch kein Ende genommen. Aber lesen Sie selbst.

Bis 1945: Erfolge und Debakel

1932 als Boston Braves gegründet, zogen die Braves (ab Jahr zwei bitteschön: Redskins) 1937 in die Hauptstadt um und waren fortan die Washington Redskins, die sich in den ersten Jahren unter QB/P/Verteidiger Sammy Baugh einen Namen als alljährlicher Titelkandidat machten: Zwei Titelgewinne, aber auch die verheerendste Finalniederlage ever: 0-73 gegen die Chicago Bears 1940. Bis heute „unerreicht“.

Die Rassisten – oder?

Die Redskins waren danach unter dem eigenwilligen Owner George Preston Marshall eine außerordentlich stolze, ambitionierte Mannschaft, die um jeden Preis Erfolge haben wollte. Marshall lachte sich eine Reihe höchst bekannter Coaches an (u.a. Lambeau und Lombardi) – alle floppten. Kann jemand eine Parallele zu Dan Snyder erkennen?

Marshall war aber noch schlimmer: Zwar ließ er die Umbenennung des neuen Stadions in D.C. nach dem Demokraten Robert F. Kennedy zu, aber Marshall war Rassist durch und durch und weigerte sich fast bis zum Ende seine Regentschaft Ende der 60er, einen schwarzen Spieler einzukaufen.

Es folgten 70er mit einer Superbowl-Teilnahme, aber ansonsten eher Graues. Bis der Mehrheitseigentümer Jack Kent Cooke endlich beschloss, auch operativ tätig zu werden. Cooke installierte recht schnell den OffCoord der Chargers: Joe Gibbs.

Die Dekade des Erfolgs

Gibbs, der Mann mit der hellen Stimme, machte sich schnell einen Namen damit, gesichtslose Mannschaften ohne Franchise-Quarterbacks zu Topmannschaften zu coachen. Aufbauend auf dominanten Offensive Lines („The Hogs“) waren die Redskins eine Macht, der schwer beizukommen war, selbst in einer Division mit dem großartigsten aller Pass Rusher, OLB Lawrence Taylor (Giants).

Gibbs holte sich (neben einer Endspielniederlage 1983) drei Superbowls (1982, 1987, 1991) mit drei verschiedenen Quarterbacks: Joe Theisman, Doug Williams und dem Kanadier Mark Rypien.

Bizarr: Williams war der erste schwarze QB, der die Super Bowl holte – für die Franchise, die einst als letzte schwarze Spieler akzeptiert hatte. Rypien war der erste ausländische QB mit Ring am Finger – in der Hauptstadt der ultrapatriotischen US-Nation. Stars der Mannschaft über die Jahre waren aber nicht die QBs, sondern WR Art Monk und CB Darrell Green.

Nach dem Abschied Gibbs‘ in Richtung NASCAR ging es abwärts und die Redskins waren abseits des Spielfelds in den Schlagzeilen. Man buhte den jungen QB Heath Shuler gnadenlos zurück nach Carolina.

Skandal! Beleidigung! Richter!

Noch wüster: Die amerikanische Unsitte, aus alles und jedem eine Klage konstruieren zu müssen, um aus nichts Profit schlagen zu können, sorgte für lange Prozesse der amerikanischen Ureinwohner („Indianer“) gegen Name, Logo und Farben der Redskins („Rothäute“). Nichts gegen Minderheitenschutz (ich bin selbst Teil einer Minderheit), aber sowas ist, nun ja, etwas sehr peinlich.

Auch, weil a) die „Indianer“ fast 60 Jahre warteten mit der Klage und fast 25 Jahre nach der offiziellen Patentierung, was schalen Beigeschmack hinterlässt und b) die Mehrheit der Minderheit gar nicht hinter dem Aufsehen stand: 91% der Indianer finden „Redskins“ abkeptabel. Richtiger Entscheid: Abweisung der Klage. Zu lange mit der Profitgier gewartet.

Die unsägliche Ära Dan Snyder

Seit Dan Snyder Ende der 90er Owner der Redskins ist, hat sich der Unternehmenswert der Redskins verixfacht. Allein: Sportlich ist davon wenig zu merken. Man kriecht seit gefühlten Ewigkeiten im unteren NFL-Drittel, nicht zuletzt auch, weil Snyder viel zu ungeduldig ist und sich häufig in die personellen Entscheidungen einmischte. Snyder kaufte gerne teure und lernresistente Stars ein, die ihre Verträge mit nach Hause nahmen und den eigenen Rookies den Platz wegnahmen.

Selbst der reaktivierte Joe Gibbs konnte die Redskins nicht entscheidend nach vorne entwickeln und mittlerweile ist man beim alten Broncos-Superbowlsieger Mike Shanahan angelangt, dessen erste Monate auch nicht das allergrößte Versprechen waren.

Was mich hoffnungsfroh stimmen würde: Snyder kümmert sich nun weniger um das Tagesgeschäft.

Das Stadion

Redskins Stadium

FedEx Field (90.000 Plätze) ist das größte Stadion der NFL. Und eines der seelenlosesten. Gelegen ist es draußen in Landover/Maryland, nicht mal in D.C. Zum Stadion hin führt eine U-Bahn und wer mit dem Auto anreist, riskiert, drei Stunden im Stau stecken zu bleiben. Vor dem Stadion angelangt, sollte man sich vorsehen, um nicht wahlweise niedergeschossen oder -geknüppelt zu werden: FedEx Field liegt in einer sehr unguten Umgebung.

Putzig: Die Farbkombination zwischen den rot-gelben Rängen und dem hellgrün-lila von Sponsor FedEx. Alles in allem ein eher verunglücktes Stadion an einem unglücklichen Ort, würde ich sagen.

Rivalitäten

Die Rivalität zwischen Redskins und Dallas Cowboys ist so alt und so intensiv, auch in sportlich nicht allzu wichtigen Spielen, dass im Zuge der Neusortierung der Divisionen 2002 hinsichtlich der Geographie eine Ausnahme gemacht wurde: Dallas, das auf der Landkarte mehr West denn Ost ist, blieb in der AFC East, um weiterhin 2x/Jahr gegen die Redskins spielen zu können. Ursprung der Rivalität: Skins-Owner Harrison wollte einst um jeden Preis die Gründung der Cowboys verhindern, da er mit seinen stolzen Rothäuptern allein den „Süden der NFL“ repräsentieren wollte. Kleinkarierte Denke mit dem Resultat: Gründung Cowboys, hitzige Feindschaft.

Ansonsten sind es natürlich die anderen beiden NFC-East-Gegner Philadelphia und NY Giants, gegen die man in Washington immer ganz besonders gerne spielt. Lokalrivale wäre Baltimore, aber gegen die Ravens spielt man nur einmal alle vier Jahre.

Gesichter der Franchise

  • Joe Gibbs – Head Coach und dreifacher Superbowl-Champion. Machte aus gesichtslosen Mannschaften ohne große Stars schier unschlagbare Mannschaften und gilt deswegen als einer der besten Coaches überhaupt.
  • Sammy Baugh – Punter, Quarterback, Abwehrspieler in Personalunion und bis heute der einzige Spieler, der in einer Saison die meisten Yards im Passspiel und Punten hatte, sowie auch noch die meisten Interceptions.
  • Darrell Green – CB, von 1983 bis 2000 17 Jahre lang auf hohem Niveau unterwegs und zweimal Superbowl-Champ.

korsakoffs Highlight

Ist es möglich, dass diese Rubrik leer bleibt? Bis auf ein 7-52 gegen New England vor ein paar Jahren haben die Redskins noch nicht Denkwürdiges produziert. Und mit „7-52“ möchte man ja nicht wirklich in Erinnerung bleiben.

Eckdaten

Gegründet: 1932 als Boston Braves
Besitzer: Dan Snyder (Finanzhai)
Division: NFC East
Erfolge: Superbowl-Champ 1982, 1987, 1991, Superbowl-Niederlage 1972, 1983, dazu NFL-Champ 1937, 1942, 23x Playoffs (23-18) – Stand 2013

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8 Kommentare zu “NFL-Franchises im Kurzporträt, #7: Washington Redskins

  1. Bisherige Berufe von NFL-Ownern:

    Arthur Blank (90% Home Depot)
    Steve Bisciotti (Aerotek/Allegis)
    Stephen Ross (95%, Related Companies)
    Paul Allen (Microsoft)
    Stan Kroenke (Immobilien)
    Dan Snyder (Finanzhai)

    Köstlich.

  2. Habe ich schon erwähnt, dass ich diese Art und diesen eigenen Charm in der Präsentation der Franchises einfach liebe? Großartig, ich möchte mehr davon!

  3. Nein man kann nicht von Ghetto sprechen, aber in Landover ist die Kriminalität nicht am geringsten.Ich war vor Jahren mal bei einem Skins Spiel und in Landover musste sogar eine Mall schließen weil es immer mal wieder zu Übergriffen kam. Das ist auch der Grund warum man nirgends parken kann. Die Parkplätze am Fedex Field sind alle für Dauerkartenbesitzer und rundherum ist alles bewaldet, ich würde dort kein Auto stehen lassen. Und man kommt nur mit dem Auto über die I-95 nach Landover wenn man nicht kilmeterlang zu Fuß spazieren möchte, zumindest war das damals so. Mit dem Auto steckt man halt lange im Stau und parken mussten wir zwei Meilen vom Stadion entfernt an einer Basketballhalle parken.

    Das mit den Knüppeln könnte sich aber auch auf die vielen Besoffenen beziehen, war jedenfalls schon auffällig wie viele da rumgelaufen ist. Mit Frau und Kind wäre ein Skins Heimspiel nichts für mich 😉

  4. Pingback: Heut’ spielen Cowboy und Indianer (und lasst das Lasso aus dem Spiel!) « Sideline Reporter

  5. Pingback: Thanksgiving-Preview 2012 | Sideline Reporter

  6. Auch wenn’s schon ein etwas älterer Eintrag ist, muss ich hier doch mal kurz kommentieren: kann die Beschreibung der Umgebung des Fedex Field absolut nicht teilen. Mag sein, dass sich hier in den letzten Jahren etwas geändert hat, aber Landover erschien mir doch eher kleinbürgerlich, fast spießig. Und wir waren auch zu später Stunde beim monday night game dort zu Gange. Die Anreise zum Stadion via Metro ist relativ problemlos, für das MNG wurden sogar die Öffnungszeiten verlängert.
    Mit dem Auto scheint es aber problematisch zu sein, da es recht weit außerhalb von D.C. liegt und dann schlecht ausgebaute Straßen…das Flair des Stadions ist dadurch sicher nicht so toll wie in einigen anderen NFL-Stadien (kenne aus eigener Erfahrung nur das neue Mile High)..seltsam sieht vor allem der Rückbau aus.

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